Das venöse System des Gehirns ist ein komplexes Netzwerk von Blutgefäßen, das eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung der Gehirnfunktion spielt. Es transportiert sauerstoffarmes Blut und Stoffwechselprodukte aus dem Gehirn ab und sorgt so für eine effiziente Drainage und Homöostase. Dieser Artikel beleuchtet die Anatomie des venösen Systems des Gehirns, seine Funktion und seine klinische Bedeutung.
Einführung
Das Gehirn ist ein stoffwechselaktives Organ mit einem hohen Energiebedarf, aber einer begrenzten Speicherkapazität. Daher ist eine konstante und ausreichende Blutversorgung, der zerebrale Blutfluss (CBF), für seine Funktion unerlässlich. Der CBF wird durch einen komplexen Mechanismus reguliert, der als zerebrale Autoregulation bezeichnet wird. Diese Autoregulation ermöglicht es dem Gehirn, den CBF über einen weiten Bereich des systemischen Blutdrucks (50-180 mmHg) konstant zu halten.
Arterielle Versorgung des Gehirns
Die arterielle Versorgung des Gehirns erfolgt hauptsächlich durch zwei Hauptgefäßsysteme: die A. carotis interna (ACI) und die A. vertebralis.
A. carotis interna (ACI)
Die ACI versorgt den Großteil des vorderen Gehirns, einschließlich des Frontal-, Parietal- und anterolateralen Temporallappens, der Hypophyse und des Auges. Die ACI teilt sich in mehrere Segmente, die klinisch nach Bouthillier (1996) in sieben Abschnitte (C1-C7) unterteilt werden:
- C1 (zervikales Segment): Verläuft im Halsbereich.
- C2 (petröses Segment): Tritt durch den Canalis caroticus in den Schädel ein.
- C3 (Foramen-lacerum-Segment): Verläuft durch das Foramen lacerum.
- C4 (kavernöses Segment): Liegt im Sinus cavernosus und gibt Äste zur Hypophyse, zum Ganglion trigeminale und zur Dura mater ab.
- C5 (Klinoid-Segment): Durchbricht die Dura mater mediodorsal des Processus clinoideus anterior.
- C6 (ophthalmisches Segment): Abgang der A. ophthalmica, gemeinsamer Eintritt mit dem N. opticus in die Orbita.
- C7 (terminales Segment): T-förmige Verzweigung lateral des Chiasma opticum in die A. cerebri anterior (ACA) und A. cerebri media (MCA).
A. vertebralis und A. basilaris
Die A. vertebralis entspringt der A. subclavia, verläuft durch die Foramina transversaria der Halswirbel und tritt durch das Foramen magnum in den Schädel ein. Die beiden A. vertebrales vereinigen sich am Ponsunterrand zur A. basilaris. Aus der A. basilaris gehen die A. cerebelli inferior anterior (AICA), die Aa. pontis und die A. cerebelli superior (SUCA) hervor. Am Übergang von Pons und Mesencephalon teilt sich die A. basilaris in die beiden A. cerebri posteriores (PCA).
Lesen Sie auch: Diagnose und Management von Kleinhirn-Angiomen
Circulus arteriosus cerebri (Willis-Kreis)
Der Circulus arteriosus cerebri, auch Willis-Kreis genannt, ist ein arterieller Gefäßring an der Hirnbasis, der die ACI und das vertebrobasiläre System miteinander verbindet. Er besteht aus folgenden Hauptkomponenten:
- A. cerebri anterior (ACA)
- A. communicans anterior (ACoA)
- A. carotis interna (ACI)
- A. communicans posterior (PCoA)
- A. cerebri posterior (PCA)
Der Willis-Kreis ermöglicht eine Umverteilung des Blutflusses zwischen den Hemisphären und den verschiedenen Versorgungsgebieten des Gehirns. Dies ist besonders wichtig bei Gefäßverschlüssen, da der Kreis als Kollateralkreislauf fungieren und die Blutversorgung gefährdeter Hirnareale aufrechterhalten kann.
Venöses System des Gehirns
Im Gegensatz zum arteriellen System, das das Blut zum Gehirn transportiert, dient das venöse System dazu, das sauerstoffarme Blut und die Stoffwechselprodukte aus dem Gehirn abzutransportieren. Das venöse System des Gehirns besteht aus Hirnvenen und den Sinus durae matris.
Hirnvenen
Die Hirnvenen haben dünne Wände und keine Klappen. Sie verlaufen unabhängig von den Arterien und bilden ein oberflächliches und ein tiefes Venensystem.
- Oberflächliches Venensystem: Sammelt das Blut von der Hirnoberfläche und den Rindengebieten des Cerebrums und Cerebellums. Die oberflächlichen Venen münden in die Sinus durae matris.
- Tiefes Venensystem: Sammelt das Blut aus den tiefen Hirnstrukturen, wie den Basalganglien, dem Thalamus und dem inneren Marklager. Die tiefen Venen münden in die V. cerebri interna und die V. basalis (Rosenthal), die sich zur V. magna cerebri (Galeni) vereinigen. Diese mündet in den Sinus rectus.
Sinus durae matris
Die Sinus durae matris sind große, klappenlose venöse Blutleiter, die zwischen den Schichten der Dura mater verlaufen. Sie nehmen das Blut aus den Hirnvenen, der Orbita, dem Labyrinth und den Schädelknochen auf. Die wichtigsten Sinus sind:
Lesen Sie auch: Das ARAS System im Detail
- Sinus sagittalis superior: Verläuft entlang der Anheftungsstelle der Falx cerebri am Schädeldach und mündet in den Confluens sinuum.
