Hektik im Alltag, Stress bei der Arbeit und ständiger Verkehrslärm sind nur einige der vielfältigen Einflüsse, die täglich auf unseren Organismus wirken. Die zunehmende Geschwindigkeit unseres Lebens führt zu einer Überlastung, die auch unsere Sinne unter Druck setzt. Oft resultiert dies in einer Überreizung des Hörsystems und einer verstärkten Geräuschempfindlichkeit, bekannt als Hyperakusis. Doch auch ohne diagnostizierte Hyperakusis können laute Menschen als störend empfunden werden. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Facetten dieses Phänomens, von den medizinischen Hintergründen bis hin zu psychologischen und sozialen Aspekten.
Medizinische Aspekte der Geräuschempfindlichkeit
Hyperakusis: Wenn normale Geräusche zur Qual werden
Hyperakusis ist eine ungewöhnliche Empfindlichkeit gegenüber normalen Umgebungsgeräuschen. Die Unbehaglichkeitsschwelle sinkt dabei auf einen Wert unter 80 dB ab. Betroffene empfinden selbst alltägliche Geräusche als unerträglich laut und unangenehm. Schwerhörige können leise Geräusche zwar nicht verstehen, auf lautere jedoch sehr empfindlich reagieren. Laute Geräusche lösen oftmals eine Schreckreaktion mit Herzjagen, Schweißausbrüchen, Anstieg des Blutdrucks und trockenem Mund aus.
Die Ursachen der Hyperakusis sind vielfältig. Organische Ursachen sind vor allem Innenohr-Schwerhörigkeiten. Auch bestimmte Epilepsie-Formen, Vorzeichen einer Migräne oder Medikamenten-Nebenwirkungen kommen in seltenen Fällen als Auslöser in Betracht. Stress und psychische Belastungen können diese Empfindlichkeit noch verstärken. So wird ein Kreislauf aus Angst vor Geräuschen und negativer Verstärkung in Gang gesetzt. Die Geräuschempfindlichkeit führt mehr und mehr zum Rückzug aus sozialen Aktivitäten, da auch normale Lautstärken zunehmend als unerträglich empfunden werden. Die Stressbelastung für das Nervensystem nimmt zu. Die Betroffenen geraten in einen Teufelskreis, in dem sich die Empfindlichkeit quasi selbst verstärkt.
Misophonie: Hass auf bestimmte Geräusche
Als Phonophobie wird die Angst vor bestimmten Geräuschen bezeichnet. Diese Überempfindlichkeit ist unabhängig von Lautstärke oder Frequenz der Geräusche. Die Angststörung wird nur von der Bedeutung des Geräuschs für die Betroffenen ausgelöst. Auch Missempfindungen und akustische Fehlwahrnehmungen werden beschrieben. Diese Geräusche sind nicht wirklich schädigend. Im Zusammenhang mit ihnen entstehen jedoch unangenehme Gefühle wie Angst, Scham oder Peinlichkeit.
Misophonie zeichnet sich durch unangemessene Verhaltensweisen aus, wie Wutausbrüche, Zorn, Ängste oder Ekel. Um Situationen mit unangenehmen Geräuschen zu vermeiden, tragen manche Betroffene sogar einen Gehörschutz. Viele reduzieren ihre sozialen Aktivitäten, weil sie mit der Gesellschaft anderer Menschen negative Hörerlebnisse verbinden. Nicht selten mündet dies in eine soziale Isolation mit weitreichenden Konsequenzen.
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Typischerweise sind es Alltagsgeräusche wie Kauen, Schlucken, Atmen, Schniefen, Tippen auf Tastaturen oder das Klicken von Kugelschreibern, die bei Menschen mit Misophonie starke Gefühle von Wut, Frustration, Ärger oder Angst auslösen können. Die Reaktion auf diese Triggergeräusche kann intensiv sein und zu starkem Unbehagen oder sogar psychischer Belastung führen.
Die Misophonie-Ursache kann in manchen Fällen eine Erfahrung sein, die der Mensch in seiner Kindheit gemacht hat oder eine Extremsituation (Trauma), die er erlebt hat. Dann findet sich die Ursache der Verknüpfung des Gehirns zwischen dem Geräusch und einem schlechten Gefühl im Erlebten. Diverse komplizierte synaptische Verknüpfungen führen zur Koppelung von Sinneswahrnehmungen mit Gefühlen. Gerüche und positive oder negative Emotionen sind ein ähnliches, bekanntes Beispiel.
