Ein kurzes Zucken im Gehirn kann sich auf verschiedene Weisen äußern und unterschiedliche Ursachen haben. Oftmals ist es harmlos, in manchen Fällen kann es jedoch auf eine ernstzunehmende Erkrankung hindeuten. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Ursachen von Zuckungen, ihre Erscheinungsformen und wann ein Arztbesuch ratsam ist.
Was sind Zuckungen?
Unter Zuckungen versteht man unwillkürliche, plötzliche Kontraktionen der Muskulatur. Diese können an verschiedenen Muskelgruppen oder am ganzen Körper auftreten und sich in unterschiedlich starken Muskelkontraktionen manifestieren. Die Kontraktionen können rhythmisch oder arrhythmisch auftreten, einmalig oder mehrmals hintereinander. Betroffene empfinden sie oft als sehr störend.
Ursachen von Zuckungen
Die Ursachen für Zuckungen sind vielfältig. Sie lassen sich grob in harmlose und ernsthafte Ursachen unterteilen.
Harmlose Ursachen
- Stress und Überanstrengung: Stress ist ein häufiger Auslöser für Zuckungen.
- Müdigkeit und Schlafmangel: Ausreichend Schlaf ist wichtig für die Nervenfunktion.
- Koffeinkonsum: Koffein kann die Nerven stimulieren und Zuckungen auslösen.
- Alkohol- und Drogenkonsum: Auch Alkohol und Drogen können die Nervenfunktion beeinträchtigen.
- Körperliche Anstrengung: Nach intensiver körperlicher Betätigung können Muskelzuckungen auftreten.
- Flüssigkeitsmangel: Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist wichtig für die Muskelfunktion.
- Magnesiummangel: Magnesium ist ein wichtiger Mineralstoff für die Muskeln. Ein Mangel kann Zuckungen verursachen. Besonders Sportler und Schwangere sind gefährdet.
- Überbelastung und Elektrolytmangel: Übermäßiges Schwitzen kann zu einem Elektrolytmangel führen, der Muskelzuckungen auslösen kann.
- Lange Bildschirmarbeit: Die Augen können durch lange Bildschirmarbeit überlastet werden, was zu Zuckungen führen kann.
- Kälte (Unterkühlung): Kälte kann ebenfalls Muskelzuckungen verursachen.
- Bewegungsmangel: Auch Bewegungsmangel kann zu Muskelzuckungen führen.
Ernsthafte Ursachen
- Neurologische Erkrankungen: Zuckungen können ein Symptom verschiedener neurologischer Erkrankungen sein, wie z.B. Multiple Sklerose (MS), Parkinson-Krankheit, Epilepsie oder Amyotrophe Lateralsklerose (ALS).
- Multiple Sklerose (MS): Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass ein vorübergehendes Muskelzucken im Gesicht ein Hinweis auf MS sein kann. Ursache für die Muskelzuckungen bei MS sind vermutlich Entzündungsherde im Hirnstamm. Treten die Myokymien trotz MS-Therapie auf, können sie Anzeichen für einen MS-Schub sein oder allgemein für eine Krankheitsaktivität stehen.
- Parkinson-Krankheit: Bei Parkinson-Patienten beobachtet man typischerweise ein Muskelzittern in Ruhe (Ruhe-Tremor).
- Epilepsie: Epileptische Anfälle können sich durch Zuckungen äußern.
- Stoffwechselerkrankungen: Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus können sich über Muskelzucken äußern.
- Infektionskrankheiten: In seltenen Fällen können Infektionskrankheiten wie die Japanische Enzephalitis Muskelzuckungen verursachen.
- Psychische Erkrankungen: Für das Auftreten von plötzlichem Zucken in bestimmten Teilen des Körpers kann allerdings auch eine Reihe von psychischen Erkrankungen auslösend sein. So ist dies der Fall bei Krankheiten wie Dissoziative Störungen („Kriegszitterer“) und PTSD (Post Traumatic Stress Disorder).
- Tumore und andere Hirnschädigungen: Jede Schädigung von Hirngewebe kann zu einer spontanen Entladung von Nervenzellen und damit zu einem Krampf führen.
- Tic-Störungen (Tourette Syndrom): Auch Tic-Störungen können Ursache von Zuckungen sein.
- Durchblutungsstörungen: Auch Durchblutungsstörungen können Ursache von Zuckungen sein.
Erscheinungsformen von Zuckungen
Es lassen sich unterschiedliche Formen des Muskelzuckens ausmachen:
- Myokymien: Plötzliches, unwillkürliches Zusammenziehen einer bestimmten Muskelgruppe, das zu einem spür- und sichtbaren Zucken oder Zittern der betroffenen Muskeln führt. Myokymien treten bevorzugt im Gesicht auf (faziale Myokymien).
