Zungenkrämpfe, auch als Dystonien der Zungenmuskulatur bekannt, sind krampfartige Bewegungsstörungen, die erhebliche Beeinträchtigungen beim Sprechen und Essen verursachen können. Diese Dystonien werden durch Fehlsteuerungen des Gehirns in bestimmten Hirnregionen ausgelöst und können jeden treffen, meist ohne Vorwarnung.
Ursachen von Zungenkrämpfen
Die Ursachen für Zungenkrämpfe können vielfältig sein und reichen von neurologischen Erkrankungen bis hin zu psychischen Faktoren.
Neurologische Ursachen
- Oromandibuläre Dystonie (OMD): Eine fokale Dystonie, die die Muskeln des Unterkiefers, des Mundes und der Zunge betrifft. Sie führt zu unkontrollierten Kiefer- und Kaubewegungen sowie zu grimassenhaften Verzerrungen des Gesichts.
- Fokale Dystonien: Neben der OMD gibt es weitere fokale Dystonien, die auf bestimmte Körperbereiche begrenzt sind. Dazu gehören der Torticollis spasmodicus (Schiefhals), der Lidkrampf und Beschäftigungsdystonien wie der Schreibkrampf oder der Musikerkrampf.
- Generalisierte Dystonie: In schweren Fällen können mehrere Körperregionen gleichzeitig von Dystonie betroffen sein.
- Multiple Sklerose (MS): Eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die zu Schädigungen der Nervenbahnen führen kann.
- Neuropathien: Schädigungen von Hirnnerven, die den Mund und die Zunge sensibel versorgen, wie z. B. die Glossopharyngeusneuralgie oder die Trigeminusneuralgie.
- Schädigung der Bewegungszentren: Frühere Kopfverletzungen, Schlaganfall oder die Einnahme von Neuroleptika können die Bewegungszentren im Gehirn schädigen und zu Dystonien führen.
Weitere medizinische Ursachen
- Sjögren-Syndrom: Eine systemische Autoimmunerkrankung, bei der Schleimhautdrüsen im ganzen Körper zerstört oder in ihrer Funktion eingeschränkt werden. Dies kann zu Zungenbrennen und anderen Beschwerden im Mundbereich führen.
- Fibromyalgie: Eine chronische Schmerzerkrankung, die auch das Nervensystem beeinträchtigen kann und mit Zungenbrennen einhergehen kann.
- Chronische Erkrankungen: Diabetes mellitus, Refluxkrankheit (Sodbrennen), Gicht, Zöliakie, Colitis ulcerosa, Störungen der Schilddrüsenfunktion oder Leber- und Galleninfektionen können ebenfalls Zungenbrennen verursachen.
- Infektionen: Lokale Infektionen der Zunge, wie z. B. die Zungenphlegmone oder ein Zungenabszess, können Schmerzen und Krämpfe verursachen. Auch Mundsoor (Mundpilz) kann zu Beschwerden an der Zunge führen.
- Vitaminmangel: Ein Mangel an Vitamin B12, B2, B3, Eisen oder Folsäure kann Zungenbrennen und andere Missempfindungen im Mundbereich auslösen.
- Allergien: Allergische Reaktionen auf Speisen, Metalle (z. B. in Zahnersatz oder Piercings) oder andere Stoffe können Zungenbrennen verursachen.
- Medikamente: Bestimmte Medikamente, wie z. B. Betablocker zur Migräneprophylaxe und zur Blutdrucksenkung, können als Nebenwirkung Zungenschmerzen verursachen.
Psychische Ursachen
- Psychische Faktoren: Stress, Depressionen und Beschwerden der Wechseljahre können Zungenschmerzen verstärken.
- Klinische Depression: Zungenbrennen kann ein körperliches Begleitsymptom einer Depression sein.
- Schizophrenie: Auch bei Schizophrenie tritt Zungenbrennen häufiger auf.
Idiopathische Ursachen
In vielen Fällen ist die genaue Ursache der oromandibulären Dystonie ungeklärt (idiopathische Dystonie). Es gibt jedoch Hinweise auf eine organisch bedingte Fehlfunktion der Bewegungskontrolle im Gehirn.
Symptome von Zungenkrämpfen
Die Symptome von Zungenkrämpfen können vielfältig sein und hängen von der zugrunde liegenden Ursache ab.
- Unwillkürliche Bewegungen: Unkontrollierte Bewegungen der Zunge, des Kiefers und der Gesichtsmuskulatur.
- Verkrampfungen: Anspannung der mimischen Muskeln im Mund- und Halsbereich, was den Gesichtsausdruck grimassenhaft verzerrt.
- Schmerzen: Schmerzen in der Zunge, den Muskeln und den Kiefergelenken.
- Schluckbeschwerden: Abnorme Bewegungen des Schlundes, die sich als "Kloßgefühl" oder durch häufiges Verschlucken bemerkbar machen. Bei besonders starken Ausprägungen können Sprechen und Schlucken für die Betroffenen gänzlich unmöglich werden.
- Sprachprobleme: Die Stimme kann gepresst und angestrengt klingen, mitunter auch sehr leise.
- Beeinträchtigung der Nahrungsaufnahme: Schwierigkeiten beim Essen und Trinken.
