Marklagerveränderungen im Gehirn: MRT-Befunde, Ursachen und Differenzialdiagnosen

Einführung

Die Magnetresonanztomographie (MRT) ist ein bildgebendes Verfahren, das detaillierte Einblicke in die Struktur des Gehirns ermöglicht. Dabei können Veränderungen im Marklager, der weißen Substanz des Gehirns, sichtbar gemacht werden. Diese Veränderungen, die sich als Marklagerhyperintensitäten (hellere Bereiche) oder -hypointensitäten (dunklere Bereiche) darstellen, können verschiedene Ursachen haben und unterschiedliche klinische Bedeutungen haben. Dieser Artikel widmet sich der detaillierten Betrachtung von Marklagerveränderungen im Gehirn, insbesondere im Kontext der MRT-Bildgebung. Dabei werden typische Befunde, mögliche Ursachen, Differenzialdiagnosen und Zukunftsperspektiven beleuchtet.

Das Marklager: Struktur und Funktion

Das Gehirn besteht aus verschiedenen Teilen, darunter das Großhirn und das Kleinhirn. Das Großhirn füllt einen großen Teil des Schädels aus, während sich das Kleinhirn im hinteren unteren Bereich des Gehirns befindet. Die äußere Schicht des Groß- und Kleinhirns wird als Hirnrinde bezeichnet. Unterhalb der Hirnrinde liegt das Marklager, die zentrale weiße Substanz des Gehirns. Sie enthält im Wesentlichen Nervenfasern, die der Kommunikation der grauen Nervenzellen untereinander dienen, sowie Gliazellen. Das Marklager ist entscheidend für die Informationsübertragung im Gehirn.

MRT-Bildgebung des Marklagers

Die Magnetresonanztomographie (MRT) spielt eine zentrale Rolle bei der Beurteilung von Marklagerveränderungen. Aufgrund des höheren Weichteilkontrasts können Veränderungen im MRT bereits sehr früh und sensitiv nachgewiesen werden.

T1- und T2-gewichtete MRT

In der T1-gewichteten MRT erscheint das Marklager normalerweise heller als die Hirnrinde. In der T2-gewichteten MRT und der FLAIR-Sequenz (Fluid Attenuated Inversion Recovery) zeigen sich hyperintense Veränderungen, die in dieser Sequenz gut, auch direkt angrenzend an den Ventrikel, nachweisbar sind. Wenn eine Stelle im Marklager in der MRT-Untersuchung heller aussieht als sonst, dann besteht eine Marklager-Hyperintensität. Umgekehrt spricht man von einer Marklager-Hypointensität, wenn eine Stelle dunkler erscheint als normal. Dies gilt auch für die T1-gewichtete Magnetresonanztomographie (MRT), wobei man diese hellere Darstellung hier als signalintensiver (als die Hirnrinde) bezeichnet.

FLAIR-Sequenz

Im MRT lassen sich diese Veränderungen am besten in der T2*-gewichteten oder FLAIR(fluid atten-uated inversion recovery)-Sequenz nachweisen. In dem FLAIR-Bild zeigen sich hyperintense Veränderungen, die in dieser Sequenz gut, auch direkt angrenzend an den Ventrikel, nachweisbar sind.

Lesen Sie auch: Gehirn Marklager verstehen

Gradientenechosequenz (T2*-gewichtete Sequenz)

Bei mikroangiopathischen Marklagerveränderungen lohnt es sich, im MRT eine sogenannte Gradientenechosequenz (T2*-gewichtete Sequenz) zu ergänzen. Diese Sequenz ist besonders sensibel für Suszeptibilitätsartefakte, wie sie zum Beispiel durch Hämosiderinreste im Hirngewebe entstehen können. Dadurch lassen sich kleine Mikroblutungen nachweisen, die bei Patienten mit Mikroangiopathie auftreten können, auch wenn diese selbst nicht sehr ausgeprägt ist.

Bedeutung von Mikroblutungen

Untersuchungen konnten zwischen der Anzahl der Mikroblutungen und dem Ausmaß der kognitiven Defizite eine Korrelation nachweisen. Weiterhin wurde beschrieben, dass bei Patienten mit Mikroblutungen die Art der sekundären Prävention mit Antikoagulanzien überdacht werden sollte.