- Faszikulationen: Unwillkürliche Kontraktion von kleinen Muskelbündeln, die als leichtes Zittern oder Kribbeln unter der Haut wahrgenommen wird.
- Myoklonien: Verkrampft sich die gesamte Muskulatur wie bei einem epileptischen Anfall, so sind die Muskelkontraktionen deutlich in ausladenden Bewegungen sichtbar. Diese können durch willkürliche Bewegungen ausgelöst oder durch Umweltreize (Licht, Berührung, Geräusche) initialisiert werden.
- Tremor: Wiederholung von rhythmischem Zucken der Muskeln, das sich als Zittern manifestiert.
Vom Muskelzucken können verschiedene Muskelgruppen über den gesamten Körper verteilt betroffen sein:
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- Gesichtsmuskulatur (zum Beispiel Zucken des Augenlids)
- Muskulatur der Arme
- Muskulatur der Beine (zum Beispiel Restless-Legs-Syndrom)
- Rumpfmuskulatur (selten)
Epileptische Anfälle
Ein Krampfanfall wird auch als epileptischer Anfall bezeichnet. Die Betroffenen verlieren vorübergehend die Kontrolle über ihren Körper oder/und ihr Bewusstsein. Die Person kann plötzlich zu Boden sinken, zucken und krampfen. Ein epileptischer Anfall entsteht, wenn sich Nervenzellen im Gehirn unkontrolliert und plötzlich elektrisch entladen. Die Folge ist ein Anfall mit Krämpfen einzelner oder vieler Muskelgruppen. Auch Änderungen von Sinneswahrnehmungen und Bewusstsein sind möglich.
Arten von epileptischen Anfällen
Grundsätzlich wird zwischen fokalen und generalisierten Anfällen unterschieden.
- Fokale Anfälle: Die Störung befindet sich in einem kleinen Bereich in einer der beiden Hirnhälften. Die Patientin oder der Patient zeigt nicht zielgerichtete Verhaltensweisen wie Schmatzen, Lippenlecken sowie Nesteln. Auch Muskelzuckungen, verkrampfte Gliedmaßen und Muskelschwäche sind möglich. Während des Anfalls nimmt die Person manchmal ein Kribbeln, Taubheitsgefühle, Lichtblitze, ungewöhnliche Geräusche oder Gerüche wahr. Auch plötzliche Angst oder kurze Aussetzer in Sprache oder Gedächtnis treten auf. Weitere Symptome können Herzrasen, Schweißausbrüche, Speichelfluss und Übelkeit sein.
- Generalisierte Anfälle: Sie können im Erscheinungsbild sehr unterschiedlich sein. Teilweise handelt es sich um kurze „Aussetzer“ (sogenannte Absencen oder Bewusstseinsstörungen). Die betroffene Person kann auch länger ohnmächtig werden und stürzen. Es folgt eine Verkrampfung am ganzen Körper mit Zuckungen der Arme und der Beine. Am häufigsten ist ein tonisch-klonischer Anfall. Durch die Anspannung aller Muskeln wird der Körper plötzlich steif (tonische Phase). Es folgt ein Bewusstseinsverlust - und danach kommt die klonische Phase. Dabei zucken die Muskeln krampfartig durch abwechselndes An- und Entspannen. Beim tonisch-klonischen epileptischen Anfall kommt es manchmal zu Zungen- oder Wangenbiss und Einnässen.
Erste Hilfe bei einem epileptischen Anfall
- Ruhe bewahren!
- Unerfahrene Ersthelfer:innen sollten den Rettungsdienst rufen
- Die Dauer des Anfalls registrieren
- Die betroffene Person liegend aus einer Gefährdungssituation bringen und vor Verletzungen schützen
- Beengende Kleidungsstücke (Schal, Halstücher etc.) sollten gelockert bzw. geöffnet werden
Wann sollte man einen Arzt aufsuchen?
In den meisten Fällen ist Muskelzucken harmlos und verschwindet von selbst wieder. Es gibt jedoch Situationen, in denen ein Arztbesuch ratsam ist:
- Häufiges Auftreten: Wenn das Muskelzucken häufiger auftritt oder über einen längeren Zeitraum anhält.
- Begleitsymptome: Wenn das Muskelzucken mit anderen Symptomen wie Schmerzen, Krämpfen, Taubheitsgefühl, Müdigkeit oder Bewusstseinsverlust einhergeht.
