Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederkehrende Anfälle gekennzeichnet ist. Die Behandlung zielt darauf ab, Anfälle zu verhindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Medikamente, sogenannte Antikonvulsiva oder Anfallssuppressiva, spielen dabei eine zentrale Rolle. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über verschiedene Medikamente gegen epileptische Anfälle, ihre Wirkungsweisen, Anwendungsgebiete, Nebenwirkungen und weitere wichtige Aspekte.
Grundlagen der Epilepsie und ihrer Behandlung
Bei Epilepsie ist das Gleichgewicht der Botenstoffe im Gehirn gestört, was zu einer Übererregbarkeit der Nervenzellen führen kann. Diese Übererregbarkeit äußert sich in epileptischen Anfällen. Die Behandlung mit Medikamenten zielt darauf ab, dieses Gleichgewicht wiederherzustellen und die Anfallsbereitschaft zu vermindern.
Ziele der Behandlung
Das Hauptziel der Therapie ist Anfallsfreiheit, um eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität zu erreichen. Ist dies nicht möglich, wird versucht, die Anzahl der Anfälle zu reduzieren. Dabei wird ein ganzheitlicher, interdisziplinärer Ansatz verfolgt, der medizinische, psychologische, soziale und emotionale Faktoren berücksichtigt.
Auswahl des richtigen Medikaments
Die Wahl des geeigneten Antikonvulsivums hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter:
- Anfallsform (fokal oder generalisiert)
- Epilepsie-Syndrom
- Alter
- Gewicht
- Geschlecht
- Begleiterkrankungen
- Bisherige Behandlungserfolge
- Verträglichkeit
- EEG-Befunde
Es gibt Präparate, die nur bei fokalen Anfällen wirksam sind, andere wirken besonders gut bei generalisierten Anfällen oder spezifischen Epilepsie-Syndromen.
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Wirkmechanismen von Antikonvulsiva
Antikonvulsiva wirken auf unterschiedliche Weise, um die neuronale Aktivität im Gehirn zu stabilisieren:
- Natriumkanal-Blocker: Verhindern die repetitive, hochfrequente Entladung von Aktionspotentialen in den Neuronen (z.B. Carbamazepin, Phenytoin, Lamotrigin).
- Calciumkanal-Blocker: Blockieren die T-Typ-Calciumkanäle in den thalamischen Neuronen, die bei Absencen eine Rolle spielen (z.B. Ethosuximid, Gabapentin, Pregabalin).
- GABAerge Wirkung: Verstärken die inhibitorische Wirkung des Neurotransmitters GABA (z.B. Benzodiazepine, Barbiturate, Valproinsäure).
- Glutamat-Rezeptor-Antagonisten: Wirken als Antagonisten an Glutamatrezeptoren, um die neuronale Erregbarkeit zu verringern (z.B. Topiramat, Felbamat).
- SV2A-Liganden: Modulieren die Freisetzung von Neurotransmittern (z.B. Levetiracetam, Brivaracetam).
Einige Antikonvulsiva haben mehrere Wirkmechanismen (z.B. Valproat, Topiramat).
Medikamentöse Therapie: Monotherapie vs. Kombinationstherapie
Die Behandlung beginnt in der Regel mit einer Monotherapie, bei der ein einzelnes Antikonvulsivum eingesetzt wird. Dies ermöglicht eine klare Übersicht über Wirksamkeit und Nebenwirkungen. Bei Epilepsien fokalen Ursprungs sind beispielsweise Carbamazepin, Lamotrigin, Levetiracetam, Topiramat und Valproinsäure Mittel der ersten Wahl.
Wenn die Monotherapie nicht erfolgreich ist, kann eine Kombinationstherapie in Erwägung gezogen werden, bei der zwei oder mehr Antikonvulsiva kombiniert werden, um verschiedene Wirkmechanismen zu nutzen.
Übersicht über gängige Antikonvulsiva
Im Folgenden werden einige der gängigen Antikonvulsiva und ihre spezifischen Eigenschaften aufgeführt:
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Levetiracetam
- Wirkungsweise: Levetiracetam senkt die Übererregbarkeit der Nervenzellen im Gehirn durch Bindung an das synaptische Vesikelprotein 2A. Dadurch wird die Menge eines erregenden Botenstoffes reduziert und der Calciumspiegel in den Nervenzellen beeinflusst.
- Anwendungsgebiete: Fokale Anfälle (mit oder ohne sekundärer Generalisierung), myoklonische Anfälle, tonisch-klonische Anfälle.
- Anwendung: Üblicherweise in Form von Tabletten oder Trinklösungen, in akuten Fällen auch als Injektion. Die Dosierung wird individuell vom Arzt festgelegt (normalerweise zwischen 500 und 1500 Milligramm).
