Lässt sich Demenz aufhalten? Aktuelle Studien und Erkenntnisse

Die Demenz, insbesondere die Alzheimer-Krankheit, stellt eine der größten gesundheitlichen Herausforderungen unserer Zeit dar. In Deutschland sind etwa eine Million Menschen von Alzheimer betroffen, wobei die Ursachen der Erkrankung, bei der Nervenzellen nach und nach absterben, noch nicht im Detail geklärt sind. Angesichts dieser Situation ist die Frage, ob und wie sich Demenz aufhalten oder zumindest hinauszögern lässt, von enormer Bedeutung. Glücklicherweise gibt es vielversprechende Forschungsansätze und Erkenntnisse, die Hoffnung geben.

Der Einfluss des Lebensstils auf die Alzheimer-Erkrankung

Die Forschung beweist zunehmend, dass unser Lebensstil einen gigantischen Einfluss auf Demenz und insbesondere die Alzheimer-Erkrankung hat. Wer sich im Alltag regelmäßig bewegt, kann das Fortschreiten einer sich abzeichnenden Alzheimer-Erkrankung offenbar deutlich verzögern. Eine aktuelle Studie macht Hoffnung: Reichen schon 5000 Schritte aus, um Alzheimer hinauszuzögern?

Körperliche Aktivität als Schutzfaktor

Eine Studie zeigt, dass bereits einige Tausend Schritte täglich dazu führen können, dass eine Alzheimer-Erkrankung langsamer voranschreitet. Die Analyse zeige erstmals Effekte bei Menschen, die bereits Alzheimer-typische Veränderungen im Gehirn haben, sagte Emrah Düzel vom Universitätsklinikum Magdeburg. Körperliche Aktivität scheint die Ausbreitung dieser Veränderungen über Jahre hinweg zu verlangsamen und in Verbindung damit die mentale Leistungsfähigkeit zu schützen.

Bei körperlich aktiven Menschen mit präklinischem Alzheimer wurde ein geringerer kognitiver Abbau als bei körperlich inaktiven erfasst. Bereits 3000 Schritte am Tag können dazu beitragen, dass sich im Gehirn weniger schnell schädigende Tau-Proteinklumpen ansammeln. Einen noch größeren Effekt haben 5000 bis 7500 Schritte, wie das Team um Wai-Ying Wendy Yau vom Mass General Brigham in Boston im Fachjournal "Nature Medicine" berichtet. Die Ergebnisse bestätigten, dass Bewegungsmangel ein Risikofaktor für Alzheimer ist. Generell könnten körperlich aktive ältere Menschen ihre Hirnsubstanz besser erhalten als körperlich inaktive.

Zum Mechanismus dahinter lasse sich aus der Studie nichts ableiten. Als Effekt komme zum Beispiel infrage, dass regelmäßiges Gehen die Kognition trainiert: "Die Personen müssen navigieren, sich orientieren und mit ihrer Umgebung interagieren." Trainiert werde zudem die kardiovaskuläre Gesundheit. Schließlich würden bei erhöhter körperlicher Aktivität eine Reihe blutgebundener Wachstums- und Schutzfaktoren freigesetzt, die sich positiv auf das Gehirn auswirken und die Ausbreitung von Tau verlangsamen könnten. Menschen in der Frühphase einer Alzheimer-Erkrankung können den weiteren Verlauf also deutlich verlangsamen, indem sie sich regelmäßig viel bewegen. "Jeder Schritt zählt - und selbst kleine Steigerungen der täglichen Aktivitäten können sich im Laufe der Zeit zu nachhaltigen Veränderungen der Gewohnheiten und der Gesundheit summieren", so Yau.

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Es sollte jedoch nicht schlussfolgern, dass mehr Bewegung nicht notwendig ist. Intensive körperliche Aktivität wie Joggen oder Tanzen könne mit großer Wahrscheinlichkeit zusätzliche Effekte auslösen. Anzunehmen sei auch, dass zusätzliche Faktoren relevant waren. "Zum Beispiel kann neben der körperlichen Aktivität die Tatsache eine Rolle spielen, dass eine erhöhte Schrittzahl einen kognitiv aktiveren Lebensstil mit sich bringt", erklärte Düzel. "Spazierengehen braucht Planung, Orientierung, Gedächtnis und eine Reihe anderer kognitiver Faktoren."