- Bekannte Vorerkrankungen: Wenn bereits Vorerkrankungen wie Epilepsie, MS oder Diabetes bekannt sind.
- Verdacht auf MS: Insbesondere ein anhaltendes oder wiederkehrendes einseitiges Zucken der Muskeln um den Mund herum (perioral) sollte ärztlich abgeklärt werden.
- Nach einer Reise: Wenn das Muskelzucken nach einer Reise in ein Gebiet auftritt, in dem Infektionskrankheiten wie die Japanische Enzephalitis vorkommen.
Untersuchungen und Diagnose
Der Arzt wird zunächst ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten führen, um die Krankengeschichte zu erheben (Anamnese). Dabei werden Fragen zu Art, Häufigkeit, Dauer und Lokalisation des Muskelzuckens gestellt. Auch mögliche Auslöser und Begleitsymptome werden erfragt.
Anschließend erfolgt eine körperliche und neurologische Untersuchung. Dabei werden die Nerven- und Muskelfunktion sowie die Reflexe geprüft.
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Je nach Befund können weitere Untersuchungen sinnvoll sein:
- Elektroneurografie (ENG): Messung der Nervenleitungsgeschwindigkeit.
- Elektromyografie (EMG): Prüfung der elektrischen Aktivität im Muskel.
- Elektroenzephalografie (EEG): Untersuchung der elektrischen Aktivität des Gehirns.
- Blut- und Urinuntersuchungen: Zum Ausschluss von Stoffwechselerkrankungen oder Infektionen.
- Bildgebende Verfahren (Röntgen, CT, MRT): Zur Darstellung von Veränderungen im Gehirn oder Rückenmark.
- Entnahme von Muskelgewebe (Biopsie) oder Nervenwasser (Liquorpunktion): Für eine genauere Untersuchung im Labor.
- L-Dopa-Test: Bei Verdacht auf Parkinson.
- Blutgefäßuntersuchung (Angiografie): Zur Beurteilung der Durchblutung.
- Allergietests: Zum Ausschluss von Allergien als Ursache.
- Psychologische oder psychiatrische Untersuchungen: Bei Verdacht auf psychische Ursachen.
- Genetische Testung: Manchmal wird eine genetische Testung veranlasst.
Behandlung von Zuckungen
Die Behandlung von Zuckungen richtet sich nach der Ursache.
- Harmlose Ursachen: In vielen Fällen ist keine spezielle Behandlung erforderlich. Es können jedoch Maßnahmen ergriffen werden, um die Beschwerden zu lindern:
- Stress reduzieren
- Ausreichend schlafen
- Koffeinkonsum einschränken
- Alkohol- und Drogenkonsum vermeiden
- Ausreichend trinken
- Magnesium zuführen (z.B. über die Ernährung oder Magnesiumpräparate)
- Regelmäßige Bildschirmpausen einlegen
- Entspannungsübungen durchführen (z.B. Yoga, autogenes Training)
- Sich ausreichend bewegen
- Ernsthafte Ursachen: Die Behandlung der Grunderkrankung steht im Vordergrund. Je nach Erkrankung können Medikamente, Operationen oder andere Therapien erforderlich sein.
- Epilepsie: Epileptische Anfälle sind medikamentös meist gut behandelbar.
- MS: Treten die Myokymien trotz MS-Therapie auf, können sie Anzeichen für einen MS-Schub sein oder allgemein für eine Krankheitsaktivität stehen. Falls Du die beschriebenen Muskelzuckungen bei Dir bemerkst, solltest Du sie also unbedingt bei Deinem Behandlungsteam ansprechen.
- Psychische Ursachen: In weniger schweren Fällen kann die psychische Ursache der Muskelzuckungen mit Methoden wie Psychotherapie, Entspannungsverfahren (beispielsweise Autogenes Training), Sport und Bewegungstherapie behandelt werden. Eine medikamentöse Behandlung ist ebenfalls üblich, um unwillkürliches Muskelzucken oder Tics zu behandeln.
Was kann man selbst gegen Zuckungen tun?
- Stress reduzieren: Stress ist häufig der Auslöser für Zuckungen. Hilfreich dagegen können Entspannungsübungen beispielsweise in Form von Yoga sein.
- Ausgewogene Ernährung: Sie sollte ausgewogen und vor allem reich an Magnesium sein.
- Bewegung: Bewegung ist grundsätzlich ein geeignetes Mittel und sollte in der Form ausgeführt werden, die einem Spaß macht.
- Koffein und Alkohol vermeiden: Zudem lassen sich Zuckungen vermeiden, indem man sich von Koffein, Alkohol und aufputschenden Drogen fernhält.
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