Wenn Menschen mit Demenz unter Schmerzen leiden, ist es oft schwierig zu erkennen und zu beurteilen, da die verbale Kommunikation im Verlauf der Erkrankung immer schwieriger wird. Dies stellt eine Herausforderung für Angehörige, Pflegekräfte und Ärzte dar. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen von Krämpfen und Schmerzen bei Demenz, sowie verschiedene Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten.
Demenz und Schmerz: Ein komplexer Zusammenhang
Demenz betrifft überwiegend ältere Menschen, bei denen auch häufiger Schmerzen auftreten, darunter chronische Schmerzen wie bei Arthritis. Schmerzen sind für alle Betroffenen eine Belastung, da sie sich mitunter nicht mehr frei bewegen und am sozialen Leben teilhaben können. Die Intensität der Schmerzwahrnehmung kann jedoch mit der Form der Demenzerkrankung zusammenhängen. Studien deuten darauf hin, dass bei den häufigsten Formen, Alzheimer und vaskulärer Demenz, eine erhöhte Schmerzempfindlichkeit besteht.
Aktuellen Studien zufolge empfindet mehr als die Hälfte der zuhause lebenden Demenzkranken täglich Schmerzen, wobei diejenigen mit schwerer Demenz am stärksten betroffen sind. In Pflegeheimen haben sogar 60 bis 80 Prozent der Personen mit Demenz regelmäßig Schmerzen. Chronische Schmerzen können sich negativ auf den geistigen Zustand auswirken und zu einem beschleunigten Gedächtnisverlust führen.
Ursachen von Schmerzen bei Demenz
Für Schmerzen bei Menschen mit Demenz gibt es verschiedenste medizinische Ursachen. Eine davon ist der orofaziale Schmerz, der mit schlechter Mundpflege zusammenhängt. Schmerzen können auch das Verhalten der Betroffenen beeinflussen und zu Depressionen, Umherwandern, Unruhe und Aggression führen.
Altersepilepsie als mögliche Ursache für Krämpfe
Eine oft übersehene Nervenkrankheit unter Senioren ist die Altersepilepsie, die jedoch gut behandelbar ist. Ein epileptischer Anfall ist ein Krampfanfall, der durch eine vorübergehende Funktionsstörung von Nervenzellen im Gehirn ausgelöst wird. Bei einer Altersepilepsie betrifft der Anfall oft nur einen bestimmten Bereich des Gehirns, was zu weniger spezifischen Symptomen wie kurz auftretenden Abwesenheitszuständen, Verwirrtheit oder Sprachunfähigkeit führen kann.
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Die Besonderheiten im Erscheinungsbild führen dazu, dass eine Epilepsie im Alter oft nicht erkannt oder als Folge des Alterns missverstanden wird. Ursachen für die Epilepsie im Alter können unter anderem Kopfverletzungen, kleine Schlaganfälle, beginnende Demenz, Alkohol-Missbrauch oder Entzündungen sein.
Diagnose von Schmerzen bei Demenz
Um Schmerzen bei Menschen mit Demenz so gut wie möglich zu erfassen, ist es wichtig, verschiedene Formen der Schmerzerfassung zu nutzen. Der "Gold-Standard" ist der Selbstbericht, entweder durch Gespräche bzw. Befragungen oder durch Schmerz-Skalen. Insbesondere bei mittelschweren und schweren Formen von Demenz sind "Beobachtungs-Skalen" notwendig, um das Vorhandensein und die Intensität von Schmerzen zu erfassen. Relevant sind hier vor allem mimische Reaktionen, Lautäußerungen und Körperbewegung. Auch experimentelle Methoden und "automatische Schmerzerkennung" (videobasiert, zielt auf Gesichtsreaktionen auf Schmerz ab) können eingesetzt werden.
Schwierigkeiten bei der Schmerzerkennung
Eine der größten Hürden bei der Behandlung von Schmerzen bei Menschen mit Demenz ist, überhaupt festzustellen, ob sie welche haben. Schmerzen sind ein individuelles Empfinden, nicht objektiv messbar wie zum Beispiel der Blutzuckerwert oder die Höhe des Fiebers. Im Verlauf einer Demenz geht aber nicht nur die Fähigkeit zurück, sich adäquat zu äußern, hinzu kommt auch, dass der Schmerz nicht mehr lokalisiert werden kann.
