Das musikalische Gehirn: Eine Zusammenfassung von Manfred Spitzers Erkenntnissen

Manfred Spitzer, ein anerkannter Hirnforscher und Bestsellerautor, beleuchtet in seinen Werken auf leicht verständliche und unterhaltsame Weise, wie das Gehirn Musik verarbeitet, wie Musik unser Gehirn formt und warum wir bestimmte Musik als schön empfinden. Dieser Artikel fasst seine wichtigsten Erkenntnisse zusammen und bietet einen Einblick in die faszinierende Welt der neuronalen Grundlagen der Musik.

Musik und das Gehirn: Ein komplexes Zusammenspiel

Wenn wir an Musik denken, kommen uns sofort bestimmte Worte, Komponisten, Musikstile, Chartbreaker, Songtexte, Choräle, Rhythmen und Instrumente in den Sinn. Musik löst etwas in uns aus: Stimmungen und Emotionen, die buchstäbliche Gänsehaut, das Mitwippen und Tanzen, das (Mit)Singen und die Freude und die Motivation, selbst ein Instrument zu spielen. Doch was geschieht in unserem Gehirn, wenn wir Musik hören oder selbst spielen?

Entgegen der Annahme, dass es ein spezifisches Musikzentrum im Gehirn gibt, beansprucht Musik das gesamte Gehirn. Melodie, Rhythmus, emotionale Aspekte und Erinnerungen sorgen dafür, dass Musik im ganzen Hirn wahrgenommen wird. Die rhythmische Natur der Musik aktiviert die Motorik und wirkt sich somit sowohl auf die Gefühle als auch auf den Körper aus.

Der Unterschied zwischen Anfängern und Experten

Musikexperten und musikalische Anfänger nehmen Musik unterschiedlich auf. Anfänger erleben Musik eher ganzheitlich und reagieren mit einem spontanen "Wow"-Gefühl, das vor allem in der rechten Gehirnhälfte verarbeitet wird. Experten hingegen können Musik analysieren, einordnen und zerlegen, eine Fähigkeit, die vor allem in der linken Gehirnhälfte stattfindet.

Musik als Belohnung: Glück und Angst

Das "Wow"-Gefühl, das Musik auslösen kann, ist vergleichbar mit den lustvollen Gefühlen, die wir beim Essen von Schokolade oder beim Verliebtsein erleben. Das Belohnungssystem schüttet Glückshormone aus, wenn wir Musik hören, die uns gefällt. Interessanterweise aktiviert das Lieblingslied nicht nur das Belohnungssystem, sondern schaltet gleichzeitig das System ab, das für Angst verantwortlich ist. Musik löst also gleichzeitig Glücksgefühle aus und reduziert Angst, eine Kombination, die sonst von keiner anderen Substanz erreicht wird.

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Drogen können zwar entweder das Angstzentrum abschalten (wie Beruhigungsmittel) oder das Glücksgefühl steigern (wie Kokain), aber keine Substanz vereint beide Effekte gleichzeitig. Dies erklärt, warum Musik für viele Menschen so wichtig ist. In den USA wurde im Jahr 2001 mehr Geld für Musik als für Medikamente ausgegeben.

Musik: Eine gesunde Sucht?

Obwohl Musik im Gehirn teilweise den gleichen Weg wie Suchtmittel nimmt, ist sie als die gesunde Variante anzusehen. Bei einer Abhängigkeit ist das Belohnungssystem gestört, was die Lernfähigkeit und Motivation beeinträchtigt. Musik hingegen stört diese Systeme nicht, sondern fördert sie.

Warum gibt es Musik? Evolutionäre Theorien

Es gibt verschiedene Theorien darüber, warum Musik biologisch gesehen überhaupt existiert.

  • Musik und Sprache: Eine Theorie besagt, dass Musik mit Sprache zusammenhängt und die Sprachentwicklung fördert.
  • Musik und Sozialverhalten: Eine andere Theorie sieht Musik als Mittel zur Förderung des Sozialverhaltens, indem sie Gruppen in Gleichklang bringt und ihr Verhalten aufeinander abstimmt. Musik sorgt demnach für Harmonie innerhalb einer Gruppe.
  • Musik und sexuelle Selektion: Eine dritte, eher unkonventionelle Theorie, die auf dem US-Evolutionsbiologen Geoffrey Miller basiert, besagt, dass Musik, gerade weil sie scheinbar sinnlos ist, ein Produkt sexueller Auswahlmechanismen sein könnte. Ähnlich wie das Rad des Pfaus oder das Geweih von Elchen könnte Musik ein Handicap-Signal sein, das den Weibchen signalisiert: "Seht her, wie fit ich bin! Trotz dieses Handicaps kann ich überleben!" Miller argumentiert, dass unser großes Gehirn uns ermöglicht, Witze zu machen, Gedichte aufzusagen oder eben Musik zu machen, und dass wir trotzdem überleben.

Mozart: Genie oder Drill?

Spitzer wirft auch die Frage auf, ob Mozart wirklich ein musikalisches Genie war oder ob er von seinem Vater so lange gedrillt wurde, bis er bereits als Kind meisterhaft musizieren konnte. Diese Frage verdeutlicht die Bedeutung von sowohl Talent als auch Übung für musikalische Exzellenz.

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