Leben mit Chorea Huntington: Herausforderungen, Bewältigung und Unterstützung

Die Huntington-Krankheit, auch Chorea Huntington oder Morbus Huntington genannt, ist eine seltene, vererbbare und fortschreitende Erkrankung des Gehirns, die derzeit nicht heilbar ist. Sie ist durch unwillkürliche Bewegungen, psychische Veränderungen und einen Rückgang der intellektuellen Fähigkeiten gekennzeichnet. Der Krankheitsverlauf ist individuell verschieden, stellt Betroffene und ihre Angehörigen jedoch vor große Herausforderungen im Alltag. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte des Lebens mit Chorea Huntington, von den Symptomen und dem Krankheitsverlauf über die Bewältigungsstrategien bis hin zu den Unterstützungsangeboten.

Was ist Chorea Huntington?

Chorea Huntington ist eine genetisch bedingte Erkrankung, die autosomal dominant vererbt wird. Das bedeutet, dass Kinder eines betroffenen Elternteils mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % ebenfalls erkranken, wenn sie das veränderte Gen erben. Ursache ist ein Defekt auf Chromosom 4, der zu einer fehlerhaften Produktion des Huntingtin-Proteins führt. Dieses veränderte Protein schädigt Nervenzellen im Gehirn, was zu den vielfältigen Symptomen der Krankheit führt.

Die Erkrankung wurde erstmals 1872 von dem US-amerikanischen Arzt George Huntington wissenschaftlich beschrieben, nach dem sie benannt wurde. Bereits im Mittelalter waren die auffälligen Bewegungsstörungen bekannt, die damals als Veitstanz bezeichnet wurden.

In Deutschland sind etwa 10.000 Menschen von Chorea Huntington betroffen, wobei jährlich einige hundert neue Fälle hinzukommen. Schätzungen zufolge tragen etwa 30.000 Menschen in Deutschland das Huntington-Gen in sich, ohne bisher Symptome zu zeigen.

Symptome und Verlauf

Die ersten Symptome treten meist im Alter zwischen 35 und 50 Jahren auf, in seltenen Fällen auch früher (juvenile Form) oder später. Chorea Huntington beginnt oft mit unspezifischen Anzeichen, die sich im Laufe der Zeit verstärken und vielfältiger werden.

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Frühsymptome

  • Psychische Veränderungen: Reizbarkeit, Aggressivität, Depressionen, Ängste, Wutausbrüche, Misstrauen, Kontrollzwang, sozialer Rückzug
  • Bewegungsstörungen: Unwillkürliche Bewegungen (Ataxien) von Kopf, Armen, Beinen, Händen und Rumpf, Tic-artige Muskelzuckungen, tänzelnder Gang
  • Kognitive Beeinträchtigungen: Interessensverlust, Konzentrationsstörungen, Vergesslichkeit

Fortgeschrittene Symptome

  • Zunehmende Bewegungsstörungen: Schwierigkeiten bei der Koordination von Bewegungsabläufen, Muskelsteifheit, Bewegungshemmung
  • Sprachstörungen: Schwierigkeiten beim Sprechen, undeutliche Artikulation
  • Schluckbeschwerden: Verlust der Kontrolle über die Zungen- und Schlundmuskulatur, hastiges Essen, Verschlucken
  • Kognitiver Abbau: Verlust der Urteilsfähigkeit, Schwierigkeiten beim Lernen und Planen, Demenz
  • Weitere Symptome: Gewichtsverlust, Schlafstörungen

Der Verlauf der Huntington-Krankheit ist fortschreitend und individuell unterschiedlich. Im Laufe der Zeit nehmen die Symptome zu und schränken die Betroffenen immer stärker ein. Die Lebenserwartung nach dem Auftreten der ersten Symptome beträgt in der Regel 10 bis 30 Jahre.

Leben mit den Herausforderungen

Der Alltag mit der Huntington-Krankheit ist für Betroffene und ihre Angehörigen mit zahlreichen Herausforderungen verbunden. Die fortschreitenden körperlichen, psychischen und kognitiven Beeinträchtigungen erfordern eine Anpassung des Lebensstils und den Einsatz von Hilfsmitteln und Unterstützungsangeboten.

Umgang mit körperlichen Einschränkungen

Die unwillkürlichen Bewegungen und Koordinationsschwierigkeiten erschweren alltägliche Aufgaben wie Essen, Trinken, Anziehen, Waschen und Gehen. Hilfsmittel wie spezielle Essbestecke, rutschfeste Unterlagen, Anziehhilfen und Rollatoren können den Alltag erleichtern. Physiotherapie und Ergotherapie können helfen, die Beweglichkeit zu erhalten und die Koordination zu verbessern.

Umgang mit psychischen Veränderungen

Die psychischen Symptome wie Depressionen, Ängste und Reizbarkeit können das soziale Leben und die Beziehungen zu anderen Menschen beeinträchtigen. Eine psychotherapeutische Behandlung und/oder die Einnahme von Medikamenten können helfen, die psychischen Symptome zu lindern.

