Mausgehirn-Anatomie: Ein detaillierter Überblick

Die Erforschung des Mausgehirns hat in den Neurowissenschaften eine zentrale Bedeutung, da Mäuse aufgrund ihrer genetischen Ähnlichkeit zum Menschen und ihrer relativ kurzen Lebensspanne als wertvolle Modellorganismen dienen. Dies ermöglicht es Forschern, zelluläre Funktionen, die Rolle spezifischer Gene und altersabhängige Prozesse unter physiologischen und pathologischen Bedingungen zu untersuchen. Dieser Artikel beleuchtet verschiedene Aspekte der Mausgehirn-Anatomie, von der Mikrostruktur einzelner Regionen bis hin zu den neuesten bildgebenden Verfahren, die zur Kartierung neuronaler Verbindungen eingesetzt werden.

Hochauflösende Bildgebung des Mausgehirns

Mikro-CT-Bilder

Mittels Mikro-CT-Bildgebung können detaillierte Aufnahmen des Mausgehirns erstellt werden. Beispielsweise wurden Mikro-CT-Bilder einer normalen weiblichen Schweizer Maus mit einem PET/CT-NanoScan von Mediso aufgenommen. Die Nachbearbeitung der Bilder erfolgte mit Osirix, wobei Rekonstruktionen in den drei Ebenen (transversal, sagittal und dorsal) erfolgten. Die 3D-gerenderten Bilder (Knochen und Haut) wurden mit der Software VGSTUDIOMAX erstellt.

Magnetresonanztomographie (MRT)

Die Magnetresonanztomographie (MRT) misst das unterschiedliche Verhalten von Wasserstoffatomen im Magnetfeld, abhängig vom Gewebetyp. Ein US-Forschungsteam berichtete in »PNAS« von einer MRT-Aufnahme eines Mäusegehirns mit einer Auflösung von nur fünf Mikrometern. Die Magnetresonanztomografie (MRT) misst das unterschiedliche Verhalten von Wasserstoffatomen im Magnetfeld, abhängig vom Gewebetyp. Die Gruppe um G. Allan Johnson von der Duke University verwendete einen Tomografen, dessen Magnet mit 9,4 Tesla mehr als dreimal so stark war als der von klinischen Geräten. Weitere technische Details umfassten spezielle Gradientenspulen, die 100-mal stärker sind als bei üblichen MRTs, sowie einen Hochleistungscomputer zur Verarbeitung der enormen Datenmenge. Mittels Diffusionstensor-Imaging (DTI) konnte die Bewegung von Wassermolekülen im Gewebe verfolgt und die Verläufe der Nervenfasern abgebildet werden.

Um die Auflösung weiter zu verbessern, wurde das Hirngewebe zusätzlich mit der Lichtscheiben-Mikroskopie (LSM) untersucht, wodurch verschiedene Arten von Zellen mit einer Auflösung von bis zu 1,8 Mikrometern unterschieden werden konnten. Diese Bilder wurden dann mit den MRT-Bildern verknüpft, um ein dreidimensionales Abbild der Nervenverbindungen zu erstellen.

Regionale Besonderheiten des Mausgehirns

Hippocampus und Indusium griseum

Der Hippocampus ist eine der am meisten untersuchten Regionen des Gehirns und spielt eine wichtige Rolle für das Kurzzeitgedächtnis und die räumliche Navigation. In seiner Nachbarschaft befindet sich das Indusium griseum. Forscherinnen und Forscher charakterisierten die Proteinverteilung in Nervenzellen des Indusium griseums während der Entwicklung des Mäusegehirns und suchten nach charakteristischen Markerproteinen, die im Gyrus dentatus, einer Unterregion des Hippocampus, vorkommen, zu dem das Indusium griseum laut früherer Hypothesen gehört. Den Nervenzellen des Indusium griseums fehlen wichtige Markerproteine wie der Transkriptionsfaktor Prox1. Ohne Prox1 können sich die Nervenzellen des Gyrus dentatus erst gar nicht entwickeln. Somit kommen die Autoren zum Schluss, dass das Indusium griseum eine gesonderte Unterregion des Hippocampus mit eigener Identität ist. Nach aktuellen Erkenntnissen sind die Neurone besonders resistent gegen neurodegenerative Erkrankungen.

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Motorischer Kortex

Der motorische Kortex ist die Hirnregion, die unsere Bewegungsabläufe steuert. Wissenschaftler haben einen Zellatlas erstellt, der einen einzigartigen Überblick über die verschiedenen Neuronentypen und ihre jeweiligen Eigenschaften im motorischen Kortex liefert. Mithilfe neuer experimenteller Techniken und Datenanalyseverfahren ist es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern jetzt gelungen, genetische Informationen über mehr als eine Million Zellen zu sammeln. Sie erfassten für einen Teil der Zellen ihre räumliche Lage, Form und elektrischen Eigenschaften und ermittelten ihre Verbindungen zu weiteren Neuronen in anderen Gehirnbereichen. Da die Forschenden die Zellen von Mäusen, Weißbüschellaffen und Menschen analysierten, konnten sie sogar die evolutionäre Entwicklung der verschiedenen Nervenzelltypen nachzeichnen.

