Lähmung der Zunge: Ursachen, Diagnose und Behandlung

Eine Lähmung der Zunge, auch Hypoglossusparese genannt, kann verschiedene Ursachen haben und sich auf unterschiedliche Weisen äußern. Sie kann die Beweglichkeit der Zunge beeinträchtigen, das Sprechen erschweren und sogar die Geschmackswahrnehmung beeinflussen. Dieser Artikel beleuchtet die vielfältigen Ursachen einer Zungenlähmung, die diagnostischen Verfahren und die verschiedenen Behandlungsansätze.

Ursachen einer Zungenlähmung

Die Ursachen für eine Zungenlähmung sind vielfältig und können sowohl zentrale als auch periphere Nervenstrukturen betreffen.

Zentrale Ursachen

Zentrale Ursachen liegen im Gehirn oder Hirnstamm und können folgende Erkrankungen umfassen:

  • Hirnstamminfarkt oder Hirnstammblutung: Diese Ereignisse können das Kerngebiet des N. hypoglossus in der Medulla oblongata schädigen.
  • Multiple Sklerose (MS): MS kann zu Schädigungen in verschiedenen Bereichen des Gehirns führen, einschließlich derjenigen, die die Zungenfunktion steuern.
  • Tumore: Tumore im Gehirn können Druck auf die Nerven ausüben und deren Funktion beeinträchtigen.
  • Verletzungen des Gehirns: Traumatische Hirnverletzungen können ebenfalls zu einer Zungenlähmung führen.
  • Kinderlähmung (Poliomyelitis): Obwohl selten, kann diese Krankheit zu Lähmungen verschiedener Muskeln führen, einschließlich der Zungenmuskulatur.

Periphere Ursachen

Periphere Ursachen betreffen den Nervus hypoglossus selbst, außerhalb des Gehirns:

  • Tumore im Bereich der Schädelbasis: Tumore können den Nervus hypoglossus komprimieren, wenn er die Schädelbasis durch den Canalis hypoglossus verlässt.
  • Traumata: Verletzungen im Bereich des Halses oder der Schädelbasis können den Nerv beschädigen.
  • Aneurysmen der Arteria carotis interna: Ein Aneurysma kann Druck auf den Nerv ausüben.
  • Carotisdissektion: Eine Aufspaltung der Wandschichten der Arteria carotis interna kann den Nervus hypoglossus schädigen.
  • Schädigung durch Zug oder Druck: Äußere Einwirkungen können den Nerv beeinträchtigen.
  • Entzündliche oder ischämische Schädigung des Kerngebiets: Entzündungen oder Durchblutungsstörungen können das Kerngebiet des Nervs schädigen.
  • Infektionen: Borreliose, ausgelöst durch Zeckenstiche, kann sich im fortgeschrittenen Stadium auf den Nervus hypoglossus ausbreiten und eine Zungenlähmung verursachen. Auch virale Infektionen wie Röteln, Mumps oder Grippe können zur Lähmung des Gesichts führen, wenn sich die Infektion auf den Gesichtsnerv ausbreitet.
  • Autoimmunerkrankungen: Sarkoidose und das Guillain-Barré-Syndrom können ebenfalls eine Zungenlähmung verursachen.
  • Medikamente: Einige Medikamente können als Nebenwirkung Missempfindungen im Mund auslösen.
  • Zahnärztliche Eingriffe: Schäden am fünften Hirnnerv, dem Nervus trigeminus, können zu Beschwerden führen. In der Regel ist die Erklärung jedoch viel harmloser: Vor größeren zahnärztlichen Eingriffen im Unterkiefer, beispielsweise dem Entfernen der Weisheitszähne oder einer Wurzelkanalbehandlung, werden Nerven in dem entsprechenden Bereich mithilfe einer Injektion lokal betäubt. Es kann vorkommen, dass dabei nicht nur das Gewebe um die Zähne herum durch das Betäubungsmittel taub wird, sondern zusätzlich die Zunge. Man kann auch sagen, die Zunge schläft ein.

Symptome einer Zungenlähmung

Die Symptome einer Zungenlähmung können je nach Ursache und Schweregrad variieren. Zu den häufigsten Symptomen gehören:

