Hirnstammläsionen: Symptome, Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten

Der Hirnstamm ist ein vitaler Teil des zentralen Nervensystems, der eine Schlüsselrolle bei der Steuerung lebenswichtiger Funktionen spielt. Schädigungen dieses Bereichs können weitreichende Folgen haben und komplexe neurologische Symptome verursachen. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten von Hirnstammläsionen, um ein umfassendes Verständnis dieser Erkrankung zu ermöglichen.

Einführung in den Hirnstamm

Der Hirnstamm ist der unterste Teil des Gehirns und verbindet das Großhirn mit dem Rückenmark. Er besteht aus drei Hauptabschnitten:

  • Mittelhirn (Mesencephalon): Enthält Nervenfasern, die Informationen zwischen den Gehirnabschnitten weiterleiten, sowie motorische Zentren und Kerngebiete einiger Hirnnerven.
  • Brücke (Pons): Enthält Nervenfasern, die Informationen zwischen den beiden Gehirnhälften austauschen, und ist an der Steuerung autonomer Körperfunktionen und Reflexe beteiligt.
  • Verlängertes Mark (Medulla oblongata): Bildet den Übergang zum Rückenmark und enthält Kerngebiete einiger Hirnnerven sowie wichtige regulatorische Zentren wie das Atem- und Kreislaufzentrum.

Der Hirnstamm steuert lebenswichtige Funktionen wie Atmung, Herzschlag, Blutdruck, Schlaf-Wach-Rhythmus und Reflexe. Er dient auch als Durchgangsstation für sensorische und motorische Bahnen zwischen Gehirn und Körper.

Was sind Hirnstammläsionen?

Hirnstammläsionen sind Schädigungen des Nervengewebes im Bereich des Mittelhirns, der Brücke oder des verlängerten Marks. Diese Schädigungen können durch verschiedene Ursachen entstehen und zu einer Vielzahl von neurologischen Symptomen führen, die als Hirnstammsyndrom bezeichnet werden. Die Symptome hängen von der Lokalisation und dem Ausmaß der Schädigung ab.

Ursachen von Hirnstammläsionen

Hirnstammläsionen können durch akute Ereignisse oder chronische Prozesse verursacht werden. Häufige Ursachen sind:

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  • Schlaganfall: Eine plötzlich auftretende Störung des Blutflusses im Gehirn, die zu einer Unterversorgung des Gewebes mit Sauerstoff und Nährstoffen führt. Es wird zwischen ischämischem Schlaganfall (Verstopfung eines Blutgefäßes) und hämorrhagischem Schlaganfall (Hirnblutung) unterschieden. Etwa jeder fünfte Schlaganfall betrifft das vertebrobasiläre Stromgebiet.
  • Schädel-Hirn-Trauma (SHT): Eine Verletzung des Gehirns durch traumatische Krafteinwirkung, z.B. durch Unfälle.
  • Entzündliche Prozesse: Entzündungen im Gehirn oder Rückenmark, wie z.B. bei Multipler Sklerose (MS), können zu Läsionen im Hirnstamm führen. Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung, bei der das körpereigene Immunsystem die Myelinschicht (isolierende Schicht um die Nervenfasern) angreift.
  • Tumoren: Gutartige oder bösartige Neubildungen von Gewebe im Bereich des Hirnstamms können auf umliegende Strukturen drücken und diese schädigen.
  • Infektionen: Infektionen des Gehirns oder der Hirnhäute können ebenfalls zu Hirnstammläsionen führen.
  • Neurodegenerative Erkrankungen: Erkrankungen wie die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) oder die Spinobulbäre Muskelatrophie Typ Kennedy können zum Absterben von Neuronen im Hirnstamm führen.
  • Gefäßdissektionen: Einriss in der Wand eines Blutgefäßes im Bereich des Hirnstamms.
  • Demyelinisierung: Zerstörung der Myelinscheide der Nervenfasern, wie sie beispielsweise bei Multipler Sklerose auftritt.

Symptome von Hirnstammläsionen

Die Symptome einer Hirnstammläsion sind vielfältig und hängen von der Lokalisation und dem Ausmaß der Schädigung ab. Da sich im Hirnstamm die Kerngebiete der Hirnnerven befinden, zeigen sich Läsionen häufig in Form von Hirnnervenausfällen.