Umgang mit kognitiven Beeinträchtigungen

Die kognitiven Beeinträchtigungen wie Gedächtnisprobleme und Konzentrationsstörungen erschweren die Bewältigung des Alltags und die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Gedächtnistraining, kognitive Stimulation und die Nutzung von Hilfsmitteln wie Notizzetteln und Kalendern können helfen, die kognitiven Fähigkeiten zu erhalten.

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Anpassung des Wohnraums

Im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung ist oft eine Anpassung des Wohnraums erforderlich, um die Selbstständigkeit und Sicherheit der Betroffenen zu gewährleisten. Dazu gehören beispielsweise der Einbau von Haltegriffen im Badezimmer, die Beseitigung von Stolperfallen und die Installation eines Treppenlifts.

Unterstützung durch Angehörige

Die Betreuung von Menschen mit Chorea Huntington ist eine große Herausforderung für die Angehörigen. Sie benötigen Unterstützung bei der Pflege, der Haushaltsführung und der Bewältigung der emotionalen Belastung. Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen bieten Angehörigen die Möglichkeit, sich auszutauschen und professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Unterstützung und Therapie

Obwohl Chorea Huntington nicht heilbar ist, gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Medikamentöse Therapie

  • Bewegungsstörungen: Medikamente wie Tetrabenazin oder Deutetrabenazin können die unwillkürlichen Bewegungen reduzieren.
  • Psychische Symptome: Antidepressiva, Antipsychotika und angstlösende Medikamente können helfen, Depressionen, Ängste und andere psychische Symptome zu behandeln.

Nicht-medikamentöse Therapie

  • Physiotherapie: Erhaltung der Beweglichkeit und Koordination
  • Ergotherapie: Anpassung des Alltags und der Umgebung, Einsatz von Hilfsmitteln
  • Logopädie: Verbesserung der Sprach- und Schluckfunktion
  • Psychotherapie: Bewältigung psychischer Probleme, Stärkung der Ressourcen
  • Neuropsychologie: Kognitives Training, Gedächtnisstrategien

Weitere Unterstützungsangebote

  • Selbsthilfegruppen: Austausch mit anderen Betroffenen und Angehörigen
  • Beratungsstellen: Informationen und Unterstützung zu allen Fragen rund um die Huntington-Krankheit
  • Huntington-Zentren und Kliniken: Spezialisierte Behandlung und Betreuung
  • Pflegedienste: Unterstützung bei der häuslichen Pflege
  • Hospize: Begleitung in der letzten Lebensphase

Forschung und Ausblick

Die Forschung zur Huntington-Krankheit hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Wissenschaftler arbeiten intensiv daran, die Ursachen und Mechanismen der Erkrankung besser zu verstehen und neue Therapieansätze zu entwickeln. Ein vielversprechender Ansatz ist die Entwicklung von Medikamenten, die die Produktion des schädlichen Huntingtin-Proteins reduzieren oder seine Wirkung blockieren. Auch Gentherapien, die das defekte Gen reparieren oder ausschalten, werden erforscht.

Obwohl es derzeit noch keine Heilung für Chorea Huntington gibt, gibt es Hoffnung auf zukünftige Therapien, die den Krankheitsverlauf verlangsamen oder sogar stoppen können.

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Einblicke in den Alltag: Ein Erfahrungsbericht

Um das Leben mit Chorea Huntington besser zu verstehen, ist es hilfreich, die Erfahrungen von Betroffenen und ihren Angehörigen kennenzulernen. Im Rahmen eines Projekts des Differenzierungskurses Gesundheitswissenschaften der AH12 hatten Schüler die Möglichkeit, mit Mitgliedern einer Selbsthilfegruppe in Duisburg zu sprechen.

Herr I., ein 72-jähriger Betroffener, berichtete von den ersten Anzeichen der Krankheit, die sich durch Nervosität und Unruhe äußerten. Nachdem die Diagnose gestellt wurde, informierten er und seine Frau sich umfassend über die Krankheit und begannen, ihr Haus umzubauen, um es an seine Bedürfnisse anzupassen. Sie verlegten das Schlafzimmer und das Badezimmer in das Erdgeschoss und schafften einen speziellen Sessel an, in dem er sich ausruhen kann. Herr I. erwähnte auch, dass er aufgrund von Schluckbeschwerden oft Joghurt isst.

Besonders positiv hob Herr I. die Reaktion seines Umfelds hervor. Familie, Freunde und Nachbarn begegnen ihm mit Mitgefühl und passen gemeinsame Treffen an seine Bedürfnisse an. Auch seine Frau hat eine gute Routine gefunden, um den Alltag zu meistern. Sie schätzt den Austausch in der Selbsthilfegruppe, wo sie Tipps für die Alltagsgestaltung erhält und sich rechtlich beraten lassen kann.

Der Besuch der Selbsthilfegruppe hat den Schülern einen tiefen Einblick in das Leben mit Chorea Huntington gegeben. Sie erlebten, wie Betroffene trotz der Herausforderungen die Freude am Leben nicht verlieren und aktiv an der Gestaltung ihres Alltags mitwirken.

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