Die Polyneuropathie ist eine Erkrankung der peripheren Nerven, die in Deutschland schätzungsweise 5 bis 6 Millionen Menschen betrifft. Trotz ihrer Häufigkeit wird diese Erkrankung oft nicht ausreichend beachtet. Die Klinik für Neurologie am Evangelischen Krankenhaus (EvK) Hattingen hat sich auf die Diagnostik und Behandlung von Polyneuropathien spezialisiert und bietet ein umfassendes Spektrum an Therapieansätzen.
Die Klinik für Neurologie am EvK Hattingen
Die Klinik für Neurologie am EvK Hattingen unter der Leitung von Prof. Dr. Min-Suk Yoon, Chefarzt der Klinik für Neurologie und Ärztlicher Direktor, ist eine patientenorientierte Klinik, die das gesamte Spektrum neurologischer Erkrankungsbilder diagnostiziert und behandelt. Ein wesentlicher Schwerpunkt liegt auf der Diagnostik und Behandlung von entzündlichen / autoimmunen Erkrankungen des Nervensystems, wie z.B. Multiple Sklerose, Myasthenia gravis, Neuromyelitis optica Spektrumserkrankung, entzündliche Polyneuropathien und Muskelerkrankungen. Die Klinik versorgt auch überregional Patientinnen und Patienten über Hattingen und Bochum hinaus. Das Team zeichnet sich durch die besondere Nähe des Personals (Ärzte, Pflege und Therapeuten) zum Patienten aus. Ziel ist eine optimale, patientenorientierte Versorgung und die Zufriedenheit der Patienten.
Was ist Polyneuropathie?
Polyneuropathien sind Schädigungen der peripheren Nerven. Man unterscheidet zwischen erworbenen und angeborenen Polyneuropathien, wobei die Gruppe der erworbenen Erkrankungen deutlich größer ist. In Deutschland leiden geschätzt sechs Millionen Menschen an einer Polyneuropathie, wobei die Dunkelziffer hoch ist.
Ursachen von Polyneuropathie
Die Hauptursachen für Polyneuropathien sind:
- Diabetes mellitus: Mit etwa 30 Prozent ist Diabetes mellitus die häufigste Ursache für eine Polyneuropathie.
- Alkoholmissbrauch.
- Autoimmunerkrankungen: Autoimmune Polyneuropathien sind die dritthäufigste Gruppe und werden ähnlich der Multiplen Sklerose durch eine Fehlsteuerung des Immunsystems verursacht. Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass unter den diabetischen Polyneuropathien die autoimmun entzündliche Polyneuropathie (CIDP) häufiger anzutreffen ist als unter den „Nicht-Diabetikern“, insbesondere in der Altersgruppe älter als 50 Jahre.
- Tumorerkrankungen: In einigen Fällen kann eine Polyneuropathie durch einen Tumor verursacht werden.
- Unklare Ursache: Ferner lassen sich bei den „Polyneuropathien unklarer Ursache“ bei beharrlicher Suche des Öfteren eine behandelbare Ursache finden.
Symptome von Polyneuropathie
Die Symptome der Polyneuropathien sind vielfältig und reichen von (schmerzhaften) Empfindungsstörungen, Gangstörungen, die von Betroffenen als Schwindel wahrgenommen werden, Koordinationsstörungen bis hin zu Lähmungen. Dabei sind nicht alle Polyneuropathien symmetrisch ausgeprägt, sondern können z.B. nur in einem Bein auftreten. Bleibt eine Polyneuropathie unbehandelt, kann sie im weiteren Verlauf die Autonomie der Menschen gefährden.
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Typische Symptome sind:
- Empfindungsstörungen in den Beinen (Kribbeln, Stechen, Brennen, Taubheit)
- Schmerzen
- Gangstörungen
- Koordinationsstörungen
- Muskelschwäche
- Schwindel (oft als Gangstörung wahrgenommen)
Die Polyneuropathie tritt nicht immer symmetrisch in den Beinen auf. Gerade die autoimmunen Polyneuropathien können asymmetrisch und/oder auch fokal, das heißt nur in einer Extremität auftreten. Sie zeichnen sich unter anderem durch distale und proximale Paresen aus. Dabei variiert die Dynamik in Abhängigkeit des Erkrankungstyps erheblich von akut verlaufenden, schwerwiegenden Verlaufsformen und chronifizierten Verlaufsformen.
