LSVT BIG Parkinson Übungen Anleitung: Ein umfassender Leitfaden

LSVT BIG ist eine spezialisierte Therapieform in der Physiotherapie, die speziell für Patienten mit Morbus Parkinson entwickelt wurde. Dieses Behandlungskonzept, das sich auf die Verbesserung der Bewegungsstörung konzentriert, leitet sich von LSVT LOUD (LEE SILVERMAN VOICE TREATMENT) ab. Weltweit wird diese Parkinsonbehandlungsmethode in Therapien eingesetzt. LSVT BIG zielt darauf ab, die motorischen Fähigkeiten und Bewegungsabläufe von Parkinson-Patienten zu verbessern. Durch intensives Training großer, fließender Bewegungen sollen Steifheit, Verlangsamung und Bewegungseinschränkungen reduziert werden.

Was ist LSVT BIG?

Das Akronym „LSVT“ steht für „Lee Silverman Voice Treatment“, benannt nach einer Patientin mit Parkinson, deren Stimme durch die Therapie verbessert wurde. Die LSVT BIG Therapie greift das Konzept des LSVT-LOUD auf. Kennzeichnend für dieses physiotherapeutische Training sind Bewegungsabläufe, die mit viel Kraft und sehr raumfordernd durchgeführt werden. Weite, kraftvolle Stoßbewegungen mit den Armen gehören ebenso dazu wie lange Ausfallschritte.

Für wen ist LSVT BIG geeignet?

Das BIG-Training wurde primär für Parkinsonpatienten entwickelt, kann aber auch bei anderen Krankheitsbildern wie z. B. bei Multiple Sklerose oder anderen neurologischen Krankheitsbildern helfen. Nach bisherigen Erkenntnissen ist LSVT®BIG besonders für Patienten in frühen Krankheitsstadien geeignet. Bei Patienten mit tiefer Hirnstimulation ist eine in kürzeren Abständen notwendige Neukalibrierung erforderlich.

Die Grundlagen der LSVT BIG Therapie

Die LSVT BIG Therapie wird individuell auf jeden Patienten zugeschnitten und unter Anleitung eines speziell ausgebildeten Physiotherapeuten durchgeführt. Die Therapie beinhaltet schwerpunktmäßig das Einüben großräumiger Bewegungen. Dem Patienten wird beigebracht, großamplitudige Bewegungen mit den Armen und Beinen durchzuführen.

Der Ausgangszustand des Patienten

Der Patient hat am Anfang der Therapie einen Status/Zustand. Dieser bildet die Grundlage für das gezielte Wiederholen und das kontinuierliche Feedback des Therapeuten über die motorische Performance, die zur Verbesserung seines Zustandes führen soll. Je nach Ausgangslage werden die Übungen für den Patienten ausgewählt und entsprechend Geschwindigkeit und Komplexität gesteigert.

Lesen Sie auch: Anwendung von LSVT BIG

Intensives Training und kontinuierliches Feedback

Durch intensives Wiederholen der Übungen und kontinuierliche Rückmeldung über die erzielten Ergebnisse werden ungenutzte Möglichkeiten des Übenden aktiviert und ausgebaut. Der Therapeut motiviert den Patienten, jede Bewegung mit möglichst großem Einsatz („mindestens 80% der maximalen Energie“) und spürbarer Anstrengung auszuführen. Durch ständige Rückmeldung des Therapeuten lernt der übende Patient, die Wahrnehmung seiner eigenen Bewegungen neu zu „kalibrieren“.

Wie funktioniert LSVT BIG?

Schwerpunkt von "BIG" ist das gezielte Üben von Bewegungen mit großer Amplitude (Umfang) zur Verbesserung von Geschwindigkeit und Bewegungsausmaß bei Patienten mit parkinsontypischer Verlangsamung und Verkleinerung der Bewegungen (Bradykinese). Die Behandlung ist auf eine Verminderung der Bewegungsverlangsamung ausgerichtet und hat eine Verbesserung der Alltagskompetenz zum Ziel. Die Gehgeschwindigkeit nimmt durch Vergrößerung der Schrittlänge zu und auch zielgerichtete Bewegungen der Arme werden größer und schneller. Durch eine frühzeitig im Krankheitsverlauf einsetzende Behandlung mit der LSVT-BIG-Methode soll der bei Parkinson häufig fehlenden Nutzung vorhandener Bewegungsreserven entgegengewirkt werden. Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung lassen darauf schließen, dass auf diese Weise das Fortschreiten der Behinderung verzögert werden kann.

