Ein Schlaganfall kann weitreichende Folgen haben, darunter auch den Verlust der Lesefähigkeit, bekannt als Alexie oder Dyslexie. Dieser Artikel beleuchtet verschiedene Übungen und Therapieansätze, die Betroffenen helfen können, das Lesen nach einem Schlaganfall wiederzuerlernen oder zu verbessern.
Ursachen und Auswirkungen der Alexie
Eine Alexie kann durch Läsionen im Gehirn verursacht werden, die durch einen Schlaganfall, eine neurodegenerative Erkrankung oder einen Unfall entstanden sind. Häufig sind der Gyrus angularis und der Gyrus supramarginalis betroffen, das Lese-Schreib-Zentrum in der linken Gehirnhälfte bei Rechtshändern. Die Auswirkungen einer Alexie können vielfältig sein und reichen von Schwierigkeiten beim Erkennen einzelner Buchstaben bis hin zum vollständigen Verlust des Leseverständnisses.
Diagnose der Alexie
Ein wichtiger Bestandteil der Therapie ist die Diagnose. Um die richtige Therapie festlegen zu können, ist es wichtig, die genaue Art der Lesestörung zu identifizieren. Dabei wird analysiert, welche Leserouten gestört sind und welche noch intakt sind. Hierfür stehen Therapeuten das Logogenmodell beziehungsweise das Diagnosemanual LeMo zur Verfügung. Diese Instrumente erklären, wie Sprache funktioniert und welche "Boxen" beim Hören, Lesen, Sprechen und Schreiben aktiviert werden müssen.
Es gibt verschiedene Formen der Alexie, die sich in ihren Symptomen unterscheiden:
- Neglect-Alexie: Betroffene beginnen in der Mitte des Wortes zu lesen und lassen den Wortanfang weg.
- Reine Alexie: Einzelne Buchstaben können nicht mehr identifiziert werden, was das Vorlesen und das Leseverständnis beeinträchtigt.
- Letter-by-letter-reading: Das Wort wird Buchstabe für Buchstabe gelesen, wobei das Wort oft erraten wird.
- Tiefendyslexie: Zielwörter werden durch bedeutungsmäßig ähnliche Wörter ersetzt.
- Oberflächendyslexie: Wörter werden als Lexikoneintrag erkannt, aber es kommt zu Regularisierungsfehlern.
Therapieansätze und Übungen zum Lesen lernen
Die Therapie einer Alexie wird individuell auf die Bedürfnisse des Patienten zugeschnitten und basiert auf einer Fehleranalyse. Je nach diagnostiziertem Problem wird entweder auf eine noch intakte Leseroute umgestellt oder die teilweise gestörte Route reaktiviert.
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Logopädische Therapie
Eine intensive logopädische Therapie ist entscheidend, um Fortschritte beim Lesen lernen zu erzielen. Unmittelbar nach dem Schlaganfall und in der Rehaklinik können Betroffene oft große Erfolge erzielen. Es ist jedoch wichtig, auch später am Ball zu bleiben, da auch nach Jahren noch Fortschritte möglich sind.
Die in der Einzeltherapie geübten Aufgaben können Patienten im Nachgang auch selbstständig auf ihrem eigenen Tablet oder iPad weiter trainieren.
Kostenlose Übungen und Materialien
Es gibt zahlreiche kostenlose Übungen und Materialien, die Betroffene und Angehörige nutzen können, um das Lesen zu üben.
- Madoo.net: Diese Seite bietet kostenloses Übungsmaterial zu allen Störungsbildern der Logopädie.
- Wortfindungsstörung Übungen: Diese Übungen helfen dabei, das Gedächtnis für Wörter zu aktivieren.
- Buchstabensalat Arbeitsblätter: Webseiten für Kinder bieten Buchstabensalat Arbeitsblätter als kostenlose Logopädie Übungen, die auch für Aphasie Patienten genutzt werden können.
- Memory-Spiele: Memory-Spiele stärken das Gedächtnis und die Konzentrationsfähigkeit, was für die Sprachwiederherstellung entscheidend ist.
- Alltagskonversationen: Alltagskonversationen sind wichtig, um die Fähigkeit zur Teilnahme an Gesprächen wiederherzustellen.
- Nachrichtenleicht.de: Diese Seite eignet sich gut zum Diskutieren über verschiedene Themen und zum Lesen üben.
