Der hypoxische Hirnschaden, auch hypoxisch-ischämische Enzephalopathie (HIE) genannt, ist eine schwerwiegende Schädigung des Gehirns, die durch einen erheblichen Sauerstoffmangel verursacht wird. Dieser Zustand tritt häufig nach einem Kreislaufstillstand mit erfolgreichen Wiederbelebungsmaßnahmen auf und kann zu unterschiedlich stark ausgeprägten neurologischen Störungen führen, die von leichten Beeinträchtigungen bis hin zu Koma oder Wachkoma reichen.
Ursachen und Entstehung
Die Nervenzellen des Gehirns, insbesondere die empfindlichen Zellen an der Oberfläche des Großhirns, die für höhere Funktionen wie Bewusstsein, Wahrnehmung, Gedächtnis und Koordination zuständig sind, sterben bei Sauerstoffmangel innerhalb weniger Minuten ab. Da sich diese Nervenzellen nicht regenerieren können, entsteht ein irreparabler hypoxischer Hirnschaden. Das Ausmaß des Schadens hängt davon ab, wie lange die Sauerstoffversorgung unterbrochen war.
Eine kurze Unterversorgung kann Symptome wie Koordinations-, Wahrnehmungs- oder Gedächtnisstörungen verursachen, die sich in der Regel wieder zurückbilden. Eine längere Unterversorgung von mehr als fünf Minuten führt jedoch zu tiefer Bewusstlosigkeit und Koma.
Diagnose
Die Diagnose eines hypoxischen Hirnschadens erfordert eine sorgfältige Untersuchung durch ein interdisziplinäres Team aus Spezialisten der Inneren Medizin, Anästhesie/Notfallmedizin und Neurologie. Insbesondere bei unbekannter Vorgeschichte müssen andere mögliche Ursachen für Gehirnfunktionsstörungen (Enzephalopathien) ausgeschlossen werden, die durch Sepsis, Medikamente oder Stoffwechselstörungen verursacht sein können.
Folgende Untersuchungsmethoden stehen zur Verfügung:
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- Anamnesegespräch: Ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten und/oder seinen Angehörigen zur Krankengeschichte.
- Dopplersonografie: Ultraschalluntersuchung der großen Arterien, die das Gehirn versorgen (trans- und extrakranial).
- Kraniale MRT (cMRT) mit Angiografie: Magnetresonanztomografie des Schädels mit Darstellung der Blutgefäße zur Erkennung von Verengungen (Stenosen) oder Verschlüssen von Schlagadern.
- Kraniale Computertomografie (cCT): Schnittbilder des Gehirns, der Hirnhäute und des knöchernen Schädels.
- Thorax-CT: Schnittbilder der Lunge.
- CT-Angiografie und Koronarangiografie: Darstellung der Blutgefäße und der Herzkranzgefäße.
- Neurologische Untersuchungen: Beurteilung, ob und welche Nerven in welchem Ausmaß betroffen sind.
Symptome und Folgen
Die Folgen eines hypoxischen Hirnschadens sind vielfältig und hängen vom Ausmaß der Schädigung ab. Zu den möglichen Symptomen und Beeinträchtigungen gehören:
- Bewusstseinsstörungen: Koma, Wachkoma (apallisches Syndrom)
- Kognitive Beeinträchtigungen: Gedächtnis-, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen, Verlangsamung der Denkprozesse, Lernschwierigkeiten, Orientierungsstörungen
- Psychische Veränderungen: Depressive Verstimmung, Reizbarkeit, Wesensveränderungen, Störungen des Sozialverhaltens
- Sprachstörungen (Aphasie): Schwierigkeiten beim Sprechen, Verstehen oder Finden von Wörtern
- Apraxie: Störungen beim Umsetzen von Handlungsabsichten in Bewegungen
- Rechenstörungen (Dyskalkulie)
- Gesichtsfeldausfälle (Hemianopsie)
- Neglect: Vernachlässigung einer Körper- oder Raumhälfte
- Lähmungen (Hemiplegie, spastische Lähmungen)
- Sprechstörungen (Dysarthrie): Schwierigkeiten bei der Artikulation
- Schluckstörungen (Dysphagie)
- Störungen der Raum- und Selbstwahrnehmung
- Epileptische Anfälle
Behandlung
Die Behandlung eines hypoxischen Hirnschadens zielt darauf ab, die Sauerstoffversorgung des Gehirns wiederherzustellen, weitere Schäden zu verhindern und die neurologischen Funktionen zu verbessern. Die Therapie kann folgende Maßnahmen umfassen:
- Medizinische Akutversorgung: Stabilisierung des Kreislaufs, Beatmung, Kontrolle des Hirndrucks
- Neuroprotektive Maßnahmen: Medikamente zur Reduzierung der Hirnschädigung
- Rehabilitation: Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, neuropsychologische Therapie zur Verbesserung der motorischen, kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten
- Medikamentöse Behandlung: Antidepressiva, Antiepileptika, Schmerzmittel
- Psychotherapie: Unterstützung bei der Verarbeitung der Erkrankung und der Anpassung an die veränderten Lebensumstände
Epilepsie als Folge eines Hirnschadens
Nach einem Schädel-Hirn-Trauma (SHT) können sich Narben im Gehirn bilden, die epileptische Anfälle verursachen können. Die Gefahr einer Narbenbildung ist nach offenen Hirnverletzungen höher als nach geschlossenen. Epileptischen Anfällen kann mit antiepileptischen Medikamenten entgegengewirkt werden. Welche Behandlung sinnvoll ist, hängt von der Form der Epilepsie und dem Krankheitsverlauf ab. Meist wird eine Epilepsie mit Medikamenten behandelt, sogenannten Antiepileptika. Es stehen unterschiedliche Medikamente aus verschiedenen Wirkstoffgruppen zur Verfügung.
Wenn ein Medikament in einer niedrigen Dosierung nicht wirkt, kann zunächst die Dosis erhöht werden. Zeigt sich kein Erfolg, probiert man ein Medikament aus einer anderen Wirkstoffgruppe oder kombiniert mehrere Wirkstoffe. Da es oft bei einem einzigen Anfall bleibt, kann man mit einer Behandlung meist erst einmal abwarten. Die Therapie beginnt in der Regel erst nach einem zweiten Anfall. Besteht jedoch ein erhöhtes Risiko für erneute Anfälle, wie etwa bei einer Gehirnerkrankung, kann bereits nach dem ersten Krampfanfall eine Behandlung sinnvoll sein. Wichtig ist, die persönliche Situation ausführlich mit der Ärztin oder dem Arzt zu besprechen.
Wer sich für eine Behandlung mit Medikamenten entscheidet, nimmt diese meist über mehrere Jahre ein. Wenn in dieser Zeit keine Anfälle aufgetreten sind, können manche Menschen versuchsweise auf Medikamente verzichten. Andere benötigen ihr Leben lang Medikamente. Antiepileptika können Nebenwirkungen wie Müdigkeit oder Schwindel haben. Manchmal bestehen spezielle Risiken, zum Beispiel während der Schwangerschaft für das ungeborene Kind. Eine ausführliche ärztliche Beratung ist dann besonders wichtig.
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Können die Medikamente Anfälle nicht verhindern, ist ein Eingriff eine Alternative.
- Operation: Wenn sich bei fokalen Anfällen feststellen lässt, welcher Bereich des Gehirns die Anfälle auslöst, kann er entfernt werden. Das ist aber nicht immer möglich.
- Vagusnerv-Stimulation: Dabei wird ein Schrittmacher unter die Haut im Brustbereich implantiert, der elektrische Impulse abgibt. Er ist über Kontakte am Halsbereich mit dem Vagusnerv verbunden und soll die Überaktivität der Nervenzellen hemmen. Der Vagusnerv ist ein wichtiger Nerv des vegetativen Nervensystems und an der Regulierung der inneren Organe beteiligt. Für den Nutzen dieser Therapie gibt es bisher nur wenige aussagekräftige Studien. Daher wird die Vagus-Stimulation von den gesetzlichen Krankenkassen nur unter besonderen Voraussetzungen im Einzelfall erstattet.
