Memantin bei Demenz: Wirkung, Anwendung und Nebenwirkungen

Demenzerkrankungen sind neurologische Krankheitsbilder, die mit einer Abnahme der kognitiven Leistungsfähigkeit einhergehen. Dazu gehören Störungen des Gedächtnisses, des Auffassungsvermögens, Beeinträchtigungen des Sozialverhaltens und in späteren Stadien Persönlichkeitsverlust. Die Inzidenz dieser Erkrankungen steigt mit zunehmendem Alter. Eine medikamentöse Therapie kann Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen helfen, den Alltag besser zu bewältigen.

Was ist Memantin?

Memantin ist ein Arzneistoff, der zur Behandlung der Alzheimer-Demenz eingesetzt wird. Es ist ein nicht-kompetitiver Antagonist an glutamatergen NMDA-Rezeptoren. Memantin steht in Form von Memantinhydrochlorid als Lösung zum Einnehmen, als Filmtabletten und als Schmelztabletten zur Verfügung. Die Filmtabletten sind neben den üblichen Packungen mit einer Dosierung auch in Starterpackungen mit Filmtabletten unterschiedlicher Wirkstoffkonzentrationen zur Dosiseinstellung auf dem Markt. In Deutschland sind neben Medikamenten mit der Bezeichnung Memantin auch die Arzneimittel Axura und Ebixa zugelassen. Alle enthalten den Wirkstoff Memantin.

Wie wirkt Memantin?

Der Wirkstoff Memantin greift in die Übermittlung von Signalen im Gehirn ein, indem er die Wirkung von bestimmten, krankhaft im Übermaß vorhandenen Botenstoffen reguliert. Alle Demenzformen beruhen auf einer primären oder sekundären Schädigung von Neuronen. Die häufigste Form ist die Alzheimer-Demenz, bei der sich extrazellulär sogenannte β-Amyloid-Plaques sowie intrazellulär Neurofibrillenbündel aus hyperphosphoryliertem Tau-Protein ablagern. Die Folge ist der Untergang vor allem cholinerger Neurone, post mortem konnte eine allgemeine Hirnatrophie festgestellt werden.

Memantin hemmt die (pathologische) Aktivität von NMDA-Rezeptoren. Die Blockade kann dabei nur im aktivierten Zustand erfolgen, wenn der Kanal durch den Co-Agonisten Glycin geöffnet ist, da die Bindestelle für Memantin in der Pore des Rezeptors liegt. Auf diese Weise werden nur (pathologisch) aktive NDMA-Rezeptoren gehemmt und es wird kaum Einfluss auf die normale glutamaterge Neurotransmission genommen. Memantin diffundiert rasch von der Bindestelle ab, sodass weiterhin ein langanhaltender Funktionsausfall der Kanäle vermieden wird.

Für wen ist Memantin geeignet?

Memantin ist zugelassen zur Therapie der moderaten bis schweren Demenz vom Alzheimer-Typ. Der Arzneistoff ist für Menschen mit einer mittelschweren bis schweren Alzheimer-Demenz zugelassen. Memantin soll verhindern, dass ein Überschuss des Stoffes Glutamat das Gehirn schädigt.

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Anwendung und Dosierung von Memantin

Die medikamentöse Behandlung mit Memantin sollte durch einen Arzt mit Erfahrungen auf dem Gebiet der demenziellen Syndrome erfolgen. Insbesondere während der ersten drei Monate, aber auch bei Weiterführen der Therapie ist eine regelmäßige Überprüfung von Verträglichkeit und Dosierung durch den Arzt indiziert.

Dosierungsempfehlungen

Die Dosierung wird in der Regel von Ihrem Arzt langsam erhöht und auf eine für Sie passende Erhaltungsdosis eingestellt. Für die einzelnen Dosierungsschritte stehen Arzneimittel mit verschiedenen Wirkstoffstärken zur Verfügung. Die Einnahme erfolgt einmal täglich möglichst zur gleichen Zeit und ist unabhängig von der Nahrungsaufnahme.

Die übliche Dosierung für Erwachsene beträgt zu Beginn 5 mg Memantin täglich. Es folgt eine wöchentliche Steigerung um 5 mg auf eine Erhaltungsdosis von 20 bis 30 mg pro Tag innerhalb von drei bis vier Wochen. Tabletten stehen in entsprechender Dosierung zur Verfügung oder sind dosisgleich teilbar. Für diese Titrationsphase gibt es spezielle Starterpackungen mit entsprechend dosierten Tabletten. Bekommt der Patient die Lösung, ist zu beachten, dass pro Pumpenhub immer 0,5 ml Lösung mit 5 mg Memantinhydrochlorid abgegeben werden.

Die Gesamtdosis sollte nicht ohne Rücksprache mit einem Arzt oder Apotheker überschritten werden. Eine vom Arzt verordnete Dosierung kann von den Angaben der Packungsbeilage abweichen, da der Arzt sie individuell abstimmt.

