Ein Angiom im Gehirn, auch als arteriovenöse Malformation (AVM) bekannt, ist eine angeborene Gefäßmissbildung, bei der Arterien und Venen eine Kurzschlussverbindung eingehen. Diese abnorme Verbindung führt zu einem Gefäßknäuel, in dem das Blut mit hoher Geschwindigkeit direkt in die Venen fließt, ohne die kleinen Gehirngefäße zu durchströmen. Etwa ein Mensch von 1.000 ist von einem Angiom betroffen.
Definition: Was sind arteriovenöse Malformationen?
Als arteriovenöse Malformationen werden abnorme Gefäßfehlbildungen bezeichnet, die meist angeboren sind und in allen Regionen des Gehirns vorkommen können. Sie bestehen aus einem Nidus (lat. = Nest) - quasi einem Gefäßknäuel - von zuführenden Gefäßen (Arterien) und abführenden Gefäßen (Venen). Aus diesem Grund ist u. a. der Blutfluss erhöht, woraus wiederum ein hohes kumulatives Risiko für Hirnblutungen resultiert. Die Häufigkeit dieser Erkrankung liegt bei 10 bis 18 Fällen pro 100.000 Einwohner. Symptome zeigen sich meist zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr.
Ursachen und Risikofaktoren
Angiome entstehen durch angeborene funktionsgestörte Gefäße. Hier kommt es zu einem direkten Übergang von Blut einer Arterie in eine Vene, einem zum Herzen hinführenden Blutgefäß. Die Körperregion, in der sich diese Störung ereignet, wird Angiomnidus genannt. Angiome bilden ein Gefäßknäuel, dem allerdings die Muskelschicht fehlt. Hierdurch sind sie sehr dünn und können leicht platzen. Die genaue Ursache von AV-Angiom und AV-Fistel ist nicht geklärt. Man differenziert jedoch zwischen angeborenen oder im Laufe des Lebens entstandenen Kurzschlussverbindungen zwischen Arterien und Venen. Vermutet werden zum einen genetische Ursachen, da sich familiäre Häufungen zeigen und zum anderen Fehler bei/während der Gefäßbildung bzw.
Symptome
Prinzipiell unterscheidet man zwischen symptomatischen und asymptomatischen arteriovenöse Malformationen. Es gibt also Krankheitsformen, die Symptome wie Kopfschmerzen verursachen, Anfallsleiden, neurologische Defizite, oder die bereits eine Hirnblutung ausgelöst haben. Häufig sind Kopfschmerzen, epileptische Anfälle und Lähmungen. Je nach Lokalisation der arteriovenöse Malformationen können auch Sprach- oder Gedächtnisleistungsstörungen vorhanden sein. Das mit über 50% am häufigsten auftretende Symptom ist eine Hirnblutung, intrazerebrale Blutung genannt. Das Risiko dafür wird in größeren Studien mit einer Blutungswahrscheinlichkeit von etwa 1 bis 2% pro Jahr angegeben.
Angiome sind meist angeborene Gefäßmißbildungen die im mittleren Lebensalter symptomatisch werden. Sie kommen sowohl im Gehirn als auch im Rückenmark vor. Es handelt sich dabei um eine Kurzschlußverbindung zwischen einer Arterie und einer Vene ohne zwischengeschaltetes Kapillarbett. Werden zu 50% durch Blutungen symptomatisch. Tatsächlich treten aber nur bei 1-3% pro Jahr Blutungen auf. 10-15 % der Blutungen sind tödlich. Seltener treten Krampfanfälle (30%) oder neurologische Störungen (15%) wie Lähmungen, Sprachstörungen, Sehstörungen, auf. Auch Allgemeinsymptome wie Kopfschmerzen, Wesensveränderung und Leistungsminderung sind zu beobachten. Ursache hierfür ist in der Regel die Veränderung der Hirndurchblutung. Durch den Kurzschluß zwischen Arterie und Vene ohne dazwischengeschaltetes Kapillarbett kommt es zu einem sehr hohen Blutdurchfluß.
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Werden Angiome festgestellt, handelt es sich zumeist um Zufallsfunde im Rahmen einer Kernspintomographie. Doch nicht immer macht ein Angiom durch Beschwerden wie Kopfschmerzen, fokale neurologische Symptome oder zerebrale Anfallsleiden auf sich aufmerksam.
