Warum Neurologen weniger verdienen: Eine detaillierte Analyse

Die Frage, warum Neurologen im Vergleich zu anderen Fachärzten tendenziell weniger verdienen, ist komplex und vielschichtig. Um diese Frage umfassend zu beantworten, ist es wichtig, verschiedene Faktoren zu berücksichtigen, die das Einkommen von Ärzten beeinflussen. Dazu gehören unter anderem die Art der Tätigkeit (angestellt vs. niedergelassen), die regionale Verteilung, die Spezialisierung innerhalb der Neurologie sowie die Rahmenbedingungen der kassenärztlichen Versorgung.

Einkommenssituation von Ärzten in Deutschland: Eine Übersicht

Eine Erhebung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) aus dem Jahr 2020 zeigt, dass niedergelassene Ärzte im Durchschnitt Gesamteinnahmen von 335.000 Euro aus ihrer Praxistätigkeit erzielten. Davon stammten rund 78 Prozent (261.000 Euro) aus der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Nach Abzug der Praxisaufwendungen von etwa 162.000 Euro, wovon 90.000 Euro auf Gehälter des Praxispersonals entfielen, verblieb ein durchschnittlicher Jahresüberschuss von 172.000 Euro pro Praxisinhaber bei einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 45 Wochenstunden.

Es ist wichtig zu betonen, dass dieser Jahresüberschuss kein Nettogehalt darstellt. Vielmehr müssen davon noch wirtschaftliche Risiken, Lohnerhöhungen, steigende Energie- und Betriebskosten sowie Investitionen finanziert werden. Zusätzlich fallen Abzüge für Steuern, Altersvorsorge sowie Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von durchschnittlich 87.000 Euro an. Somit ergibt sich laut Zi ein durchschnittliches verfügbares Einkommen von 86.000 Euro.

Ein Teil des verfügbaren Einkommens stammt auch aus Einnahmen durch die medizinische Versorgung privat Versicherter. Würde man diesen Einnahmenanteil in Einnahmen aus der GKV umrechnen, würde sich der durchschnittliche Jahresüberschuss auf 137.000 Euro und das verfügbare Jahreseinkommen auf 61.000 Euro reduzieren.

Facharzt-Vergleich: Radiologen an der Spitze, Neurologie im unteren Bereich

Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden ermittelte bereits 2015 deutliche Unterschiede im Reinertrag verschiedener Facharztgruppen. Radiologen führten die Liste mit einem durchschnittlichen Reinertrag von 850.000 Euro an, gefolgt von Augenärzten (370.000 Euro) und Orthopäden (310.000 Euro). Am unteren Ende der Skala befanden sich Praxen der Fachgebiete Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Psychosomatische Medizin mit einem durchschnittlichen Reinertrag von 180.000 Euro. Hausärzte (Allgemeinmedizin) erzielten einen durchschnittlichen Reinertrag von 227.000 Euro.

Lesen Sie auch: Was verursacht Demenz?

Es ist wichtig zu beachten, dass der Reinertrag nicht mit dem Gewinn gleichzusetzen ist. Er stellt die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben der Praxis dar, einschließlich Personalkosten. Allerdings werden Kredite für Praxisübernahmen sowie Sozialabgaben des Praxisinhabers und seiner Familie nicht berücksichtigt. Der Reinertrag ist in etwa mit einem Bruttoeinkommen vergleichbar.

Mögliche Gründe für das geringere Einkommen von Neurologen

Es gibt mehrere Faktoren, die zu dem vergleichsweise geringeren Einkommen von Neurologen beitragen könnten:

