Angiom im Gehirn: Ursachen, Diagnose und moderne Behandlungsmethoden

Viele Menschen leben unwissentlich mit einem Angiom im Gehirn. Jonas D. ahnte lange nicht, welcher Gefahr in seinem Kopf lauerte. Ein Angiom (AVM) ist eine Gefäßmissbildung, die jederzeit lebensbedrohliche Blutungen auslösen kann. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Symptome, Diagnose und modernen Behandlungsmethoden von Angiomen im Gehirn, um Betroffenen und Interessierten ein umfassendes Verständnis dieser Erkrankung zu ermöglichen.

Was ist ein Angiom?

Ein Angiom, auch arteriovenöse Malformation (AVM) genannt, ist eine angeborene Gefäßmissbildung, bei der es zu einer Kurzschlussverbindung zwischen Arterien und Venen kommt, vor allem im Gehirn und Rückenmark. Es handelt sich um ein Gefäßknäuel, dem die Muskelschicht fehlt, wodurch die Gefäße sehr dünn und anfällig für Rupturen sind. Angiome sind von gesundem Gehirn umgebene Gefäßknäuel. In solch einem Angiom fließt das vom Herzen kommende Blut mit hoher Geschwindigkeit direkt in die Venen - ohne dabei die kleinen Gehirngefäße zu durchströmen.

Arten von Angiomen

Man unterscheidet viele Arten von Angiomen, die sich auf Grund ihrer Herkunft in zwei Hauptgruppen aufteilen lassen:

  • Hämangiome: Dies sind gutartige Tumore der Blutgefäße, die meist angeboren sind und im Laufe der ersten Lebensjahre ohne Therapie wieder verschwinden. Umgangssprachlich werden sie auch Erdbeerflecken oder Blutschwämmchen genannt und können am Mund, an den Nieren oder in der Leber auftreten.
  • Gefäßmissbildungen: Diese Anomalien verschwinden im Laufe der Zeit nicht. Die häufigste Form ist die arteriovenöse Malformation (AVM), ein Kurzschluss zwischen Arterie und Vene. Dies birgt die Gefahr, dass das Gefäß reißt und es zu einer Blutung kommt, was insbesondere im Gehirn schwerwiegende Folgen haben kann. Zu den Gefäßmissbildungen zählen auch Kavernome (gutartige Gefäßmalformationen aus veränderten Venen, die bereits bei geringem Druck Blutungen auslösen können) und Portweinflecke (vermehrte und erweiterte feine Blutgefäße unterhalb der Oberhaut).

Ursachen und Risikofaktoren

Arteriovenöse Malformationen gelten grundsätzlich als angeborene Erkrankung. Angiome entstehen durch angeborene funktionsgestörte Gefäße. Hier kommt es zu einem direkten Übergang von Blut einer Arterie in eine Vene, einem zum Herz hinführenden Blutgefäß. Die Körperregion, in der sich diese Störung ereignet, wird Angiomnidus genannt.

Symptome

Ein AVM kann in allen Hirnregionen auftreten und sich auf unterschiedliche Weise bemerkbar machen. Prinzipiell unterscheidet man zwischen symptomatischen und asymptomatischen arteriovenösen Malformationen. Symptome zeigen sich meist zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr. Zu den häufigsten Symptomen gehören:

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  • Blutungen (ca. 50 Prozent): Eine Blutung ist das mit über 50% am häufigsten auftretende Symptom, intrazerebrale Blutung genannt. Das Risiko dafür wird in größeren Studien mit einer Blutungswahrscheinlichkeit von etwa 1 bis 2% pro Jahr angegeben. Die Wahrscheinlichkeit, dass so ein Angiom platzt, liegt bei vier Prozent im Jahr. Die Blutungsmortalität liegt dabei bei bis zu 30 Prozent. Die Blutungsrate nach einer Angiomblutung liegt im ersten Jahr bei 6 Prozent danach wieder bei rund 4 Prozent.
  • Epileptische Anfälle (ca. 30 Prozent): Sie können durch eine chronische Reizung des umliegenden Hirngewebes entstehen.
  • