Medikamente gegen Epilepsie und Migräne: Wirkstoffe im Überblick

Kopfschmerzen sind ein weit verbreitetes Leiden, von dem fast jeder Mensch betroffen ist. Allein in Deutschland klagen etwa 54 Millionen Menschen über Kopfschmerzen. Dieser Artikel bietet einen Überblick über die verschiedenen Wirkstoffe, die zur Behandlung von Epilepsie und Migräne eingesetzt werden.

Kopfschmerzen und ihre Vielfalt

Kopfschmerzen zählen zu den häufigsten Beschwerden überhaupt. Die häufigsten Arten sind Migräne und Spannungskopfschmerzen. Migräne äußert sich typischerweise durch einseitige, pulsierende Kopfschmerzen, begleitet von Übelkeit, Erbrechen sowie Licht- und Lärmempfindlichkeit. Spannungskopfschmerzen hingegen verursachen eher dumpfe Schmerzen, die oft den gesamten Kopf betreffen.

Diagnostik von Kopfschmerzen

Die Diagnose von Kopfschmerzen basiert in der Regel auf der Beschreibung der Symptome und einer neurologischen Untersuchung. In bestimmten Fällen können jedoch auch bildgebende Verfahren wie CT oder MRT erforderlich sein, um andere Ursachen auszuschließen.

Es ist wichtig zu beachten, dass neu auftretende, sehr starke oder sich verändernde Kopfschmerzen sowie neurologische Symptome wie Bewusstlosigkeit, Seh- oder Sprachstörungen umgehend von einem Neurologen abgeklärt werden sollten.

Primäre und sekundäre Kopfschmerzen

Bei Kopfschmerzerkrankungen ohne erkennbare Ursache spricht man von primären Kopfschmerzen. Zu den häufigsten Formen gehören Migräne, Spannungskopfschmerzen und Clusterkopfschmerzen. Im Gegensatz dazu treten sekundäre Kopfschmerzen als Symptom einer anderen Erkrankung auf, beispielsweise bei Hirnhautentzündung, Schlaganfall oder als Nebenwirkung von Medikamenten.

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Symptome und Verlauf

Die Begleitsymptome und der Verlauf von Kopfschmerzen können je nach Art variieren. Migräneattacken nehmen oft im Alter ab, während andere Formen chronisch verlaufen können.

Therapie von Kopfschmerzen

Es gibt ein breites Spektrum an Therapiemöglichkeiten für Kopfschmerzen. Zur Behandlung akuter Attacken werden häufig Schmerzmittel wie Ibuprofen oder spezifische Migränemedikamente (Triptane) eingesetzt. Bei einigen primären Kopfschmerzformen kommen auch spezielle Therapien zum Einsatz.

Vorbeugende Behandlungen können medikamentös oder nicht-medikamentös erfolgen. Eine medikamentöse Prophylaxe der Migräne kann beispielsweise mit Betablockern oder Antiepileptika erfolgen.

Die Behandlung sekundärer Kopfschmerzen zielt auf die zugrunde liegende Erkrankung ab. In vielen Fällen ist eine Heilung möglich, beispielsweise bei Kopfschmerzen, die durch eine Hirnhautentzündung verursacht werden.

Medikamentöse Therapie bei Migräne

Die Behandlung der chronischen Migräne zielt auf eine signifikante Reduktion der Kopfschmerztage ab. Am vielversprechendsten ist eine Kombination aus Medikamenten und begleitenden Maßnahmen.

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Bei der medikamentösen Therapie werden zwei Arten unterschieden:

  • Akuttherapie: Maßnahmen zur Linderung akuter Kopfschmerzattacken
  • Prophylaxe-Therapie: Maßnahmen zur Verringerung von Anzahl und Schwere der Anfälle

Akuttherapie bei Migräne

Bei einem Migräneanfall sollten sich Patienten nach Möglichkeit in einen abgedunkelten, geräuscharmen Raum zurückziehen. Vielen hilft Schlaf. Eine kühlende Kompresse kann ebenfalls helfen. Bei Bedarf kann ein rezeptfreies Schmerzmedikament wie Acetylsalicylsäure, Paracetamol oder Ibuprofen eingenommen werden. Speziell für mittlere bis schwere Migräne-Anfälle stehen Triptane zur Verfügung.

