Kortisonpräparate sind in der Medizin weit verbreitet, um akute Entzündungen wie Sportverletzungen oder chronische Entzündungskrankheiten wie Asthma, Diabetes und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen zu behandeln. Ihre schnelle entzündungshemmende Wirkung macht sie zu einer beliebten Wahl, aber der optimale Zeitpunkt für ihren Einsatz und mögliche Kontraindikationen waren bisher schwer zu bestimmen. Eine aktuelle Studie hat nun einen wichtigen biochemischen Mechanismus aufgeklärt, wie Kortisonpräparate in menschlichen Immunzellen entzündungsauflösend wirken, und ebnet damit den Weg für einen optimierten Einsatz dieser Medikamente.
Wie Kortison wirkt
Kortison-Medikamente, auch synthetische Glukokortikosteroide genannt, werden aufgrund ihrer vielfältigen Wirkungen bei verschiedenen Erkrankungen und Symptomen eingesetzt. Dazu gehören:
- Substitutionstherapie: Bei Mangel an natürlichem Kortison bzw. Kortisol, wie bei Morbus Addison oder dem Adrenogenitalen Syndrom.
- Atemwegserkrankungen: Bei Asthma bronchiale, COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) und Pseudokrupp.
- Allergische Reaktionen: Bei Heuschnupfen oder anaphylaktischem Schock.
- Rheumatische Erkrankungen: Bei rheumatoider Arthritis.
- Autoimmunerkrankungen: Bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa), Multipler Sklerose und Schuppenflechte (Psoriasis).
- Nephrotisches Syndrom
- Krebserkrankungen: Als Teil einer Chemotherapie oder zur Behandlung und Vorbeugung von Übelkeit und Erbrechen bei Chemo- und Strahlentherapie.
- Drohende Frühgeburt: Um die Lungenreife des Säuglings zu beschleunigen.
- Akuter Tinnitus
- Nach Transplantationen: Um Abstoßungsreaktionen zu verhindern.
Die entzündungshemmende, antiallergische und immunsuppressive Wirkung von Kortison-Präparaten hilft, Entzündungsprozesse und allergische Reaktionen zu unterdrücken. Sie verstärken auch die Wirkung von Stresshormonen, was bei der Behandlung von Schockzuständen genutzt wird.
Der biochemische Mechanismus von Kortison
Im Verlauf einer Entzündungsreaktion treten zunächst entzündungsfördernde Immunzellen auf, darunter die sogenannten M1-Makrophagen. Sie produzieren entzündungsfördernde Botenstoffe (Prostaglandine und Leukotriene), welche die typischen Symptome wie Fieber und Schmerzen auslösen. Nach einigen Tagen folgt die zweite Phase, in der die Entzündung abklingt. Dann sind vermehrt Makrophagen vom Typ „M2“ aktiv, die entzündungsauflösende Botenstoffe produzieren (Resolvine).
Die Studie von Prof. Dr. Oliver Werz und Dr. Markus Werner zeigte, dass Kortison in den Immunzellen die Aktivität bestimmter Enzymgene reguliert, die das Entzündungsgeschehen direkt beeinflussen. Dieser Effekt wird durch das Enzym 15-Lipoxygenase reguliert, das in zwei Formen in den Immunzellen vorkommt: 15-Lipoxygenase-1 und 15-Lipoxygenase-2.
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Kortison reguliert die 15-Lipoxygenase-2 in entzündungsfördernden M1-Makrophagen der frühen Entzündungsphase hoch. Dieses Enzym katalysiert die Bildung von Resolvinen, wodurch Entzündungsprozesse gestoppt und aufgelöst werden, was für die positiven Effekte des Kortisons mitverantwortlich ist. Zugleich unterdrückt Kortison diese für die Heilung wichtige Resolvinbildung in entzündungsauflösenden M2-Makrophagen, indem die 15-Lipoxygenase-1 quasi „abgeschaltet“ wird.