Die Rolle der Ergotherapie

Das LSVT BIG in der Ergotherapie umfasst schwerpunktmäßig das Üben großräumiger Bewegungen. Durch intensives Wiederholen dieser Übungen und kontinuierliche Rückmeldung über die erzielten Ergebnisse werden ungenutzte Möglichkeiten des Übenden aktiviert und ausgebaut.

Der Therapieplan

Die Therapie wird vom behandelnden Arzt (z.B. Hausarzt, Neurologe) verordnet. Sie ist als Intensivtherapie standardisiert. Sie dauert in der Regel 4 Wochen und umfasst wöchentlich 4 Einzeltherapien à 60 Minuten.

Die Bedeutung von Selbstübungen

Wichtig ist außerdem die Durchführung eines Selbstübungsprogramms zu Hause. Die einzelnen Bewegungsabläufe sind einfach konzipiert und sollen nach einem therapeutisch begleiteten Einführungskurs regelmäßig zu Hause durchgeführt werden.

Lesen Sie auch: Parkinson-Medikamente: Was Sie beachten müssen

Evidenzbasierte Wirksamkeit

In wissenschaftlichen Studien (vgl. Ebersbach et al. 2010) steigerte LSVT®BIG die Geschwindigkeit, Kraft und Reichweite der Bewegungen signifikant. Die Validität der LSVT-LOUD® Therapie wurde durch mehrfache Studien in den USA aufgezeigt. Ergebnisse einer ersten kontrollierten wissenschaftlichen Studie zur LSVT-BIG-Therapie wurden im Juni 2010 vorgestellt. In dieser Studie konnte gezeigt werden, dass LSVT-BIG signifikant wirksamer als andere Bewegungstherapien ist.

Die Berliner BIG-Studie

Mit Unterstützung der deutschen Parkinson-Vereinigung wurde die Wirksamkeit der LSVT-BIG-Therapie in der Berliner BIG-Studie bei 60 Patienten mit Parkinson-Erkrankung in milden bis moderaten Krankheitsstadien untersucht. Im Vergleich zu einem Hausübungsprogramm und Nordic Walking konnte eine deutlich bessere Wirksamkeit der LSVT-BIG-Therapie nachgewiesen werden. Die LSVT®BIG-Therapie erwies sich in einer Studie mit 60 Parkinson-Patienten als wirksamer als Nordic Walking oder ein Hausübungsprogramm.

Studiendesign und Ergebnisse

Gruppe 1 erhielt eine intensive krankengymnastische Behandlung nach der LSVT-BIG-Methode. Vor Behandlungsbeginn, am Behandlungsende und nach vier Monaten erfolgte eine ausführliche ärztliche Untersuchung der Beweglichkeit, Hirnleistung und Lebensqualität. Hauptkriterium für den Behandlungserfolg war eine Verbesserung des "UPDRS-Motor-Score". Die Veränderung der Beweglichkeit zwischen der Eingangs- und der Abschlussuntersuchung unterschied sich deutlich zwischen den Behandlungsgruppen: Während in der BIG-Gruppe eine Verbesserung um 5 Punkte im UPDRS-Motor-Score feststellbar war, verschlechterten sich die beiden anderen Gruppen um 1,7 (Hausübungsprogramm).

Vergleich mit anderen Therapieformen

Im Gegensatz zur herkömmlichen Physiotherapie bei Parkinson erfolgt das Training bei LSVT-BIG innerhalb eines kurzen Zeitraums (vier Wochen) in sehr hoher Intensität (wöchentlich 4 x 60 Minuten in Einzeltherapie). Anders als bei konventioneller Physiotherapie ist im Anschluss an das 4-wöchige LSVT-BIG-Training keine regelmäßige Fortsetzung der Therapiestunden erforderlich.