Diagnose und Behandlung von Geräuschempfindlichkeit
Je nach Ursache der Geräuschempfindlichkeit gibt es verschiedene audiologische Befunde. Oft zeigt sich ein normaler Hörbefund im Tonschwellen- und Sprachaudiogramm, bei dem aber die Unbehaglichkeitsschwelle herabgesetzt ist. Bei Innenohr-Schwerhörigkeiten kann ein fehlender Lautheits-Ausgleich („Recruitment“) Ursache der Geräusch-Überempfindlichkeit sein. Die Hyperakusis kann auch Symptom einer Begleiterkrankung im Rahmen einer Depression, Angststörung, eines Burnouts oder einer anderen Krise sein.
Wenn bereits bei normaler Lautstärke Geräusche zur Qual werden, sollte in jedem Fall zuerst einmal der Hals-Nasen-Ohren-Arzt zu Rate gezogen werden. Über eine Misophonie offen zu sprechen ist wichtig. Denn im schlechtesten Falle kann sich aus einer Misophonie eine echte Phonophobie entwickeln. Diese regelrechte Angst vor Geräuschen kann dazu führen, dass alle Situationen gemieden werden, die diese psychologischen Trigger bedienen könnten. Damit die Misophonie sich von einer harmlosen Störung nicht zu einem Problem entwickelt, ist kommunizieren besser als ignorieren. Oft hilft es schon, dass die Ablehnung der Geräusche einen Namen hat. Viele Misophoniker sind schon alleine dadurch beruhigt, zu wissen, dass sie mit dem Problem nicht alleine sind. Auch die Angehörigen und Freunde sind dann eher bereit, die „Überempfindlichkeit“ zu tolerieren.
Für Misophonie gibt es keine spezifische Heilung. Eine mögliche Behandlung zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und den Betroffenen dabei zu helfen, besser mit den emotionalen Reaktionen auf Triggergeräusche umzugehen. Wichtig ist, dass Sie über Ihr Problem sprechen und sich selbst dabei beobachten, wann und wie oft es zu einer Überreaktion auf bestimmte Geräusche kommt. Wenden Sie sich an Ihr nahes Umfeld und involvieren Sie die Personen.
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Entspannungstechniken wie Progressive Muskelentspannung, Yoga oder Tai Chi sind sehr effektiv und helfen, Stress und Angst zu reduzieren, die oft mit Misophonie einhergehen. Zeigen sich trotz der Entspannungsübungen weiterhin Symptome, so kann eine Psychotherapie helfen. Die Kognitive Verhaltenstherapie hat sich als eine wirksame Methode zur Behandlung von Misophonie erwiesen. Dabei lernen die Betroffenen, ihre Reaktionen auf Triggergeräusche neu zu bewerten und alternative Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Ziel ist es, negative Gedankenmuster und Verhaltensweisen zu identifizieren und zu ändern. In einigen Fällen kann auch die schrittweise Konfrontation gegenüber den Triggergeräuschen dazu beitragen, dass die emotionale Reaktion allmählich abnimmt. Dies sollte jedoch unter Anleitung eines qualifizierten Therapeuten erfolgen. Auch das Sprechen mit anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen, kann zu einer Verbesserung beitragen. Versuchen Sie Ihr Leiden nicht aus Angst, Ihre Mitmenschen würden das Problem nicht ernst nehmen, zu unterdrücken. Eine offene Kommunikation sorgt dafür, dass auch Andere Ihre verminderte Geräuschtoleranz tolerieren und Rücksicht nehmen können.
