Die Alzheimer-Krankheit, eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, die durch Gedächtnisverlust, Orientierungsstörungen und Beeinträchtigungen des Denk- und Urteilsvermögens gekennzeichnet ist, betrifft weltweit Millionen von Menschen. Bislang gibt es keine Heilung für diese Krankheit, und die verfügbaren Behandlungen konzentrierten sich hauptsächlich auf die Linderung der Symptome. In den letzten Jahren hat die Forschung jedoch bedeutende Fortschritte erzielt, die zur Entwicklung neuer Medikamente geführt haben, die potenziell den Krankheitsverlauf verlangsamen können. Dieser Artikel beleuchtet die jüngsten Entwicklungen in der medikamentösen Therapie gegen Alzheimer, insbesondere die Zulassung und Kontroverse um Leqembi, sowie andere vielversprechende Therapieansätze.
Leqembi: Ein neuer Hoffnungsträger mit Einschränkungen
Im August dieses Jahres wurde das Medikament Leqembi (Wirkstoff: Lecanemab) in Europa zugelassen. Leqembi ist ein Antikörper-Wirkstoff zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit. Es richtet sich an Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen (MCI) bei Alzheimer oder im Frühstadium der Alzheimer-Krankheit. Seit dem 25. August 2025 ist Leqembi in Österreich erhältlich, in Deutschland ab dem 1. September. Die Zulassung durch die Europäische Kommission erfolgte im April 2025.
Leqembi reduziert schädliche Amyloid-beta-Ablagerungen im Gehirn. Es ist der erste Alzheimer-Antikörper, der in der EU zugelassen wurde. Lecanemab ist ein Antikörper-Wirkstoff, der gezielt eine Vorstufe der für Alzheimer typischen Amyloid-beta-Protein-Plaques im Gehirn erkennt und bindet. Dadurch wird das körpereigene Immunsystem aktiviert und baut die Plaques ab beziehungsweise verhindert die Bildung neuer Plaques.
Kontroverse um Wirksamkeit und Kosten
In Fachkreisen ist das Medikament nicht unumstritten. Die Kritik: Es ist sehr teuer und seine Wirksamkeit gilt als begrenzt. Andererseits ist es das erste Medikament, das ursächlich gegen die Altersdemenz wirkt und nicht nur die Symptome der Krankheit beeinflusst.
Nach den Ergebnissen der Zulassungsstudien verzögert Leqembi den Fortschritt der Demenz nur um wenige Monate. Momentan rechnet man damit, die Uhr um etwa sechs Monate zurückdrehen. Es ist fraglich, inwieweit die Wirkung für an Alzheimer erkrankte Menschen spürbar ist und im Alltag einen Unterschied macht. Die Studie hat jedoch gezeigt, dass sich der verzögernde Effekt mit der Dauer der Einnahme zunimmt. Das könnte bedeuten, dass eine Einnahme über den Zeitraum der bisher untersuchten 18 Monate hinaus die Wirksamkeit von Lecanemab noch erhöht.
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Es ist davon auszugehen, dass jährlich ungefähr 24.000 € Medikamentenkosten auf der einen Seite entstehen. Hinzu kommen im Vorfeld einmalige Kosten für die Diagnostik in Höhe von geschätzt 1.400 bis 5.000 Euro.
Auswahl der geeigneten Patienten
Doch nur für fünf bis zehn Prozent der Betroffenen ist das Medikament geeignet. Wer mit Leqembi behandelt werden kann, muss in jedem Einzelfall genau geprüft werden. Der Wirkstoff kommt nur für Menschen infrage, die sich im frühen Stadium der Erkrankung befinden und bislang nur geringe Einbußen ihrer geistigen Leistungsfähigkeit haben. Dazu zählen vor allem Personen mit einer Alzheimer-Diagnose im Stadium eines Mild Cognitive Impairment (MCI, zu Deutsch „leichte kognitive Störung“) oder im frühen Stadium einer Alzheimer-Demenz.
