Die Lehre vom Nervensystem: Eine anatomische Übersicht

Die Anatomie des Nervensystems ist ein komplexes und faszinierendes Gebiet, das für das Verständnis der menschlichen Physiologie und Medizin von entscheidender Bedeutung ist. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die Anatomie des Nervensystems, von den grundlegenden Organisationsebenen bis hin zu innovativen Lehrmethoden, die das Verständnis erleichtern sollen.

Organisationsebenen des Nervensystems

Die Anatomie des menschlichen Körpers kann auf verschiedenen Ebenen der Organisation betrachtet werden, beginnend mit der chemischen Ebene, die die grundlegenden Bausteine des Körpers wie Atome und Moleküle umfasst. Auf der zellulären Ebene bilden Zellen die kleinste lebende Einheit des Körpers, gefolgt von Geweben, die aus Gruppen ähnlicher Zellen bestehen, die eine spezifische Funktion erfüllen. Organe wiederum sind komplexe Strukturen, die aus verschiedenen Gewebetypen zusammengesetzt sind und spezifische Funktionen im Körper ausführen. Das Nervengewebe selbst baut sich in seinem Grundbestandteil aus sogenannten Nervenzellen auf. Diese runden oder sternförmigen Zellen treten in den meisten Fällen in Gruppenverbünden oder Knoten auf, die als Ganglien bezeichnet werden. Aus diesem Grund werden Nervenzellen oftmals auch direkt Ganglienzellen genannt. Von jeder einzelnen Zelle gehen einzelne oder auch mehrere Fortsätze ab. Diese werden als Neuriten bezeichnet und leiten die Erregung einer Zelle weiter.

Das Nervensystem ist ein hochkomplexes System, das aus dem zentralen Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) und dem peripheren Nervensystem besteht.

Das Nervensystem des Menschen lässt sich in drei verschiedene Kategorien unterteilen. Zunächst das zentrale Nervensystem: es umfasst das Gehirn wie auch das Rückenmark und bildet - namensgerecht - das zentrale Steuer- und Verarbeitungssystem. Reize von außen werden über das periphere Nervensystem aufgenommen und verarbeitet. Es umfasst sowohl das Nervenstützgewebe als auch die Nervenfasern und Nerven- beziehungsweise Ganglienzellen.

Innovative Lehrmethoden in der Neuroanatomie

Die räumliche Ausbreitung und Anordnung neuroanatomischer Strukturen sind in 2D-Abbildungen oft schwer nachvollziehbar. Um dies zu verbessern, haben Prof. Kipp und PD Dr. Brandenburg (beide Anatomisches Institut der RWTH Aachen) sowie Frank Sobotta (Fa. 3D-Highlift) gemeinsam eine Art Bindeglied zwischen dreidimensionalen anatomischen Präparaten und zweidimensionalen Abbildungen, wie sie in gängigen Lehrbüchern und anatomischen Atlanten bisher zu finden sind, ausgearbeitet. Entstanden sind hochauflösende anatomische Abbildungen in 3D. Diese Abbildungen sind als Poster, Lehrbuch und in digitalisierter Form seit dem Sommersemester 2012 fester Bestandteil der neuroanatomischen Lehre am Modellstudiengang Medizin in Aachen. Der Einsatz dieser Technik kann die theoretische Lehre in der Medizin sehr gut unterstützen, da durch solche 3D-Modelle eine höhere Anschaulichkeit und damit ein besseres Verständnis von Körpermodellen, Organen, oder kleineren Strukturen des Nervensystems erzielt werden kann.

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Prof. Kipp und Mitarbeiter des Instituts für Neuroanatomie leiten den Systemblock „Nervensystem“ innerhalb des Modelstudiengangs Medizin an der RWTH Aachen. Dieser wurde 2012 von den Aachener Studierenden als bester aller 12 Systemblöcke gewählt. Dies verdeutlicht, dass das ausgearbeitete Lehrkonzept von den Studierenden sehr gut angenommen wird.