Psychologische Aspekte: Warum uns laute Menschen wütend machen
Neben den medizinischen Ursachen für Geräuschempfindlichkeit spielen auch psychologische Faktoren eine wichtige Rolle. Als Introvertierte, Hochsensible, Intuitive und Empathin weiß ich, wie schwierig deshalb laute, sich in den Mittelpunkt drängende Menschen sein können. Sie zehren an den Nerven. Vor allem aber machen sie uns wütend. Sie werden eine Last, die wir in Zeiten, in denen wir uns nach Ruhe und Stille sehnen, kaum ertragen können. Während wir in Verbindung zu uns sein möchten, lenken sie uns ab und unseren Blick - erzwungen - auf sie. Wir wollen nichts von ihnen mitbekommen, wollen nicht hören, mit wem sie telefonieren, was sie heute erlebt haben. Nicht selten sind es völlig unwichtige, im Vergleich zu unserem Leben, vermeintlich sinnlose Gesprächsthemen, die sie uns in Bussen, Bahnen, Zügen, Flugzeugen und Öffis aufdrängen. Wir können nicht fliehen. Immerhin müssen auch wir an unser Ziel.
Die Auswirkungen von Lautstärke auf die Psyche
Überreizung durch Lautstärke, wie zum Beispiel Baulärm, hellhörige Wohnungen, (Großraum)Büros, Geräusche des Partners/der Familie oder fremde, laute Menschen: Mehrere Studien zeigen, dass Lautstärke in jeder Form die Psyche nachhaltig schädigen kann. Die Folgen können u. a. Konzentrationsmangel, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Migräne, Lernschwierigkeiten, Schlafstörungen bis hin zu psychischen Erkrankungen wie Angstzustände und Panikattacken sein.
Sozialer, emotionaler oder psychischer Stress (egal, durch was hervorgerufen) bedeutet, dass der Körper Stresshormone ausschüttet, die er auch wieder abbauen muss, damit wir gesund bleiben. Bleibt die Lärmbelästigung aber anhaltend, wird es schwer, denn der Körper schüttet schneller aus, als er abbauen kann. Einmal mehr ist Resilienz ist gefragt, wenn wir dem Körper helfen wollen. Wir müssen Wege finden, um entstehenden Stress durch Lautstärke oder Lärm auch wieder verringern zu können. Hochsensible, empathische oder allgemein gestresste Menschen können besonders von einem neuen Umgang mit Stress durch Lautstärke oder laute Menschen profitieren.
Auch die charakterliche Konstitution - Introversion versus Extraversion - zeigt unsere Befangenheit und Bedürftigkeit. Doch während extravertierte Menschen es selten merken, dass sie introvertierte oder hochsensible Nerven belasten, werden Introvertierte erneut auf ihre Gefühle zurückgeworfen. Unsere in uns, durch sie ausgelösten, Folgegefühle belästigen uns. Selbst böse Blicke, um diesen Menschen zu signalisieren, dass wir uns in die Ecke gedrängt fühlen, bringen selten etwas. Die Wut, die sie in uns auslösen, verbleibt auch in uns. Insofern wir nicht offen sprechen und unserer Verletzung durch sie Luft machen, sind wir mitten in ihrem Leben, ihrer Agenda, ihren Bedürfnissen, ihrer Persönlichkeit. Ohne es zu wollen. Und wir geraten mehr und mehr in den Hintergrund: mit unseren Bedürfnissen, unseren Gefühlen und unserer Natur. So geht es nicht nur Introvertierten. Auch Menschen, die wenig Zeit für Selbstfürsorge hatten/haben, und solche, die stark gestresst oder eingebunden sind in zehrende Themen, erleben diese Belastung.
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Strategien im Umgang mit lauten Menschen und Geräuschen
Neben der Nutzung von allen Entspannungstechniken und Sport, Meditation oder Yoga, um seine Belastbarkeit zu stärken bzw. sich nach der Lautstärke-Belastung wieder zu fangen, bleibt nicht viel.
Ich denke seit langer Zeit darüber nach, wie man aufdringliche Lautstärke bzw. laute Menschen meistern kann. Jedes einzelne Mal gerate ich an den Punkt, an dem es nichts gibt, was ich im Außen tun könnte, außer es anzusprechen und sie darauf zu verweisen, Rücksicht auf die anderen Anwesenden und ihre Bedürfnisse zu nehmen. Das wäre ein Weg. Doch gehen den nur wenige. Auch ich nur selten. Es bringt Konfrontation und eventuelle Auseinandersetzungen mit sich. Das Herz schlägt Purzelbäume und die Knie zittern. Die Wut ist dennoch da, denn immerhin ermutigt sie uns zur Selbstbehauptung.
