Die Nerven, ein 2010 gegründetes Postpunk-Trio aus Stuttgart, bestehend aus Julian Knoth, Max Rieger und Kevin Kuhn, hat sich mit deutschsprachiger Musik eine beachtliche Fangemeinde aufgebaut. Ihre Musik spricht nicht nur ein junges, rebellisches Publikum an, sondern findet auch Anerkennung im Feuilleton.
Gründung und frühe Jahre
Die Band entstand mit dem Ziel, möglichst lauten und energiegeladenen Krach zu erzeugen. Diese Energie entladen sie nicht nur in ihren Alben, sondern vor allem auch bei ihren intensiven Live-Shows.
Musikalische Entwicklung
Von "Out" zu "Fake"
Das Album „Out“ (2015) zeichnet sich durch eine gezügelte Energie aus, die sich in jedem Lied andeutet, aber erst nach und nach entlädt. Die Stücke mäandern auf unbehagliche Weise und erzeugen eine Spannung, die für die Band charakteristisch ist.
Vier Jahre nach „Fake“ erschien das selbstbetitelte „schwarze“ Album. „Fake“ bedeutete damals einen Bruch mit der musikalischen Komfortzone der Band und eine Steigerung ihrer Bekanntheit über Szenegrenzen hinaus. Gitarrist und Sänger Max Rieger war seitdem vor allem als Produzent für andere Musiker tätig. Die Nerven gingen den mit „Fake“ eingeschlagenen Weg konsequent weiter: Weg vom rohen Lärm, hin zu strukturierten Popsongs mit einem Sound irgendwo zwischen Post-Punk und New Wave.
Das "schwarze Album" (Die Nerven, 2022)
Die Ankündigung des selbstbetitelten Albums als „schwarzes“ Album deutete auf eine mögliche musikalische Neuausrichtung hin. Die radikale Zäsur blieb jedoch aus. Stattdessen setzten Die Nerven den mit „Fake“ eingeschlagenen Weg fort und entwickelten ihren Sound weiter. Waren sie schon grundsätzlich eher keine Band für Punk-Purist*innen, hat ihre Musik 2022 praktisch gar nichts mehr mit dem Genre zu tun.
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Auf ihrem fünften regulären Studioalbum verfeinern Max Rieger, Bassist und Sänger Julian Knoth und Schlagzeuger Kevin Kuhn ihren schon immer von Feedback und Hall dominierten Sound zu ihrer ganz eigenen Wall Of Sound. Erstmals war Rieger auch für Produktion und Mixing verantwortlich, was mutmaßlich zum noch einmal cleaneren, gleichzeitig aber auch flächigeren Klang geführt hat.
Ein Ungleichgewicht in der Band entstand aber zum Glück nicht, im Gegenteil: Das „schwarze Album“ klingt mehr denn je nach einer vereinten Band mit zwei sich ergänzenden Sängern. Erstmals singen Julian Knoth und Max Rieger gemeinsam und das auf gleich mehreren Songs. Das bereichert ihren Klangkosmos und verschafft einigen Songs zusätzliche Dynamik.
Die Nerven erzählen weiterhin keine kohärenten Geschichten, sie schaffen es aber, mit Slogans und Schlaglichtern in kürzester Zeit eine Stimmung zu erschaffen. Und die ist auf dem „schwarzen Album“ besonders düster. Nicht weil sie dramatische Bilder zeichnen würden, sondern weil sie das Leben der (mindestens) vergangenen zwei Jahre mit allen Verunsicherungen, wegbrechenden Zukunftsperspektiven und Beklemmungen nüchtern einfangen. Eine Zeile wie „Und ich dachte irgendwie / in Europa stirbt man nie“ bringt die langsam einsetzenden Zweifel an der Idee von dauerhaftem Frieden und Wohlstand in Europa auf den Punkt. Ähnlich eindrücklich ist es, wenn Rieger in „Keine Bewegung“ gegen eine Gitarrenwand ansingt: „Ich könnte überall hingehen, aber kann mich nicht bewegen.“ Überhaupt schwebt über dem Album ein Gefühl von Machtlosigkeit. Sei es gegenüber politischen Entscheidungen, Algorithmen oder der Marktlogik. Verstärkt wird es durch die musikalische Inszenierung, in der beide Sänger immer wieder gegen den beinahe übermächtigen Lärm ihrer Instrumente ansingen bzw.
"Wir waren hier" (2024)
Mit ihrem sechsten Studioalbum "Wir waren hier" treffen Die Nerven den Zahn der Zeit: Denn womit lässt sich das krisenhafte Weltgeschehen besser vertonen als mit sägendem Noise-Rock?! Das Trio um Max Rieger ist inzwischen froh, keine Achtzehn mehr zu sein, aber Die Nerven bewegen sich keineswegs selbstgerecht auf ausgetretenen Pfaden Richtung Rockstar-Ruhestand.
Um den ernüchternden Blick auf die Hinterlassenschaften der Menschheit gehe es allerdings durchaus. "Es ist das erste Album, das wir machen, das sich nicht so anfühlt wie unser letztes Album. Und das ist gut so."
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Die Songs schrieb die Band in einer vierwöchigen Session in einem ehemaligen Sterne-Restaurant am Stuttgarter Schlossgarten mit Blick auf die Oper. "Wir waren wieder alle gemeinsam in einem Raum, und plötzlich ging alles wieder wie von alleine", so die Beteiligten. Dadurch klingt "Wir Waren Hier" wieder sehr rauh und nahe an ihren explosiven Live-Auftritten.
"Wir haben uns verewigt in den Rissen der Welt", heißt es im Titelstück des Albums über einer glühenden Gitarrenwand: "Wir waren hier / Wir waren hier / Keine Pflanze, kein Tier war so wertvoll wie wir / Nach uns kommt die Sintflut / Wir fressen vorher alles auf". Die Schande der Verschwendung und der rücksichtslosen Vergiftung der Welt: das ist jetzt für DIE NERVEN ein Thema. Moralisieren wollen sie dennoch nicht: "Es gibt kein richtiges Leben im falschen", sagt die Band. Es sei ohnehin für einen Menschen unmöglich, alles richtig zu machen.
Stil und Einflüsse
Die Musik der Nerven ist vielschichtig und lässt sich nicht auf ein Genre reduzieren. Sie bewegen sich zwischen Post-Punk, New Wave und Noise-Rock, wobei sie Einflüsse von Bands wie Wipers, The Gun Club und Mission Of Burma verarbeiten. Ihr Sound ist geprägt von Feedback, Hall und einer „Wall Of Sound“-Ästhetik.
Mitglieder und ihre Projekte
Neben Die Nerven sind alle drei Bandmitglieder auch in anderen Bands und Projekten tätig:
- Max Rieger: Veröffentlicht Solo-Alben unter dem Pseudonym All Diese Gewalt und ist als Musikproduzent tätig.
- Kevin Kuhn: Ist Mitglied bei den Bands Karies, Wolf Mountains und Scharping.
- Julian Knoth: Unterhält die Band-Nebenprojekte Yum Yum Club und Peter Muffin.
Anerkennung und Erfolge
Die Nerven haben im Laufe ihrer Karriere zahlreiche Erfolge gefeiert und Anerkennung von Kritikern und Publikum erhalten. Ihr Album „Fun“ wurde vom Spiegel zu einer der bedeutendsten Platten des Jahrzehnts gekürt. Sie traten auf renommierten Festivals wie dem Roskilde Festival und dem Melt!-Festival auf und tourten durch Europa und Israel.
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