  • Hoher Anteil an GKV-Patienten: Neurologen behandeln häufig Patienten mit chronischen neurologischen Erkrankungen, die überwiegend in der GKV versichert sind. Die Vergütung für GKV-Leistungen ist oft geringer als für Privatpatienten.
  • Zeitintensität der Behandlung: Die neurologische Untersuchung und Behandlung erfordert oft viel Zeit und eine intensive Auseinandersetzung mit dem Patienten. Dies kann zu einer geringeren Anzahl von Patienten pro Tag und somit zu geringeren Einnahmen führen.
  • Komplexität der Abrechnung: Das Abrechnungssystem für neurologische Leistungen ist komplex und erfordert eine genaue Dokumentation. Fehler bei der Abrechnung können zu Honorarkürzungen führen.
  • Regionale Unterschiede: Die Nachfrage nach Neurologen und die Vergütung für neurologische Leistungen können regional unterschiedlich sein. In ländlichen Gebieten kann die Nachfrage geringer sein, was sich negativ auf das Einkommen auswirken kann.
  • Hohe Investitionskosten: Die Anschaffung und Wartung neurologischer Untersuchungsgeräte (z.B. EEG, EMG) kann mit hohen Kosten verbunden sein.
  • Einfluss der Praxisform: Einzelpraxen haben oft höhere Fixkosten als Gemeinschaftspraxen, was sich auf den Reinertrag auswirken kann.
  • Psychische Belastung: Die Arbeit mit neurologischen Patienten kann psychisch belastend sein, was sich indirekt auf die Arbeitsleistung und somit auf das Einkommen auswirken kann.
  • Vergütungssystem: Das deutsche Gesundheitssystem ist stark auf die kurative Medizin ausgerichtet. Präventive Maßnahmen und die Betreuung chronisch kranker Patienten werden oft nicht ausreichend vergütet. Da Neurologen häufig Patienten mit chronischen Erkrankungen behandeln, kann sich dies negativ auf ihr Einkommen auswirken.
  • Bedeutung der Forschung: Viele Neurologen sind auch in der Forschung tätig. Die Zeit, die für Forschungsprojekte aufgewendet wird, steht nicht für die Patientenversorgung zur Verfügung und kann sich somit negativ auf das Einkommen auswirken.
  • Demografischer Wandel: Die alternde Bevölkerung führt zu einer Zunahme neurologischer Erkrankungen. Allerdings führt dies nicht automatisch zu höheren Einkommen für Neurologen, da die Vergütung für neurologische Leistungen nicht im gleichen Maße steigt.
  • Fehlende Spezialisierung: Neurologen, die sich auf bestimmte Bereiche spezialisiert haben (z.B. Schlaganfall, Multiple Sklerose, Parkinson), können möglicherweise höhere Einkommen erzielen als Neurologen mit einem breiteren Tätigkeitsspektrum.
  • Einfluss der Politik: Gesundheitspolitische Entscheidungen (z.B. Änderungen der Gebührenordnung) können sich auf das Einkommen von Neurologen auswirken.
  • Konkurrenzdruck: In einigen Regionen herrscht ein hoher Konkurrenzdruck zwischen Neurologen, was sich negativ auf die Einnahmen auswirken kann.

Detaillierte Betrachtung der Einnahmen und Ausgaben von Arztpraxen

Im Jahr 2015 nahm eine Arztpraxis im Durchschnitt 507.000 Euro ein, unabhängig davon, ob es sich um eine Einzel- oder Gemeinschaftspraxis handelte. Demgegenüber standen Aufwendungen von durchschnittlich 249.000 Euro pro Praxis, die sich etwa zur Hälfte auf Personal- und Sachkosten verteilten. Somit verblieb im Durchschnitt ein Reinertrag von 258.000 Euro. Im Jahr 2011 waren es noch durchschnittlich 234.000 Euro gewesen. Da viele Arztpraxen als Gemeinschaften mit mehreren Ärzten als Inhabern geführt werden, lag der Reinertrag pro einzelnem Praxisinhaber im Jahr 2015 bei 190.000 Euro (2011: 166.000 Euro). Die Hälfte aller Praxen hatte einen Reinertrag von höchstens 197.000 Euro.

Lesen Sie auch: Walnüsse: Ein Superfood für Ihr Gehirn

Lesen Sie auch: Wadenkrämpfe effektiv vorbeugen

tags: #warum #verdienen #neurologen #wenig