Hinweise auf Schmerzen erkennen
Wertvolle Hinweise liefert eine "Schmerzbiographie" - also das Wissen um Vorerkrankungen und Ereignisse, die Schmerzen bisher verursachten oder bis heute auslösen könnten. Besondere Beachtung muss der Aspekt finden, dass Schmerz von älteren Menschen häufig in anderer Form wiedergegeben wird. Es wird eher über Appetitlosigkeit, Schlaflosigkeit, Ruhelosigkeit oder Schwindel geklagt - was die Diagnose nicht eben vereinfacht. Auch Ruhelosigkeit oder Abwehrverhalten bei pflegerischen Maßnahmen können ein Hinweis auf Schmerzen sein. Angehörige sind besonders aufgerufen, Veränderungen im Verhalten zu beobachten und der Ärztin oder dem Arzt mitzuteilen, wie sich die oder der Betroffene verhält.
Checkliste für Angehörige bei Verdacht auf Schmerzen
- Die betroffene Person kontinuierlich beobachten, auch eine Hautinspektion durchführen (nach Wunden oder Druckstellen suchen).
- Auf Entzündungen im Mundbereich achten, Zähne und Sitz von Zahnersatz prüfen (Wann war der letzte Zahnarztbesuch?).
- Auf veränderte Mimik achten.
- Veränderungen im Verhalten wahrnehmen.
- Erstellung einer "Schmerzbiographie" - Darstellung von Vorerkrankungen und Ereignissen, die bisher Schmerzen verursachten.
Behandlung von Schmerzen bei Demenz
Die Behandlung von Schmerzen bei Menschen mit Demenz umfasst sowohl nicht-pharmakologische als auch pharmakologische Möglichkeiten.
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Nicht-pharmakologische Behandlungsmöglichkeiten
Nicht-pharmakologische Maßnahmen sollten in Schmerzbehandlungsprogrammen einen ersten Platz einnehmen. Zu nennen sind hier beispielsweise Bewegungsübungen, Musiktherapie und psychologische Behandlungsmaßnahmen. Auch Aromatherapie kann gerade bei Menschen mit Demenz wohltuende Wirkungen entfalten.
Die Anpassung der Wohn- oder Pflegeumgebung kann wesentlich zur Beruhigung beitragen. Die Schulung von Angehörigen oder Pflegekräften im Umgang mit Demenz kann ihnen helfen, Warnzeichen zu erkennen und proaktiv zu handeln. Ein Ergotherapeut kann Aktivitäten entwickeln, die sowohl stimulierend als auch beruhigend wirken. In manchen Fällen kann der Umgang mit Tieren eine beruhigende Wirkung haben.
Pharmakologische Behandlungsmöglichkeiten
Wenn nicht-pharmakologische Möglichkeiten nicht ausreichen, ist eine pharmakologische Behandlung von Schmerzen notwendig. Paracetamol gilt als ein relativ sicheres und wirksames schmerzstillendes Medikament der ersten Wahl. In Bezug auf den Einsatz von Opioiden gibt es viele Sicherheitsprobleme, daher sind weitere Untersuchungen erforderlich. Opioide werden häufig bei akuten oder chronischen Schmerzen von Menschen mit Demenz verschrieben, und ihr Einsatz bei dieser Personengruppe hat in den letzten Jahrzehnten rapide zugenommen. Da es dabei zu unerwünschten Nebenwirkungen in Bezug auf Verhaltensauffälligkeiten kommen kann, zum Beispiel Verwirrtheit oder Persönlichkeitsveränderungen, sollten die Schmerzen ebenso wie mögliche Nebenwirkungen regelmäßig überwacht werden. Auch bei einem Langzeit-Einsatz von nichtsteroidalen Antirheumatika deuteten Studien auf ein erhöhtes Risiko für schwerwiegende Nebenwirkungen hin.
Medikamentöse Behandlung von Altersepilepsie
Derzeit stehen mehr als 20 verschiedene Präparate zur Verfügung, um Altersepilepsie zu behandeln. Die Medikamente beeinflussen den Gehirnstoffwechsel, haben aber kaum Nebenwirkungen.
Problematische Aspekte der Schmerzbehandlung bei Demenz
Es gibt keine evidenzbasierten Leitlinien für die Behandlung von Schmerzen bei Menschen mit Demenz. Stattdessen würden allgemeine Leitlinien für die ältere Bevölkerung angewandt. Ein weiteres Problem: Die meisten Studien zum Medikamentengebrauch bei Demenz seien Querschnittsstudien, die nur zu einem Zeitpunkt Daten erheben. Somit könnten sie nicht feststellen, ob die verabreichte Behandlung angemessen sei und die beabsichtigte Wirkung hätte.