Mit MRT-Aufnahmen des Gehirns, Untersuchungen des Nervenwassers und genetischen Tests müssen die passenden Patienten ermittelt werden. Das Medikament wirkt auch nur in einem sehr frühen Stadium der Erkrankung. Die krankhaften Amyloid-beta-Ablagerungen müssen im Gehirn nachgewiesen werden - entweder durch eine Lumbalpunktion oder mittels Amyloid-PET.
Auch genetische Voraussetzungen spielen eine Rolle: Erkrankte dürfen höchstens eine Kopie des sogenannten ApoE4-Gens tragen. Menschen mit zwei Kopien sind wegen der erhöhten Gefahr für Hirnblutungen von der Behandlung ausgeschlossen. Leqembi eignet sich außerdem nicht für Menschen, die Gerinnungshemmer einnehmen. In Kombination mit dem Medikament steigt das Risiko für eine Hirnblutung deutlich.
Ablauf der Behandlung und Sicherheitsvorkehrungen
Leqembi wird als Infusion (Tropf) alle zwei Wochen direkt in die Vene verabreicht. Die Behandlung dauert jeweils etwa eine Stunde. Vor Beginn und während der Behandlung sind MRT-Untersuchungen notwendig, um mögliche Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen oder kleine Blutungen im Gehirn frühzeitig zu erkennen. Diese Untersuchungen müssen vor der 5., 7. und 14. Dosis erfolgen. Werden die vorgeschriebenen MRTs nicht durchgeführt, muss die Behandlung beendet werden. Treten Kopfschmerzen, Verwirrtheit oder Übelkeit auf, entscheiden die behandelnden Ärztinnen und Ärzte über weitere Untersuchungen.
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Nur Patientinnen und Patienten, die alle Voraussetzungen erfüllen, dürfen mit Leqembi behandelt werden. Vor Beginn der Therapie erhalten sie ebenso wie ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte ausführliche Informationen, um mögliche Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen und richtig einzuordnen. Zusätzlich ist die Teilnahme an einem EU-weiten Kontrollprogramm verpflichtend (Controlled Access Program, CAP) Patientinnen und Patienten sowie ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte müssen in ein zentrales Register eingeschrieben werden. Zu Beginn der Therapie erhalten die Erkrankten eine Patientenkarte und ausführliche Aufklärungsunterlagen. Die Behandlung mit Leqembi wird beendet, wenn sich die Alzheimer-Erkrankung deutlich verschlechtert und in ein mittelschweres Stadium übergeht.
Mögliche Nebenwirkungen
In Studien traten bei einem Teil der Teilnehmenden Nebenwirkungen auf - darunter Hirnschwellungen (ARIA-E) und Hirnblutungen (ARIA-H). Diese waren in den meisten Fällen symptomlos, wurden aber engmaschig kontrolliert. Das Risiko für solche Nebenwirkungen hängt stark vom ApoE4-Gen ab: Menschen mit zwei Kopien dieses Gens sind besonders gefährdet und daher von der Behandlung ausgeschlossen. Bei den für die EU-Zulassung relevanten Patientengruppen - also Menschen mit höchstens einer Kopie des ApoE4-Gens - kam es in rund 13 % der Fälle zu Hirnblutungen und in 9 % zu Hirnschwellungen. Weitere mögliche Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen (11 %) und Infusionsreaktionen (26 %). In der Studie wurden drei Todesfälle gemeldet, von denen zwei mit der gleichzeitigen Einnahme von Gerinnungshemmern in Verbindung gebracht wurden.
Kisunla (Donanemab): Eine weitere Option zur Verlangsamung des Fortschreitens
Seit dem 25. September 2025 ist auch ein zweites Antikörper-basiertes Alzheimermedikament in der EU zugelassen. Es enthält den Antikörper Donanemab (Handelsname Kisunla). Kisunla kann bei Menschen im Frühstadium der Alzheimer-Krankheit eingesetzt werden, das heißt bei Personen mit leichter kognitiver Beeinträchtigung (MCI) und leichter Alzheimer-Demenz, bei denen Amyloid-Plaques im Gehirn nachgewiesen wurden.
