Der Begriff Demenz beschreibt chronische Erkrankungen des Gehirns, die mit einem schleichenden Verfall kognitiver, emotionaler und sozialer Fähigkeiten einhergehen. Eine medikamentös bedingte Demenz ist eine der Demenzformen, die durch die Einnahme bestimmter Medikamente ausgelöst werden kann. Es ist wichtig, zwischen primären und sekundären Demenzen zu unterscheiden. Bei der primären Demenz liegt die Krankheitsursache in kognitiven Arealen des Gehirns selbst und wird nicht durch äußere Einflussfaktoren ausgelöst. Primäre Demenzformen sind bislang nicht reversibel. Im Gegensatz dazu sind sekundäre Demenzformen durch äußere Einflussfaktoren bedingt und potenziell reversibel.
Die Pathogenese der Demenz ist komplex und multifaktoriell, wobei die genauen Mechanismen bis heute nicht vollständig geklärt sind. In den meisten Fällen geht der Demenz eine leichte kognitive Störung ("mild cognitive impairment", MCI) voraus. Bei dieser handelt es sich um eine frühe Phase, die vor allem Gedächtnisfunktionen betrifft und als Vorstufe zur Alzheimer-Demenz gilt. Bei etwa 20 % der Demenzformen liegt eine vaskulär bedingte kognitive Beeinträchtigung vor. Diese vaskulären Demenzen resultieren aus Durchblutungsstörungen im Gehirn, die zu einer Schädigung von Nervenzellen und kognitiven Einschränkungen führen. Das Alter ist der wichtigste Risikofaktor für die Entstehung einer Demenz, wobei das Risiko mit zunehmendem Alter stark ansteigt. Ebenso spielen kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Hypertonie (Bluthochdruck), Diabetes mellitus und Hypercholesterinämie (hoher Cholesterinspiegel im Blut) eine zentrale Rolle. Auch genetische Faktoren tragen zur Entstehung von Demenzen bei. Besonders der APOE-ε4-Genotyp ist mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung der Alzheimer-Demenz verbunden. Die Pathogenese der Demenz ist nicht vollständig verstanden, wird aber durch ein Zusammenspiel von Alter, kardiovaskulären Risikofaktoren und genetischen Prädispositionen bestimmt. Bei etwa 20 % der Demenzformen handelt es sich um vaskuläre Demenzen, die durch Durchblutungsstörungen im Gehirn bedingt sind. Die pathologischen Veränderungen umfassen Infarkte, Amyloidangiopathien und Atherosklerose.
Nach Schätzungen von Alzheimer´s Disease International sind weltweit 46,8 Millionen Menschen von Demenz betroffen - und jedes Jahr kommen knapp 8 Millionen Neuerkrankungen dazu. Auch die Zahl der Demenzkranken in Deutschland wird laut Statistiken steigen. Während 2018 knapp 1,6 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung lebten - was 1,9 % der Bevölkerung entspricht - gehen Experten von einem Anstieg auf 2,7 Millionen im Jahr 2050 aus (3,4 %).
Ursachen und Risikofaktoren für medikamenteninduzierte Demenz
Es gibt zahlreiche Arzneimittel, die zum Beispiel aufgrund ihrer Kreislaufeffekte bei Älteren ebenfalls mit einem erhöhten Risiko für Vergesslichkeit, Verwirrtheit und Delir einhergehen. Auch hierbei ist die Gefahr zu stürzen größer. Wichtig sei festzuhalten, dass diese Symptome einer „medikamentösen Demenz“ meist zu einem Großteil wieder reversibel sind, betont Wehling.
Je nach Altersgruppe liege einer Demenz bei fünf bis 24 Prozent der Betroffenen eine reversible Ursache zugrunde. Diese Patienten gelte es, herauszufinden. Quantitativ relevant seien - abgesehen von der wichtigen Differenzialdiagnose einer Depression - vor allem Raumforderungen im Gehirn, medikamenteninduzierte Demenzen und endokrine Demenzen.