PD Dr. Mohammed Banat, Leitender Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Bonn (UKB), hat ein innovatives Lehrprojekt entwickelt, um Studierenden das Erlernen der funktionellen Neuroanatomie mit Hilfe verschiedener Modalitäten, unter anderem mit digitaler Technik, zu erleichtern und ihnen die Übertragung des theoretischen Wissens in die klinische Praxis nachhaltig näherzubringen. Das Projekt wird im Rahmen der Ausschreibung „DiLL#24 - Digitales Lehren und Lernen“ des Studiendekanats der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn mit einer Summe in Höhe von 100.000 Euro über die kommenden zwei Jahre gefördert.

Banat begleitet die Studierenden in den Anatomie- und Präparierkursen der ersten Vorkliniksemester. Dort lernen Studierende an Körperspendern und Modellen den Aufbau des Menschen kennen - und können so beispielsweise ein statisches Bild von Aufbau und Funktion des Gehirns und des Rückenmarks zu entwickeln. Um die Zusammenhänge und die passenden Untersuchungstechniken zu vermitteln, setzt die Arbeitsgruppe auch digitales Lernmaterial ein, beispielsweise Material aus der funktionellen Bildgebung durch Computer- und Magnetresonanztomografe (CT, MRT) oder Lernvideos, die während neurochirurgischer Operationen am UKB und Siegen produziert werden. Perspektivisch ist auch der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) und Augmented Reality (AR) geplant. Am Kooperationsstandort der Universität Siegen findet derzeit ein Forschungsprojekt zur fMRT-Darstellung des Musikgedächtnisses statt, das funktionelle Informationen mit künstlicher Intelligenz und hochauflösenden MRT-Daten kombiniert und mittels AR-Brillen als 3D-Bild im Raum darstellt.

Ein weiteres Ziel der Arbeitsgruppe ist es auch, dass die Studierenden bereits zu Beginn des Studiums neben der Anatomie auch wichtige Untersuchungstechniken erlernen, um später akute und chronische medizinische Konstellationen schneller erkennen zu können. Im Lehrprojekt sollen die Studierenden deshalb die Gelegenheit haben, das anatomische Grundwissen direkt anzuwenden und zu verstehen, wie es im klinischen Alltag für die Diagnostik und Behandlung von Erkrankungen eingesetzt werden kann. So können zum Beispiel Dermatome, also Hautbereiche, die von Rückenmarksnerven versorgt werden, wichtige Hinweise für die Diagnostik eines Bandscheibenvorfalls geben.

Die Bedeutung der Neuroanatomie für die Medizin

Neuroanatomische Kenntnisse und ein Verständnis für die funktionelle Bedeutung von neuroanatomischen Strukturen sind unerlässlich, um im ärztlichen Berufsalltag neurologische und psychiatrische Erkrankungen schnell erkennen und adäquat behandeln zu können. Auch die Planung operativer Eingriffe, unter anderem Zugangswege, beispielsweise an Gehirn und/oder Rückenmark, sind ohne tiefgehende Kenntnisse der kleineren Strukturen des Gehirns und ihre Nachbarschaftsbeziehungen, beispielsweise von Hirnnerven und benachbarten Gefäßen, nicht möglich.

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PD Dr. Banat erläutert: „Wir als Lehrende sehen jedoch eine erhebliche Schwierigkeit bei vielen Studierenden der Humanmedizin, die physiologisch-anatomischen und die Zusammenhänge verschiedener Untersuchungstechniken unter einen Hut zu bringen. Deshalb haben wir ein Lehrprojekt entwickelt, das Inhalte aus den Gebieten der funktionellen Neuroanatomie, der funktionellen Bildgebung und der Neurochirurgie so miteinander kombiniert, dass Studierende bereits im vorklinischen Studienabschnitt ein tieferes Verständnis für die Bedeutung der anatomischen Verhältnisse entwickeln können.“

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