Prof. Manfred Spitzer und seine Kritik an der digitalen Demenz

Der Begriff "digitale Demenz" wurde durch den Hirnforscher Prof. Manfred Spitzer geprägt und beschreibt die These, dass übermäßiger Gebrauch digitaler Medien negative Auswirkungen auf die kognitiven Fähigkeiten, die psychische Gesundheit und die soziale Entwicklung von Menschen, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, haben kann. Spitzer argumentiert, dass der unreflektierte und exzessive Konsum digitaler Medien zu einer Verflachung der Gesellschaft beiträgt und warnt vor den Risiken und Nebenwirkungen digitaler Informationstechnik.

Zunehmende Mediennutzung bei Jugendlichen

Eine Studie der Postbank zeigt, dass Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren etwa zehn Stunden pro Tag im Internet verbringen. Im Jahr 2023 waren es noch anderthalb Stunden weniger. Diese Entwicklung wird von Kritikern wie Manfred Spitzer als besorgniserregend eingestuft.

Spitzer's Kritik an digitalen Medien

Manfred Spitzer, ehemaliger Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik in Ulm, ist überzeugt, dass die intensive Nutzung digitaler Medien, insbesondere von Ballerspielen und "Unfug am Bildschirm", negative Folgen für die Bildung hat. Er betont, dass durch den hohen Medienkonsum Wiederholungen, Kontext und Relevanz fehlen, was zu einer "digitalen Demenz" führen könne. Spitzer verweist auf Studien, die diese These untermauern sollen.

Auswirkungen auf Kognition, Emotionen und Sprache

Spitzer kritisiert, dass ausschweifende Handy- und Tabletnutzung nicht nur Haltungsschäden, Kurzsichtigkeit und Bluthochdruck verursachen kann, sondern auch die kognitive und emotionale Intelligenz sowie die sprachliche Entwicklung beeinträchtigt.

Das Beispiel Schweden

Als Beispiel führt Spitzer Schweden an, das jahrelang als Vorreiter im Einsatz digitaler Medien galt. Mittlerweile werden dort die Grundschulen wieder mit Büchern ausgestattet, da Forschende am Karolinska-Institut in Stockholm festgestellt haben, dass der Einsatz digitaler Medien im Unterricht nicht zu besseren Lernergebnissen führt.

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Handyverbot an Schulen

Spitzer begrüßt das Handyverbot an hessischen Schulen ab August. Er sieht darin einen wichtigen Schritt, um die negativen Auswirkungen der digitalen Medien auf Kinder und Jugendliche zu reduzieren.

Folgen von Bildschirmnutzung: Kurzsichtigkeit

Besonders das Nahsehen bei der Nutzung digitaler Medien führt laut Spitzer zu Kurzsichtigkeit, dem stärksten Risikofaktor für Erblindung. Er verweist auf eine Studie aus der chinesischen Stadt Wuhan, bei der bei 125.000 Kindern zwischen 6 und 13 Jahren vor und nach dem Lockdown die Länge des Augapfels gemessen wurde. Dabei zeigte sich, dass der Augapfel unter Lockdownbedingungen dreimal schneller gewachsen ist. "Mehr Mediennutzung, mehr Augapfelwachstum", so Spitzer.

Reaktionen auf Spitzers Thesen

Spitzers Vorträge und Bücher, insbesondere sein Buch "Digitale Demenz. Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen", haben ein breites Medienecho erfahren und kontroverse Diskussionen ausgelöst. Während einige seine Warnungen ernst nehmen und seine Kritik teilen, werfen andere ihm Einseitigkeit, Kulturpessimismus und Populismus vor.

Zustimmung und Bedenken

Katharina Hamer, eine Mutter aus Stralsund, äußert ihre Besorgnis über die Mediennutzung ihrer Kinder. Sie vertraut ihrer älteren Tochter, ist aber bei ihrem Sohn vorsichtiger, da er sich leicht in digitalen Medien verliert. Wolfgang Scherl, Professor an der Hochschule Stralsund und Hamers Vater, bedauert, dass die negativen Auswirkungen digitaler Medien auf die emotionale Intelligenz nicht ausreichend kommuniziert werden.

Kritik an fehlender Technikfolgenabschätzung

Spitzer kritisiert, dass es bisher keine umfassende Technikfolgenabschätzung für digitale Medien gegeben habe, was er auf eine starke digitale Lobby zurückführt.

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Kritik an Spitzers Argumentation

Einige Kritiker bemängeln, dass Spitzers Argumentation einseitig sei, zu kulturpessimistisch ausgerichtet und populistisch im Stil. Ihm wird vorgeworfen, Korrelation und Kausalität zu verwechseln und aus dem Zusammenhang gerissene Studien zur Beweisführung heranzuziehen.

Der Begriff "digitale Demenz"

Der Begriff "digitale Demenz" wird von einigen als irreführend kritisiert, da er in der Medizin einen krankhaften Verlust kognitiver Fähigkeiten bezeichnet, der durch organische Prozesse ausgelöst wird. Es sei bislang nicht anzunehmen, dass die Nutzung digitaler Medien ähnliche Auswirkungen hat.

Medienpädagogik statt Abstinenz

Viele Experten plädieren für Medienpädagogik statt Abstinenz. Ein totales Verbot digitaler Medien sei weder umsetzbar noch erstrebenswert, da Medien einen Großteil unseres Privat- und Arbeitslebens bestimmen. Stattdessen sollte ein sinnvoller Umgang mit Medien vermittelt werden.

Unsaubere Herangehensweise

Kritisiert wird auch Spitzers generalisierende und unsaubere Herangehensweise. Begriffe wie "Demenz" oder "Intelligenz" seien nicht klar definiert, und unter "Mediennutzung" würden unterschiedslos Diskussionen in Onlineforen, Egoshootergames, das Lesen von Zeitungsartikeln, die eigene Musikproduktion, Pornokonsum und Literaturrecherche fallen.

Spitzers Verteidigung und Kritik an der Politik

Spitzer kritisiert, dass die Politik die Bildungsschäden durch digitale Medien nicht wahrhaben wolle. Er hält das Argument, Kinder müssten Medienkompetenz erhalten, für vorgeschoben und fordert ein Handyverbot bis zum Alter von 14 Jahren.

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Alternativen zur Medienabstinenz

Die Medienpädagogik betont, dass Kompetenz nicht dadurch wächst, dass man der Technologie aus dem Weg geht, sondern dass man sich mit ihr auseinandersetzt. Es sei wichtig, Kindern und Jugendlichen beizubringen, sinnvoll mit Medien umzugehen.

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