Ursachen von Marklagerveränderungen

Marklagerveränderungen können vielfältige Ursachen haben. Einige der häufigsten Ursachen sind:

Vaskuläre Ursachen

Die Hauptursache der vaskulären Demenz ist die Mikroangiopathie, die meist als Folge einer arteriellen Hypertonie entsteht. Hypertoniebedingte Marklagerveränderungen sind sowohl in der Computertomografie (CT) als auch in der Magnetresonanztomografie (MRT) nachzuweisen, wobei aufgrund des höheren Weichteilkontrasts diese in der MRT bereits sehr früh und sensitiv nachzuweisen sind. Krankhafte Veränderungen in den kleinsten Blutgefäßen im Gehirn können Schlaganfälle und Demenz auslösen. Ist die Durchblutung in den kleinsten Blutgefäßen des Gehirns gestört, können Schlaganfälle entstehen. Zudem sind diese „Kleinstgefäß-Erkrankungen“ im Gehirn für einen großen Anteil der durchblutungsbedingten Demenzfälle verantwortlich. Man nennt sie zerebrale Mikroangiopathien.

Entzündliche Ursachen

Die Multiple Sklerose (MS) ist eine Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS). Sie äußert sich in multiplen demyelinisierenden Läsionen im ZNS, die sich klinisch als fokale Defizite in verschiedenen neurologischen Funktionssystemen zeigen können. Diese Symptome treten entweder episodisch in Schüben auf oder entwickeln sich kontinuierlich.

Lesen Sie auch: Faszination Nesseltiere: Wie sie ohne Gehirn leben

Normaldruckhydrozephalus (NPH)

Auch der Normaldruckhydrozephalus (NPH) mit der bekannten klinischen Trias Demenz, Harninkontinenz und kleinschrittiges Gangbild gehört zu den behandelbaren Demenzformen. Die typischen radiologischen Zeichen sind eine Erweiterung der inneren Liquorräume mit einem deutlichen Missverhältnis zu den äußeren Liquorräumen, die insbesondere kranial sehr eng sind. Zudem zeigen sich in CT und MRT periventrikuläre Veränderungen, die den Zeichen einer transependymalen Liquorabpressung entsprechen.

Andere Ursachen

Allerdings entspricht nicht jede (T2*-gewichtete) hyperintense Marklagerveränderung einer mikroangiopathischen Schädigung. Relativ einfach zu unterscheiden sind Marklagerveränderungen (Leukenzephalopathien) nach Strahlentherapien und/oder intrathekaler Chemotherapie. Neben den klinischen und anamnestischen Angaben zeigen diese Veränderungen im MRT und CT meist flächenhafte Signal- und Dichteunterschiede. Auch die „posteriore Leukenzephalopathie“, die bei verschiedenen Chemotherapien, aber auch bei der (Prä-)Eklampsie beschrieben wurde, ist gut zu differenzieren. Hier stehen meist nicht die Demenz im Vordergrund, sondern ein Krampfanfall und Kopfschmerzen. Radiologisch ist hier der Verlauf entscheidend, denn diese Marklagerveränderungen sind reversibel, zudem sind diese Veränderungen typischerweise eher konfluierend. Eine weitere Erkrankung kann der Form von mikroangiopathischen Marklagerveränderungen durchaus sehr nahekommen und teilweise auch mit einer Demenz einhergehen: die Encephalomyelitis disseminata. Natürlich sind hier die Klinik, der Liquorbefund und das Alter der Patienten recht sichere Differenzierungskriterien. Als Standard der Differenzierung in der Bildgebung dient das MRT mit FLAIR- und sagittalen T2-gewichteten Sequenzen.

Differenzialdiagnosen

Die Differenzialdiagnose von Marklagerveränderungen ist komplex und erfordert eine sorgfältige Abwägung verschiedener Faktoren. Zu den wichtigsten Differenzialdiagnosen gehören:

  • Subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie (SAE): Die subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie weist in Schnittbildverfahren typische diagnostische Merkmale auf.
  • Multiple Sklerose (MS): Die Diagnose der Multiplen Sklerose (MS) basiert auf dem Nachweis einer örtlichen und zeitlichen Dissemination demyelinisierender Läsionen im zentralen Nervensystem sowie auf dem Ausschluss anderer wichtiger Differenzialdiagnosen.
  • Normaldruckhydrozephalus (NPH): Die Diagnostik in Zusammenschau mit den klinischen Symptomen und der positiven Symptombeeinflussung nach probatorischer Liquorpunktion ist nicht schwierig. Bei isolierter Betrachtung von CT- oder MRT-Bildern ist mit dieser Diagnose manchmal aber Vorsicht geboten.
  • Aquäduktstenose: Zur ätiologischen Abklärung eines Hydrozephalus ist die MRT die Methode der Wahl.
  • Andere entzündliche Erkrankungen: Hier sind die Klinik, der Liquorbefund und das Alter der Patienten recht sichere Differenzierungskriterien.
  • Leukenzephalopathien nach Strahlentherapie/Chemotherapie: Neben den klinischen und anamnestischen Angaben zeigen diese Veränderungen im MRT und CT meist flächenhafte Signal- und Dichteunterschiede.
  • Posteriore Leukenzephalopathie: Radiologisch ist hier der Verlauf entscheidend, denn diese Marklagerveränderungen sind reversibel, zudem sind diese Veränderungen typischerweise eher konfluierend.

Klinische Bedeutung von Marklagerveränderungen

Die klinische Bedeutung von Marklagerveränderungen hängt von der zugrunde liegenden Ursache ab. In einigen Fällen können sie asymptomatisch sein, während sie in anderen Fällen zu erheblichen neurologischen Defiziten führen können.

Vaskuläre Demenz

Die Hauptursache der vaskulären Demenz ist die Mikroangiopathie, die meist als Folge einer arteriellen Hypertonie entsteht. Die typischen Marklagerveränderungen bei der vaskulären Demenz zeigen eine Korrelation zur arteriellen Hypertonie und damit eine Veränderung je nach Therapie derselben. Eine Hypertonie ist prinzipiell gut behandelbar, aber die Compliance der Patienten extrem gering.

Lesen Sie auch: Lesen Sie mehr über die neuesten Fortschritte in der Neurowissenschaft.

Normaldruckhydrozephalus

Diese Patienten profitieren allerdings einige Zeit von einer Liquorableitung in Form eines ventrikuloperitonealen Shunts. Dadurch wird die klinische Symptomatik inklusive der kognitiven Defizite bei vielen Patienten positiv beeinflusst.

Multiple Sklerose

Die Multiple Sklerose (MS) ist eine Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS). Sie äußert sich in multiplen demyelinisierenden Läsionen im ZNS, die sich klinisch als fokale Defizite in verschiedenen neurologischen Funktionssystemen zeigen können. Diese Symptome treten entweder episodisch in Schüben auf oder entwickeln sich kontinuierlich.

Zukunftsperspektiven

Aktuell gibt es Hinweise, dass Mikroblutungen eine wichtige Information bei Mikroangiopathien sind und im MRT auch heute schon beurteilbar sind. Mithilfe höherer Feldstärken (sieben Tesla) wird die räumliche Auflösung immer weiter verbessert, sodass man von einer „MR-Mikroskopie“ sprechen kann. Insgesamt nimmt damit die Nachweisgrenze für strukturelle Veränderungen wie Mikroblutungen deutlich zu. Je besser wir die zerebrale Mikroangiopathie verstehen, umso mehr vaskuläre Demenzen werden sich vermeiden lassen.