- Psychische Belastung: Unverständnis und Stigmatisierung durch das Umfeld können zu sozialer Isolation und psychischen Problemen führen.
- Weitere Symptome: Juckreiz, Kribbeln, Stechen, Gefühle des Wundseins, Empfindungsstörungen, Geschmacksstörungen, Mundtrockenheit, ausstrahlende Zahnschmerzen, Kieferschmerzen, Konzentrationsmangel, Depressionen, Ängste, Appetitmangel und Schlafstörungen.
Die Symptome nehmen unter Stress und emotionaler Anspannung zu, während sie bei Ruhe und Entspannung abnehmen oder im Schlaf ganz verschwinden.
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Diagnose von Zungenkrämpfen
Die Diagnose von Zungenkrämpfen basiert auf einer gründlichen klinischen Untersuchung durch einen Facharzt, in der Regel einen Neurologen.
- Anamnese: Der Arzt wird zunächst die Krankengeschichte des Patienten erheben und nach den genauen Beschwerden, Begleitsymptomen und möglichen Auslösern fragen.
- Neurologische Untersuchung: Eine neurologische Untersuchung dient dazu, die Funktion der Nerven und Muskeln zu überprüfen und mögliche neurologische Ursachen für die Zungenkrämpfe zu identifizieren.
- Elektromyogramm (EMG): Ein EMG kann durchgeführt werden, um die elektrische Aktivität der Muskeln zu messen und Muskelstörungen zu erkennen.
- Blutuntersuchungen: Blutuntersuchungen können helfen, andere Erkrankungen wie Vitaminmangel, Entzündungen oder Autoimmunerkrankungen auszuschließen.
- Magnetresonanztomographie (MRT): Eine MRT des Gehirns kann durchgeführt werden, um strukturelle Veränderungen oder Schädigungen im Gehirn zu erkennen, die für die Dystonie verantwortlich sein könnten.
- Weitere Untersuchungen: Je nach Verdacht können weitere Untersuchungen wie eine Untersuchung der Mundschleimhaut, ein Allergietest oder eine psychologische Untersuchung erforderlich sein.
Die Diagnose von OMD kann sich als schwierig erweisen, da andere Bewegungsstörungen den Symptomen ähneln und mit dieser verwechselt werden können. Häufig wird z. B. aufgrund der angespannten Kaumuskeln zunächst an einen Bruxismus (nächtliches Zähneknirschen) oder eine Kiefergelenksüberlastung gedacht.
Behandlung von Zungenkrämpfen
Die Behandlung von Zungenkrämpfen zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Da die Ursache der Dystonie häufig nicht bekannt ist (idiopathische Dystonie), ist die Therapie oft symptomatisch.
- Botulinumtoxin: Eine anerkannte Möglichkeit, die beabsichtigten Therapieziele zu erreichen, ist die Therapie mit Botulinumtoxin. Es handelt sich um ein muskelentspannendes Medikament, das direkt in die beteiligte Muskulatur injiziert wird. Durch die Therapie mit Botulinumtoxin können die Bewegungsstörungen in vielen Fällen verbessert werden. Da die Wirkung mit der Zeit nachlässt, muss die Behandlung in regelmäßigen Abständen wiederholt werden.
- Medikamente: Bei Zungenkrämpfen können Medikamente verabreicht werden, die in das Botenstoffsystem des Gehirns eingreifen. Oral einzunehmende Medikamente stellen eine Möglichkeit zur Behandlung oromandibulärer Dystonien dar. Da ihre Wirkung jedoch nicht auf die beteiligten Muskeln beschränkt bleibt, sind sie mit teils erheblichen Nebenwirkungen verbunden.
- Logopädie: Eine Therapie durch einen Sprachtherapeuten kann helfen, die Muskelfunktionen zu verbessern.
- Physiotherapie: Physiotherapeutische Übungen können ebenfalls zur Entspannung der Muskulatur beitragen.
- Psychotherapie: Leiden die Betroffenen sehr unter ihrer Erkrankung, kann unter Umständen auch eine psychotherapeutische Behandlung hilfreich sein.
- Weitere Behandlungsoptionen: Operative Maßnahmen, logopädische und physiotherapeutische Übungen. Bei Schluckbeschwerden kann auch eine Ernährungsberatung hilfreich sein. Oftmals profitieren die Betroffenen gerade von einer Kombination der genannten Therapieverfahren.
- Hilfsmittel: Bei schwerstbetroffenen Patienten können Magensonden oder ein Sprechcomputer sinnvolle Hilfsmittel darstellen. Der Einsatz von Sprechcomputern ist vorwiegend dann angebracht, wenn auch eine Handdystonie vorliegt.
Weitere Maßnahmen
- Reduktion von Stigmata: Aufklärung der Öffentlichkeit über Dystonien kann dazu beitragen, das Unverständnis und die Stigmatisierung der Betroffenen zu reduzieren.
- Unterstützungsgruppen: Der Austausch mit anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen kann helfen, mit der Erkrankung besser umzugehen.
Vorbeugung von Zungenkrämpfen
Ein gezieltes Vorbeugen ist bei Dystonien nicht möglich. Dennoch ist es wichtig, ihnen so schnell wie möglich zu begegnen - ansonsten drohen längerfristig bleibende Schäden.
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