Hemisphären des Gehirns: Funktionen und Unterschiede

Das menschliche Gehirn ist ein faszinierendes Organ, das in zwei Hälften, die sogenannten Hemisphären, unterteilt ist. Obwohl diese Hälften auf den ersten Blick symmetrisch erscheinen, weisen sie subtile, aber funktionell relevante Unterschiede auf. Diese Unterschiede in der Spezialisierung der Hemisphären ermöglichen eine effiziente Aufteilung der Aufgaben und erweitern das Aufgabenspektrum des Gehirns insgesamt.

Anatomie und Struktur der Hemisphären

Das Gehirn besteht aus dem Großhirn und dem Kleinhirn. Dementsprechend spricht man sowohl von den Großhirn- als auch den Kleinhirnhemisphären. Die linke und rechte Hälfte des Gehirns wird jeweils als Hemisphäre bezeichnet. Sie sind durch den Balken miteinander verbunden. Anatomisch gesehen besteht das menschliche Gehirn aus zwei Hälften, die als linke und rechte Hemisphäre definiert werden. Der Begriff "Hemisphäre" beschreibt in der Geographie und Astronomie eine Hälfte der Erde und bedeutet wörtlich übersetzt "Halbkugel". Jede Hemisphäre besteht wiederum aus verschiedenen anatomischen Strukturen und Regionen, die für unterschiedliche kognitive Funktionen verantwortlich sind. Die Oberfläche der Gehirnhemisphären ist von Windungen (Gyri) und Furchen (Sulci) bedeckt, die die Oberfläche des Gehirns vergrößern und somit mehr Neuronen und synaptische Verbindungen auf kleinem Raum ermöglichen.

Die beiden Großhirn-Hemisphären lassen sich jeweils in vier Lappen unterteilen:

  • Stirnlappen oder Frontallappen (Lobus frontalis)
  • Scheitellappen oder Parietallappen (Lobus parietalis)
  • Schläfenlappen oder Temporallappen (Lobus temporalis)
  • Hinterhauptslappen oder Okzipitallappen (Lobus occipitalis)

Das Großhirn gliedert sich in einen äußeren Teil (Rinde oder Cortex cerebri, graue Substanz) und einen inneren Teil (Mark, weiße Substanz). Die Großhirnrinde (Cortex cerebri) ist zwischen zwei und fünf Millimeter dick und besteht aus dem Isocortex (oder Neocortex) und dem darunter liegenden Allocortex.

Funktionelle Spezialisierung der Hemisphären

Die beiden Hemisphären sind auf unterschiedliche Funktionen spezialisiert. Die linke Hälfte des Gehirns ist bei den meisten Menschen für Sprache und abstraktes Denken zuständig, während die rechte Hälfte für räumliches Denken und bildhafte Zusammenhänge zuständig ist. Die rechte Gehirnhälfte steuert die linke Körperseite, während die linke Hälfte die rechte Seite steuert.

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Einige Beispiele für die funktionelle Spezialisierung der Hemisphären sind:

  • Linke Hemisphäre: Logisches Denken, abstraktes Denken, Sprachverarbeitung (Broca- und Wernicke-Areal), analytisches Arbeiten, Buchstaben und Zahlen, zeitliches Nacheinander, Hören, Sprechen, Schreiben und Lesen, Befolgung von Regeln und Anweisungen.
  • Rechte Hemisphäre: Gefühlsmäßiges Denken, konkretes Denken, räumliche Wahrnehmung, ganzheitliches Arbeiten, Integrieren, Musik und Geräusche, Farben und Gerüche, Schriftbilder, Formen, Bilder und Gestalten, räumliches Nebeneinander, Sehen, Fühlen, Deuten und Verstehen, Intuition und Kreativität. Aufmerksamkeit und Arbeitsgedächtnis.

Es ist wichtig zu beachten, dass diese Spezialisierung nicht absolut ist. Beide Hemisphären arbeiten eng zusammen, um komplexe kognitive Prozesse zu bewerkstelligen. Viele Aufgaben und Funktionen werden von beiden Gehirnhälften ausgeführt, jedoch nicht gleichermaßen. So beteiligen sich beispielsweise beide Hälften an Sprachprozessen, wobei die linke Hälfte eine größere Rolle spielt. Das Zusammenspiel von rechter und linker Gehirnhälfte ist für uns von großer Bedeutung. Das rechte Zentrum lässt uns erst die volle Bedeutung von Sätzen, nicht nur das Gesagte, sondern das Gemeinte verstehen.