Diagnose
Durch eine bildgebende Diagnostik lässt sich die arteriovenöse Malformation aufgrund ihrer Größe, der Lokalisation und Hämodynamik - damit ist die Dynamik des Blutflusses in Ihren Gefäßen gemeint - näher klassifizieren (Spetzler-Martin-Klassifikation). Durch diese medizinische Klassifikation wird das Ausmaß der Gefäßfehlbildungen in insgesamt 5 Schweregraden beschrieben. Nach dem individuellen Schweregrad richten sich auch die konkrete Therapieplanung bzw. Oft ist eine Computertomographie mit CT-Angiographie (CTA) für die Primärdiagnose ausreichend. Die Magnetresonanztomographie (MRT) dient der präzisen Lokalisationsdiagnostik des krankhaften Gefäßknäuels - hier geht es vor allem auch um den Bezug zu funktionell besonders relevanten Hirnregionen.
Wenn in der Notfalldiagnostik eine intracerebrale Blutung nachgewiesen wird, sollte bei Verdacht auf eine Gefäßmißbildung auch eine Kernspintomographie veranlaßt werden, in der man unter Umständen bereits das Angiom erkennen kann. In diesem Fall sollte dann eine Angiographie (Darstellung der Blutgefäße) erfolgen. Über die Leistenarterie wird ein Katheter bis zu den Halsschlagadern vorgeschoben, über den man dann Kontrastmittel zur Darstellung der Hirngefäße verabreichen kann.
Die Diagnose AV-Angiom bzw. AV-Fistel wird erst gestellt nach einer umfassenden neurologischen Untersuchung unter Zuhilfenahme bildgebender Verfahren wie MRT oder der Angiographie. In der MRT lassen sich Gefäße gut beurteilen. Alle Untersuchungen können in der Beta Klinik durchgeführt werden. Das Angiom kann mit Magnetresonanztomographie (MRT), Computertomographie (CT) und digitaler Subtraktionsangiographie (DSA) dargestellt werden.
Behandlung
Stets muss individuell und sehr sorgfältig abgewogen werden, welches Behandlungsverfahren zum Einsatz kommt. Für jedes Angiom planen wir die Behandlung in einem interdisziplinären Team aus Neurochirurgen, Neuroradiologen und ggf.
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Für eine Bestrahlung muss der Nidus klein genug sein (in der Regel nicht mehr als 2 cm Durchmesser). Leider muss man 2-3 Jahre warten, bis die Bestrahlung wirkt, in dieser Zeit besteht weiter das Risiko, dass es zu einer Blutung kommt. Ausserdem wirkt die Bestrahlung nicht in allen Fällen. Lassen sich das Angiom nicht alleine durch eine Embolisation verschliessen, müssen - wie erwähnt - weitere Therapieoptionen herangezogen werden.
Nicht immer ist eine Operation die beste Lösung, obwohl damit das Blutungsrisiko ausgeschaltet werden kann. Sanftere Therapien streben zunächst einen Verschluss der missgebildeten Gefäße an, eine sogenannte Embolisation. Diese kann per Gefäßkatheter direkt innerhalb der Gefäße erfolgen oder durch eine zielgenaue Bestrahlung.
Robotergeführte Cyberknife- & ZAP-X-Therapie: Hochpräzise mehr Sicherheit
Zu den möglichen Behandlungsverfahren zählt auch die hochmoderne, nicht invasive und robotergeführte Präzisionsbehandlung mit der CyberKnife-Therapie bzw. der ZAP-X-Therapie. Wir haben hier im ERCM bereits Hunderte Patientinnen und Patienten mit AV-Malformation behandelt, in vielen Fällen interdisziplinär mit unseren neurochirurgischen und neuroradiologischen Partnern. Eine innovative und effektive Behandlungsmöglichkeit stellt die robotergeführte, nicht invasive Präzisionsbehandlung mit der CyberKnife- oder ZAP-X-Therapie dar. Diese hochmoderne Methode kommt insbesondere bei schwer zugänglichen Gefäßfehlbildungen in Betracht. Aber auch eine Kombination mit einer Embolisation ist denkbar, vor allem wenn die vorhandene arteriovenöse Malformation nicht für eine Operation oder alleinige Embolisation infrage kommt bzw. Bei der robotergeführten Hochpräzisionsbehandlung einer CyberKnife- oder ZAP-X-Therapie bündeln sich Photonen hochfokussiert im Zentrum der Gefäßmalformation und bewirken somit langfristig einen Verschluss der krankhaften Gefäße.
