Die Atmung ist ein lebensnotwendiger Prozess, der durch das Zusammenspiel verschiedener Muskeln ermöglicht wird. Eine Lähmung der Atemmuskulatur kann schwerwiegende Folgen haben und sogar lebensbedrohlich sein. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten dieser Erkrankung.
Einführung in die Atemmuskulatur
Unser Atemsystem besteht aus zwei Hauptkomponenten: dem gasaustauschenden System (Lunge) und dem ventilierenden System (Atempumpe). Die Atempumpe umfasst die Atemmuskulatur, die für die Bewegung der Luft in und aus der Lunge verantwortlich ist.
Das Zwerchfell: Der wichtigste Atemmuskel
Das Zwerchfell, eine Muskel-Sehnen-Platte, trennt Brust- und Bauchhöhle voneinander und ist der wichtigste Atemmuskel. In Ruhe leistet es 30-50 % der Atemarbeit, bei körperlicher Belastung sogar bis zu 80 %. Beim Einatmen senkt sich das Zwerchfell in die Bauchhöhle, wodurch sich das Lungenvolumen vergrößert und Luft einströmen kann.
Weitere Atemmuskeln
Neben dem Zwerchfell gibt es weitere Muskeln, die an der Atmung beteiligt sind:
- Zwischenrippenmuskeln: Diese Muskeln zwischen den Rippen unterstützen die Atembewegungen.
- Atemhilfsmuskeln: Bei verstärkter Atemtätigkeit kommen Muskeln des Schultergürtels, größere Brustmuskeln und Halsmuskeln zum Einsatz.
Die Atemmuskeln können willkürlich aktiviert werden, aber in der Regel steuert das Gehirn die Atmung automatisch.
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Ursachen der Lähmung der Atemmuskulatur
Eine Lähmung der Atemmuskulatur kann verschiedene Ursachen haben, die sich grob in zentrale und periphere Ursachen einteilen lassen.
Zentrale Ursachen
Bei der zentralen Atemlähmung ist das Atemzentrum im Hirnstamm betroffen. Mögliche Auslöser sind:
- Vergiftungen: Bestimmte Substanzen können das Atemzentrum beeinträchtigen.
- Schädel-Hirn-Trauma: Verletzungen des Gehirns können das Atemzentrum schädigen.
- Herzinfarkt: Ein Herzinfarkt kann zu einer Minderversorgung des Gehirns führen und das Atemzentrum beeinträchtigen.
- Hirnblutung: Blutungen im Hirngewebe können das Atemzentrum schädigen.
- Hypothermie: Unterkühlung kann die Funktion des Atemzentrums beeinträchtigen.
Periphere Ursachen
Die periphere Atemlähmung entsteht durch Störungen der Nerven, die die Atemmuskulatur versorgen, oder durch Defekte der neuromuskulären Überleitung. Mögliche Ursachen sind:
- Verletzungen: Traumata können die Nerven schädigen.
- Vergiftungen: Bestimmte Substanzen können die Nerven oder die neuromuskuläre Überleitung beeinträchtigen.
- Infektionserkrankungen: Tetanus, Keuchhusten, Poliomyelitis und Tollwut können die Nerven schädigen.
- Überdosierung von Muskelrelaxantien: Diese Medikamente können die neuromuskuläre Überleitung blockieren.
- Tumoren: Tumoren können den Zwerchfellnerv bedrängen.
- Armplexusneuritis (neuralgische Schulteramyotrophie): Diese Erkrankung, die oft mit starken Schmerzen in Schulter und Oberarm einhergeht, kann auch den Zwerchfellnerv betreffen.
- Guillain-Barré-Syndrom (GBS): Diese Autoimmunerkrankung kann zu aufsteigenden Lähmungen führen, die auch die Atemmuskulatur betreffen.
- Neuromuskuläre Erkrankungen: Muskeldystrophien und Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) können ebenfalls zu einer Schwäche der Atemmuskulatur führen.
- Querschnittlähmung: Verletzungen des Rückenmarks können die Nerven, die die Atemmuskulatur versorgen, schädigen.
Zwerchfelllähmung im Detail
Eine Zwerchfelllähmung betrifft meist den Zwerchfellnerv und tritt häufig einseitig auf. Neben den bereits genannten Ursachen können auch Operationen an Herz oder Thymus den Nerv schädigen. In vielen Fällen bleibt die Ursache jedoch unklar (idiopathisch), wobei eine Virusinfektion als möglicher Auslöser vermutet wird.