Es ist wichtig zu beachten, dass alle Schmerzmittel bei zu häufiger Einnahme schädlich sein können und zu einem Dauerkopfschmerz führen können.

Migräneprophylaxe

Wenn Kopfschmerzen und Migräne zu ständigen Begleitern werden, ist eine Behandlung mit Akutschmerzmitteln keine alleinige Lösung. Hier gewinnt die Migräneprophylaxe an Bedeutung. Ziel der Prophylaxe bei chronischer Migräne ist, dass die Schmerzattacken deutlich weniger werden und/oder die Schmerzstärke spürbar geringer wird.

Eine medikamentöse Prophylaxe sollte gemäß Leitlinien erwogen werden, wenn mindestens einer der folgenden Punkte zutrifft:

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  • 3 oder mehr Migräneattacken im Monat
  • Anzahl der Migräneattacken nimmt zu
  • Migräneattacken dauern länger als 72 Stunden
  • Schmerz- oder Migränemittel wirken nicht ausreichend
  • Einnahme von Schmerz- oder Migränemittel an > 10 Tagen im Monat
  • Lebensqualität durch Migräne stark eingeschränkt

Bestimmte Arzneimittel können die Anzahl und die Schwere von Migräneattacken langfristig verringern. Es gibt unterschiedliche Darreichungsformen der Medikamente, zum Beispiel als Tablette, Fertigspritze oder Fertigpen. Sie alle haben gemeinsam, dass sie regelmäßig eingenommen oder verabreicht werden müssen.

Einige der Substanzen sollten nicht von Frauen in der Schwangerschaft oder mit Kinderwunsch verwendet werden.

Medikamente zur Migräneprophylaxe

  • Antiepileptika / Antikonvulsiva: Antiepileptika sind krampflösende Wirkstoffe und finden eigentlich Anwendung in der Therapie von Epilepsie, werden aber auch in der Migränebehandlung eingesetzt. Mögliche Nebenwirkungen von Antiepileptika als Prophylaktika bei Migräne sind z.B. Müdigkeit, Hautausschläge oder Missempfindungen wie Kribbeln der Haut und Schwindel.
  • Blutdrucksenker: Bestimmte Blutdrucksenker werden zur Vorbeugung von Migräneattacken angewendet. Sie beruhigen das Nervensystem, verlangsamen den Herzschlag und senken den Blutdruck. Es können sowohl Betablocker als auch ACE-Hemmer oder Sartane zum Einsatz kommen. Zu den Nebenwirkungen von Betablockern gehören z.B. Müdigkeit, Schwindel, Schlafstörungen, depressive Verstimmungen und Magen-Darm-Beschwerden.
  • Calciumantagonisten: Der Kalziumkanal-Blocker Flunarizin wird vorwiegend zur Behandlung von Schwindel eingesetzt, diese zeigt auch Effekte in der Migräneprophylaxe. Die Wirkweise ist noch nicht gänzlich geklärt. Sie basiert vermutlich auf der Blockade des Calciumstroms in die Muskelzellen, welcher fürs Zusammenziehen und Anspannen von Muskeln sorgt. Allerdings kommt es unter der Einnahme vermehrt zu Nebenwirkungen wie z.B. Depressionen und Gewichtzunahme.
  • Gegen CGRP und seinen Rezeptor gerichtete Wirkstoffe: Der Botenstoff CGRP (Calcitonin-Gene-Related-Peptide) wirkt gefäßerweiternd. CGRP wird eine wichtige Rolle in der Pathophysiologie der Migräne zugeschrieben. Es gibt so genannte monoklonale Antikörper, die unter die Haut gespritzt oder als Infusion gegeben werden. Als Nebenwirkungen können z.B. Rötungen an der Einstichstelle, Müdigkeit, Verstopfung oder Schwindel auftreten. Es gibt auch Gepante, die oral gegeben werden. Als Nebenwirkungen können z.B. Übelkeit, Verstopfungen, Müdigkeit oder Schläfrigkeit, verminderter Appetit oder Gewichtsabnahme auftreten.
  • Neuromodulatoren: Die Zahl der Migräneanfälle kann durch Injektionen eines sogenannten Neuromodulators verringert werden. Der Wirkstoff kann hilfreich in der Medizin eingesetzt werden, indem er z. B. die Ausschüttung des Botenstoffs Acetylcholin an der Verbindung von Nerven und Muskeln hemmt. Zudem wird vermutet, dass der Wirkstoff die an der Migräneentstehung beteiligte Neuropeptiden wie CGRP beeinflusst. Nebenwirkungen können z.B. muskelkaterähnliche Beschwerden, hängende Augenlider oder Schmerzen an der Injektionsstelle sein.
  • Trizyklische Antidepressiva: Unter den Antidepressiva, die normalerweise zur Behandlung von Depressionen eingesetzt werden, wird nur ein Medikament zur Vorbeugung einer Migräne empfohlen: der nicht selektive Monoamin-Rückaufnahme-Hemmer Amitriptylin. Möglich Nebenwirkungen sind z.B. Verstopfung oder Kreislaufschwäche.