Integration in die Gesamtbehandlung von Parkinson

Aktivierende Therapien wie Logopädie, Physio- und Ergotherapie stellen bei der Parkinson-Erkrankung eine wichtige Ergänzung der medikamentösen Behandlung dar. Besonderen Stellenwert haben aktivierende Therapien bei der Behandlung von unzureichend auf Medikamente ansprechenden Symptomen, zu denen zum Beispiel Sprechstörungen sowie Gang- und Gleichgewichtsstörungen gehören. Außerdem kann frühzeitiges körperliches Training der fortschreitenden Bewegungsverarmung entgegenwirken. Viele der im Langzeitverlauf der Parkinson-Erkrankung auftretenden Probleme wie Gang- und Gleichgewichtsstörungen sprechen nur unzureichend auf Medikamente an. Auch bei optimaler medikamentöser Einstellung tritt bei vielen Betroffenen eine allgemeine Bewegungsverarmung ein, Alltagsaktivitäten werden mit zunehmend kleinen und langsamen Bewegungen ausgeführt. Ein typisches Beispiel hierfür ist das Gehen mit kleineren Schritten und reduziertem Mitpendeln der Arme. Viele dieser medikamentös nur unzureichend beeinflussbaren Probleme können gezielt durch aktivierende Therapien behandelt werden. Obwohl die Bedeutung der Übungsbehandlung zunehmend erkannt wird, gibt es allerdings bisher nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen zur Wirkung verschiedener aktivierender Therapien bei der Parkinson-Erkrankung. Die derzeit am besten untersuchte aktivierende Therapie bei Parkinson ist das Lee Silverman Voice Training (LSVT®) bei dem in intensiver Einzeltherapie eine Verbesserung der Sprechlautstärke geübt wird (LSVT-LOUD). Eine starke und lang anhaltende Wirkung der LSVT-LOUD Therapie wurde in mehreren wissenschaftlichen Untersuchungen nachgewiesen.

Lesen Sie auch: Die Stadien der Parkinson-Krankheit erklärt

Zugang zu LSVT BIG Therapie

In Anbetracht der positiven Studienergebnisse ist es wünschenswert, möglichst vielen Betroffenen den Zugang zu einer LSVT-BIG-Therapie zu ermöglichen. Hierfür wird zum Einen eine ausreichend hohe Zahl von qualifizierten Therapeuten, zum Anderen eine Übernahme der Behandlungskosten durch die Kostenträger. Aktuell wurde in Kooperation mit der US-amerikanischen Organisation LSVTglobal ein Ausbildungsprogramm für Physiotherapeuten gestartet, das Krankengymnasten und Ergotherapeuten mehrmals im Jahr die Möglichkeit bietet, ein Zertifikat zur Ausübung von LSVT-BIG zu erwerben. Problematischer und zeitaufwändiger wird sich die Aufnahme von LSVT-BIG in den Heilmittelkatalog gestalten, die eine Voraussetzung der Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenkasse darstellt. Hierfür sind weniger Wirkung und Nutzen der Behandlung ausschlaggebend als finanzielle Gesichtspunkte.

Die Bedeutung qualifizierter Therapeuten

Als Parkinsonzentrum und Autoren der Berliner BIG-Studie sind wir der Auffassung, dass sowohl die Ausbildung als auch die Behandlung von Parkinson-Patienten mit LSVT-BIG einen direkten persönlichen Kontakt mit Patienten erfordern und praktische Lehrinhalte unter persönlicher Supervision vermittelt werden sollten. Bisher gibt es keine wissenschaftliche Evidenz, dass eine reine Online-Schulung geeignet ist, Therapeuten genauso für die Anwendung von LSVT-BIG zu qualifizieren, wie dies bei einem „hands-on“-Workshop möglich ist.

tags: #LSVT #BIG #Parkinson #Übungen #Anleitung