Lesen Sie auch: Diagnose und Behandlung von neurologischen Rückenschmerzen
Anticholinergika
Bekannt für ihre kognitionsverändernden Effekte sind Anticholinergika: Erst vor Kurzem hat eine Fall-Kontroll-Studie gezeigt, dass bestimmte Substanzen dieser Klasse im Rahmen eines langfristigen Einsatzes bei älteren Patienten mit einem erhöhten Risiko für Demenzerkrankungen einhergehen. Letztes Jahr hatte außerdem eine Studie aus Taiwan gezeigt, dass sich die Häufigkeit von Demenzdiagnosen bei älteren Männern unter Anticholinergika verdoppelt. Zu den betroffenen anticholinergischen Wirkstoffen gehören neben den klassischen Anticholinergika auch trizyklische Antidepressiva wie Doxepin, Antihistaminika der ersten Generation wie Diphenhydramin und Doxylamin sowie Antimuskarinika wie Oxybutynin. Britische Forscher entdeckten einen Zusammenhang zwischen einem erhöhten Demenzrisiko im und Medikamenten, die häufig zur Behandlung von Erkrankungen des Darms, der Atemwege und der Stimmung eingesetzt werden. Bei einer langfristigen Einnahme von solchen Anticholinergika steige das Risiko um fast 50 Prozent. Unerwünschte Nebenwirkung: Die langfristige Einnahme sogenannter Anticholinergika fördert womöglich die Entstehung von Demenz. So zeigen Daten aus Großbritannien: Patienten, die diese Medikamente über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren täglich eingenommen hatten, hatten ein um fast 50 Prozent erhöhtes Demenzrisiko.
Psychopharmaka
Ein systematischer Review aus Großbritannien lässt erkennen, dass das Risiko für ein Delir bei älteren Patienten durch Psychopharmaka höher ist, als wenn sie keine solchen Substanzen einnehmen: Neuroleptika waren mit einem 4,5-fachen Risiko eines Delirs assoziiert, Opioide mit einem 2,5-fachen Risiko und Benzodiazepine mit einem 3-fachen Risiko. Auch Substanzen wie Benzodiazepine, aber auch Opiate, Parkinsonmittel, Antidepressiva und Antiepileptika können als Nebenwirkungen Kognitionsstörungen, Verwirrtheit oder Delir auftreten lassen oder das Sturzrisiko erhöhen.
Weitere Medikamente
Auch Protonenpumpenhemmer (PPI) stehen im Verdacht, das Demenzrisiko zu erhöhen.
Weitere Risikofaktoren für Demenz
Neben medikamenteninduzierten Ursachen gibt es eine Reihe weiterer Faktoren, die das Demenzrisiko beeinflussen können:
- Alter: Das Alter ist der wichtigste Risikofaktor für die Entstehung einer Demenz, wobei das Risiko mit zunehmendem Alter stark ansteigt.
- Kardiovaskuläre Risikofaktoren: Hypertonie (Bluthochdruck), Diabetes mellitus und Hypercholesterinämie (hoher Cholesterinspiegel im Blut) spielen eine zentrale Rolle.
- Genetische Faktoren: Besonders der APOE-ε4-Genotyp ist mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung der Alzheimer-Demenz verbunden.
- Weitere Erkrankungen: Leberinsuffizienz, Morbus Whipple, Plasmozytom, Trisomie 21 (Down-Syndrom)
- Lebensstilfaktoren: Hoher Verzehr sogenannter hoch prozessierter Lebensmittel, geringe körperliche Bewegung und Tätigkeit, Adipositas, Rauchen
- Hormonelle Faktoren: Östrogen-Gestagen-Therapie ab einem bestimmten Alter, frühzeitige Entfernung der Ovarien (Eierstöcke)
- Weitere Faktoren: Anoxie, Blutdruckschwankungen, Vorhofflimmern, Depressionen, traumatische Hirnverletzungen, Schlafstörungen, Schwerhörigkeit, Sehbehinderung, soziale Isolation
Diagnose und Behandlung
Treten bei Älteren Kognitionsstörungen auf, denken viele sofort an Alzheimer. Wichtig sei, den Zusammenhang zwischen kognitiven Störungen bei älteren Menschen und der Medikation zu erkennen, betont Prof. Dr. med. Frank Jessen im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt. Ältere Menschen seien hier besonders vulnerabel. Bei ihnen wird dann oft eine dauerhafte kognitive Beeinträchtigung vermutet - diese ist aber reversibel.