- Nebenwirkungen: Sehr häufig: Kopfschmerzen, Schwindel, Schläfrigkeit. Häufig: Angststörungen, depressive Verstimmungen, Gewichtsabnahme, Magen-Darm-Beschwerden.
- Wichtige Hinweise: Darf nicht bei Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff angewendet werden. Kann das Reaktionsvermögen beeinträchtigen. In Schwangerschaft und Stillzeit ist eine sorgfältige Abwägung des Risikos erforderlich.
- Zulassung: In der EU seit 2000.
Weitere Antikonvulsiva (Auswahl)
Die folgende Liste enthält eine Auswahl weiterer Antikonvulsiva, die je nach Anfallsform und individuellen Bedürfnissen eingesetzt werden können.
Für fokale Epilepsien zugelassen:
- Carbamazepin
- Gabapentin (ab 12 Jahren)
- Lacosamid (ab 16 Jahren)
- Lamotrigin (ab 12 Jahren)
- Oxcarbazepin (ab 6 Jahren)
- Pregabalin (ab 18 Jahren)
- Topiramat (ab 2 Jahren)
- Valproat
- Zonisamid (ab 18 Jahren)
- Eslicarbazepin (ab 18 Jahren)
- Cenobamat (ab 18 Jahren)
Für generalisierte Epilepsien zugelassen:
- Lamotrigin (ab 12 Jahren)
- Topiramat (ab 2 Jahren)
- Valproat
- Ethosuximid (Petnidan®)
- Rufinamid (Inovelon®) (ab 4 Jahren)
Hinweis: Diese Liste ist nicht vollständig und dient nur als Überblick. Die Auswahl des geeigneten Medikaments sollte immer in Absprache mit einem Arzt erfolgen.
Spezielle Patientengruppen
Kinder und Jugendliche
Bei Kindern und Jugendlichen muss die Dosierung der Medikamente an das Körpergewicht und die Nierenfunktion angepasst werden. Einige Medikamente sind erst ab einem bestimmten Alter zugelassen.
Schwangerschaft und Stillzeit
Die Einnahme von Antikonvulsiva in der Schwangerschaft erfordert eine sorgfältige Abwägung des Risikos für das Kind. Levetiracetam und Lamotrigin gelten als Antiepileptika der Wahl, wenn eine medikamentöse Behandlung notwendig ist. Auch in der Stillzeit kann Levetiracetam eingesetzt werden, wobei vom Stillen während der Anwendung abgeraten wird.
Ältere Menschen
Ältere Menschen sind oft anfälliger für Nebenwirkungen von Medikamenten. Daher ist es besonders wichtig, ein Epilepsie-Medikament in möglichst niedriger Dosis einzunehmen.
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Menschen mit geistiger Behinderung
Bei Menschen mit geistiger Behinderung kann die Diagnose und Behandlung von Epilepsie erschwert sein. Verhaltensauffälligkeiten und Bewegungsstörungen können leicht mit epileptischen Anfällen verwechselt werden.
Wichtige Aspekte der medikamentösen Therapie
- Regelmäßige Einnahme: Die Anfallssuppressiva müssen regelmäßig und zu festen Zeiten eingenommen werden, um einen konstanten Wirkstoffspiegel im Blut aufrechtzuerhalten.
- Anfallskalender: Das Führen eines Anfallskalenders kann helfen, den Krankheitsverlauf zu beurteilen und die Therapie anzupassen.
- Nebenwirkungen: Treten Nebenwirkungen auf, sollte dies mit dem behandelnden Arzt besprochen werden.
- Wechselwirkungen: Antiepileptika können Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten haben.
- Absetzen der Medikamente: Das Absetzen der Medikamente sollte nur in Absprache mit dem Arzt erfolgen und ausschleichend (schrittweise) erfolgen.
Therapie bei pharmakoresistenter Epilepsie
Wenn die medikamentöse Therapie nicht ausreichend wirksam ist (pharmakoresistente Epilepsie), können weitere Behandlungsmöglichkeiten in Betracht gezogen werden:
- Epilepsiechirurgie: Entfernung des Anfalls auslösenden Bereichs im Gehirn (bei fokalen Epilepsien).
- Neurostimulation: Vagusnervstimulation.
- Ketogene Ernährungstherapie: Eine spezielle Diät, die den Stoffwechsel verändert und die Anfallsbereitschaft reduzieren kann.
Notfallbehandlung: Status epilepticus
Ein Status epilepticus (ein generalisierter epileptischer Anfall, der länger als fünf Minuten dauert oder mehrere Anfälle rasch hintereinander) ist ein Notfall, der sofort medikamentös behandelt werden muss.
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