Doch gerade hochsensible, gestresste, empathische oder intuitive Menschen vermeiden oft ehrliche und offene Konfrontationen. Alles, was sie wollen, ist Ruhe und Harmonie. Sie trennen sich von ihrer Seele oder ihrem Herzen, wenn sie andere auf ihre Fehler oder ihr verletzendes Verhalten aufmerksam machen. Sie wollen weder „die oder der Böse“ sein noch sind sie interessiert daran, die Gefühle eines anderen zu verletzen. Insofern aber der Mut nicht aufgebracht wird, aus welchen Gründen auch immer, bleibt nur eins: herausfinden, was uns diese Situation sagen und zeigen möchte. Worauf könnten bzw. wollen uns extravertierte oder laute, in unseren Augen rücksichtslose, Menschen hinweisen?
Vorab-Vorschläge für den Umgang sind:
- es (laut) ansprechen und sie darauf hinweisen
- akzeptieren, dass sie anders sind als du und du anders als sie
- ihnen vergeben und erkennen, dass sie um der Aufmerksamkeit wegen in Kauf nehmen, die Gefühle anderer zu verletzen, sie zu belästigen und somit - zumindest bei einigen - auch Antisympathie schürenden
- dem Sinn ihres Verhaltens einmal anders wahrnehmen, nämlich, dass sie weder Ablehnung noch Kritik fürchten und im Interesse ihres Wohlbefindens und ihrer Persönlichkeit, ihres Lebens, tun, was sie möchten (und dich das nervt)
Was wir von lauten Menschen lernen können
Schauen wir uns die Situation noch tiefer an: Jemand oder eine Gruppe im öffentlichen Raum verursacht in uns Betroffenheit, Unruhe und Ärger, sogar Angst und Panik. Hervorgerufen wird das durch ein bestimmtes Verhalten: Lautstärke, Gespräche, eine Handlung (ohne Kopfhörer Musik hören z. B., sehr viel Raum einnehmen, stark aufdringliches Parfüm oder forcierte Blicke, Desinteresse/Rücksichtslosigkeit, Annahme, andere würden ihre Art dulden oder begrüßen, Gleichgültigkeit gegenüber den Gefühlen anderer). Diese Menschen ziehen automatisch durch ihr Verhalten unsere und andere Aufmerksamkeit auf sich und stellen sich - zumindest bei einigen Menschen - dadurch in den Mittelpunkt. Einige Menschen aber können laute, aufdringliche Menschen gut ignorieren/ausblenden. Sie bleiben dennoch im Kontakt zu sich selbst.
Die, die laute Menschen aber als nervig empfinden, nehmen sie nur deshalb wahr, weil die Wahrnehmung anderer als Verhaltensmerkmal Teil ihrer Persönlichkeit ist. Selbst bei völlig Fremden, die sie ignorieren könnten.
Doch für die, die es gewohnt sind, dass schlichtweg jeder ihre Aufmerksamkeit bekommt, löst es verständlicherweise Wut und tiefe Betroffenheit, geschädigte Nerven und eine Menge psychische Belastung aus, die Ich-Zeiten und Wiederverbindung mit sich immens stören. Denn laute Menschen scheinen zu sagen: „Ob dir das gefällt oder nicht, spielt in diesem Moment keine Rolle für mich. Wie du damit umgehst, spielt keine Rolle. Für mich ist es gleichgültig, was du jetzt darüber denkst. Es wird an meinem Verhalten nichts ändern. Männer sind mir egal, die mein Verhalten störend finden könnten. Frauen sind mir egal, die mein Verhalten störend finden könnten. Kinder sind mir egal, die mein Verhalten störend finden könnten. Mein Augenmerk liegt auf mir und dem, was ich bin, will, fühle, welche Menschen es in meinem Leben gibt, was ich kann, was ich nicht kann, wie ich der Welt begegne. Ob es dir oder jemand anderem passt oder du es ablehnst, wie ich mich in der Welt bewege, wie ich ihr begegne, spielt keine Rolle für mich. Du wunderst dich darüber, dass ich so bin, wie ich bin und wie ich mich verhalte. Ich wundere mich darüber, dass du nicht so bist, wie ich und wie ich mich verhalte. Du magst anders sein als ich, gerade etwas Anderes brauchen, aber darauf kann ich keine Rücksicht nehmen. Ich mache dennoch das, was ich für richtig erachte.“
Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber nebst der Wut, die in mir in solchen Situationen stets hochstieg, geschah vor allem eins in mir: Ich empfand es deshalb als rücksichtslos, weil es für mich - so habe ich es gelernt - eine Anmaßung, eine Dreistigkeit, darstellte, so zu sein und so zu denken. Ich erntete (in meinen jungen Jahren) viel Ablehnung und Konflikte mit einem ähnlichen Verhalten. Es sorgte für Ausgrenzung in Schulzeiten und für Disharmonie Zuhause. Daraus schlussfolgerte ich: Laut zu sein und andere während ihrer Bedürfnisse wegen meiner eigenen zu unterbrechen oder zu stören, ist ab sofort tabu. Zudem lernte ich, dass es anderen so viel bessergeht, wenn ich still bleibe und sie machen lasse - was es auch sein mag. Ich lernte gleichermaßen, meine Bedürfnisse zurückzustellen oder ganz für mich zu behalten.