Symptome der Lähmung der Atemmuskulatur
Die Symptome einer Lähmung der Atemmuskulatur hängen von der Ursache, dem Ausmaß der Lähmung und dem Vorliegen weiterer Erkrankungen ab.
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Allgemeine Symptome
- Atemnot (Dyspnoe): Dies ist das häufigste Symptom und kann sich bei Belastung oder im Liegen verschlimmern.
- Atemschwäche (Hypoventilation): Die Atmung ist unzureichend, was zu einem Sauerstoffmangel und einem erhöhten Kohlendioxidgehalt im Blut führen kann.
- Müdigkeit und Erschöpfung: Durch die erhöhte Atemarbeit und den Sauerstoffmangel kann es zu Müdigkeit kommen.
- Schlafstörungen: Atemnot und unzureichende Belüftung können den Schlaf stören.
- Wiederholte Lungenentzündungen: Eine eingeschränkte Atmung kann das Risiko für Lungenentzündungen erhöhen.
Spezifische Symptome bei Zwerchfelllähmung
- Paradoxe Zwerchfellbewegung: Bei einer einseitigen Zwerchfelllähmung bewegt sich das gelähmte Zwerchfell beim Einatmen nicht nach unten, sondern nach oben in den Brustkorb.
- Atemnot beim Bücken, Liegen oder Schwimmen: Diese Positionen verstärken die paradoxe Zwerchfellbewegung und können die Atemnot verstärken.
Symptome bei Amyotropher Lateralsklerose (ALS)
Bei ALS, einer neurodegenerativen Erkrankung, die die motorischen Nervenzellen betrifft, kommt es im Krankheitsverlauf häufig zu einer Schwäche der Atemmuskulatur. Dies kann zu folgenden Symptomen führen:
- Atemstörungen im Schlaf: Abnahme des Sauerstoffgehalts und Anstieg des Kohlendioxidgehalts im Blut während des Schlafs.
- Unruhiger Schlaf und häufiges Aufwachen: Der Körper versucht, die Folgen der Unterbeatmung zu kompensieren.
- Tagesmüdigkeit: Durch den gestörten Schlaf fühlen sich die Betroffenen tagsüber müde.
- Schluckstörungen: Diese können unabhängig von der Atemstörung auftreten und das Risiko des Verschluckens (Aspiration) erhöhen.
Diagnose der Lähmung der Atemmuskulatur
Die Diagnose einer Lähmung der Atemmuskulatur umfasst verschiedene Untersuchungen, um die Ursache und das Ausmaß der Lähmung zu bestimmen.
Anamnese und körperliche Untersuchung
Der Arzt wird zunächst die Krankengeschichte des Patienten erheben und eine körperliche Untersuchung durchführen. Dabei wird er nach Vorerkrankungen, Medikamenteneinnahme, Infektionen und anderen möglichen Ursachen fragen.
Lungenfunktionsprüfung (Spirometrie)
Die Spirometrie misst, wie viel Luft der Patient ein- und ausatmen kann. Bei einer Lähmung der Atemmuskulatur ist die Vitalkapazität (das maximale Luftvolumen, das nach maximaler Einatmung ausgeatmet werden kann) reduziert. Die Messung wird im Sitzen und im Liegen durchgeführt, da sich die Vitalkapazität im Liegen bei einer Zwerchfelllähmung weiter reduziert.
Bildgebende Verfahren
- Röntgen-Thorax: Hierbei kann ein Zwerchfellhochstand festgestellt werden, der auf eine Lähmung hindeutet.
- Ultraschalluntersuchung des Zwerchfells: Diese Untersuchung ermöglicht die Beurteilung der Zwerchfellbewegung und die Messung der Zwerchfelldicke bei Ein- und Ausatmung.
- Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT): Diese Verfahren können eingesetzt werden, um andere Erkrankungen im Hals- oder Brustbereich auszuschließen.
Weitere Untersuchungen
- Blutgasanalyse: Diese Untersuchung misst den Sauerstoff- und Kohlendioxidgehalt im Blut und gibt Aufschluss über die Funktion der Lunge.
- Neurologische Untersuchungen (Neurographie, Elektromyographie): Diese Untersuchungen können in seltenen Fällen erforderlich sein, um eine Nervenschädigung zu bestätigen und weiter zu charakterisieren.
- Hirnwasseruntersuchung (Liquoruntersuchung): Bei Verdacht auf ein Guillain-Barré-Syndrom kann diese Untersuchung sinnvoll sein.
Behandlung der Lähmung der Atemmuskulatur
Die Behandlung der Lähmung der Atemmuskulatur richtet sich nach der Ursache und dem Ausmaß der Lähmung.