Weitere Risikofaktoren und Präventionsmaßnahmen

Neben Bewegungsmangel gibt es noch weitere beeinflussbare Risikofaktoren, die das Demenzrisiko erhöhen. Dazu gehören:

  • Faktoren, die die Gefäße oder den Stoffwechsel belasten: Bluthochdruck, hohe Blutzucker- oder Cholesterinwerte.
  • Faktoren, die Entzündungen oder schädliche Ablagerungen im Gehirn fördern.
  • Faktoren, die die kognitive Reserve schwächen: die Widerstandskraft des Gehirns gegenüber Schäden.

Besonders wichtig: Wenn mehrere Risikofaktoren gleichzeitig vorliegen, erhöht sich das Demenzrisiko deutlich. Positiv ist: Wer an einer Stelle ansetzt, kann oft mehrere Risiken gleichzeitig verringern.

Weitere Risikofaktoren sind:

  • Erhöhtes Cholesterin: vor allem bei Menschen unter 65 - kann die Ablagerung von schädlichen Proteinen wie Amyloid-beta und verändertem Tau im Gehirn fördern, beides typische Merkmale der Alzheimer-Krankheit. Zudem belastet zu viel Cholesterin die Blutgefäße. Das steigert das Risiko für Schlaganfälle und damit auch für eine vaskuläre Demenz.
  • Anhaltende Niedergeschlagenheit, sozialer Rückzug und mangelnde Selbstfürsorge: belasten nicht nur die Seele - sondern auch das Gehirn.
  • Schwere oder wiederholte Kopfverletzungen: erhöhen das Risiko für Demenzerkrankungen wie Alzheimer und die chronisch-traumatische Enzephalopathie (CTE).
  • Typ-2-Diabetes: zählt zu den am besten belegten Risikofaktoren für Demenz.
  • Rauchen: erhöht das Risiko für Alzheimer und vaskuläre Demenz - vor allem durch die negativen Auswirkungen auf Herz, Gefäße und Gehirn.
  • Bluthochdruck im mittleren Lebensalter: erhöht das Risiko für alle Demenzformen, insbesondere für die vaskuläre Demenz.
  • Übergewicht: besonders im mittleren Lebensalter- erhöht das Risiko, später an einer Demenz zu erkranken.
  • Regelmäßiger Alkoholkonsum: Studien zeigen, dass schon mehr als drei Liter Bier oder zwei Liter Wein pro Woche zum Verlust der grauen Masse im Gehirn und damit zu einem höheren Risiko für alle Formen der Demenz führt.
  • Soziale Isolation: kann das Risiko erhöhen, an Demenz zu erkranken. Denn das Gehirn braucht Anregung: Gespräche, Begegnungen und gemeinsame Aktivitäten halten es wach und leistungsfähig.
  • Feinstaub: Feine Partikel aus Abgasen, Industrie, Holz- und Kohleöfen können Entzündungen auslösen, die Gefäße schädigen und langfristig die geistige Gesundheit beeinträchtigen. Vor allem Feinstaub steht im Verdacht, das Demenzrisiko zu erhöhen.
  • Sehschwäche: Wenn das Sehvermögen nachlässt und nicht ausgeglichen wird, gehen dem Gehirn wichtige Reize verloren. Studien zeigen: Menschen mit unbehandelten Sehschwächen haben ein deutlich höheres Risiko, an Demenz zu erkranken.

Empfehlungen für einen demenzfreundlichen Lebensstil

Um das Demenzrisiko zu senken, empfiehlt es sich, folgende Maßnahmen zu ergreifen:

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  • Regelmäßige körperliche Aktivität: Mindestens 150 Minuten moderate oder 75 Minuten intensive Bewegung pro Woche. Raus auf Erkundungsgang. Die Spaziergänge sollten dabei möglichst mit dem Erkunden der Umgebung - und gern auch neuer Umgebungen - verbunden werden. Eine Reihe von Sportarten wie Radfahren, Tanzen oder Joggen könnten aufgrund ihrer Intensität und der Stimulation des Gehirns zusätzliche Effekte haben. "Wichtig ist, dass körperliche Aktivität regelmäßig und individuell passend erfolgt - also in einer Form, die Freude macht und gut in den Alltag integrierbar ist".
  • Gesunde Ernährung: Ausgewogene Ernährung mit viel Gemüse, Obst und gesunden Fetten.
  • Geistige Anregung: Geistige Anregung in jungen Jahren schützt das Gehirn - besonders durch den Aufbau sogenannter kognitiver Reserven.
  • Soziale Kontakte pflegen: Soziale Isolation bedeutet, dass ein Mensch nur selten Kontakt zu anderen hat - zum Beispiel, wenn er allein lebt, kaum Besuch bekommt oder nicht mehr aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnimmt. Eine solche Isolation kann das Risiko erhöhen, an Demenz zu erkranken.
  • Vermeidung von Risikofaktoren: Nicht rauchen, wenig Alkohol trinken, Blutdruck und Cholesterinwerte im норма halten.
  • Regelmäßige Kontrolluntersuchungen: um Risikofaktoren frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
  • Hörgeräte und Sehhilfen nutzen: Dem kann man durch das frühzeitige Tragen von Hörgeräten und Sehhilfen entgegenwirken.
  • Schädel-Hirn-Verletzungen vermeiden: Deshalb ist es sinnvoll, beim Radfahren, Skaten usw. einen Helm zu tragen und vor allem bei Kindern auf intensives Kopfballtraining zu verzichten.

