Mein Gehirn im Mathelernen: Herausforderungen, Erkenntnisse und Lösungsansätze

Mathematik, ein Fach, das bei vielen Menschen polarisiert. Während einige darin aufblühen, kämpfen andere mit Frustration und Misserfolg. Schlechte Leistungen in Mathematik können oft mit einem schwachen Arbeitsgedächtnis zusammenhängen, wie aktuelle Studien der Hirnforschung zeigen. Die gute Nachricht ist, dass durch gezieltes Training und Verbesserung des Arbeitsgedächtnisses auch die logisch-mathematischen Fähigkeiten gesteigert werden können. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte des Mathelernens im Kontext der Gehirnfunktion, Herausforderungen und mögliche Lösungsansätze.

Die Bedeutung des Arbeitsgedächtnisses für mathematische Leistungen

Etwa 4 bis 5 von 30 Schülern haben Probleme in der Mathematik. Dies kann zu hohem Druck und einer negativen Selbsteinschätzung führen. Um dem entgegenzuwirken, kann ein Gehirnjogging in Anspruch genommen werden, das nicht nur die mathematische Leistung, sondern die Lernfähigkeit im Allgemeinen trainiert.

Eine Studie der Universität Northumbria in Newcastle Upon Tyne untersuchte, ob ein verbessertes Arbeitsgedächtnis zu einer besseren mathematischen Leistung führt und ob ein personalisiertes Gehirntraining höhere Steigerungen erzeugt. Die Ergebnisse zeigten, dass Kinder, die ein adaptives Training absolvierten, im Vergleich zu Kindern, die ein unpersonalisiertes Training erhielten, deutliche Verbesserungen erzielten. Sie verbesserten ihr verbales und räumlich-visuelles Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnis. Im Follow-up zeigte sich eine Steigerung der logisch-mathematischen Fähigkeiten. (Quelle: Holmes J., Gathercole S. E., Dunning D. L. (2009). Adaptive training leads to sustained enhancement of poor working memory in children. Dev. Sci. 12, F9-F15. doi: 10.1111/j.1467-7687).

Schwierigkeiten beim Kopfrechnen und die Rolle der Mengenbilder

Viele Eltern kennen die Situation: Man sitzt mit seinem Kind an den Matheaufgaben, sieht es an und weiß einfach nicht mehr weiter. Kopfrechnen kann zu einem großen Problem werden. Oft üben Kinder stundenlang, aber die Leistungen verbessern sich nicht. Das Kind braucht lange zum Überlegen, fragt ständig nach der Aufgabe und zählt mit den Fingern.

Der Grund für diese Schwierigkeiten liegt oft darin, dass das Kind das Zählen auf die falsche Weise gelernt hat. Wenn die Zahlenwortreihe wie ein Gedicht gelernt wurde, fehlen geordnete Mengenbilder im Kopf. Diese Mengenbilder sind aber entscheidend dafür, ob jemand ein schneller oder langsamer Kopfrechner wird. Schnelle Kopfrechner haben eine andere Strategie im Kopf als langsame Kopfrechner. Sie rechnen mit Mengenbildern, die im Gehirn verankert sind.

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Um dem Kind zu helfen, ist es wichtig, sein Gehirn "umzuprogrammieren". Es muss lernen, Plus- und Minusaufgaben bis 100 in Bildern blitzschnell im Kopf zu rechnen.

Neurobiologische Grundlagen mathematischer Fähigkeiten

Wie gut jemand in Mathematik ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Dazu gehören eine frühe Förderung, gezieltes Üben, die genetische Veranlagung und die Struktur und funktionale Vernetzung des Gehirns. Trotz gutem Unterricht können manche Menschen ihren Lernerfolg nicht steigern. Diese neurobiologischen Faktoren lassen sich durch Unterricht oder Nachhilfe nur wenig beeinflussen.

Forschende haben herausgefunden, dass die Stärke der neuronalen Verbindungen zwischen bestimmten Gehirnregionen eine Rolle spielt. Dazu gehören der dorsolaterale präfrontale Cortex (dlPFC), der für Berechnungen wichtig ist, der posteriore parietale Cortex (PPC), der mit dem Abruf von Auswendiggelerntem aus dem Gedächtnis verbunden ist, und der Hippocampus, der für das Gedächtnis und mathematische Operationen wichtig ist.

Eine Studie zeigte, dass Testpersonen, die eine stärkere neuronale Verknüpfung zwischen diesen Gehirnregionen aufwiesen, bei der Lösung von Matheaufgaben besser abschnitten. Zusätzlich testeten die Forschenden, ob sich diese funktionalen Verknüpfungen im rechnenden Gehirn beeinflussen lassen. Dafür stimulierten sie das Gehirn der Testpersonen über außen am Schädel angelegte Elektroden mit schwachen elektrischen Stromstößen (transkranielle Random-Noise-Stimulation, tRNS).