Standardisierung der MRT-Protokolle bei MS

Die Konsensusempfehlungen, die von den Fachgesellschaften Magnetic Resonance Imaging in Multiple Sclerosis (MAGNIMS), Consortium of Multiple Sclerosis Centers (CMSC) und North American Imaging in Multiple Sclerosis (NAIMS) im Jahr 2021 publiziert wurden, haben zu einer Standardisierung der MRT-Protokolle geführt. Der Kern eines jeden Untersuchungsprotokolls sollten T2-gewichtete und FLAIR-Bilder sowie bei erstmaliger Diagnostik kontrastverstärkte T1-gewichtete Bilder sein. Für FLAIR- und T1-gewichtete Sequenzen werden vorzugsweise dreidimensionale Techniken verwendet, da sie eine bessere Detektion von Läsionen ermöglichen. Sagittale 3-D-FLAIR-Sequenzen gelten aufgrund ihrer hohen Sensitivität als Schlüsselsequenz für die Diagnose und Überwachung der MS. In Zentren, die nicht in der Lage sind, hochwertige 3-D-FLAIR-Bilder zu erstellen, können alternativ zweidimensionale (2-D-)Sequenzen mit einer Schichtdicke von ≤3 mm und ohne Lücken („gap“) verwendet werden. T1-gewichtete Sequenzen ohne Gadolinium-haltige Kontrastmittel müssen nicht mehr routinemäßig durchgeführt werden. Es liegen keine überzeugenden Daten vor, dass der Einsatz von 3-Tesla-MRT-Scannern zu einer früheren Diagnosestellung der MS führt, auch wenn dadurch mehr Läsionen nachweisbar sind. Es wird davon ausgegangen, dass 1,5-Tesla-Scanner weiterhin ausreichen, solange die Scans ein ausreichendes Signal-Rausch-Verhältnis aufweisen und eine räumliche Auflösung von ≤1 mm mal 1 mm Pixel bieten. Der Einsatz von MRT-Scannern mit Feldstärken <1,5 Tesla wird nicht empfohlen. Bei der Erstuntersuchung wird weiterhin Kontrastmittel verwendet, um eine mögliche DIT schon bei einmaliger Untersuchung zu detektieren. Die Verwendung von Kontrastmitteln beruht auf der Tatsache, dass aktive Läsionen im Gegensatz zu älteren Läsionen dazu neigen, Kontrastmittel aufnehmen. Sicherheitsbedenken hinsichtlich der wiederholten Verabreichung von Gadolinium-Kontrastmittel, insbesondere im Hinblick auf mögliche Gadolinium-Ablagerungen im Gehirn, haben zu einer Neubewertung der Verwendung von Kontrastmitteln im Krankheitsverlauf geführt. Obwohl Gadolinium-Kontrastmittel bei bestimmten Indikationen nach wie vor unverzichtbar sind, soll die Anwendung bei Verlaufsuntersuchungen mittlerweile zurückhaltender erfolgen. Obgleich sich gezeigt hat, dass doppelte (0,2 mmol/kg Körpergewicht) und dreifache Kontrastmitteldosen (0,3 mmol/kg Körpergewicht) eine erhöhte Detektionswahrscheinlichkeit von aktiv entzündlichen Läsionen aufweisen, wird ihre routinemäßige Anwendung nicht empfohlen. Es sollte eine Zeitverzögerung zwischen der Kontrastmittelapplikation und dem Beginn der T1-gewichteten Sequenz von ≥5 Minuten (idealerweise zehn Minuten) eingehalten werden. Die spinale MRT spielt eine wichtige Rolle für die MS-Diagnostik. Sie unterstützt die Differenzialdiagnostik und kann MS-Läsionen beispielsweise von Gefäßerkrankungen oder einer Rückenmarkskompression zuverlässig abgrenzen. Die spinale MRT dient auch dem Nachweis von DIS und DIT. Bei Patienten, die sich initial mit einem KIS vorstellen, kann die spinale MRT klinisch asymptomatische Rückenmarksläsionen aufdecken und zur MS-Diagnose führen. Das Protokoll für die spinale MRT sollte mindestens zwei der folgenden drei sagittalen Sequenzen umfassen: T2-gewichtete Spin-Echo-Sequenzen (Turbo- oder schnelle Sequenzen) mit moderaten Echozeiten, PD(Protonendichte)-gewichtete Sequenzen oder kurze STIR-Sequenzen. Nach der Verabreichung von Kontrastmittel sollte bei der Erstuntersuchung zur Diagnosestellung eine sagittale T1-gewichtete Spin-Echo-Sequenz hinzugefügt werden. Präkontrastbilder werden nicht mehr routinemäßig angefertigt, da ihr Nutzen begrenzt ist. Bei den sagittalen Bildern werden Schichtdicken ≤3 mm ohne Lücken („gap“) zwischen den Schichten empfohlen, um die langgezogene und schmale Anatomie des Rückenmarkes ausreichend zu erfassen. Optional können ergänzend axiale T2-gewichtete Sequenzen durchgeführt werden; hierbei ist es ebenfalls wichtig, keine Lücken („gap“) zwischen den Schichten zuzulassen, um die typischerweise kurzstreckigen MS-Läsionen nicht zu übersehen. Empfohlen sind hier Schichtdicken ≤5 mm. Die axialen Bilder helfen, die genaue Lage und Ausdehnung der Läsionen zu erfassen. Ein Großteil der MS-Läsionen ist im zervikalen Myelon lokalisiert. Trotzdem finden sich bei etwa 33 % der MS-Patienten Läsionen im Conus medullaris.

tags: #Marklager #Gehirn #MRT #information