Lesen Sie auch: Diagnose und Behandlung psychisch bedingter Lähmung
Wenn Patienten über Gedächtnisstörungen klagen, sollte der Arzt auf der Medikamentenliste nach Substanzen fahnden, die bekanntermaßen die Kognition beeinträchtigen.
Reversible Ursachen erkennen
Um Differenzialdiagnosen wie Delir, Depression oder Angststörungen, aber auch kausal therapierbare Ursachen auszuschließen (z.B. Hyper-/Hypothyreose, medikamenteninduzierte Kognitionsstörungen, Normaldruckhydrozephalus, Vitamin-B12-Mangel), sind zudem eine sorgfältige Anamnese, eine eingehende klinische Untersuchung und Labor- sowie bildgebende Untersuchungen unabdingbar.
Medikamentenmanagement
Das Umstellen birgt eigene Gefahren. Manche Arzneimittel müssen ausschleichend abgesetzt werden. Dazu gehören alle Antiepileptika, auch Benzodiazepine. Abrupt absetzen kann man zum Beispiel Amlodipin, falls der Blutdruck übertherapiert ist. Aber es ist zu beachten, wie lange der Patient das Medikament schon nimmt. Hilfreiche Informationen zum Absetzen von Antidementiva, Antidepressiva und Neuroleptika bei alten Patienten hält eine aktuelle Übersichtsarbeit bereit. So ist beispielsweise bei Antidepressiva in der Regel ein schrittweises Ausschleichen über einen Zeitraum von 4 Wochen nötig, da es andernfalls zu einem Absetzsyndrom kommen könnte. Wichtig sei bei einem elektiven Absetzversuch, den Patienten selbst, Angehörige und wenn nötig auch seine Betreuer zu informieren.
Nicht-medikamentöse Therapieansätze
Neben der medikamentösen Therapie werden überwiegend nichtmedikamentöse Verfahren wie kognitives Training, Bewegungstherapie und Ergotherapie eingesetzt.
Bedeutung von Vitaminen
Insbesondere die Vitamine B1 und B12 konnten in wissenschaftlichen Untersuchungen positive Effekte bei einer Demenz zeigen. Ein Vitamin-B12-Mangel kann also mit signifikant geringeren Gedächtnisleistungen verknüpft sein und zählt, wie bereits erwähnt, zu den häufigsten behandelbaren Ursachen einer sekundären Demenz. Bei einem Vitamin-B12-Mangel besteht ein erhöhtes Risiko, eine Demenz zu entwickeln. Auch ein Vitamin-B1-Mangel könnte eine Rolle bei der Alzheimer-Demenz spielen, denn in Gehirnen von AD-Patienten wurden erniedrigte Vitamin-B1-Konzentrationen nachgewiesen.
Lesen Sie auch: Fortgeschrittene Demenz: Ein umfassender Überblick
FORTA-Klassifikation
Allerdings helfen solche Negativlisten - wie die Beers- oder PRISCUS-Liste - nicht, wenn ein Arzt entscheiden soll, welches Medikament er stattdessen verabreichen kann. Daher hatte er eine Positiv-Negativ-Kategorisierung für Medikamente im Alter erstellt - die 2008 veröffentlichte FORTA-Klassifizierung (Fit fOR The Aged). Medikamente oder Medikamentengruppen werden in 4 Kategorien eingeteilt:
- A („absolutes Muss“): Für Ältere unverzichtbare Medikamente mit eindeutigen Vorteilen; sie haben sich in größeren Studien als wirksam erwiesen - bei gleichzeitig geringem Nebenwirkungspotenzial.
- B („Benefit“): Vorteilhaft mit geprüfter oder offensichtlicher Wirksamkeit bei Älteren; es gibt nur wenige Einschränkungen hinsichtlich Wirksamkeit oder Sicherheit.
- C („cautious/careful“): Medikamente mit fragwürdiger Nutzen-Risiko-Bewertung bei Älteren, die als Erstes weggelassen werden sollen; sonst mit intensivem Monitoring. „Das sind mit schlechtem Gewissen zu verabreichende kritische Arzneimittel - hier gehören die meisten Psychopharmaka hin“, so Wehling.
- D („donʼt/Das muss weg“): bei älteren Patienten zu vermeiden, Alternativen sollten gefunden werden.
tags: #medikamenteninduzierte #Demenz #Ursachen