Reizübertragung im Nervensystem: Eine einfache Erklärung

Die Reizübertragung im Nervensystem ist ein fundamentaler Prozess, der die Grundlage für unsere Wahrnehmungen, Gedanken und Handlungen bildet. Sie ermöglicht es uns, auf Reize aus unserer Umwelt zu reagieren und Informationen schnell und effizient im Körper zu verteilen. Dieser Artikel erläutert die Grundlagen der Reizübertragung auf verständliche Weise, von der Struktur der Nervenzellen bis hin zu den komplexen Mechanismen an den Synapsen.

Die Nervenzelle (Neuron): Baustein des Nervensystems

Unser Nervensystem besteht aus etwa 100 Milliarden Nervenzellen, auch Neuronen genannt, die miteinander vernetzt sind und so komplexe Rechenleistungen ermöglichen. Nervenzellen sind spezialisierte Zellen, die für die Aufnahme, Weiterleitung und Verarbeitung von Reizen aus der Umwelt verantwortlich sind.

Aufbau einer Nervenzelle

Ein Neuron besteht aus verschiedenen Abschnitten:

  • Zellkörper (Soma): Enthält den Zellkern und die wichtigsten Zellorganellen.
  • Dendriten: Antennenartige Fortsätze, die Reize von anderen Nervenzellen oder Sinneszellen empfangen. Sie bilden zusammen mit dem Zellkörper die Antennenregion des Neurons.
  • Axonhügel: Übergang zwischen Zellkörper und Axon; hier werden eintreffende elektrische Potenziale gesammelt und verrechnet.
  • Axon (Neurit): Langer Fortsatz, der elektrische Impulse (Aktionspotenziale) vom Zellkörper wegleitet.
  • Synaptische Endknöpfchen:Ende des Axons, wo die Erregungsübertragung auf andere Zellen stattfindet. Hier wird das elektrische Signal in ein chemisches Signal umgewandelt.

Funktion der einzelnen Zellbestandteile

Die Dendriten nehmen Reize auf und leiten sie zum Zellkörper weiter. Am Axonhügel werden die eingehenden elektrischen Potenziale gesammelt und summiert. Nur wenn eine bestimmte Potenzialschwelle überschritten wird, gibt der Axonhügel das elektrische Potenzial als Aktionspotential an das Axon weiter. Dies ist eine Art Schutzmaßnahme des Nervensystems, um eine Reizüberflutung zu verhindern.

Das Axon leitet die Aktionspotentiale zu anderen Nervenzellen oder Zielzellen (z.B. Muskelzellen). Um eine schnelle und verlustfreie Weiterleitung zu gewährleisten, ist das Axon isoliert. Die Axone im peripheren Nervensystem sind von Schwann-Zellen umhüllt, die eine isolierende Myelinscheide bilden.

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Die synaptischen Endknöpfchen am Ende des Axons sind für die Übertragung des Signals auf die nächste Zelle verantwortlich. Hier wird das elektrische Signal in ein chemisches Signal umgewandelt, indem Neurotransmitter freigesetzt werden.

Die Reizweiterleitung innerhalb der Nervenzelle: Das Aktionspotential

Die Erregungsleitung innerhalb der Nervenzelle, also der Weg eines Aktionspotenzials vom Axonhügel zu den synaptischen Endknöpfchen, ist ein bioelektrischer Prozess. Sie ermöglicht die neuronale Kommunikation durch die Übertragung elektrischer Signale.

Ruhepotential

Im Ruhezustand, wenn kein Reiz weitergegeben werden muss, weist das Neuron eine bestimmte Verteilung elektrischer Ladung auf: Im Zellinneren herrscht eine hohe Konzentration an Kaliumionen (K+) und organischen Anionen (z.B. Eiweiße), während außerhalb überwiegend Natrium- (Na+) und Chloridionen (Cl-) anzutreffen sind. Dadurch ergibt sich eine negative Ladung im Zellinneren im Vergleich zum Zelläußeren.

Dieses Ruhepotential wird durch verschiedene Transportmechanismen (Kaliumkanäle und Natrium-Kalium-Pumpen) aufrechterhalten. Die Natrium-Kalium-Pumpe ist entscheidend für die Aufrechterhaltung des Ruhepotentials. Dieser aktive Transport erfordert Energie in Form von ATP und wirkt dem passiven Einstrom von Na+-Ionen entgegen.

Aktionspotential

Wird ein Neuron durch einen Reiz aktiviert, kommt es zu einer kurzzeitigen Umkehrung der Ladungsverhältnisse an der Zellmembran. Natriumkanäle öffnen sich, und Natriumionen strömen in das Zellinnere. Dies führt zu einer Depolarisation, bei der das Zellinnere positiv geladen wird.

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Die Frequenz des Aktionspotentials und damit die Stärke des ursprünglichen Reizes wird durch die Konzentration der Neurotransmitter weitergegeben.

Saltatorische Erregungsleitung

Viele Axone im peripheren Nervensystem werden durch einen Mantel aus speziellen Zellen (Schwann-Zellen) elektrisch isoliert. Dabei entsteht keine durchgängige Umhüllung. Die Abschnitte, an denen das Axon frei liegt, werden Ranviersche Schnürringe genannt.

