Gefäßmissbildungen des Gehirns und des Rückenmarks, bekannt als arteriovenöse Malformationen (AVM) oder Angiome, können eine erhebliche Bedrohung darstellen. Diese Anomalien können zu lebensbedrohlichen Blutungen und neurologischen Symptomen führen, die durch Gehirnschädigungen verursacht werden. Glücklicherweise gibt es verschiedene Behandlungsansätze, darunter neuroradiologische Kathetereingriffe. Dieser Artikel befasst sich eingehend mit dem venösen Angiom Kleinhirn, einer spezifischen Art von AVM, und beleuchtet seine Ursachen, Diagnose und verfügbare Behandlungsoptionen.
Was ist ein venöses Angiom?
Ein Angiom, medizinisch als arteriovenöse Malformation (AVM) bezeichnet, ist eine angeborene Gefäßmissbildung. Angiome entstehen durch angeborene funktionsgestörte Gefäße. Hier kommt es zu einem direkten Übergang von Blut einer Arterie in eine Vene, einem zum Herz hinführenden Blutgefäß. Sie bestehen aus einem Gefäßknäuel, dem allerdings die Muskelschicht fehlt. Hierdurch sind sie sehr dünn und können leicht platzen. Diese Kurzschlussverbindungen zwischen Arterien und Venen können im gesamten Gehirn und Rückenmark auftreten. Die Körperregion, in der sich diese Störung ereignet, wird Angiomnidus genannt.
Ursachen und Symptome
Häufig bleibt ein Angiom über Jahre hinweg unauffällig. Sie können jedoch eine Gehirnblutung oder epileptische Anfälle auslösen. Dabei wird dem umliegenden Gehirn Blut entzogen, was als sogenanntes Steal-Phänomen bezeichnet wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Angiom platzt, liegt bei etwa vier Prozent im Jahr. AVMs sind unter anderem deshalb potentiell gefährlich, weil sie Blutungen im Hirn nach sich ziehen können. Bestenfalls trägt der Patient leichte Defizite davon, schlimmstenfalls verstirbt er. Wenn eine AVM spontan blutet kann sie „symptomatisch“ werden, d.h. Beschwerden hervorrufen.
AVM können sich durch verschiedene Symptome bemerkbar machen, darunter:
- Kopfschmerzen
- Neurologische Ausfälle (z.B. Lähmungen, Gefühls- und Sprachstörungen, Gleichgewichtsstörungen, Sehstörungen)
- Krampfanfälle
- Hirnblutung
In einigen Fällen werden AVM auch zufällig bei einer Untersuchung entdeckt, beispielsweise im Rahmen einer Kopfschmerz- oder Epilepsie-Abklärung.
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Diagnose
Die Diagnose eines Angioms erfolgt in der Regel durch bildgebende Verfahren. Hierbei kommt vor allem die Angiographie als diagnostischer Standard zum Einsatz. Wenn der Verdacht auf eine Hirnblutung besteht, wird meist zuerst eine Computertomographie (CT) durchgeführt, gelegentlich auch mit einer Gefäßdarstellung (CT-Angiographie). Diese zeigen, ob es im Kopf geblutet hat, an welchem Ort und in welchem Ausmaß. Zeigt die CT dann nur eine Blutung und keine erklärende Erkrankung, kann zunächst eine MRT mit oder ohne Kontrastmittelgabe durchgeführt werden. Die MRT ermöglicht es auch, die Blutgefäße (MR-Angiographie) darzustellen und die Folgen älterer Blutungen (Blutabbauprodukte) zu erkennen. Die genaueste Methode zum Nachweis einer AVM ist jedoch die Digitale Subtraktionsangiographie (DSA).
Behandlungsmöglichkeiten
Die Therapiewahl hängt von vielen Faktoren ab. Prinzipiell ist eine Behandlung erforderlich, wenn die AVM durch eine Blutung entdeckt wurde, denn dann gilt es eine erneute Blutung unbedingt zu vermeiden. Zur Behandlung der AVM stehen drei Verfahren jeweils alleine oder in Kombination zur Verfügung:
- Neurochirurgische Operation: Hierbei wird das Angiom operativ entfernt. Die komplette AVM-Entfernung ist grundsätzlich das Therapieziel. Die Operation erfolgt mikrochirurgisch unter Zuhilfenahme modernster Neuronavigation, intraoperativem neurophysiologischem Monitoring sowie mit modernstem, semi-robotischem Operationsmikroskop und Endoskop.
- Katheterbasierte, endovaskuläre Embolisation: Bei diesem Verfahren werden die Hirnarterien von der Leiste oder vom Arm aus mit sehr feinen Kathetern aufgesucht. Wenn der Katheter unmittelbar am Nidus liegt, kann die Gefäßmissbildung mit einer zäh fließenden Flüssigkeit („Embolisat“, „Gewebeklebstoff“) ausgeschaltet oder der Zufluss reduziert werden. Therapieziel sollte immer der vollständige Verschluss des Nidus („Nest“) sein.
- Bestrahlung: Die Bestrahlung kann eingesetzt werden, um das Angiom zu verkleinern oder zu verschließen. Für eine Bestrahlung muss der Nidus klein genug sein (in der Regel nicht mehr als 2 cm Durchmesser). Leider muss man 2-3 Jahre warten, bis die Bestrahlung wirkt, in dieser Zeit besteht weiter das Risiko, dass es zu einer Blutung kommt. Ausserdem wirkt die Bestrahlung nicht in allen Fällen.
In vielen Fällen ist ein abgestuftes Vorgehen erforderlich, bei dem zunächst eine endovaskuläre Embolisation durchgeführt wird, gefolgt von einem neurochirurgischen Eingriff oder einer Bestrahlung.
Risiken der Behandlung
Die AVM-Behandlung hat große Fortschritte gemacht, neue Materialien und Techniken konnten Wirksamkeit und Sicherheit der Behandlung verbessern.
Beim therapeutischen Verschließen der AVM und der zuführenden Gefäße kann es zu Durchblutungsstörungen auch in anderen Gefäßen kommen. Dies kann zu vorübergehenden oder schlimmstenfalls bleibenden Störungen am Nervensystem führen (Schlaganfall). Auch kann es während oder nach der Behandlung zu einer Hirnblutung kommen, dies wird oft mit einer Umstellung der Durchblutung in der Umgebung der AVM erklärt. Das Komplikationsrisiko ist von unterschiedlichen Faktoren abhängig: Erkrankung (Eigenschaften der AVM), Behandler*in und Material sowie individuellen Risikofaktoren (Vorerkrankungen etc.).
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Da die Risiken einer jeden AVM-Behandlungmethode nicht unerheblich sind, entscheiden sich betroffene Personen nach eingehender Beratung oft für das vierte Behandlungskonzept: die alleinige Verlaufskontrolle mit MRT.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit
Ob und wie eine AVM zu behandeln ist, kann nur in enger Abstimmung verschiedener Fachdisziplinen entschieden werden. Hierzu gehören Neuroradiologie, Neurochirurgie, Neurologie und Strahlentherapie. Die enge Zusammenarbeit dieser Fachbereiche ermöglicht eine umfassende Bewertung der individuellen Situation und die Entwicklung eines maßgeschneiderten Therapiekonzepts.
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