Diagnostik von Polyneuropathie
Die Diagnostik der Polyneuropathie liegt in den Händen des Neurologen. Am Anfang steht die ausführliche Anamnese. Die medizinische Vorgeschichte und die Dauer der Beschwerden werden abgefragt. Sodann geben verschiedene Tests Hinweise auf ein Vorliegen der Erkrankung.
Folgende Diagnoseverfahren werden eingesetzt:
- Elektromyographie (EMG): Misst elektrische Spannungen im Muskel, aus denen der Neurologe Rückschlüsse auf eine Reizleitungsstörung der versorgenden Nerven ziehen kann.
- Elektroneurographie (ENG): Misst die Nervenleitgeschwindigkeit von bestimmten peripheren Nerven.
- Lumbalpunktion: Entnahme von Flüssigkeit (Liquor) aus dem Rückenmarkskanal zur Untersuchung auf Antikörper, Tumorzellen oder ein entzündliches Geschehen.
- Nervenbiopsie: Entnahme einer Gewebeprobe eines peripheren Nerven zur Beurteilung vorhandener Nervenschäden.
- Ultraschall: In Hattingen wird als innovative Methode der Ultraschall zur Untersuchung der Nerven eingesetzt.
- Blutuntersuchung (humangenetische Analyse; Erbgutanalyse): In unklaren Fällen kann die Ursache der Polyneuropathie weiter eingegrenzt werden.
Es gibt zahlreiche Erkrankungen aus anderen Fachbereichen, wie z.B. Dermatologie, Rheumatologie, Innere Medizin, Nephrologie, Onkologie, die eine Polyneuropathie verursachen können. Damit verbunden sind zahlreiche Untersuchungen notwendig, um nach den Ursachen der Polyneuropathie zu fahnden.
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Behandlung von Polyneuropathie
Wenn die zugrundeliegende Ursache gefunden werden konnte, schließt sich die Behandlung an. Die Therapie richtet sich je nach Art der Grunderkrankung.
- Diabetes mellitus bedingte Polyneuropathie: Adäquate Einstellung des Blutzuckers.
- Tumor assoziierte Polyneuropathie: Behandlung des zugrunde liegenden Tumors.
- Autoimmun entzündliche Polyneuropathien: Behandlung des Immunsystems, u.a. mit intravenösem Kortison oder intravenösem Immunglobulin (IVIG). Für die Infusion der Immunglobuline steht die Infusionsambulanz der Klinik für Neurologie zur Verfügung sowie für Beratung die Spezialsprechstunde.
Die kausale Behandlung und die symptomatische Behandlung sind zwar essenziell, damit der Erkrankungsverlauf modifiziert und die Lebensqualität verbessert werden können (zum Beispiel Schmerztherapie). Parallel dazu sind jedoch regelmäßige und konsequente Physiotherapie und Ergotherapie erforderlich. Die Polyneuropathie ist eine chronisch verlaufende Erkrankung. Funktionsverlust/-einschränkung im Alltag der Betroffenen können den Verlust der Autonomie der Patienten nach sich ziehen. Daher benötigen die Betroffenen neben einer krankheitsmodifizierenden Behandlung auch Physiotherapie und Ergotherapie, die sich zielgerichtet und den notwendigen Bedürfnissen der Patienten angepasst den Funktionseinschränkungen der Patienten widmen.
CIDP: Chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie
Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Behandlung der Chronisch inflammatorischen demyelinisierenden Polyneuropathie (CIDP), einer seltenen autoimmunen Erkrankung der peripheren Nerven.
Frühzeitige Diagnose und Therapie entscheidend für den Verlauf
Professor Yoon betont, wie wichtig die frühzeitige Diagnose bei CIDP ist. Leider wird den Polyneuropathien, zu denen die CIDP gehört, noch nicht überall ausreichende Beachtung geschenkt. Die Diagnose einer CIDP ist oft nicht leicht. Es wird häufig vergessen, dass es durch die verzögerte Behandlung zu einer irreversiblen Nervenschädigung kommen kann, die bis zum Verlust der Selbständigkeit der Patienten führen kann. Daher ist es unglaublich wichtig, dass die Erkrankung schnell diagnostiziert und die Therapie begonnen wird. Wenn es klinische Hinweise auf Nervenentzündung gibt, sollten sich betroffene Patienten schnell mit einem mit Polyneuropathiesyndromen erfahrenen Neurologen in Verbindung setzen.
