Wenn ein Kind an Epilepsie erkrankt, steht die ganze Familie vor einer Reihe unbekannter und oft verunsichernder Aufgaben. Obwohl Epilepsie eine häufig auftretende Erkrankung ist, ist das offene Gespräch darüber oft mit vielen Vorbehalten belastet. Gerade deshalb kann umfangreiches Wissen über die Krankheit und der Austausch mit anderen betroffenen Patienten und Familienangehörigen helfen, im Alltag besser mit der Epilepsie zurecht zu kommen. Um Betroffenen und ihren Familien den Umgang mit dieser Erkrankung zu erleichtern, gibt es verschiedene modulare Schulungsprogramme. Dieser Artikel gibt einen Überblick über Inhalte, Ziele und Angebote solcher Programme, insbesondere unter Berücksichtigung des "famoses"-Programms.
Was ist ein modulares Schulungsprogramm Epilepsie?
Ein modulares Schulungsprogramm Epilepsie ist ein strukturiertes Lernangebot, das in einzelne thematische Einheiten (Module) unterteilt ist. Diese Module vermitteln Wissen über Epilepsie, Diagnostik, Therapie und psychosoziale Aspekte der Erkrankung. Ziel ist es, Patienten und ihren Angehörigen ein besseres Verständnis der Epilepsie zu ermöglichen und ihnen Strategien für den Alltag an die Hand zu geben.
Zielgruppen modularer Schulungsprogramme
Die Zielgruppen modularer Schulungsprogramme sind vielfältig und reichen von Kindern und Jugendlichen mit Epilepsie über deren Eltern und Bezugspersonen bis hin zu Erwachsenen mit Epilepsie und Menschen mit zusätzlichen Lern- oder geistigen Behinderungen. Für jede Zielgruppe gibt es spezifische Programme, die auf ihre jeweiligen Bedürfnisse zugeschnitten sind.
- Kinder mit Epilepsie: Spezielle Programme wie "famoses" richten sich an Kinder im Alter von 6 bis 12 Jahren und vermitteln altersgerechtes Wissen über Epilepsie.
- Eltern von Kindern mit Epilepsie: Elternkurse, die oft parallel zu den Kinderkursen angeboten werden, informieren über die Erkrankung und geben praktische Tipps für den Umgang mit Epilepsie im Alltag.
- Jugendliche mit Epilepsie: Für Jugendliche gibt es spezielle Programme wie "Marsmomente", die auf der Lektüre des Jugendromans "Zurück vom Mars" aufbauen und altersgerechte Inhalte vermitteln.
- Erwachsene mit Epilepsie: Das modulare Schulungsprogramm Epilepsie (MOSES) richtet sich an Menschen mit Epilepsie ab 16 Jahren und deren Angehörige oder Bezugspersonen.
- Menschen mit Epilepsie und Lernschwierigkeiten: Das Programm PEPE ist speziell für Menschen mit Epilepsie und zusätzlicher Lern- und geistiger Behinderung konzipiert.
Inhalte modularer Schulungsprogramme
Die Inhalte modularer Schulungsprogramme sind vielfältig und umfassen in der Regel folgende Themenbereiche:
- Grundlagenwissen über Epilepsie: Was ist Epilepsie? Welche Ursachen und Formen gibt es? Was passiert bei einem epileptischen Anfall im Gehirn?
- Diagnostik: Welche Untersuchungen sind notwendig, um Epilepsie festzustellen? Wie wird die Epilepsieform bestimmt?
- Therapie: Welche Medikamente gibt es zur Behandlung von Epilepsie? Welche anderen Therapieformen sind möglich? Was kann man selbst tun, um die Wahrscheinlichkeit eines Anfalls zu reduzieren?
- Umgang mit Anfällen: Wie erkennt man einen Anfall frühzeitig? Was ist bei einem Anfall zu tun? Wie kann man sich und andere schützen?
- Alltagsleben mit Epilepsie: Wie wirkt sich die Epilepsie auf den Alltag aus? Welche Auswirkungen hat die Erkrankung auf Schule, Beruf, Freizeit und soziale Beziehungen? Welche Rechte und Ansprüche haben Menschen mit Epilepsie?
- Psychosoziale Aspekte: Wie geht man mit der Diagnose Epilepsie um? Wie spricht man mit anderen über die Erkrankung? Welche Unterstützung gibt es für Betroffene und ihre Familien?