Diese Mechanismen wurden in weiteren Untersuchungen an Immunzellen aus Patientenproben überprüft. Eingeschlossen wurden Patientinnen und Patienten am Universitätsklinikum Jena, sowohl mit chronischen Entzündungserkrankungen, wie Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa, als auch solche mit schweren akuten Entzündungen durch COVID-19, die mit Kortisonpräparaten behandelt wurden. In den mit Kortison therapierten Patientengruppen konnte eine deutliche Hochregulierung der 15-Lipoxygenase-2 nachgewiesen werden.
Wann sollte man Kortison anwenden?
Die Anwendung von Kortison sollte zeitlich begrenzt und optimiert werden. Wann das optimale Behandlungsfenster ist, hängt von der Art und dem Stadium der Erkrankung ab. Kortison kann bei akuten Entzündungen und chronischen Entzündungskrankheiten eingesetzt werden, aber es ist wichtig, die Vor- und Nachteile sorgfältig abzuwägen.
Wie schnell wirkt Kortison?
Der Wirkungseintritt von Kortison-Präparaten hängt von der Darreichungsform ab. Oftmals setzen Kortison-Wirkungen nach einigen Stunden oder Tagen ein. Bei hohen Dosierungen, die direkt in die Vene verabreicht werden, stellt sich die Wirkung rasch ein.
Die Wirkdauer der Kortison-Präparate unterscheidet sich je nach Wirkstoff:
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- Kurzwirksame Kortison-Präparate: Wirkdauer acht bis zwölf Stunden.
- Mittellang-wirksame Kortison-Präparate: Wirkdauer 12 bis 36 Stunden.
- Langwirksame Kortison-Präparate: Wirkdauer 36 bis 72 Stunden.
Die Wirkstoffe können auch über längere Zeit nachwirken und Entzündungen auch noch einige Zeit hemmen, nachdem das Kortison vom Körper abgebaut wurde. Die Leber verstoffwechselt das Kortison und scheidet die Abbauprodukte über die Nieren mit dem Urin aus.
Nebenwirkungen von Kortison
Welche Nebenwirkungen in welcher Häufigkeit und in welchem Ausmaß auftreten, unterscheidet sich je nach Darreichungsform, Anwendungsdauer und Dosierung der Kortison-Präparate. Eine kurzzeitige Kortison-Anwendung ist in der Regel unbedenklich, während starke Nebenwirkungen meist nach lang andauernder und hoch dosierter Therapie auftreten.
Mögliche Nebenwirkungen sind:
- Hautausschlag, Juckreiz, dünner werdende Haut und sichtbar erweiterte Hautgefäße: Bei Präparaten zum Auftragen auf die Haut.
- Heiserkeit, Mundpilz: Bei Präparaten zum Inhalieren.
- Erhöhte Infektanfälligkeit, erhöhter Blutdruck, Osteoporose: Bei Kortison-Tabletten.
Kortison fördert abbauende (katabole) Prozesse wie den Abbau von Proteinen, was zu Muskelschwäche führen kann. Es beeinflusst den Fettstoffwechsel und steigert die Neubildung von Zucker im Körper (Gluconeogenese), was den Blutzuckerspiegel erhöht. Kortison bewirkt, dass der Körper weniger Wasser und Natrium und vermehrt Kalium ausscheidet, was zu Wassereinlagerungen (Ödeme) und erhöhtem Blutdruck führen kann.
Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten
Kortison-Präparate können mit anderen Medikamenten wechselwirken. Sie können die Wirkung von oral angewendeten Diabetes-Medikamenten abschwächen und die von Herzglykosiden (Herzmedikamente) verstärken. Andere Medikamente können die Kortison-Wirkung beeinflussen. Es ist wichtig, den Arzt über alle eingenommenen Medikamente zu informieren, um mögliche Wechselwirkungen im Vorfeld besser abschätzen zu können.
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Was muss man bei der Anwendung beachten?
Wie man ein Kortison-Präparat richtig anwendet, hängt von der Darreichungsform ab. Es ist wichtig, sich bei der Kortison-Anwendung genau an die ärztlichen Anweisungen hinsichtlich Dosierung und Anwendungsdauer zu halten, um das Risiko für Nebenwirkungen zu minimieren.
Kortison und Sport
Ob man während der Kortison-Anwendung Sport treiben kann, hängt von der zu behandelnden Erkrankung und dem Gesundheitszustand des Patienten ab. Kortison-Präparate sind im Wettkampfsport verboten und stehen auf der Verbotsliste der Welt Anti-Doping-Agentur (WADA), jedoch nur in bestimmten Darreichungsformen.
Überdosierung und Beenden der Therapie
Bei zu hohen Kortison-Dosierungen können verstärkt Nebenwirkungen auftreten. Eine längere Kortison-Therapie sollte nicht plötzlich beendet werden, da dies zu einem Entzugssyndrom führen kann. Kortison-Medikamente sollten nach längerer Anwendung ausgeschlichen werden, um die körpereigene Produktion von Kortison wieder anzuregen.
Darreichungsformen von Kortison
Kortison-Präparate gibt es in verschiedenen Darreichungsformen:
- Kortison-Tabletten: Werden unzerkaut mit ausreichend Wasser eingenommen, idealerweise morgens zwischen sechs und acht Uhr.
- Kortison-Salbe oder -Creme: Wird bei Hauterkrankungen auf die betroffenen Stellen aufgetragen, wobei die Anwendungsdauer so kurz wie möglich sein sollte.
- Kortison-Spritze: Wird je nach Erkrankung in Sehnenansätze, Gelenke oder direkt in eine Vene gespritzt.
- Kortison-Zäpfchen: Werden insbesondere bei Kindern eingesetzt, zum Beispiel bei einem Pseudokruppanfall.
- Inhalationsspray: Wirkt vor allem direkt am Anwendungsort, etwa bei Asthma.
- Nasenspray: Hilft lokal gegen Entzündung, allergische Reaktionen und Schleimhautschwellung.
- Augentropfen, -salbe oder -gel: Wird gegen entzündliche Augenerkrankungen eingesetzt.
- Lösungen zum Auftragen auf die Haut oder Kopfhaut: Eignet sich für die Behandlung von Schuppenflechte (Psoriasis) oder andere entzündliche Hauterkrankungen.
- Rektalschaum oder -lösung: Wird bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen eingesetzt.
- Saft: Wird unter anderem für die Behandlung von akuten Asthma- oder Pseudokrupp-Anfällen sowie zur Vorbeugung und Therapie von Erbrechen durch Chemotherapie verordnet.
Kortison in der Schwangerschaft und Stillzeit
Schwangere und stillende Frauen können lokale Kortison-Präparate nach ärztlicher Rücksprache anwenden. Bei einer systemischen Kortison-Behandlung wägen Ärzte Nutzen und Risiken der Therapie sorgfältig ab. Kortison kann während der gesamten Schwangerschaft möglich sein, und bei drohender Frühgeburt beschleunigt es die Lungenreifung des ungeborenen Kindes.
In der Stillzeit können Frauen Kortison-Präparate nach ärztlicher Anweisung einnehmen, wobei bei regelmäßiger hoch dosierter Anwendung empfohlen wird, etwa drei bis vier Stunden nach der Kortison-Gabe zu warten, bevor man den Säugling stillt.
Umgang mit Ängsten und Vorurteilen gegenüber Kortison
Kortison eilt ein schlechter Ruf voraus, aber es ist wichtig zu wissen, dass die Dosis in Asthmasprays bei normaler Anwendung zu gering ist, um schwerwiegende Nebenwirkungen zu verursachen. Kortisol, die aktive Form des Hormons, hemmt Entzündungen und wird bei allergischem Asthma eingesetzt, um die allergiebedingte Entzündung und das Anschwellen der Atemwege zu stoppen.
Tipps zur Minimierung von Nebenwirkungen bei langfristiger Einnahme
Bei langfristiger Einnahme von Kortisontabletten über mehrere Wochen hinweg oder auch wenn in gewissen Abständen immer wieder Cortison eingenommen werden muss, können folgende Tipps helfen, die typischen Cortisonnebenwirkungen abzuschwächen oder gar nicht erst auftreten zu lassen:
- Nebennierenschwäche vermeiden: Cortison schrittweise absetzen, um die körpereigene Cortisolproduktion nicht zu beeinträchtigen.
- Infektionen vorbeugen: Immunsystem stärken durch gesunde Ernährung, Bewegung an der frischen Luft und Vermeidung von Nähr- und Vitalstoffmängeln.
- Magen-Darm-Beschwerden lindern: Cortison immer mit oder nach einer üppigen Mahlzeit einnehmen und bei Bedarf Magenschutzmittel verwenden.
- Osteoporose vorbeugen: Viel bewegen, ausreichend Calcium und Vitamin D zu sich nehmen und Rauchen und Alkohol vermeiden.
- Gewichtszunahme kontrollieren: Kalorienzufuhr im Auge behalten, verstärkt Ballaststoffe einnehmen und natriumarm ernähren.
- Schlafstörungen vermeiden: Cortison möglichst morgens einnehmen, um seine wachmachende Wirkung nicht in den Abend zu verlagern.
- Stimmungsschwankungen entgegenwirken: Verzehr von Zucker und Weißmehlprodukten meiden.
- Augenprobleme vermeiden: Regelmäßige augenärztliche Untersuchungen durchführen lassen, insbesondere bei Cortisonrespondern.
- Darmgesundheit fördern: Nach der Cortisontherapie Maßnahmen ergreifen, die das Verdauungssystem heilen und bei der Regeneration der Schleimhäute helfen können.
Alternativen zur Kortisonbehandlung
Es gibt verschiedene Alternativen zu einer Cortisonbehandlung, die je nach Erkrankung und individuellem Bedarf in Betracht gezogen werden können:
- NSAR (nichtsteroidale Antirheumatika): Entzündungshemmende und schmerzlindernde Medikamente wie Diclofenac oder Ibuprofen.
- Hyaluronsäure: Verbessert Gelenkschmerzen in frühen Stadien der Arthrose.
- Autologes plättchenreiches Plasma (PRP): Kann bei Arthrosebeschwerden die Regeneration unterstützen und knorpelschützende Effekte entfalten.
- Immunmodulatoren: Bei Autoimmunerkrankungen wie Rheumatoider Arthritis oder Morbus Crohn.
Die Auswahl der besten Behandlung sollte immer in Absprache mit einem Facharzt getroffen werden.
Kortison in der Orthopädie
In der Orthopädie wird Kortison aufgrund seiner starken entzündungshemmenden Effekte geschätzt, aber aufgrund der möglichen Nebenwirkungen nur ganz gezielt, vorübergehend und nach gründlicher Prüfung von Nutzen und Risiko eingesetzt. Meist handelt es sich um eine Zweit- oder Drittlinientherapie, nachdem alle anderen konservativen Maßnahmen ausgeschöpft worden sind.
Kortison wird in der Orthopädie vor allem lokal verwendet, mit Spritzen direkt in ein entzündetes Gelenk oder neben einen entzündeten Sehnenansatz injiziert. Bei manchen Erkrankungen verschreibt der Orthopäde Kortisontabletten zum Einnehmen, wie etwa bei der Frozen Shoulder.
Risiken und Nebenwirkungen von Kortisoninjektionen in der Orthopädie
Mehrfache Kortisoninjektionen in ein Gelenk können dazu führen, dass der wichtige Gelenkknorpel abgebaut wird. Auch Sehnen leiden unter wiederholten Kortisoneinspritzungen. Durch seine zahlreichen Effekte auf den Organismus kann Kortison viele unerwünschte Wirkungen im Organismus auslösen, insbesondere bei langfristiger oraler Einnahme.
Da Kortison in der Orthopädie meist gespritzt wird, drohen neben den kortisonspezifischen Nebenwirkungen weitere Komplikationen durch die Injektion, wie Infektionen.
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