Behandlung nach einer Angiomblutung
Wenn es bereits zu einer Blutung aus dem Angiom gekommen ist, ist die Behandlung des Angioms (AVMs) zur Verhütung einer erneuten Blutung nötig - sofern technisch eine Behandlungsmöglichkeit besteht.
Behandlungsmöglichkeiten ohne Blutung
AVMs werden auch ohne Blutung entweder als Zufallsbefund diagnostiziert oder weil sie mit klinischen Symptomen aufgefallen sind (Lähmungen, Sprach- Gefühls- und Sehstörungen). AVMs können auch epileptische Anfälle oder starke Kopfschmerzen verursachen. Bei zufällig gefundenen AVMs ist die Entscheidung zur Behandlung schwierig. Hierzu muss man berücksichtigen, dass nur etwa die Hälfte der AVMs jemals im Leben blutet. Selbst wenn eine Blutung eintritt, verbleibt keineswegs immer dauerhaft behindernde Beeinträchtig. Dennoch entschließen sich viele Patienten zu einer Behandlung, sofern das einzugehende Risiko als verhältnismäßig eingeschätzt wird. Voraussetzung zu einer Entscheidung, die von Patienten und Arzt nur nach sorgfältiger Abwägung getroffen werden kann, sind genaue Kenntnisse über die individuellen anatomischen Bedingungen der AVM und über die Art und Risiken der verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten.
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Wie wird behandelt?
Behandlungsziel ist die komplette Ausschaltung des AVMs aus dem Hirnkreislauf. Inkomplette Behandlungen bringen das operative Risiko mit sich, mindern aber wahrscheinlich nicht das Blutungsrisiko, dessen Beseitigung oberstes Ziel ist. Vollständige operative Entfernung mit neurochirurgischen Mitteln (meist angewendet bei kleinen AVM, die operativ gut zu erreichen sind). Vollständige Ausschaltung aus dem Kreislauf mit neuroradiologischen Verfahren durch Embolisation (meist angewendet bei kleinen AVM). Vollständige Beseitigung durch kombiniertes neuroradiologisches und neurochirurgisches Vorgehen. Dies ist das am häufigsten bei uns angewendete Verfahren, mit dem wir bei mehr als 400 Patienten Erfahrung gesammelt haben. Dieses Verfahren nutzt die methodischen Vorteile der kombinierten Spezialmethoden. Strahlenbehandlung („Strahlenchirurgie“) ist möglich, wenn die AVM nicht zu groß, aber für eine operative Behandlung ungünstig gelegen ist. Sie ist nicht immer erfolgreich, und es vergehen bis zur definitiven Ausschaltung der AVM u.U.
Neuroradiologische Vorgehensweise
Dieser Eingriff wird in Narkose durchgeführt. Zunächst wird die AVM genau dargestellt (linkes Bild). Anschließend wird die zughörige Halsschlagader mit einem Katheter (Schlauch) aufgesucht, durch den ein Mikrokatheter in die Blutadern im Kopf und schließlich die einzelnen Versorgungsgefäße der AVM vorgeführt wird. Anschließend wird ein Embolisat (z.B. Gewebekleber) in kleinen Portionen verabreicht, wodurch der Verschluss des Angioms angestrebt wird. Wenn die angiographische Kontrolle eine Ausschaltung belegt (mittleres und linkes Bild), werden die Kathetersysteme entfernt.
Weitere Behandlungsmethoden
- Embolisation: Durch die Embolisation wird oft nur ein Teilverschluß der Gefäßmißbildung erreicht, so dass in der Regel ein Kombinationsverfahren durch Embolisation und Operation angewandt wird. Zur Embolisation wird ein spezieller Klebstoff verwendet, wobei das sog.
- Operation: Ein größerer Erfolg verspricht die Operation, um ein Angiom endgütig auszuschalten. Schlagartig nach der Operation werden die umliegenden normalen Blutgefäße wieder normal und vermehrt durchblutet. Dies kann in seltenen Fällen zu einer Überlastung dieser Gefäße führen, welche dann platzen und eine Blutung auslösen können.