Beispiele für modulare Schulungsprogramme
Es gibt eine Vielzahl von modularen Schulungsprogrammen für Menschen mit Epilepsie und ihre Angehörigen. Zu den bekanntesten Programmen gehören:
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- famoses (Modulares Schulungsprogramm Epilepsie für Familien): Dieses Programm richtet sich an Kinder mit Epilepsie im Alter von 8 bis 12 Jahren und deren Eltern. Es besteht aus zwei Teilen: einer Kinderschulung und einer Elternschulung.
- MOSES (Modulares Schulungsprogramm Epilepsie): Dieses Programm richtet sich an Erwachsene mit Epilepsie und deren Angehörige. Es umfasst neun Module, die in der Regel in Wochenendseminaren oder in Form von Seminarreihen angeboten werden.
- Marsmomente: Ein interaktives Programm für Jugendliche, das auf der Lektüre des Jugendromans "Zurück vom Mars" aufbaut.
- PEPE (Psycho-Edukatives Programm Epilepsie): Dieses Programm ist speziell für Menschen mit Epilepsie und einer zusätzlichen Lern- oder geistigen Behinderung konzipiert.
- Flip & Flap: Ein Schulungsprogramm für Schulkinder und Jugendliche mit Epilepsie und deren Eltern. Es gibt einen Kinderkurs für Kinder im Altern von 6 bis 11 Jahren und einen Jugendlichenkurs für Jugendliche im Alter von 12 bis 18 Jahren.
- Selbst-Handeln bei Anfällen: Das Programm, das aus 12 Arbeitsheften besteht, wurde entwickelt, um Menschen mit Epilepsie und/oder dissoziativen Anfällen, dabei zu unterstützen, selbst zu handeln und aktiv die eigene Gesundheit zu fördern.
- Bei Tim wird alles anders: Zu dem Kinderbuch „Bei Tim wir alles anders“ sind Schulungs- und Arbeitsmaterialien erschienen, die für Kinder im 4. - 6. Schuljahr vorrangig in der Schule, aber auch in anderen Kontexten eingesetzt werden können.
Das "famoses"-Programm im Detail
Im Rahmen des Schulungsprogramms famoses (modulares Schulungsprogramm Epilepsie für Familien) bieten die Ludwigsburger Kinderklinik und das Sozialpädiatrische Zentrum gemeinsam einen umfassenden Kurs für Kinder mit Epilepsie und deren Eltern an.
Zielgruppe: Das "modulare Schulungsprogramm Epilepsie für Familien - famoses" richtet sich an epilepsiekranke Kinder im Alter von 8 bis 12 Jahren sowie deren Eltern.
Aufbau: Das Programm besteht aus zwei Teilen: einer Kinderschulung für betroffene Kinder zwischen ca. 6 - 12 Jahren und einer Elternschulung. Die Kursangebote sind parallel gestaltet, können jedoch auch jeweils getrennt besucht werden. Eigenständige Schulungsteile existieren für Kinder und Eltern, welche unabhängig voneinander durchgeführt werden können.
Inhalte: Wichtige Inhalte des Programms sind: Vermittlung von Basiswissen über Epilepsie, Information über Diagnostik und Therapie sowie Beschäftigung mit psychosozialen Aspekten der Erkrankung. Vielfältige Adressen und Anlaufstellen zum Thema Epilepsie werden genannt. Das Programm umfasst 7 Unterrichtseinheiten für Kinder und 6 Unterrichtseinheiten für Eltern.
Durchführung: Es wird eine Gruppengröße von 6 Kindern bzw. 10 bis 15 Eltern empfohlen. Die Schulung wird von zwei in TTT-Seminaren geschulten Trainern durchgeführt.
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Materialien: Kinderkurshefte und Elternkurshefte sind im Handel frei erhältlich. Zudem werden Unterrichtsmaterialien bereitgestellt. Für den Kinderkurs werden Overheadprojektor bzw. Beamer und Laptop, Flipchart, Seile, Klemmmappen oder Schreibunterlagen, Klebepunkte, Wollfäden, Schablonen für Körperteile, große Papierbögen, Medikamentenschachteln/Probepackungen, Karteikarten mit Bilder von Organen zum Umhängen, Stempel und Stempelkissen benötigt. Für den Elternkurs wird ein Overheadprojektor bzw. Laptop benötigt.