Neben Wut, lösten laute Menschen auch diese Reaktion in mir aus: Allein die Tatsache, dass sie offen und ungeniert ihre Bedürfnisse und Persönlichkeit, ihr Leben, zur Schau stellten, ohne sich über die Reaktion und Gefühle anderer Gedanken zu machen, sich der anderen bewusst zu werden, empfand ich als Last. Hinzu kam meine eigene Unfähigkeit, mit ihnen und ihrem Verhalten umzugehen. Denn das machte mich außerdem wütend. Grundsätzlich war ich selten erfreut, wenn mich jemand bedrängte, mir meine Zeit stahl, meinen Fokus unterbrach oder gegen meine Werte ging. Besonders dann, wenn derjenige nicht davon abließ, mich von seiner Weltsicht oder seinen Bedürfnissen überzeugen zu wollen, sie mir aufzwang, nur um zu bekommen, was er wollte, kein Nein akzeptierte, nur sich und seine Ziele im Kopf hatte.
Reflexionsfragen zur eigenen Betroffenheit durch Lautstärke bzw. laute Menschen
So stark, wie ein Bedürfnis nach Stille und Ruhe auch sein kann: Erstens muss man sich fragen, woher es kommt. Welche Lebensweise oder welche Situation im Leben stärkt das Bedürfnis? Wann tauchte dieses Bedürfnis zum ersten Mal auf (der früheste Zeitpunkt, an den man sich erinnern kann)? Ist es ein wiederkehrendes oder immer präsentes Bedürfnis bzw. ist man zum ersten Mal damit konfrontiert? Welche anderen Bedürfnisse, die das Bedürfnis nach Ruhe/Stille auslösen, sind nicht erfüllt?
- Welche Lebensweise oder welche Situation im Leben stärkt das Bedürfnis nach Ruhe/Stille? Ob es ein besonders nervenzehrender, lauter, überfüllter, fremdgesteuerter, einseitiger Job oder es eine solche Beziehung ist, ob du zu wenige soziale Kontakte hast, unter deinem Singledasein leidest oder eher der Mülleimer für anderer Leute Agenda, Leben und Sorgen bist: Etwas im Leben führt dich dazu, dass Ruhe und Stille von deinem System Körper-Geist-Herz-Seele als nützlich und nötig empfunden wird. Dieses Etwas zu eliminieren oder sich dort zu sich und seinen Bedürfnissen zu bekennen, kann das Ruhe/Stille-Bedürfnis abklingen lassen.