Typische Symptome sind:

  • Gekreuzte Hirnstammsymptomatik: Schädigung von Hirnnerven auf der Seite der Läsion in Kombination mit sensiblen und motorischen Beeinträchtigungen auf der Gegenseite.
  • Hirnnervenausfälle: Ausfälle im Bereich der Gesichtsmuskulatur, des Berührungsempfindens, des Geschmacks, des Sehens und Hörens oder des Gleichgewichtssinnes. Störungen des Schluckvorganges können ebenfalls auftreten.
  • Motorische Störungen: Schwäche, Lähmungen (Hemiparese, Tetraplegie), Spastik, Koordinationsstörungen (Ataxie). Läsionen oberhalb der Decussatio pyramidum (Kreuzung der Pyramidenbahn) im Hirnstamm manifestieren sich als motorische Symptome auf der kontralateralen Körperseite, während Läsionen unterhalb der Decussatio pyramidum auf der ipsilateralen Körperseite motorische Beschwerden verursachen.
  • Sensibilitätsstörungen: Taubheitsgefühle, Kribbeln, Verlust der Schmerz- oder Temperaturempfindung.
  • Gleichgewichtsstörungen: Schwindel, Fallneigung.
  • Augenbewegungsstörungen: Doppelbilder (Diplopie), Nystagmus (unwillkürliche Augenbewegungen), Blickrichtungsstörungen.
  • Schluckstörungen (Dysphagie): Schwierigkeiten beim Schlucken von Flüssigkeiten oder fester Nahrung.
  • Sprechstörungen (Dysarthrie): Verwaschene oder undeutliche Sprache.
  • ** vegetative Funktionsstörungen:** Veränderungen der Schweiß- oder Tränensekretion, Kreislaufstörungen, Atemstörungen.
  • Bewusstseinsstörungen: Benommenheit, Verwirrtheit, Bewusstlosigkeit.
  • Atem- und Kreislaufstörungen: Diese können lebensbedrohlich sein und erfordern sofortige medizinische Behandlung.
  • Übelkeit und Erbrechen: Häufig initiales Symptom bei Hirnstammläsionen.

Je nach betroffenem Bereich des Hirnstamms können spezifische Syndrome auftreten, wie z.B.:

  • Wallenberg-Syndrom: Verursacht durch einen Infarkt in der dorsolateralen Medulla oblongata. Typische Symptome sind Schluckstörung, Schwindel, Fallneigung, Doppelbilder, Horner-Syndrom (Ptosis, Miosis, Anhidrose), Verlust der Schmerz- und Temperaturempfindung auf der Gegenseite des Körpers.
  • Weber-Syndrom: Verursacht durch eine Läsion in den ventralen Abschnitten des Mesenzephalons. Symptome sind ipsilaterale Okulomotoriusparese und kontralaterale Hemiparese.
  • Benedikt-Syndrom: Verursacht durch eine Läsion in den paramedianen Abschnitten des Mesenzephalons. Symptome sind ipsilaterale Okulomotoriusparese, Tremor/Chorea und kontralaterale Chorea oder Tremor.

Diagnose von Hirnstammläsionen

Bei Verdacht auf eine Hirnstammläsion ist eine umfassende Diagnostik erforderlich. Diese umfasst:

  • Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte, einschließlich Fragen zu Unfällen, Vorerkrankungen und dem zeitlichen Verlauf der Symptome.
  • Körperliche Untersuchung: Allgemeine Untersuchung und neurologische Untersuchung zur Beurteilung der Hirnnervenfunktion, Motorik, Sensibilität, Koordination und Reflexe.
  • Bildgebende Verfahren:
    • Magnetresonanztomographie (MRT): Das wichtigste bildgebende Verfahren zur Darstellung des Hirngewebes und zur Lokalisation von Infarkten, Blutungen, Tumoren oder Entzündungen. Eine Feinschichtung des Hirnstamms einschließlich DWI (diffusionsgewichtete Bildgebung) kann erforderlich sein, um Ischämien frühzeitig zu erkennen.
    • Computertomographie (CT): Kann bei akuten Blutungen oder zur Beurteilung von knöchernen Strukturen eingesetzt werden. Eine CT-Angiographie kann Gefäßverschlüsse oder -dissektionen aufdecken.
  • Elektroenzephalogramm (EEG): Messung der elektrischen Aktivität des Gehirns zur Beurteilung von Hirnströmen und zur Diagnostik von Hirnstammläsionen. Spezialuntersuchungen können die Antwort der Nerven auf akustische und visuelle Reize darstellen.
  • Lumbalpunktion (Liquoruntersuchung): Entnahme von Nervenwasser zur Untersuchung auf Entzündungen, Infektionen oder andere Erkrankungen des zentralen Nervensystems.
  • Elektrophysiologische Untersuchungen (EMG/ENG): Elektromyographie und Neurographie zur Beurteilung der Funktion von Muskeln und Nerven, insbesondere bei Verdacht auf Motoneuronerkrankungen.