Donanemab ist ein Antikörper, der auf schädliche Proteinablagerungen im Gehirn abzielt, die sogenannten Amyloid-Plaques. Der Wirkstoff erkennt eine besonders giftige Form des Peptids Amyloid-beta (Pyroglutamat-Amyloid-beta) und setzt eine Immunreaktion in Gang, die darauf abzielt, die Plaques zu entfernen. Ziel ist es, den geistigen Verfall bei Menschen im Frühstadium der von Alzheimer zu verzögern.
Unterschiede zu Leqembi
Kisunla wird alle vier Wochen verabreicht, das Ende der Therapie ist nach spätestens 18 Monaten. Leqembi wird alle zwei Wochen gegeben und ist als Dauertherapie angelegt. Leqembi weist eine geringere Rate an symptomatischen ARIAs auf, zeigt aber in Studien geschlechtsspezifische Unterschiede (geringere Wirksamkeit bei Frauen). Für Kisunla liegen solche Unterschiede bislang nicht vor.
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Auswahl der geeigneten Patienten und Sicherheitsvorkehrungen
Bevor Kisunla verabreicht werden kann, muss nachgewiesen werden, dass sich bereits Amyloid-Plaques im Gehirn gebildet haben. In der EU ist außerdem ein Gentest auf ApoE4 vorgeschrieben. Menschen mit zwei Kopien dieses Gens sind ausgeschlossen. Auch Personen, die Antithrombotika (z. B. Aspirin) einnehmen, müssen dies mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt abklären. Kisunla darf nicht eingesetzt werden, wenn im MRT vor der Behandlung Blutungen oder andere Veränderungen im Gehirn sichtbar sind, dazu zählen zum Beispiel mehr als vier Mikroblutungen, Ablagerungen durch alte Blutungen (sogenannte Siderose) oder Schwellungen im Gehirn.
Mögliche Nebenwirkungen
Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören Kopfschmerzen, allergische Reaktionen während oder nach der Infusion und potenziell ernsthafte Veränderungen im Gehirn, sogenannte ARIA, die Hirnschwellungen oder Hirnblutungen bedeuten. Diese Nebenwirkungen traten bei 37 Prozent der Proband*innen auf, in den meisten Fällen allerdings symptomlos.
Alternative Therapieansätze und Medikamente
Alzheimer-Demenz ist bislang nicht heilbar. Es gibt verschiedene Medikamente, die den Verlust der geistigen Fähigkeiten und der Selbstständigkeit bei leichter und mittelschwerer Demenz etwas verzögern können. Allerdings können sie auch Nebenwirkungen haben. Ob eins der Mittel besser wirkt als die anderen, ist unklar.
Cholinesterasehemmer
Medikamente aus der Wirkstoffgruppe der Cholinesterasehemmer können den Informationsaustausch zwischen den Nervenzellen im Gehirn anregen. Das kann die Symptome der Demenz mildern. Sie sind zur Behandlung von leichter und mittelschwerer Alzheimer-Demenz zugelassen. In Deutschland sind derzeit drei Cholinesterasehemmer auf dem Markt: Donepezil, Galantamin und Rivastigmin. Sie werden als Tabletten oder Kapseln eingenommen. Rivastigmin ist auch als Pflaster erhältlich, dessen Wirkstoff über die Haut in den Körper gelangt. Cholinesterasehemmer können den Abbau der geistigen Leistungsfähigkeit leicht verzögern. Manche Menschen mit Demenz können sich dadurch Dinge etwas besser merken. Dies kann auch helfen, Alltagstätigkeiten wie Einkaufen oder Anziehen etwas länger selbst zu bewältigen.
Memantin
Medikamente mit dem Wirkstoff Memantin sind für Menschen mit einer mittelschweren bis schweren Alzheimer-Demenz zugelassen. Sie sollen verhindern, dass ein Überschuss des Stoffes Glutamat das Gehirn schädigt. Glutamat ist ein Botenstoff, der Nervensignale weiterleitet. Er trägt dazu bei, dass wir uns Dinge merken können. Man vermutet, dass bei Alzheimer-Erkrankten zu viel Glutamat im Gehirn dazu führt, dass Nervenzellen absterben. Memantin kann den Abbau geistiger Fähigkeiten bei manchen Menschen mit Demenz etwas verzögern. Es gibt auch Hinweise, dass mit Memantin alltagspraktische Fähigkeiten wie Zähneputzen, Anziehen oder das Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln etwas länger erhalten bleiben. Zudem deuten Studien an, dass es starke Unruhe verringern und die Stimmung verbessern kann.