Anwendungshinweise

Nehmen Sie das Arzneimittel mit Flüssigkeit (z.B. 1 Glas Wasser) ein. Die Anwendungsdauer richtet sich nach Art der Beschwerde und/oder Dauer der Erkrankung und wird deshalb nur von Ihrem Arzt bestimmt. Prinzipiell ist die Dauer der Anwendung zeitlich nicht begrenzt, das Arzneimittel kann daher längerfristig angewendet werden.

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Besondere Patientengruppen

Bei Patienten mit mittelschwerer (Kreatinin-Clearance 30 bis 49 ml/min) bis schwerer (Kreatinin-Clearance 5 bis 29 ml/min) Niereninsuffizienz ist eine Dosisreduktion erforderlich. Die Erhaltungsdosis sollte zunächst nur maximal 10 mg täglich betragen. Die Leberfunktion muss bei der Dosierung nicht berücksichtigt werden.

Was tun bei Überdosierung oder vergessener Einnahme?

Bei einer Überdosierung kann es unter anderem zu Müdigkeit, Durchfall, Benommenheit, Schwindel, Aggressionen oder Gangstörungen kommen. Setzen Sie sich bei dem Verdacht auf eine Überdosierung umgehend mit einem Arzt in Verbindung. Setzen Sie die Einnahme zum nächsten vorgeschriebenen Zeitpunkt ganz normal (also nicht mit der doppelten Menge) fort, wenn Sie die Einnahme vergessen haben. Achten Sie vor allem bei Säuglingen, Kleinkindern und älteren Menschen auf eine gewissenhafte Dosierung. Im Zweifelsfalle fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker nach etwaigen Auswirkungen oder Vorsichtsmaßnahmen.

Gegenanzeigen und Warnhinweise

Gegenanzeigen

Memantin darf nicht eingenommen werden bei:

  • Überempfindlichkeit gegen die Inhaltsstoffe
  • Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren

Unter Umständen sollte Memantin nur mit Vorsicht eingenommen werden bei:

  • Bluthochdruck
  • Herzerkrankungen, wie Herzinfarkt, der erst kurze Zeit zurückliegt, oder Herzschwäche
  • Neigung zu Krampfanfällen, wie bei Epilepsie
  • Eingeschränkte Leberfunktion

Schwangerschaft und Stillzeit

Während der Schwangerschaft sollte Memantin nur nach Rücksprache mit dem Arzt eingenommen werden. Es spielen verschiedene Überlegungen eine Rolle, ob und wie das Arzneimittel in der Schwangerschaft angewendet werden kann. Von einer Anwendung während der Stillzeit wird nach derzeitigen Erkenntnissen abgeraten. Eventuell ist ein Abstillen in Erwägung zu ziehen.

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Wichtige Hinweise

Das Reaktionsvermögen kann auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch, vor allem in höheren Dosierungen oder in Kombination mit Alkohol, beeinträchtigt sein. Achten Sie vor allem darauf, wenn Sie am Straßenverkehr teilnehmen oder Maschinen (auch im Haushalt) bedienen, mit denen Sie sich verletzen können. Es kann Arzneimittel geben, mit denen Wechselwirkungen auftreten. Sie sollten deswegen generell vor der Behandlung mit einem neuen Arzneimittel jedes andere, das Sie bereits anwenden, dem Arzt oder Apotheker angeben. Das gilt auch für Arzneimittel, die Sie selbst kaufen, nur gelegentlich anwenden oder deren Anwendung schon einige Zeit zurückliegt.

Nebenwirkungen von Memantin

Nebenwirkungen sind unerwünschte Wirkungen, die bei bestimmungsgemäßer Anwendung des Arzneimittels auftreten können. Die am häufigsten „aufgetretenen unerwünschten Arzneimittelwirkungen“ bei Memantin sind Schwindel, Kopfschmerzen, Verstopfung, Schläfrigkeit und erhöhter Blutdruck.

Häufige Nebenwirkungen

Zu den häufig auftretenden Nebenwirkungen zählen:

  • Überempfindlichkeitsreaktionen
  • Kopfschmerzen
  • Schwindel
  • Gleichgewichtsstörungen
  • Schläfrigkeit
  • Obstipation
  • Dyspnoe
  • Erhöhter Blutdruck
  • Erhöhte Leberwerte

Gelegentliche Nebenwirkungen

Gelegentlich kann es zu Verwirrtheit und Halluzinationen kommen, vor allem bei schwerer Demenzerkrankung.

Weitere mögliche Nebenwirkungen

Weitere mögliche Nebenwirkungen sind:

  • Allergische Reaktionen
  • Pilzinfektionen
  • Gangunsicherheit
  • Herzschwäche
  • Venenthrombose (Verstopfung der Venen)
  • Thromboembolie
  • Erbrechen
  • Müdigkeit

Bemerken Sie eine Befindlichkeitsstörung oder Veränderung während der Behandlung, wenden Sie sich an Ihren Arzt oder Apotheker. Für die Information an dieser Stelle werden vor allem Nebenwirkungen berücksichtigt, die bei mindestens einem von 1.000 behandelten Patienten auftreten. Wenden Sie mehrere Arzneimittel gleichzeitig an, kann es zu Wechselwirkungen zwischen diesen kommen. Das kann Wirkungen und Nebenwirkungen der Arzneimittel verändern.

Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten

Die Wirkungen von L-Dopa, dopaminergen Agonisten und Anticholinergika können bei gleichzeitiger Gabe von NMDA-Antagonisten möglicherweise verstärkt, die Wirkungen von Antipsychotika abgeschwächt werden. Der Serumspiegel von Hydrochlorothiazid kann bei gleichzeitiger Memantin-Anwendung sinken. Memantin kann die Krampfschwelle senken. Die gleichzeitige Anwendung von Memantin mit NMDA-Antagonisten wie Amantadin, Ketamin oder Dextromethorphan sollte vermieden werden.

Studienergebnisse und Nutzen von Memantin

In einem Cochrane-Review aus dem Jahr 2019 stellten die Autoren »eine kleine nutzbringende Wirkung« bei Menschen mit mittelschwerer bis schwerer Alzheimer-Krankheit, nicht aber bei leichter Erkrankung fest. Dieser Nutzen bezog sich auf das Denken, die Ausübung von Alltagsaktivitäten sowie auf die Schwere der Verhaltens- und Stimmungsprobleme. Insgesamt würden Menschen mit mittelschwerer bis schwerer Alzheimer-Krankheit das Medikament gut vertragen, aber bei einigen Betroffenen könne es zu Schwindel führen. Wichtiges Ergebnis: Die Zugabe von Memantin zur etablierten Behandlung mit Acetylcholinesterase-Hemmern könne die Progression (im Vergleich zu Placebo) verlangsamen. Weniger gut sei die Evidenz für die Anwendung bei Menschen mit vaskulärer Demenz. Medikamente mit dem Wirkstoff Memantin sollen an Alzheimer-Demenz erkrankten Menschen helfen, sich zu erinnern und ihren Alltag besser zu bewältigen. Studien zeigen, dass Memantin den Abbau geistiger Fähigkeiten leicht verlangsamen kann. Möglicherweise bleiben auch alltagspraktische Fähigkeiten länger erhalten.

Alltagspraktische Fähigkeiten - wie Zähneputzen, Anziehen oder das Fahren mit Bus oder Straßenbahn - ließen über die Studiendauer bei allen Teilnehmergruppen nach. Aus den Studien ergibt sich aber ein Hinweis, dass Memantin diesen Prozess verzögern kann. Die Studien zeigen zudem, dass Memantin geistige Fähigkeiten (zum Beispiel etwas lernen oder sich merken) etwas länger erhalten kann: Es konnte den Abbau der geistigen Leistungsfähigkeit über einen Zeitraum von sechs Monaten bei ungefähr 1 von 10 Menschen hinauszögern. Zudem deuten Studien an, dass sich starke Unruhe verringern und die Stimmung verbessern kann.

Kritik und Einschränkungen

Immer wieder gibt es, auch in Fachkreisen, intensive Diskussionen bezüglich Sinn und Nutzen des Einsatzes von Antidementiva, Antidepressiva und Neuroleptika zur Behandlung der Alzheimer-Demenz. Viele Ärzten sagen bisher dazu: „Wir haben eben nichts Besseres.“ Ob die vorgenannten Wirkstoffe den Verlauf einer Alzheimer-Demenz über Monate oder gar ein Jahr aufhalten können, ist nicht eindeutig festzumachen und ob sie die Lebensqualität verbessern, psychische Begleitsymptome wie Depressionen oder Angstzustände lindern oder den Zeitpunkt verzögern können, ab dem eine vollstationäre Pflege (also die Pflege in einem Heim) nötig wird, ist nicht geklärt bzw.

Es gibt keine wissenschaftlichen Belege, dass Patientinnen und Patienten mit einer mittelschweren oder schweren Alzheimer Demenz von Medikamenten profitieren, die den Wirkstoff Memantin enthalten. Zu diesem Ergebnis kommt der Abschlussbericht, den das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) am 10. September 2009 veröffentlicht hat.

Alternative Behandlungsansätze

Neben der medikamentösen Therapie gibt es auch nicht-medikamentöse Behandlungen, die die Symptome lindern und das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen sollen. Zu den nicht medikamentösen Behandlungen gehören zum Beispiel das Gedächtnistraining und die Förderung von sozialen Aktivitäten. Demgegenüber steht die Transkranielle Pulsstimulation als wissenschaftlich immer besser geprüftes und untersuchtes Behandlungsverfahren: Die niedrigenergetischen Stoßwellen-Pulse infiltrieren den menschlichen Organismus nicht wie medikamentöse Mittel, die alle Stoffwechselabläufe im Körper in vielerlei Hinsicht beeinflussen können - unerwünschte Veränderungen im Metabolismus eingeschlossen. Stattdessen aktiviert und fördert die TPS die Regenerationsfähigkeit des Gehirns und ist somit ein rein unterstützendes Verfahren für körpereigene Regulierungsprozesse. Dabei ist die Transkranielle Pulsstimulation eine additive Behandlungsform, die als ergänzende Maßnahme zur bestehenden Medikation der Patient:innen eingesetzt wird.

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