Es zeigte sich, dass die Testpersonen, die eine elektrische Stimulation des dlPFC im Stirnlappen erhalten hatten, bei den Berechnungen besser abschnitten als vorher. Beim Auswendiglernen half diese Stimulation allerdings nicht. Auch die verstärkte Aktivierung des PPC im Scheitelbereich brachte keine messbaren Vorteile beim Lösen der Matheaufgaben.

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Die Forschenden schließen daraus, dass eine Hirnstimulation manchen Menschen beim Mathe-Lernen helfen könnte. Mit dem Wissen könnten nun neue Stimulationstechniken entwickelt werden, die diese neurobiologischen Einschränkungen angehen.

Die Rolle von Neurotransmittern

Während des Experiments maßen die Forschenden auch per Magnetresonanzspektroskopie (MRS), wie viel Glutamat und GABA im Gehirn der Probanden vorlag und wie sich die Spiegel dieser beiden Hirnbotenstoffe im Laufe des Experiments veränderten. Tatsächlich fanden sie einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Neurobotenstoffen und der Kommunikation zwischen den Hirnarealen des frontoparietalen Netzwerks, die fürs Rechnen, Auswendiglernen und Gedächtnis zuständig sind. Daraus könnte sich ein Prognosetest ergeben, um vorherzusagen, für wen eine Stimulation des dorsolateralen präfrontalen Cortex (dlPFC) hilfreich ist und für wen nicht.

Persönliche Erfahrungen und Lösungsansätze für Konzentrationsschwierigkeiten

Viele Schüler kennen das Problem: Man ist unkonzentriert, macht Flüchtigkeitsfehler und denkt zu kompliziert. Oft scheitert man an Aufgaben, bei denen man sich selbstständig eine Lösung überlegen muss.

Um sich besser zu konzentrieren, einfacher zu denken und Lösungen zu finden, können folgende Tipps helfen:

  • Aufmerksamkeit trainieren: Konzentrationsübungen können helfen, die Aufmerksamkeit zu verbessern.
  • Denkprozesse vereinfachen: Versuche, die Aufgaben in kleinere, überschaubare Schritte zu zerlegen.
  • Visualisierung: Stelle dir die Aufgabe bildlich vor.
  • Kreativität nutzen: Nutze deine Fähigkeit, Geschichten zu entwickeln, um dir die Aufgabe in einem anderen Kontext vorzustellen.
  • Interesse wecken: Versuche, einen Bezug zwischen der Aufgabe und deinen Interessen herzustellen.

Alternative Lernmethoden und die Bedeutung von Mengenbildern

Ina Lehr, Gründerin von Hallo Lernen, hat eine Methode entwickelt, Mathematik spielerisch und effizient in den Köpfen der Kinder zu verankern. Ihre Methoden sind speziell darauf ausgerichtet, Mathematik spielerisch und dabei effizient in den Köpfen der Kinder zu verankern, sodass sie Aufgaben quasi im Autopilotmodus lösen können.

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Ihr Onlinekurs "Kopfrechnen Akademie" richtet sich an Kinder ab der 1. Klasse bis zum Schulabschluss. In jeder Übung wird das Kind von Ina Lehr in einem Video angeleitet und begleitet. Der Kurs basiert auf der Vorstellung von Mengenbildern, die im Gehirn verankert werden.

Das Margarethe-von-Wrangel-Fellowship und die Erforschung mathematischer Fähigkeiten im Alter

Dr. Christina Artemenko vom Fachbereich Psychologie der Universität Tübingen untersucht, was Mathematik schwierig macht. Sie forscht über die gesamte Lebensspanne von der Kindheit bis ins hohe Alter. Aufgrund der Covid-19-Pandemie hat sie zunächst mit einem Online-Experiment begonnen. Dabei untersuchte Artemenko unter anderem, wie schwer das Rechnen mit Übertrag ist, also mit Summen und Differenzen, die über einen Zehner hinausgehen, wie beispielsweise 27 + 49 oder 34 - 18. Für diese Forschung erhielt Artemenko kürzlich das Margarethe-von-Wrangel-Fellowship.

Das Rätsel der Poincaré-Vermutung und die Genialität von Grigorij Perelman

Grigorij Perelman gilt als einer der größten Mathematiker der Gegenwart. Im Jahr 2002 gelang ihm der Beweis für die so genannte Poincaré-Vermutung. Die hatte der französische Mathematiker und Physiker Henri Poincaré bereits 1904 aufgestellt, konnte sie aber nicht belegen. Das Clay Mathematics Institute (CMI) in Cambridge, Massachusetts, zählte die Hypothese bis zu Perelmans Beweis zu den sieben bedeutendsten ungelös­ten mathematischen Problemen. Für die Lösung dieser "Millennium-Probleme" lobte das Institut sogar jeweils eine Million US-Dollar als Preisgeld aus.

Die Poincaré-Vermutung handelt von Beziehungen unter so genannten dreidimensionalen Mannigfaltigkeiten. Hinter der Bezeichnung verbergen sich abstrak­te Gebilde, deren umgebender Raum mindestens vier Dimensionen haben muss. Selbst mit ausführlicher Erklärung dürfte sich die Poincaré-Vermutung der Vorstellungskraft der allermeisten Menschen entziehen.

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