Immunzellen im Mausgehirn

An der Universität Bielefeld widmen sich Forschende der Medizinischen Fakultät OWL unter anderem der Erforschung von speziellen Immunzellen von Gehirn und Rückenmark. Diese Zellen sind von besonderer Bedeutung, da sie während der Gehirnentwicklung, bei der normalen Funktion des erwachsenen Gehirns und bei Erkrankungen des Zentralnervensystems, wichtige Rollen spielen. Die Forschung zielt darauf ab, die grundlegenden Funktionen dieser speziellen Immunzellen zu entschlüsseln und Faktoren zu identifizieren, welche diese Funktionen unter verschiedensten Bedingungen regulieren. Mäuse bieten den Vorteil, dass Zellen und deren Gene gezielt untersucht werden können und ihre Lebensspanne viel kürzer ist als die des Menschen. Dies macht es möglich, auch altersabhängige Prozesse zu analysieren.

Kartierung neuronaler Verbindungen

Um zu verstehen, was im Gehirn geschieht, wenn wir sehen, hören, denken oder uns erinnern, benötigen Neurowissenschaftler Informationen darüber, wie die Millionen von Nervenzellen des Gehirns miteinander verknüpft sind. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für medizinische Forschung in Heidelberg haben eine Methode entwickelt, mit der sie das gesamte Gehirn einer Maus für ein spezielles Mikroskopieverfahren präparieren können. Die „serial block-face“-Rasterelektronenmikroskopie ermöglicht es, das Gewebe zu fixieren, zu färben und in Kunststoff einzubetten. In einer aktuellen Studie gelang es Shawn Mikula aus Denks Abteilung ein Mäusegehirn so zu präparieren, dass er es mit der „block-face“-Mikroskopie analysieren und den Axonen folgen konnte.

Die Herausforderung für die Wissenschaftler war, ein großes Gewebestück so zu behandeln, dass es gleichmäßig bis ins Gewebeinnere gut fixiert und gefärbt ist. Bei der Rasterelektronenmikroskopie wird die Oberfläche eines Gewebeschnitts mit einem Elektronenstrahl abgetastet. Die „block-face“-Mikroskopie umgeht das Problem, das Gewebe in feine Schnitte zu schneiden. Hier wird das Gewebestück als Ganzes im Mikroskop eingespannt und die Oberfläche abgetastet. Erst dann wird jeweils eine dünne Schicht abgeschnitten, um anschließend die darunterliegende Schicht abzutasten.

Nervenbahnen im Körper der Maus

Ein Team der University of Science and Technology of China hat die Nerven einer Maus kartiert, die vom Gehirn und Rückenmark zum Rest ihres Körpers verlaufen. Die Abbildungen haben eine Auflösung im Mikrometerbereich, wodurch Details wie einzelne Fasern, die von einem Schlüsselnerv zu entfernten Organen verlaufen, sichtbar werden. Die Forschenden verwendeten ein speziell angefertigtes Mikroskop, um freiliegendes Gewebe zu scannen. Der gesamte Prozess dauerte demnach 40 Stunden.

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Um an die Aufnahmen zu gelangen, mussten die Forschenden den Mäusekörper umfangreich für den Scan präparieren. So wurde er vorab mit Chemikalien behandelt, die das Gewebe transparent machen. Die Substanz entfernte der Studie zufolge Fett, Kalzium und andere Komponenten, die das Licht blockieren, und ermöglichte dadurch einen klaren Blick auf die Nerven. Diese wurden zudem mit fluoreszierenden Markerproteinen markiert. Anschließend kombinierten die Forschenden die dadurch entstandenen Bilder.

Neuronentypen im motorischen Kortex

Hunderte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit untersuchen die Eigenschaften verschiedener Neuronentypen im motorischen Kortex der Gehirne von Mäusen, Affen und Menschen. Diese „Landkarte der Neuronentypen“ zeigt symbolisch die Ordnung der Nervenzellen im motorischen Kortex der Maus. Wissenschaftler der Universität Tübingen haben zu dieser Gemeinschaftsleistung eine Studie beigesteuert, in der sie die verschiedenen Zelltypen im motorischen Kortex der Maus auf Grund mehrerer Datentypen charakterisieren. Die Arbeit liefert eine der bisher vollständigsten Beschreibungen der Vielfalt verschiedener Neuronentypen im Maushirn.

Neurowissenschaftler beschreiben Neuronen in der Regel anhand ihrer Anatomie, ihrer Physiologie und ihres Transkriptoms. Dass die Forschenden die drei grundlegenden Eigenschaften bei über 1000 Zellen gleichzeitig messen konnten, ermöglichte ihnen ein tiefes Verständnis dafür, wie die Neuronen im motorischen Kortex miteinander in Beziehung stehen. Mit Verfahren aus dem maschinellen Lernen führten sie die anatomischen, physiologischen und genetischen Informationen zusammen und entdeckten so Beziehungen zwischen den Neuronen, die zuvor nicht bekannt waren.

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