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Behandlung der Grunderkrankung
Zunächst muss die Grunderkrankung, die zur Lähmung geführt hat, behandelt werden. Dies kann beispielsweise die Behandlung einer Infektion, die Entfernung eines Tumors oder die Therapie einer Autoimmunerkrankung sein.
Atemphysiotherapie
Atemphysiotherapie kann helfen, die Atemmuskulatur zu stärken, die Sekretmobilisation zu verbessern und die Atemwahrnehmung zu schulen.
Beatmung
Bei einer schweren Lähmung der Atemmuskulatur kann eine Beatmung erforderlich sein, um eine ausreichende Sauerstoffversorgung sicherzustellen. Dies kann entweder nicht-invasiv mit einer Maske oder invasiv mit einem Luftröhrenschnitt (Tracheotomie) erfolgen.
Zwerchfellraffung
Bei einer einseitigen Zwerchfelllähmung, die zu Atemnot führt, kann eine Zwerchfellraffung durchgeführt werden. Dabei wird das gelähmte Zwerchfell gerafft, so dass es sich beim Einatmen nicht mehr in den Brustkorb heben kann. Dies verbessert die Atemarbeit und erhöht das Luftvolumen in der Lunge. Der Eingriff kann minimal-invasiv durchgeführt werden.
Schrittmacherbehandlung (Phrenic-Nerve-Stimulation, PNS)
In Einzelfällen kann bei einer beidseitigen Zwerchfelllähmung eine Schrittmacherbehandlung in Betracht gezogen werden. Dabei werden die Zwerchfellnerven elektrisch stimuliert, um das Zwerchfell zur Kontraktion zu bringen. Dieses Verfahren ist an ein erfahrenes Zentrum gebunden.
Weitere Maßnahmen
- Gewichtsreduktion: Bei übergewichtigen Patienten kann eine Gewichtsreduktion die Atemarbeit erleichtern.
- Medikamentöse Behandlung: Bei Begleiterkrankungen wie COPD oder Herzinsuffizienz kann eine medikamentöse Behandlung die Atemnot lindern.
- Ernährungssonde (PEG): Bei Schluckstörungen kann eine Ernährungssonde die Nahrungsaufnahme sicherstellen.
- Kommunikationshilfen: Bei ALS können Kommunikationssysteme wie Sprachcomputer helfen, wenn die Betroffenen nicht mehr sprechen können.
- Armroboter: Diese können bei ALS die Armbewegung unterstützen, wenn die Betroffenen diese nicht mehr selbstständig ausführen können.
Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) und Atemmuskellähmung
Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, die die motorischen Nervenzellen betrifft. Im Krankheitsverlauf kommt es häufig zu einer Schwäche der Atemmuskulatur, die zu einer respiratorischen Insuffizienz führen kann.
Besonderheiten bei ALS
- Frühe Erkennung: Um Atemstörungen rechtzeitig zu erkennen und eine Therapie einzuleiten, sollten bei ALS-Patienten regelmäßige Untersuchungen der Atemfunktion durchgeführt werden, auch wenn noch keine Symptome vorliegen.
- Atemphysiotherapie: Diese kann die Überforderung der Atemmuskulatur senken und die geschwächte Muskulatur stimulieren.
- Beatmungstherapie: Bei einer respiratorischen Insuffizienz ist eine Beatmungstherapie erforderlich, da die Gabe von Sauerstoff allein nicht ausreichend ist.
Forschung und Therapieansätze bei ALS
Die Forschung arbeitet an neuen Therapieansätzen, die auf die genetischen Ursachen von ALS abzielen. Dazu gehören Gentherapien und die Behandlung mit Antisense-Oligonukleotiden (ASOs), die Gene blockieren, die ALS auslösen.
Leben mit einer Lähmung der Atemmuskulatur
Eine Lähmung der Atemmuskulatur kann das Leben der Betroffenen stark beeinträchtigen. Es ist wichtig, die Erkrankung frühzeitig zu erkennen und eine adäquate Therapie einzuleiten, um die Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu erhalten.
Wichtige Aspekte
- Patientenverfügung: Es ist ratsam, die persönliche Haltung zu lebensverlängernden Maßnahmen in einer Patientenverfügung festzuhalten.
- Soziale Kontakte: Der Erhalt sozialer Kontakte ist wichtig, um Isolation zu vermeiden.
- Hilfsmittel: Moderne Hilfsmittel können die Mobilität und Kommunikation verbessern und den Alltag erleichtern.
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