Die Behandlung wird von einer Neurologin oder einem Neurologen begleitet. Kinder und Jugendliche werden von Kinder- und Jugendneurologinnen und -neurologen betreut. Meist findet ein Teil der Untersuchung und Behandlung im Krankenhaus statt. Manche ambulanten Einrichtungen und Kliniken haben sich auf die Behandlung von Menschen mit Epilepsie spezialisiert: Epilepsie-Zentren, Epilepsie-Ambulanzen und Schwerpunktpraxen. Diese eignen sich besonders bei speziellen Problemen, einer unklaren Diagnose oder wenn es trotz Behandlung weiter zu Anfällen kommt.
Bei einem epileptischen Anfall ist es am wichtigsten, dass Helferinnen und Helfer Ruhe bewahren und Betroffene vor Verletzungen schützen. Dauert der Anfall länger als fünf Minuten an oder treten mehrere Anfälle kurz hintereinander auf, sollte der Rettungsdienst (Notruf 112) informiert werden. Bei einem schweren Anfall kann ein Krankenhausaufenthalt notwendig sein. Ergänzend kann eine Psychotherapie hilfreich sein. Sie kann dabei unterstützen, mit den Folgen der Erkrankung umzugehen und die Lebensqualität zu verbessern.
Autoimmune Enzephalitis: Wenn das Immunsystem das Gehirn angreift
Hinter der Diagnose "Enzephalitis ohne Erregernachweis" verbarg sich lange Zeit ein Rätsel. Erst vor wenigen Jahren entdeckten Forscher, dass in vielen Fällen Antikörper des Immunsystems fälschlicherweise das Gehirn angreifen.
Vom Beschützer zum Angreifer
Normalerweise bilden sich Antikörper, um Krankheitserreger oder Krebszellen zu bekämpfen. Einige Krebsarten bilden jedoch Eiweiße auf ihrer Oberfläche, die auch im Gehirn vorkommen. Die Antikörper greifen dann nicht nur die Krebszellen, sondern auch das gesunde Gehirn an. Es gibt verschiedene Ausprägungen dieser autoimmunen Enzephalopathien, je nachdem, welche Strukturen im Gehirn von den Antikörpern angegriffen werden. Häufig sind die NMDA-Rezeptoren betroffen, aber auch andere Moleküle, Ionenkanäle oder Zielpunkte im Gehirn können angegriffen werden.
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Die Rolle der Blut-Hirn-Schranke
Potenziell gefährliche Antikörper sind im Blut vieler Menschen vorhanden. Normalerweise verhindert die Blut-Hirn-Schranke, dass diese Antikörper ins Gehirn gelangen und Schaden anrichten. Bei manchen Menschen versagt diese Barriere jedoch aus unerklärlichen Gründen.
Symptome und Behandlung
Eine Enzephalitis kann schwerwiegende Folgen haben und in der Vergangenheit oft zu irreversiblen Hirnschäden oder psychiatrischen Veränderungen geführt. Heute wissen wir jedoch, dass diese Erkrankungen behandelbar sind, wenn sie durch Autoantikörper ausgelöst werden. Die Behandlung kann eine Blutwäsche zur Entfernung der Antikörper oder eine Immuntherapie zur Unterdrückung des Immunsystems umfassen.
Neue Therapieansätze
Aktuelle Forschungsarbeiten zielen darauf ab, gezielt nur die Zellen auszuschalten, die die fehlgeleiteten Antikörper produzieren, ohne das gesamte Immunsystem zu beeinträchtigen.
Mögliche Auswirkungen auf die Schwangerschaft
Es gibt Hinweise darauf, dass Autoantikörper während der Schwangerschaft auf den Embryo übertragen werden und dort möglicherweise neurobiologische Entwicklungsstörungen wie Autismus oder ADHS verursachen können.
Diagnose und Ausblick
In Deutschland erkranken schätzungsweise 8 bis 15 von einer Million Menschen jährlich an einer autoimmunen Enzephalitis. DankFortschritten in der Diagnostik können diese Krankheiten heute in der Regel rechtzeitig erkannt und behandelt werden.