- Geschichtenerzählen: Das Erzählen von Geschichten fördert die kognitive Verarbeitung von Informationen und die Wiederherstellung der Erzählfähigkeiten.
- Singen: Singen kann die Artikulation und den Sprechrhythmus verbessern.
- Wortspiele: Wortspiele schärfen die Fähigkeiten im Umgang mit Buchstaben und Wörtern.
- Synonyme und Antonyme: Die Fähigkeit, ähnliche (Synonyme) oder gegensätzliche (Antonyme) Wörter zu erkennen, ist entscheidend für die Verständigung und fördert die sprachliche Flexibilität.
- Silbenzählen: Das Silbenzählen ist eine effektive Methode, um die Fähigkeit zur korrekten Aussprache und Wortbildung zu fördern.
Aphasie-Apps als Ergänzung zur Therapie
Logopädie-Apps können eine moderne Ergänzung zur traditionellen logopädischen Einzeltherapie darstellen. Sie bieten flexible Trainingsmöglichkeiten und sind rund um die Uhr zugänglich. Apps für Aphasie Patienten enthalten vielfältige Übungen und können individuell angepasst werden.
Vorteile von Aphasie-Apps:
- Flexibilität und Verfügbarkeit
- Vielfältige Übungen
- Individuelle Anpassung
- Kostenersparnis
- Steigerung der Motivation durch spielerische Elemente
Nachteile von Aphasie-Apps:
- Fehlende individuelle Betreuung und Anpassung durch einen Logopäden
- Fehlende soziale Komponente und direkte menschliche Interaktion
- Erforderliche technische Ausstattung und digitale Kompetenz
Bekannte Aphasie-Apps:
- Neolexon: Diese App wurde von zwei Logopädinnen entwickelt und ist ein eingetragenes Medizinprodukt. Sie bietet personalisierte Übungspläne und wird von vielen Krankenkassen erstattet.
- myReha: Diese App ist als Medizinprodukt europaweit zertifiziert und eignet sich für das selbstständige Üben zu Hause.
- SpeechCare: Diese Apps bieten verschiedene Programme zur Sprachtherapie für Kinder und Erwachsene.
- Lingo Talk: Diese App bietet Hilfen zur Aussprache, Bedeutung und Schreibweise mit automatischer Spracherkennung und Mundbild.
- DiaTrain: Diese App wurde von Wissenschaftlerinnen der Hochschule für Gesundheit (hsg) in Bochum entwickelt und evaluiert. Sie enthält kurze Videosequenzen von Dialogen in Alltagssituationen, die Patienten üben können.
Weitere unterstützende Maßnahmen
Neben der logopädischen Therapie und den Übungen gibt es weitere Maßnahmen, die den Heilungsprozess unterstützen können:
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- Gesichtsfeldtraining: Bei Gesichtsfeldausfällen können spezielle Trainingsprogramme helfen, die Umgebung gezielt wahrzunehmen.
- Sportliche Aktivität: Regelmäßige Bewegung und Sport sind förderlich für die Gesundheit und können die Bewegungsfähigkeit verbessern. Experten empfehlen 20 bis 60 Minuten moderates Ausdauertraining drei bis fünf Mal pro Woche sowie Kraftübungen für die großen Muskelgruppen zwei bis drei Mal wöchentlich.
- Unterstützende Kommunikation: Wenn die sprachliche Kommunikation eingeschränkt ist, wird die nichtsprachliche Kommunikation wichtiger. Achten Sie auf Gestik, Mimik und Körpersprache. Verwenden Sie kurze Sätze und Ja/Nein-Fragen. Kündigen Sie das Thema des Gesprächs an.
Tipps für Angehörige
Angehörige spielen eine wichtige Rolle bei der Unterstützung von Menschen mit Alexie. Hier sind einige Tipps, die helfen können:
- Schaffen Sie eine ruhige und entspannte Atmosphäre für Gespräche.
- Schalten Sie Radio und Fernseher aus und halten Sie die Gruppe der Gesprächspartner möglichst klein.
- Machen Sie dem Betroffenen immer wieder Mut und signalisieren Sie ihm, dass er sich trauen kann, mit Ihnen zu sprechen.
- Haben Sie Geduld und geben Sie dem Betroffenen Zeit, die richtigen Worte zu finden.
- Nutzen Sie Gestik, Mimik und Körpersprache, um die Kommunikation zu erleichtern.
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