- Sinus sagittalis inferior: Verläuft am unteren Rand der Falx cerebri und mündet in den Sinus rectus.
- Sinus rectus: Verläuft an der Anheftungsstelle von Falx cerebri und Tentorium cerebelli und mündet in den Confluens sinuum.
- Sinus occipitalis: Verlängert den Sinus sagittalis superior bis zum Confluens sinuum.
- Sinus transversus: Verläuft vom Confluens sinuum entlang der Ansatzstelle des Tentorium cerebelli bis zur Oberkante der Felsenbeinpyramide.
- Sinus sigmoideus: Setzt den Sinus transversus fort und verläuft S-förmig zum Foramen jugulare, wo er in die V. jugularis interna übergeht.
- Sinus cavernosus: Umgibt die Sella turcica und enthält die A. carotis interna und mehrere Hirnnerven.
- Sinus sphenoparietalis: Verläuft am hinteren Rand der Ala minor des Os sphenoidale zum Sinus cavernosus.
- Sinus petrosus superior und inferior: Verbinden den Sinus cavernosus mit dem Sinus sigmoideus bzw. der V. jugularis interna.
- Sinus marginalis: Umschließt das Foramen magnum ringförmig und verbindet den Sinus occipitalis mit dem Plexus venosus vertebralis internus.
Vv. emissariae
Die Vv. emissariae sind kleine Venen, die die Sinus durae matris durch Öffnungen im Schädel mit den Diploevenen und äußeren Kopfvenen verbinden. Sie ermöglichen einen Blutfluss in beide Richtungen und tragen so zum Ausgleich intrakranieller Druckschwankungen bei.
Venen des Rückenmarks
Das Rückenmark wird durch ein Netzwerk von longitudinal und transversal verlaufenden Venen versorgt. Das Blut wird über intramedulläre Venen in Vv. perimedullares auf die piale Oberfläche des Rückenmarks geleitet. Es bilden sich zwei durchgehende venöse Längsstämme, die V. spinalis anterior in der Fissura mediana anterior und die V. spinalis posterior im Sulcus medianus posterior. Aus dem pialen Venengeflecht wird das Blut durch Vv. radiculares in den Plexus venosus vertebralis internus und anschließend über Vv. intervertebrales in den Plexus venosus vertebralis externus weitergeleitet.
Klinische Bedeutung
Erkrankungen des venösen Systems des Gehirns können schwerwiegende Folgen haben, da sie den venösen Abfluss des Gehirns beeinträchtigen und zu erhöhtem intrakraniellem Druck, Hirnödemen und neurologischen Ausfällen führen können.
Sinusvenenthrombose (SVT)
Eine Sinusvenenthrombose ist eine seltene, aber potenziell lebensbedrohliche Erkrankung, bei der sich ein Blutgerinnsel in einem der Sinus durae matris bildet. Ursachen können Infektionen, hormonelle Faktoren, Traumata oder Gerinnungsstörungen sein. Die Symptome sind vielfältig und können Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Sehstörungen, Krampfanfälle und neurologische Ausfälle umfassen. Die Diagnose wird in der Regel durch Bildgebung, wie z. B. Magnetresonanztomographie (MRT) oder Computertomographie (CT) mit Kontrastmittel, gestellt. Die Behandlung umfasst in der Regel Antikoagulation, um die Ausdehnung des Thrombus zu verhindern und die Rekanalisierung des betroffenen Sinus zu fördern.
Sinus-cavernosus-Thrombose
Die Sinus-cavernosus-Thrombose ist eine spezielle Form der SVT, die den Sinus cavernosus betrifft. Sie ist oft mit einer Infektion im Gesichtsbereich (z. B. Furunkel, Sinusitis) verbunden, kann aber auch durch andere Faktoren verursacht werden. Die Symptome umfassen Kopfschmerzen, periorbitale Schwellung, Proptosis, Ophthalmoplegie (Lähmung der Augenmuskeln) und Visusverlust. Die Behandlung umfasst in der Regel Antibiotika zur Bekämpfung der Infektion und Antikoagulation zur Verhinderung der Thrombusausdehnung.
Lesen Sie auch: Visuelle Wahrnehmung erklärt
Meningeome
Meningeome sind Tumoren, die von den Meningen, den Hirnhäuten, ausgehen. Sie sind meist gutartig und langsam wachsend, können aber durch Kompression benachbarter Hirnstrukturen neurologische Symptome verursachen. Die Symptome hängen von der Lage des Tumors ab und können Kopfschmerzen, Krampfanfälle, Schwäche, Sensibilitätsstörungen oder Sehstörungen umfassen. Die Behandlung besteht in der Regel aus einer chirurgischen Entfernung des Tumors.
Meningitis
Meningitis ist eine Entzündung der Hirnhäute, die durch Bakterien, Viren oder andere Erreger verursacht werden kann. Die Symptome umfassen Fieber, Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit, Lichtscheu und Bewusstseinsstörungen. Die Diagnose wird durch eine Lumbalpunktion gestellt, bei der Liquor cerebrospinalis entnommen und untersucht wird. Die Behandlung hängt von der Ursache der Meningitis ab und kann Antibiotika, antivirale Medikamente oder andere Therapien umfassen.
Epidurale und Subdurale Hämatome
Epidurale Hämatome sind Blutungen zwischen der Dura mater und der Schädelkalotte, während subdurale Hämatome zwischen der Dura mater und der Arachnoidea mater lokalisiert sind. Beide Arten von Hämatomen entstehen in der Regel durch Traumata und können zu erhöhtem intrakraniellem Druck und neurologischen Ausfällen führen. Die Behandlung kann eine chirurgische Entlastung des Hämatoms erfordern.