- Wann tauchte dieses Bedürfnis zum ersten Mal auf (der früheste Zeitpunkt, an den man sich erinnern kann)? Ist es ein wiederkehrendes oder immer präsentes Bedürfnis bzw. ist man zum ersten Mal damit konfrontiert? Wenn etwas bereits da war, man es von früher kennt, zum Beispiel aus der Kindheit in bestimmten Situationen oder aus dem Studium/der Ausbildung, als man stark gestresst war oder von harten Arbeitstagen, an denen man über seine körperlich-geistigen Grenzen gegangen war, schließt auf Folgendes: Es ist ein vom System etabliertes Reaktionsmuster auf Stress. Dieser kann emotionaler, psychischer oder körperlicher Natur sein. Kennst du jedoch dieses Bedürfnis noch nicht und ist es jetzt erstmals aufgetaucht, so ist es wahrscheinlich, dass es ein Weg deines Systems ist, um auf etwas relativ Neues, Junges in deinem Leben zu reagieren, das an dir zehrt. Es kann eine Schwierigkeit deines Geistes sein, sich an das Neue anzupassen. Es kann aber auch aufzeigen, wie du mit Stress oder den Tiefen des Lebens umgehst (mit welcher Reaktion). War dieses Bedürfnis jedoch schon immer vorhanden, so ist es Charakter- bzw. Konstitutionsfrage. Dann kann es durchaus Hochempathie, Hochsensibilität bzw. -sensitivität oder -begabung sein. Besonders im letzten Fall spult sich ein Schema ab: Das normale Leben, das einfache und selbstbezogene, vereinte, menschliche Leben mit all seinen Facetten vom Saubermachen bis sozialem Kontakt wird als trennend und unwichtig empfunden. Doch hier greift die Psychologie herein und sagt: Wenn etwas zählt, dann dass man sein Leben (aus)lebt. Lebt man jedoch im Geiste, so wie Hochbegabte, dann gibt es Gedanken und Projekte, die wichtiger erscheinen als so mancher Lebensaspekt. Mit Leben ist alles gemeint: laute und stille Freude, laute und leise Bedürfnisse, Nachgeben, Durchsetzung und Konfrontationen, Harmonie und Disharmonie usw. Diesen Ansatzpunkt kann man auch verwenden, wenn man sich zu keiner dieser Kategorien zählt. Wo (in welchem Lebensbereich) gibt es ein Ungleichgewicht im Selbstausdruck, im Äußern deiner Bedürfnisse, im Erfüllen deiner Bedürfnisse?
- Welche anderen Bedürfnisse, die das Bedürfnis nach Ruhe/Stille auslösen, sind nicht erfüllt? Partnerschaft, soziale Kontakte (Freunde, Feiern, Treffen, vertrauensvolle Gespräche bzw. Ansprechpartner), Selbstausdruck in Hobbies und Leidenschaften, passendes Umfeld (lokal in Bezug zum Wohnort als auch der Familien-, Bekannten-, Freundes- und Kollegenkreis): All diese Bereiche geben uns etwas. Sollten sie jedenfalls. Sonst ist es verständlich, wenn wir uns nicht wohlfühlen und lieber unsere Ruhe erfahren möchten. Doch was sie uns geben (sollten), hat selten etwas mit Ruhe zu tun: Es ist wahrscheinlicher, dass es der Ausdruck und das Fühlen von Respekt, Teilhabe bzw. Mitgestaltungsraum, Zugehörigkeit, Ansehen, Anerkennung, Wahrgenommenwerden/ Aufmerksamkeit oder Zeit ist, um nur einige zu nennen. Sind diese nicht erfüllt, tendieren viele dazu, sich zurückzuziehen, weil sich ihre Art der Offensive als unwirksam herausgestellt hat.
Soziale Aspekte: Lärmbelästigung und ihre Folgen für die Gesellschaft
Bereits vor über 100 Jahren beklagte der deutsche Philosoph Theodor Lessing die Lärmbelastung in der Stadt. In seinem Buch Der Lärm. Eine Kampfschrift gegen die Geräusche unseres Lebens klagt Lessing über rasselnde Maschinen und Bäckerkarren, die ständig vorüber rollen. Er beschwert sich über die feilschenden Menschen in den Gassen, rammelnde Handwerker und sich prügelnde Kinder. Der Lärm raubt dem Autor Energie und Schlaf: „Alle seelische Kraft wird zur Überwindung dieser ewigen Spannungen verbraucht.
In einer Umfrage des Umweltbundesamts aus dem Jahr 2020 gaben 76 Prozent der Befragten an, sich in ihrem Wohnumfeld durch Straßenverkehr gestört oder belästigt zu fühlen. Für 57 Prozent sorgten Geräusche der Nachbar:innen für Beeinträchtigungen, gefolgt von Flug- und Schienenverkehr.
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