Die Myelinscheide Funktion spielt bei der Reizweiterleitung eine entscheidende Rolle. Diese Isolierschicht, die von Schwannschen Zellen gebildet wird, ermöglicht die saltatorische Erregungsleitung. An den Ranvierschen Schnürringen entstehen Aktionspotentiale, die von einem Schnürring zum nächsten "springen".

Diese saltatorische Erregungsleitung ermöglicht eine schnellere Übertragung von Nervensignalen, da die Erregung in Sprüngen von einem Schnürring zum nächsten weitergegeben wird.

Kontinuierliche Erregungsleitung

Axone ohne Myelinscheide, auch marklose Nervenfasern genannt, finden sich bei inneren Organen und Nozizeptoren (auch Schmerzrezeptoren genannt). Hier wird das Aktionspotential entlang des gesamten Axons fortgeleitet, ohne zu „springen“. Diese Methode ist energetisch aufwendiger als die saltatorische Erregungsleitung. Zudem macht das die Leitung langsamer als in myelinisierten Nervenfasern, ermöglicht aber eine genaue und graduelle Signalübertragung.

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Die Reizübertragung zwischen Nervenzellen: Die Synapse

Die Signalübertragung zwischen Nervenzellen erfolgt an speziellen Kontaktstellen, den Synapsen. Eine Synapse bildet das Verbindungsstück, über das eine Nervenzelle mit anderen Zellen (weitere Nervenzellen, aber auch Sinneszellen, Drüsenzellen, Muskelzellen) in Kontakt steht.

Aufbau einer Synapse

Eine Synapse besteht aus drei Hauptkomponenten:

  • Präsynaptische Membran: Membran des Endknöpfchens der sendenden Nervenzelle. Sie enthält Vesikel (Bläschen), die mit Neurotransmittern gefüllt sind.
  • Synaptischer Spalt: Schmaler Zwischenraum zwischen prä- und postsynaptischer Membran.
  • Postsynaptische Membran: Membran der empfangenden Zelle (Nervenzelle, Muskelzelle, etc.). Sie enthält Rezeptoren, an die die Neurotransmitter binden können.

Chemische Synapsen: Der häufigste Typ

Die meisten Synapsen im Nervensystem sind chemische Synapsen. Hier erfolgt die Signalübertragung durch Neurotransmitter, chemische Botenstoffe.

Ablauf der Reizübertragung an einer chemischen Synapse:

  1. Aktionspotential erreicht das Endknöpfchen: Das Aktionspotential depolarisiert die Membran des synaptischen Endknöpfchens.
  2. Calcium-Einstrom: Spannungsabhängige Calciumkanäle öffnen sich, und Calciumionen (Ca2+) strömen in das Endknöpfchen.
  3. Vesikelverschmelzung: Der Calcium-Einstrom löst die Verschmelzung der synaptischen Vesikel mit der präsynaptischen Membran aus.
  4. Neurotransmitter-Freisetzung: Die Neurotransmitter werden in den synaptischen Spalt freigesetzt.
  5. Bindung an Rezeptoren: Die Neurotransmitter diffundieren durch den synaptischen Spalt und binden an spezifische Rezeptoren auf der postsynaptischen Membran.
  6. Ionenkanalöffnung: Die Bindung der Neurotransmitter an die Rezeptoren führt zur Öffnung von Ionenkanälen in der postsynaptischen Membran.
  7. ** postsynaptisches Potential (PSP):** Durch den Ionenfluss ändert sich das Membranpotential der postsynaptischen Zelle. Es kann entweder zu einer Depolarisation (erregendes postsynaptisches Potential, EPSP) oder zu einer Hyperpolarisation (inhibitorisches postsynaptisches Potential, IPSP) kommen.
  8. Beendigung des Signals: Der Neurotransmitter wird entweder durch Enzyme abgebaut (z.B. Acetylcholinesterase spaltet Acetylcholin in Acetat und Cholin), wieder in die präsynaptische Zelle aufgenommen (Reuptake) oder diffundiert aus dem synaptischen Spalt.

Verschiedene Arten von Neurotransmittern:

Neben Acetylcholin gibt es eine Vielzahl weiterer Neurotransmitter im zentralen Nervensystem, wie beispielsweise Dopamin, Serotonin, Glutamat und GABA. Ihre Wirkungsweise ist je nach Zelltyp und Rezeptorfunktion unterschiedlich.

Elektrische Synapsen: Schnelle Signalübertragung

Elektrische Synapsen sind seltener als chemische Synapsen. Hier stehen Prä- und Postsynapse in direktem Kontakt miteinander. Durch den engen Kontakt von Prä- und Postsynapse findet die elektrische Erregungsübertragung verzögerungsfrei statt.

Die Übertragung der Erregung erfolgt an zwei eng aneinanderliegenden Membranen über spezielle Ionenkanäle, den Konnexionen. Es findet ein direkter Austausch von Ladungsträgern statt, die zur Erzeugung eines Aktionspotentials führen. Die Erregungsweiterleitung kann in beide Richtungen erfolgen.

Elektrische Synapsen finden sich überall dort, wo eine besonders rasche Reizübertragung notwendig ist, wie z. B. beim Lidreflex oder in den Herzmuskelzellen.

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