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  • Abweichen der Zunge: Beim Herausstrecken der Zunge weicht diese zur gelähmten Seite ab. Dies liegt am Überwiegen des M. genioglossus der gesunden Seite.
  • Schwierigkeiten beim Bewegen der Zunge: Die Zunge kann nicht oder nur eingeschränkt zur paretischen Seite bewegt werden.
  • Beeinträchtigte Artikulation: Aufgrund der Schwäche der Zungenmuskulatur kann die Sprache undeutlich oder verwaschen sein. Bei beidseitiger Parese kann die Zunge kaum über die Zähne nach vorne geschoben werden.
  • Schluckbeschwerden (Dysphagie): Die Koordination des Schluckvorgangs kann beeinträchtigt sein.
  • Atrophie der Zunge: Bei länger bestehender Lähmung kann es zu einem Muskelschwund der Zunge kommen.
  • Faszikulationen und Fibrillationen: Unwillkürliche Muskelzuckungen können auftreten.
  • Taubheitsgefühl oder Missempfindungen: Die Zunge kann taub sein oder kribbeln.
  • Veränderungen des Geschmacksempfindens: Der Geschmackssinn kann beeinträchtigt sein, insbesondere im vorderen Bereich der Zunge.
  • Schwierigkeiten beim Essen und Trinken: Durch die beeinträchtigte Zungenfunktion kann es zu Problemen beim Kauen und Schlucken kommen.

Diagnose einer Zungenlähmung

Die Diagnose einer Zungenlähmung umfasst verschiedene Schritte:

  1. Anamnese: Der Arzt erfragt die Krankengeschichte des Patienten, einschließlich der Art und Dauer der Symptome, Vorerkrankungen und eingenommenen Medikamente.
  2. Klinische Untersuchung: Der Arzt untersucht die Beweglichkeit der Zunge, die Artikulation, den Schluckvorgang und das Geschmacksempfinden. Er achtet auf Anzeichen von Atrophie, Faszikulationen oder anderen neurologischen Auffälligkeiten.
  3. Neurologische Untersuchung: Diese Untersuchung dient dazu, andere Hirnnervenfunktionen zu überprüfen und mögliche Begleitsymptome zu erkennen.
  4. Bildgebende Verfahren:
    • Kernspintomographie (MRT) des Kopfes: Hiermit können Läsionen im Gehirn oder im Bereich der Schädelbasis dargestellt werden.
    • Computertomographie (CT): Diese Untersuchung kann bei Verdacht auf Frakturen oder andere knöcherne Veränderungen durchgeführt werden.
  5. Elektromyographie (EMG) der Zunge: Diese Untersuchung misst die elektrische Aktivität der Zungenmuskulatur und kann Faszikulationen oder Fibrillationen nachweisen. Sie hilft auch, zwischen einer Muskel- und einer Nervenschädigung zu unterscheiden.
  6. Weitere Abklärung: Je nach Verdachtsmoment können weitere Untersuchungen erforderlich sein, z. B. eine Liquoruntersuchung zum Ausschluss einer Borrelieninfektion oder eine Angiographie zur Beurteilung der Blutgefäße.

Differentialdiagnose

Es ist wichtig, andere Ursachen für Zungenbeschwerden auszuschließen, wie z. B.:

  • Burning-Mouth-Syndrom: Empfindungsstörungen in der Mundhöhle, darunter Brennen, Kribbeln, stechende Schmerzen oder ein Taubheitsgefühl.
  • Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD): Funktionsstörung des Kausystems mit verschiedenen Symptomen.
  • "Corona-Zunge": Veränderungen der Zunge bei COVID-19-Infektionen, wie Schwellungen, Rötungen oder Belag.
  • Verbrannte Zunge: Nach dem Verzehr heißer Speisen oder Getränke.
  • Reizung durch Lebensmittel: Manche Lebensmittel können die Mundschleimhaut und Zunge reizen.
  • Vitaminmangel: Ein Mangel an Vitamin B9 (Folsäure) oder Vitamin B12 kann zu Zungenbrennen oder Taubheitsgefühl führen.

Behandlung einer Zungenlähmung

Die Behandlung einer Zungenlähmung richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache.

  • Behandlung der Grunderkrankung: Wenn die Zungenlähmung durch eine Grunderkrankung wie einen Schlaganfall, eine Infektion oder einen Tumor verursacht wird, steht die Behandlung dieser Erkrankung im Vordergrund.
  • Medikamentöse Therapie: Bei entzündlichen Ursachen können Kortikosteroide eingesetzt werden. Bei bakteriellen Infektionen kommen Antibiotika zum Einsatz, bei viralen Infektionen antivirale Medikamente.
  • Logopädie: Logopädische Übungen können helfen, die Zungenmuskulatur zu stärken, die Artikulation zu verbessern und Schluckbeschwerden zu reduzieren.
  • Physiotherapie: Physiotherapie kann dazu beitragen, die allgemeine Muskelfunktion und Koordination zu verbessern.
  • Ernährungstherapie: Bei Schluckbeschwerden kann eine Anpassung der Ernährung erforderlich sein, z. B. die Verwendung von pürierten Speisen oder verdickten Flüssigkeiten.
  • Operative Therapie: In einigen Fällen kann eine Operation erforderlich sein, z. B. zur Entfernung eines Tumors oder zur Dekompression eines Nervs.
  • Vitamin-B-Komplex: Bei Vitamin-B12-Mangel wird mit Präparaten aus dem Vitamin-B-Komplex behandelt. Hierbei werden insbesondere Vitamin B12 aber auch Vitamin B6 und B1 eingesetzt.