Einige der oben genannten Medikamente sind hingegen speziell zur Vorbeugung der Migräne entwickelt worden. Alle diese Medikamente wirken unterschiedlich und haben verschiedene Neben- und Wechselwirkungen.

Migräne-Behandlung ohne Medikamente

Die Behandlung der chronischen Migräne sollte nicht nur Medikamente umfassen. Auch begleitende Maßnahmen, also nicht-medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten, können viel bewirken. Dazu gehören z. B.:

  • Sport- und Physiotherapie
  • Psychologische Beratung
  • Entspannungsverfahren
  • Akupunktur
  • Neurostimulation
  • Biofeedback-Therapie

Topiramat: Ein Antiepileptikum zur Migräneprophylaxe

Topiramat ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der Antiepileptika (Antikonvulsiva), der über multiple Mechanismen antiepileptische Wirkungen entfaltet. Darüber hinaus kann es bei Erwachsenen zur Vorbeugung von Migräne-Kopfschmerzen eingesetzt werden.

Wirkungsweise von Topiramat

Das Antiepileptikum Topiramat verfügt über einen komplexen Wirkmechanismus, der noch nicht vollständig geklärt ist. Es blockiert im Gehirn spannungsabhängige Natrium- und Kalziumkanäle sowie Andockstellen (Rezeptoren) für Glutamat. Zusätzlich aktiviert der Wirkstoff den GABA-A-Rezeptor.

Topiramat hebt also die Reizschwelle der Nervenzellen an, sodass sie nicht so leicht erregt werden. In Summe resultiert hieraus die antiepileptische und Migräne-vorbeugende Wirkung.

Anwendungsgebiete von Topiramat

Topiramat wird zur Behandlung von Epilepsie angewendet bei:

  • Fokalen Anfällen (Anfälle, die nur einen Teil des Gehirns betreffen) ohne oder mit Generalisierung (Ausbreitung auf das ganze Gehirn)
  • Lennox-Gastaut-Syndrom (schweres Epilepsiesyndrom im Kindesalter)

Außerdem kann Topiramat Migräne-Anfällen vorbeugen. Zu diesem Zweck wird es aber nur dann angewendet, wenn Betablocker nicht wirken oder nicht vertragen werden.

Anwendung von Topiramat

Die Therapie mit Topiramat wird „eingeschlichen“. Das heißt, man beginnt mit einer niedrigen Dosis und steigert diese dann langsam, bis die gewünschte Wirkung einsetzt. Diese Erhaltungsdosis wird dann die Therapie über beibehalten.

Zur Epilepsie-Behandlung erhalten Erwachsene zu Beginn meist ein- bis zweimal täglich 25 Milligramm. Nach einer Woche wird dann wöchentlich die Dosis um 25 bis 50 Milligramm bis zum Erreichen der Erhaltungsdosis erhöht.

Wird Topiramat als einziges Epilepsie-Medikament angewendet (Monotherapie), liegt die Erhaltungsdosis bei 100 bis 500 Milligramm pro Tag, verteilt auf zwei Einzelgaben. Werden noch andere Epilepsiemittel gegeben (Kombinationstherapie), nehmen Erwachsene 200 bis 400 Milligramm Topiramat ein.

Bei Kindern wird die Dosierung an das Körpergewicht angepasst. Ebenfalls wird wie bei Erwachsenen berücksichtigt, ob Topiramat als Monotherapie oder Kombinationstherapie angewendet wird.

Zur Vorbeugung von Migräne nehmen Patienten in der ersten Woche täglich 25 Milligramm Topiramat ein. Dann wird die Dosis bei Bedarf wöchentlich um 25 Milligramm bis zum Erreichen der Erhaltungsdosis erhöht. Diese beträgt 25 bis 100 Milligramm pro Tag.