Neue Therapieansätze und Medikamente

Neben den präventiven Maßnahmen gibt es auch vielversprechende Therapieansätze, die darauf abzielen, den Krankheitsverlauf von Alzheimer zu beeinflussen.

Antikörpertherapien

Antikörper bringen die Amyloid-Plaques im Gehirn nachweislich zum Verschwinden. Das kann das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen, aber nicht rückgängig machen. In Kombination mit einer frühen Diagnostik ließen sich damit allerdings Symptome wirksam aufhalten, sagt Prof. Dr. Dorothee Saur, Neurologin am Universitätsklinikum Leipzig. Die jetzt vor der Zulassung stehenden zwei Therapien setzen genau da an - sie bremsen den Verlust an Gehirn- und Gedächtnisleistung. Das geschieht, indem die verabreichten Antikörper das Immunsystem so stimulieren, dass dieses die vorhandenen Amyloid-Ablagerung im Gehirn, die Plaques, angreift und entsorgt. Das lässt sich mit speziellen PET-Gehirnscans gut nachvollziehen - vorhandene Ablagerungen verschwinden nahezu vollständig. Allerdings wird dadurch bisher das Fortschreiten der Erkrankung noch nicht gestoppt, nur deutlich verlangsamt.

Es eröffnet uns vor allem bei Menschen mit einem sehr frühen Stadium der Demenz ganz neue Möglichkeiten. Wir können dank moderner Methoden zur Diagnostik inzwischen sehr genau erkennen, ob eine frühe Form der Alzheimererkrankung vorliegt. Die Betroffenen merken da noch nicht viel von der Krankheit im Alltag, haben vielleicht ganz leichte kognitive Störungen, die aber nicht weiter ins Gewicht fallen. Wir sehen aber mittels PET-Scans oder der Nervenwasserdiagnostik schon, dass hier der Erkrankungsprozess bereits eingesetzt hat. Mit den neuen Mitteln können wir in dieser Phase die Behandlung beginnen und das Voranschreiten um bis zu 30 Prozent verlangsamen. Das ist ein echter Vorteil für die Patient:innen, deren ja noch überwiegend intakte Hirnfunktionen sich damit möglicherweise nicht so schnell verschlechtern.

Weitere Forschungsansätze

Im Kampf gegen Alzheimer haben Forschende der Technischen Universität München (TUM) einen erfolgversprechenden, vorbeugenden Therapieansatz entwickelt. Sie nahmen sich gezielt das Amyloid-Beta Biomolekül vor, das die für die Hirnerkrankung im Anfangsstadium typische Hyperaktivität von Nervenzellen der Betroffenen auslöst. Es gelang dem Team um Dr. Benedikt Zott und Prof. Arthur Konnerth von der TUM School of Medicine and Health sowie Prof. Arne Skerra von der TUM School of Life Sciences, einen Proteinwirkstoff zu entwickeln und einzusetzen, der die Folgen des schädlichen Moleküls unterdrücken kann. Laut der Alzheimer Gesellschaft leben in Deutschland rund 1,8 Mio. Demenzkranke, die meisten davon leiden an Alzheimer. Derzeit gibt es noch kein Medikament gegen die grundlegenden Mechanismen der Erkrankung. Lediglich Symptome wie nachlassende geistige Leistungsfähigkeit können behandelt werden.

Noch sind wir von einer bei Menschen anwendbaren Therapie ein großes Stück entfernt, aber die Ergebnisse im Tierversuch sind sehr ermutigend. Besonders bemerkenswert ist der Effekt, dass die neuronale Hyperaktivität in frühen Krankheitsstadien vollständig unterdrückt werden konnte.

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