Fazialisparese als mögliche Begleiterscheinung

Es ist wichtig zu erwähnen, dass eine Zungenlähmung auch im Zusammenhang mit einer Fazialisparese (Gesichtslähmung) auftreten kann, da der Nervus facialis und der Nervus hypoglossus anatomisch benachbart sind und ähnliche Ursachen haben können.

Fazialisparese: Ursachen und Symptome

Die Fazialisparese ist eine Lähmung der Gesichtsmuskulatur, die durch eine Schädigung des Nervus facialis verursacht wird. Sie kann verschiedene Ursachen haben, darunter:

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  • Idiopathische Fazialisparese (Bell-Parese): Die häufigste Form, deren Ursache unbekannt ist. Es gibt deutliche Hinweise auf eine Herpes-simplex Typ 1 Infektion des Nervs. Durch die entzündlichen Prozesse kommt es bei der Bell-Parese zu einer Schwellung des Nervs im knöchernen Fazialiskanal. Durch die Kompression des Nervs im engen Kanal wird seine Funktion gestört und das obere und untere Gesicht beeinträchtigt.
  • Infektionen: Herpes Zoster Virus (Ramsay-Hunt-Syndrom), Mittelohrentzündung.
  • Tumore: Tumore der Ohrspeicheldrüse, Akustikusneurinom.
  • Traumata: Felsenbeinfrakturen.
  • Andere Ursachen: Sarkoidose, chronische Meningitis.

Die Symptome einer Fazialisparese können sein:

  • Einseitige schlaffe Lähmung der mimischen Muskulatur.
  • Gesichtsasymmetrie.
  • Verlust der Fähigkeit des vollständigen Lidschlusses.
  • Verstrichene Stirn- und Nasolabialfalten.
  • Beeinträchtigte Artikulation.
  • Geschmacksstörung der vorderen 2/3 der Zunge.
  • Abnahme der Speichelsekretion.
  • Geräusch-Überempfindlichkeit.
  • Abnahme der Tränensekretion.

Diagnose und Behandlung der Fazialisparese

Die Diagnose der Fazialisparese umfasst eine klinische Untersuchung, neurologische Tests und gegebenenfalls bildgebende Verfahren. Die Behandlung richtet sich nach der Ursache und kann Kortikosteroide, antivirale Medikamente, Physiotherapie und in einigen Fällen eine Operation umfassen.

Operative Therapie der Fazialisparese

Das gesamte Spektrum operativer Verfahren zur Behandlung der Fazialisparese wird angeboten. Hierzu gehören sowohl Techniken der Nervenrekonstruktion sowie sekundär plastisch-rekonstruktive Maßnahmen mit dem Ziel der Rehabilitation des Mundes bzw. des Auges.

  • Nervenrekonstruktion:
    • Primäre Nervennaht: Nach erlittenem Trauma bietet die primäre Versorgung die besten Aussichten für eine erfolgreiche Reinnervation.
    • Sekundäre Nervennaht
    • Nerveninterponate: Unter Verwendung von sensiblen Hautnerven (z.B. N. suralis vom Unterschenkel) können Defekte im Verlauf des N.facialis erfolgreich überbrückt werden.
    • Hypoglossus-Fazialis-Anastomose: Hierbei werden Teile des N. hypoglossus (Zungennerv) mit peripheren Enden des N. facialis verbunden um eine Reinnervation der gelähmten Muskulatur zu erzielen.
    • Cross-Face Nerve Graft (CFNG): Bei Fehlen eines geeigneten zentralen N. facialis-Stumpfes kann unter Verwendung eines Nerventransplantates (z.B. N. suralis) von der gesunden Seite die Innervation der Muskulatur der gelähmten Seite erreicht werden. Zusätzlich kann die Technik des CFNG als additives Verfahren zum freiem funktionellen Muskeltransfer gesehen werden.
  • Neuromuskuläre Transposition: Hierunter wird die Einbringung eines innervierten Fremdmuskels in die gelähmte mimische Muskulatur verstanden. Für die Gesichtsmuskulatur eignet sich hier insbesondere der M. temporalis oder der M. masseter. Auch die sog. freie neurovaskuläre funktionelle Muskeltransplantation gehört zum Routinerepertoire unserer Abteilung. Hierunter versteht man die Verwendung eines Muskel-Nerv-Gefäß-Transplantates, z.B. aus einem Oberschenkelmuskel (M. gracilis) als Ersatz für die gelähmte Gesichtsmuskulatur.
  • Statische Ersatzoperationen.

Übungen bei Gesichtslähmung

Die Therapieziele sind die Rückgewinnung von mimischer Muskulatur durch Training mit Hilfe von Logopädie und selbstständigem Training durch Grimassieren.

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