Nebenwirkungen von Topiramat

Zu den wichtigsten Nebenwirkungen zählen Schwindel, Müdigkeit, psychomotorische Verlangsamung, Nervosität, Missempfindungen (Parästhesien), Gewichtsabnahme, Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen sowie Sprechstörungen (vor allem bei Kombinationstherapien). Auch Verwirrtheit, Depressionen, Psychosen und Zittern (Tremor) können auftreten. Außerdem ist das Risiko für Nierensteine um das Zwei- bis Vierfache erhöht.

Wichtige Hinweise zur Einnahme von Topiramat

  • Gegenanzeigen: Bekannte Überempfindlichkeit gegenüber Topiramat oder Frauen im gebärfähigen Alter, die keine hochwirksame Verhütungsmethode verwenden.
  • Wechselwirkungen: Carbamazepin und Phenytoin (krampflösende Mittel gegen Epilepsie) können den Blutspiegel von Topiramat und damit seine Wirkung verringern. Umgekehrt kann sein Blutspiegel durch das harntreibende Mittel Hydrochlorothiazid gesenkt werden.
  • Altersbeschränkung: Topiramat ist zur Therapie der Epilepsie ab einem Alter von zwei Jahren zugelassen. Aufgrund unzureichender Daten wird die Behandlung und Vorbeugung von Migräne bei Kindern mit dem Wirkstoff nicht empfohlen.
  • Schwangerschaft und Stillzeit: Topiramat ist plazentagängig und kann das ungeborene Kind schädigen. Es darf während der Schwangerschaft nicht eingenommen werden (außer bei sonst nicht behandelbaren Epilepsien). In der Stillzeit können Mütter Topiramat anwenden, sollten aber auf mögliche Beschwerden des Neugeborenen achten.

Topiramat in der Rezeptur

Benötigen Kinder weniger als 25 mg Topiramat pro Tag, können passende Zubereitungen in der Rezeptur hergestellt werden. Um eine flüssige Darreichungsform zu erhalten, kann der Wirkstoff in die Suspensionsgrundlage SyrSpend® SF pH 4 eingearbeitet werden.

Abgabe von Topiramat: Was ist für die Beratung wichtig?

Bei der Abgabe entsprechender Fertigarzneimittel sollten die Patienten darüber informiert werden, dass Topiramat unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen werden kann. Auf eine ausreichende Zufuhr von Flüssigkeit ist zu achten, da es während der Behandlung zu vermindertem Schwitzen kommen kann. Auch können während der Therapie schwerwiegende, teils lebensbedrohliche Hautreaktionen wie das Stevens-Johnson-Syndrom auftreten.

Epilepsie und Migräne: Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Wissenschaftlich betrachtet sind Migräne und Epilepsie chronische Anfallsleiden mit episodischen Manifestationen. Während sich die Inzidenzen beider Erkrankungen um den Faktor 20 unterscheiden ist ihre Komorbidität auffallend hoch.

Prävalenz und Inzidenz

Die Prävalenz der Migräne beträgt etwa 12 Prozent, während Epilepsie nur in etwa 0,7 Prozent der Patienten vorkommt. Migräne ist demnach etwa 20-mal häufiger als Epilepsie.

Kosten der Behandlung

Epilepsie erzeugt etwa um den Faktor 13 höhere Medikamentenkosten als Migräne. Auch kommt es unter Epilepsie häufiger zu Krankenhausaufenthalten im Vergleich zu Migräne.

Periiktale Kopfschmerzen

Unter dem Begriff periiktale Kopfschmerzen werden präiktale und postiktale Kopfschmerzen zusammengefasst. Präiktale Kopfschmerzen beginnen innerhalb von 24 Stunden vor dem Anfall, postiktale innerhalb von 24 Stunden nach dem Anfall. Mehr als ein Viertel der periiktalen Kopfschmerzen sind migränösen Charakters.

Migralepsie

In der Literatur wird das zeitgleiche Auftreten von Migräne und Epilepsie mitunter als „Migralepsie“ bezeichnet. In der International Classification of Headache Disorders (IHS) ist die Migralepsie per se nicht klassifiziert, wohl aber der zerebrale Krampfanfall, der durch eine Migräneaura getriggert wurde.

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