Therapie von Hirnstammläsionen

Die Therapie von Hirnstammläsionen richtet sich nach der Ursache der Läsion.

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  • Schlaganfall:
    • Ischämischer Schlaganfall: Wiederherstellung der Durchblutung des Gehirns durch Thrombolyse (medikamentöse Auflösung des Blutgerinnsels) oder endovaskuläre Therapie (mechanische Entfernung des Blutgerinnsels).
    • Hämorrhagischer Schlaganfall: Blutstillung und gegebenenfalls operative Entfernung des Blutergusses.
  • Schädel-Hirn-Trauma: Aufrechterhaltung der Blut- und Sauerstoffversorgung des Gehirns, Behandlung von Hirndruck und anderen Komplikationen.
  • Entzündliche Erkrankungen: Immunsuppressive Therapie zurReduktion der Entzündung, z.B. bei Multipler Sklerose.
  • Tumoren: Operative Entfernung, Strahlentherapie oder Chemotherapie.
  • Infektionen: Behandlung mit Antibiotika oder antiviralen Medikamenten.

Zusätzlich zur Behandlung der Ursache sind unterstützende Maßnahmen wichtig, um die Symptome zu lindern und dieFunktionsfähigkeit des Patienten zu verbessern:

  • Physiotherapie: Zur Verbesserung der Motorik, Koordination und des Gleichgewichts.
  • Ergotherapie: Zur Verbesserung derAlltagsfähigkeiten und zur Anpassung der Umgebung.
  • Logopädie: Zur Behandlung von Schluck- und Sprechstörungen.
  • Schmerztherapie: Zur Linderung von Schmerzen.
  • Psychologische Betreuung: Zur Unterstützung bei der Krankheitsbewältigung.

Motoneuronerkrankungen als Ursache von Hirnstammläsionen

Motoneuronerkrankungen sind eine Gruppe von neurodegenerativen Erkrankungen, die zum Absterben von Motoneuronen (Nervenzellen, die Muskeln steuern) führen. Diese Erkrankungen können sowohl die oberen Motoneurone (im Gehirn und Rückenmark) als auch die unteren Motoneurone (im Hirnstamm und Rückenmark) betreffen.

Einige Beispiele für Motoneuronerkrankungen, die Hirnstammläsionen verursachen können, sind:

  • Amyotrophe Lateralsklerose (ALS): Eine progressive Erkrankung, die sowohl die oberen als auch die unteren Motoneurone betrifft. Symptome sind Muskelschwäche, Atrophie, Spastik, Schluck- und Sprechstörungen.
  • Spinale Muskelatrophie (SMA): Eine genetisch bedingte Erkrankung, die die unteren Motoneurone betrifft. Symptome sind Muskelschwäche und Atrophie.
  • Spinobulbäre Muskelatrophie Typ Kennedy: Eine X-chromosomal vererbte Erkrankung, die die unteren Motoneurone im Hirnstamm und Rückenmark betrifft. Symptome sind Muskelschwäche, Atrophie, Tremor, Schluck- und Sprechstörungen.
  • Primäre Lateralsklerose (PLS): Eine seltene Erkrankung, die hauptsächlich die oberen Motoneurone betrifft. Symptome sind Spastik und Schwäche der Extremitäten.

Die Diagnose von Motoneuronerkrankungen wird in der Regel durch eine klinisch-neurologische Untersuchung, elektrophysiologische Untersuchungen (EMG/ENG) und Gentests gestellt. Die Therapie ist meist symptomatisch und zielt darauf ab, die Lebensqualität des Patienten zu verbessern.

Multiple Sklerose und Hirnstammläsionen

Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung, die das zentrale Nervensystem betrifft. Bei MS greift das körpereigene Immunsystem die Myelinschicht der Nervenfasern an, was zu Entzündungen und Schädigungen führt. Diese Schädigungen können in verschiedenen Bereichen des Gehirns und Rückenmarks auftreten, einschließlich des Hirnstamms.

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Wenn Entzündungen im Hirnstamm auftreten, kann dies zu einer Vielzahl von Symptomen führen, wie z.B.:

  • Schluckstörungen
  • Sprechstörungen (verwaschenes Sprechen)
  • Gleichgewichtsstörungen
  • Sensibilitätsstörungen
  • Lähmungen
  • Doppelbilder
  • Nystagmus

Die Diagnose von MS basiert auf klinischen Befunden, MRT-Bildgebung und Liquoruntersuchung. Die Behandlung zielt darauf ab, die Entzündung zu reduzieren, Schübe zu verhindern und die Symptome zu lindern.

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