Warnzeichen für eine CIDP
Die wichtigsten Warnzeichen sind Lähmungserscheinungen, die meist in den Beinen beginnen. Sie werden anfangs als leichte Muskelschwäche in den Beinen oder auch Armen wahrgenommen. Daneben kann es im frühen Stadium der Erkrankung zu Empfindungsstörungen - beispielsweise Kribbeln, Taubheitsgefühle - oder auch Nervenschmerzen kommen. Entgegen der Lehrbuchmeinung können sich bei der CIDP Symptome auch in rumpfnahen Muskelgruppen (z.B. Oberschenkelmuskulatur, d.h. Schwäche der Hüftbeugung) niederschlagen. Die Symptome müssen nicht zwingend symmetrisch ausgeprägt sein. Wenn nach Beginn der Symptome, ob nun ein- oder beidseitiger Beginn, eine rasche Zunahme der Symptome (innerhalb weniger Wochen) zu verzeichnen ist, oder aber gar neben Lähmungen auch ein Muskelschwund auftritt, dann muss schnellstmöglich ein Neurologe aufgesucht werden.
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Unterscheidung der CIDP von anderen Polyneuropathien
Die Unterscheidung kann eine große Herausforderung sein. Am meisten helfen tatsächlich die Beschreibungen der Patienten und die klinische Erfahrung. Dem Arzt stehen zur Diagnosestellung eine Reihe von Untersuchungen zur Verfügung. Die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit allein hilft nicht besonders, vor allem dann nicht, wenn die Erkrankung schon weiter fortgeschritten ist und die Interpretation der Nervenmessung erschwert ist. Dagegen kann die Ableitung der Muskelpotenziale - eine invasive Methode - tatsächlich den weiter aktiven Entzündungsprozess und auch im weiteren Verlauf den Verlust von Muskeleinheiten erkennen. Im Vergleich zu den Messungen der Nervenleitgeschwindigkeit werden oft zu wenige Muskelpotenzialuntersuchungen gemacht. Neuere bildgebende Verfahren (Ultraschall oder MRT-Techniken) sind in der Neurologie leider nach wie vor nicht flächendeckend etabliert, auch wenn die Ultraschalluntersuchung der Nerven in wenigen Kliniken, wie in Hattingen, routinemäßig schon gemacht wird.
Komplementärmedizinische Ansätze
Zunehmend mehr Menschen erfahren, dass bei chronischen Erkrankungen konventionelle Methoden alleine nicht ausreichend wirksam sind. Sie verwenden zunehmend mehr komplementärmedizinische Methoden. Die Abteilung für Neurologie und Komplementärmedizin im EvK Hattingen bietet daher auch komplementärmedizinische Behandlungen an.
Komplementärmedizin bedeutet: Zwei medizinische Systeme werden gleichzeitig benutzt und sinnvoll kombiniert, wie zum Beispiel konventionelle Medizin und Ayurveda. Die Ayurveda-Methode wird in diesem Fall ergänzend zur Schulmedizin verwandt.
Da vornehmlich Patienten mit motorischen Störungen aufgenommen werden, wie zum Beispiel Morbus Parkinson, Multiple Sklerose und entzündlich vermittelte Polyneuropathien, liegt der Schwerpunkt der Behandlung in der Therapie dieser Patienten. Neben der schulmedizinisch basierten medikamentösen Therapie wird additiv schwerpunktmäßig die Therapie mit Yoga, Meditation, Massagen, vielseitigen ayurvedischen Behandlungen, Physiotherapie, Ergotherapie, Bewegungstherapie, Logopädie und psychologischer Begleitung/Psychotherapie betrieben. Weiterhin erfolgt eine ayurvedische Ernährung. Es sind an europäische Verhältnisse angepasste ayurvedische Speisen, welche stoffwechselunterstützend (z.B. auch bei Diabetes), verdauungsfördernd und gewichtsausgleichend sind. Die Ernährung ist vorwiegend vegetarisch ausgerichtet.
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