Ginkgo
Ginkgo ist ein pflanzliches Präparat, das aus Blättern des Ginkgo-biloba-Baums gewonnen wird. Dem Mittel werden unterschiedliche Wirkungen zugeschrieben, unter anderem, dass es die Durchblutung verbessert und Nervenzellen schützt. Ginkgo-Präparate können rezeptfrei gekauft werden. Bei Demenz-Erkrankungen kann die Ärztin oder der Arzt sie auch verschreiben. Einzelne Studien geben Hinweise, dass Ginkgo in der höchsten geprüften Dosierung (240 mg pro Tag) wirksam ist. Menschen mit leichter oder mittelschwerer Alzheimer-Demenz konnten dadurch alltägliche Verrichtungen wie Haushaltsarbeiten oder Körperpflege zumindest vorübergehend wieder besser bewältigen. Die Studien weisen auch darauf hin, dass Ginkgo in hoher Dosierung die Gedächtnisleistung verbessern und psychische Beschwerden lindern könnte. Allerdings ist unklar, wie groß dieser Effekt ist.
Nanopartikel als Transportmittel für Medikamente
Vielversprechende Therapieversuche scheitern oftmals daran, dass die Medikamente nicht dort ankommen, wo sie gebraucht werden: im Gehirn der Alzheimer-Patienten. Die Forscher versuchen nun, mithilfe der Nanopartikel dieses Alzheimer-Medikament in das Gehirn zu transportieren. Nanopartikel sind hier winzige Fettkügelchen, die mit Medikamenten beladen werden können. Das Wort nano kommt aus dem Griechischen und heißt Zwerg. Die von uns verwendeten Nanopartikel sind etwa 250 Nanometer klein. Ein Nanometer entspricht einem milliardstel Meter“, erklärt Professor Pietrzik. Die Nanopartikel werden von den Wissenschaftlern mit Ankermolekülen versehen, die bestimmte Strukturen in der Blut-Hirn-Schranke erkennen. Diese Ankermoleküle binden ganz gezielt einen Rezeptor auf der Blut- Hirn-Schranke und transportieren so die Nanopartikel und mit ihnen auch das Alzheimer-Medikament quasi huckepack ins Gehirn“, sagt der Experte.
Medikamente gegen Begleiterscheinungen
Bei vielen Menschen mit Alzheimer-Demenz verändern sich die Persönlichkeit und das Verhalten deutlich. Sie können sich zum Beispiel ungewohnt ängstlich, misstrauisch, passiv, unruhig oder auch aggressiv verhalten. Menschen mit Alzheimer-Demenz haben zudem häufig Depressionen und Schlafstörungen. Daher nehmen viele Erkrankte auch Medikamente ein, die psychische Beschwerden und auffälliges Verhalten verringern sollen - etwa Beruhigungsmittel, Antidepressiva oder auch Antipsychotika. Diese Medikamente können zwar möglicherweise die Symptome lindern, aber auch ernsthafte Nebenwirkungen wie Verwirrtheit oder erhöhte Sturzgefahr haben.
Prävention und psychosoziale Faktoren
Die bisher verfügbaren Medikamente können die Alzheimer-Demenz nicht entscheidend beeinflussen. Umso wichtiger ist eine gute soziale und pflegerische Begleitung der Betroffenen. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass DCM wirkt: zwar nicht an der Wurzel der Krankheit. Wichtig ist zum Beispiel, dass Betroffene ihr Risiko durch Herzkreislauferkrankungen reduzieren, also zum Beispiel ihren Bluthochdruck einstellen oder ihre Herzrhythmusstörungen behandeln lassen. Außerdem sollten sie sich bei Schwerhörigkeit und Sehstörungen helfen lassen und sich gesund ernähren. Wichtig sind zudem auch psychosoziale Faktoren - Alzheimer-Patient:innen sollten sich nicht isoliert fühlen, sondern noch immer Umgang mit anderen Menschen erleben undsich beschäftigen.
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