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Aggressives Verhalten bei Demenz
Aggressives und scheinbar bösartiges Verhalten bei Demenz ist ein komplexes und oft missverstandenes Verhaltensmuster, das bei etwa 50 Prozent der Menschen mit Demenz auftreten kann. Hier spielt besonders die Frustration über den kognitiven Abbau sowie äußere Faktoren eine große Rolle. Die uns herausfordernden Verhaltensweisen von Demenzerkrankten sollten vielmehr als Affekt eingeordnet werden. Also als eine - oft heftige - Gefühlsregung, deren Ursache sehr viel mit Frustration der Erkrankten zu tun hat.
Ursachen für aggressives Verhalten
- Schmerzen: Körperliche Schmerzen oder Unwohlsein können eine Ursache sein.
- Zu viele Reize: Umweltfaktoren spielen ebenfalls eine wichtige Rolle.
- Allgemeiner Stress: Im Alltag von Menschen mit Demenz kommt es immer wieder zu Überforderungssituationen, die Frustration oder Angst auslösen können.
Umgang mit aggressivem Verhalten
- Schmerzmanagement: Sorgen Sie für regelmäßige Untersuchungen auf körperliche Beschwerden und verabreichen Sie bei Bedarf angemessene Schmerzmedikation.
- Überforderung vermeiden: Zu viel Lärm, eine zu hektische Umgebung oder eine Flut von Anweisungen können überfordern und zu aggressiven Reaktionen führen.
- Einfühlungsvermögen und Kommunikation: Erklären Sie eine bevorstehende Aktivität behutsam und vergewissern Sie sich, dass die betroffene Person verstanden hat, was geschieht.
- Sexuelle Enthemmung: Bei aggressivem Verhalten aufgrund sexueller Enthemmung kann ein spezialisierter Therapeut hinzugezogen werden, der eine spezifische Strategie zur Behandlung des Verhaltens entwickelt.
Lewy-Körperchen-Demenz
Die Symptome der Lewy-Körperchen-Demenz ähneln denen der Alzheimer- und der Parkinson-Krankheit. Betroffen sind zunächst die Alltagsfähigkeiten, die mit dem Planen, Organisieren und Orientieren zusammenhängen. Insbesondere Aufmerksamkeit und Konzentration sind gestört. Charakteristisch dabei ist, dass die geistige Leistungsfähigkeit im Tagesverlauf sehr stark schwanken kann. Zu Beginn der Erkrankung treten oft Halluzinationen und Wahnvorstellungen auf. Typisch für die Lewy-Körperchen-Demenz sind auch Parkinson-Symptome wie Muskelstarre, Muskelzittern und eine instabile Körperhaltung mit Schwankungs- und Sturzneigung.
Behandlung der Lewy-Körperchen-Demenz
Die Lewy-Körperchen-Demenz ist bislang nicht heilbar. Durch medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapien können aber die Symptome gelindert werden. Die Alzheimer-Medikamente Rivastigmin oder Donepezil können zur Behandlung der Demenz eingesetzt werden. Die motorischen Symptome können mit dem Parkinson-Medikament Levodopa in niedriger Dosierung verbessert werden. Psychotische Störungen können mit Quetiapin behandelt werden. Da die medikamentöse Behandlung schwierig ist, kommt der nicht-medikamentösen Therapie eine große Bedeutung zu.
Vaskuläre Demenz
Vaskuläre Demenz entsteht aufgrund von Durchblutungsstörungen im Gehirn. Ursachen hierfür können Ablagerungen in Blutgefäßen, Blutgerinnsel oder Hirnblutungen auch in kleinerem Umfang sein. Diese können dazu führen, dass Bereiche des Gehirns mit zu wenig Sauerstoff versorgt werden. Bei vaskulärer Demenz können zu Beginn vor allem Probleme mit Aufmerksamkeit, verlangsamtem Denken sowie Persönlichkeitsveränderungen auftreten. Dazu können Gangstörungen oder Kontrollverluste der Blase sowie Probleme mit der Sprache kommen.
Behandlung der vaskulären Demenz
Durchblutungsstörungen im Gehirn können mit Medikamenten behandelt werden, ebenso einige Risikofaktoren, wie zum Beispiel Bluthochdruck.
Alzheimer und Epilepsie: Ein möglicher Zusammenhang
Die Prävalenz von Alzheimer-Krankheit und Epilepsien steigt aufgrund der alternden Bevölkerung. In einer kürzlich veröffentlichten Arbeit wurde hypothetisiert, dass eine neu auftretende Epilepsie im Alter Prodromalsymptom einer neurodegenerativen Demenz sein kann. Die Progression der Alzheimer-Krankheit ist beschleunigt, wenn die klinische Diagnose einer Epilepsie vorliegt oder im Oberflächen-EEG epileptiforme Aktivität nachgewiesen wird.