Individualität und Variabilität der Lateralisation

Die Lateralisation, also die Tendenz, dass Hirnregionen Funktionen eher in der linken oder rechten Hirnhälfte verarbeiten, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich ausgeprägt. Selbst bei Personen, bei denen die Funktionen im Gehirn prinzipiell klassisch angeordnet sind, ist die Asymmetrie unterschiedlich stark ausgeprägt.

Frühere Studien haben gezeigt, dass sich dies wiederum auf die Fähigkeiten selbst auswirken kann. Eine zu geringe asymmetrische Ausbildung der Sprachareale auf der linken Hirnseite wird beispielsweise als eine mögliche Ursache für Legasthenie vermutet. Auch bei Krankheiten wie Schizophrenie und Autismus-Spektrum-Störungen oder Hyperaktivität bei Kindern wird ein Zusammenhang mit einer zu schwachen Aufgabenteilung zwischen den beiden Hirnhälften vermutet.

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften und des Forschungszentrums Jülich haben nun untersucht, wie sich Asymmetrien entlang von sogenannten funktionellen Gradienten entwickeln, d. h. entlang von Achsen in der Großhirnrinde, an der sich die Hirnfunktionen anordnen. Das Ergebnis: Es gibt tatsächlich feine Unterschiede darin, wie Hirnregionen unterschiedlicher Funktionen auf der linken und rechten Seite des Gehirns aufreihen. Auf der linken Seite sind es die Regionen zur Sprachverarbeitung, die sich am weitesten entfernt von denen für Sehen und Wahrnehmung liegen. Auf der rechten Seite befindet sich hingegen das Netzwerk für Aufmerksamkeit und Arbeitsgedächtnis am weitesten entfernt von den sensorischen Regionen.

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Zudem zeigte sich: Die individuellen Unterschiede in dieser Anordnung sind vererbbar und damit zum Teil genetisch bedingt. Ein Großteil dieser Asymmetrie im menschlichen Gehirn lässt sich hingegen nicht durch genetische Faktoren erklären, was wiederum darauf hindeuten könnte, dass sie durch die persönliche Erfahrung einer Person, also durch Einflüsse aus ihrer Umwelt, geprägt ist.

Asymmetrie im Vergleich zu Affen

Der Vergleich mit Makaken brachte schließlich zutage: Das Gehirn des Menschen ist asymmetrischer als das von Affen. "Vermutlich ergibt sich die Asymmetrie unseres Gehirns aus genetischen Faktoren und solchen, die sich aus persönlichen Erfahrungen ergeben", erklärt Bin Wan, Doktorand am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften. Tatsächlich beobachtete das Forschungsteam bei älteren Menschen eine geringere Rechtsasymmetrie. Das Phänomen könnte sich demnach im Laufe des Lebens verändern.

Auswirkungen von Schädigungen der Hemisphären

Eine Schädigung einer der Hemisphären kann zu unterschiedlichen Beeinträchtigungen führen, abhängig von der betroffenen Region und dem Ausmaß der Schädigung.

Ausfall der linken Gehirnhälfte:

  • Sprachschwierigkeiten (Aphasie), die zu Störungen in der Worterkennung führen können.
  • Unfähigkeit, zu lesen (Alexie).
  • Schwierigkeiten, Wörter und Sätze zu bilden (motorische Aphasie - Broca-Aphasie).
  • Unfähigkeit, zu schreiben (Agraphie).

Ausfall der rechten Gehirnhälfte:

  • Orientierungslosigkeit.
  • Beeinträchtigung der räumlichen Wahrnehmung.
  • Veränderungen in Kreativität und Emotionen.
  • Schwierigkeiten bei der Verarbeitung von Musik.

Bedeutung der Forschung

"Wir wollen verstehen, welche Rolle diese feinen Unterschiede zwischen linker und rechter Hemisphäre spielen und wie sie mit den verschiedenen Entwicklungsstörungen zusammenhängen könnten", erklärt Sofie Valk, Leiterin der Studie und der Forschungsgruppe Kognitive Neurogenetik am Max-Planck-Institut. "Wenn wir verstehen, wie Asymmetrie vererbt wird, lässt sich auch besser einschätzen, welche Bedeutung genetische und umweltbedingte Faktoren generell für dieses Phänomen haben. Vielleicht können wir dann herausfinden, wo etwas schiefläuft, wenn genau dieser Unterschied zwischen links und rechts gestört ist."

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