- Strahlentherapie: Dazu kommen endovaskuläre, operative und strahlentherapeuthische Verfahren in Betracht.
- Mikrochirurgische Operation: Bei einer mikrochirurgischen Operation eines AVM im Klinikum Stuttgart wird unter Zuhilfenahme der modernsten Neuronavigation (computergestütztes Verfahren zur millimetergenauen Orientierung während einer Operation am Gehirn), intraoperativem neurophysiologischem Monitoring sowie mit modernstem, semi-robotischem Operationsmikroskop und Endoskop das gefährliche Gefäßknäuel komplett entfernt. Durch die gezielte Schädeleröffung wird das Angiom schonend freigelegt, jedes einzelne zuführende Gefäß verschlossen und anschließend das nicht mehr durchblutete Gefäßknäuel entfernt. Die Resektionskontrolle erfolgt während der Operation mittels in dem Operationsmikroskop ebenfalls integrierte ICG-Angiographie. Abhängig von der Größe und Komplexität des Angioms können diese Eingriffe weit über zehn Stunden dauern und zählen zu den komplexesten Operationen am menschlichen Hirn.
Angiom vs. Aneurysma
Eine arteriovenöse Malformation ist im eigentlichen Sinne kein Tumor. Während Tumore aus Zellen bestehen, die sich unkontrolliert vermehren, sind arteriovenöse Malformationen vaskuläre Anomalien, übersetzt: aus angeborenen abnormen Blutgefäßen bestehend. Eine arteriovenöse Malformation ist ein Kurzschluss zwischen den kleinen Arterien und Venen der Hirngefäße. Ein Aneurysma ist eine Gefäßausbuchtung an einer Gefäßabzweigung, diese kann ebenfalls zu Hirnblutungen führen.
Als "Aneurysma" wird die Aussackung einer arteriellen Gefäßwand bezeichnet. Diese krankhaften Veränderungen zeichnen sich durch eine Schwäche der Gefäßwand aus, so dass diese einreißen kann - es kommt zu der sog. "Aneurysmaruptur" mit Austreten von Blut in den Subarachnoidalraum (Subarachnoidalblutung, kurz "SAB") oder in das Gehirngewebe selbst (Intrazerebrale Blutung). Man vermutet, dass es sich bei Hirnarterienaneurysmen um angeborene Defekte der Gefäßwand handelt, selten können diese von erworbener Natur sein.
Das Risiko einer Blutung ist bei einem Angiom höher als bei Aneurysmen. Auch die Behandlung ist deutlich aufwändiger. Schon allein deshalb sollte man sich einer Klinik anvertrauen, die das technische und personelle Know-how mitbringt, um derartige Eingriffe vornehmen zu können.
Risiko einer Blutung
Die Gefahr bei den Gefäßfehlbildungen liegt in einer Hirnblutung, die bei großen wie kleinen krankhaften Gefäßen auftreten kann. Je nach Ausmaß und Lokalisation der Blutung können lediglich Kopfschmerzen auftreten oder aber auch schwere neurologische Ausfallserscheinungen. Eine arteriovenöse Malformation kann rupturieren, wenn der Druck in den Blutgefäßen zu hoch wird, das passiert allerdings nur selten. Die Gefäßfehlbildungen sind in der Regel asymptomatisch oder haben nur geringfügige Symptome. Die meisten Betroffenen leben mit ihnen, ohne jemals eine Blutung zu erleben. Bei sehr kleinen Gefäßmalformationen ist das prinzipiell möglich, allerdings äußerst selten.
Im Fall einer Blutung kommt es auf Grund der Raumforderung durch die Blutung meist zu einer Bewusstseinstrübung bis hin zum akuten Koma. Oft sind die Patienten jünger und nicht selten sind Frauen in der Endphase der Schwangerschaft betroffen.
Leben mit einem Angiom
Eine arteriovenöse Malformation ist nicht bösartig, da sie keine Krebszellen enthalten. Sie sind jedoch abnormal und können gefährlich sein, da sie Hirnblutungen verursachen können. Bei solchen Gefäßfehlbildungen geht es also immer auch um das Risiko von Blutungen und neurologischen Symptome, nicht aber um ein bösartiges Wachstum.