Evaluation: Eine Evaluation des Programms liegt vor. Die subjektive Einschätzung der Schulung durch die Teilnehmer fiel positiv aus.
Anerkennung: Das Schulungsprogramm famoses ist als Patientenschulungsmaßnahme nach §43 Abs. 1 Nr. 2 SGB V anerkannt.
Bezugsquellen: Die Kinderkurshefte und Elternkurshefte sind im Handel frei erhältlich (siehe: „Bezugsquelle“). Die in der Schulung verwendeten Kursmaterialien können unabhängig von der Teilnahme an einer Schulung über den Bethel-Verlag bezogen werden (famoses. Ein Kurs Kinder mit Epilepsie, Bethel-Verlag, 3. veränderte Auflage 2024, Preis 16,90 Euro, ISBN: 978-3-935972-09-3 // famoses. Ein Kurs für Eltern von Kindern mit Epilepsie, Bethel-Verlag, 3.
Kursinhalte im Detail:
- Kinderkurs:
- Kennen lernen
- Basiswissen, Leben mit Epilepsie I (Du und deine Epilepsie)
- Basiswissen (Was ist Epilepsie?)
- Diagnostik (Auf der Suche nach Epilepsie)
- Therapie (Was hilft bei Epilepsie?)
- Leben mit Epilepsie II (Über Epilepsie sprechen)
- (Was es über Epilepsie noch alles zu entdecken gibt)
- Elternkurs:
- Kennen lernen, Leben mit Epilepsie I
- Basiswissen
- Diagnostik
- Therapie
- Prognose und Entwicklung
Im Kinderkurs begeben sich die Kinder auf eine virtuelle Schiffsreise und erwerben anhand unterschiedlicher Spiele Wissen über ihre Erkrankung. Die Teilnehmer üben im Rollenspiel ein, wie man andere Personen in angemessener Weise über ihr Krankheitsbild informiert. Auf Adressen von Selbsthilfeorganisationen wird verwiesen. Auch über andere Formen sozialer Hilfe (z.B. pädagogische Fördermaßnahmen, Schwerbehindertenausweis, Pflegestufe usw.) wird in einer Übersicht informiert.
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Qualitätsmerkmale von Schulungsprogrammen
Um sicherzustellen, dass ein Schulungsprogramm effektiv ist, sollte es bestimmte Qualitätsmerkmale erfüllen:
- Theoriegeleitet: Das Programm sollte auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren.
- Zielgruppenorientiert: Die Inhalte und Methoden sollten auf die Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe zugeschnitten sein.
- Interaktiv: Die Teilnehmer sollten aktiv in den Lernprozess einbezogen werden.
- Praxisorientiert: Die Inhalte sollten sich an den konkreten Problemen und Herausforderungen im Alltag orientieren.
- Evaluiert: Die Wirksamkeit des Programms sollte durch Studien belegt sein.
- Qualifizierte Trainer: Die Schulungen sollten von speziell ausgebildeten Trainern durchgeführt werden.
Train-the-Trainer-Seminare
Um die Qualität der Schulungsprogramme sicherzustellen, ist es wichtig, dass die Trainer entsprechend qualifiziert sind. Daher bieten viele Anbieter Train-the-Trainer-Seminare an, in denen die Teilnehmer lernen, wie sie die Schulungsprogramme professionell durchführen können. Die Teilnahme an einem Train-the-Trainer-Seminar (Grundkurs, Praxisteil, Aufbaukurs) ist oft Voraussetzung für die Durchführung der Schulungen. Ein Trainer sollte über Erfahrung im Umgang mit Kindern verfügen (im Fall von Kinderkursen).
Finanzierung von Schulungsprogrammen
Die Kosten für die Teilnahme an einem modularen Schulungsprogramm Epilepsie werden in der Regel von den Krankenkassen übernommen. Viele Programme sind als ergänzende Leistung zur Rehabilitation nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB V anerkannt, so dass die Kostenübernahme bei der gesetzlichen Krankenkasse beantragt werden kann. Es ist ratsam, sich vor der Teilnahme an einem Programm bei der Krankenkasse über die Kostenübernahme zu informieren. Bei einigen Programmen ist eine Eigenbeteiligung erforderlich.
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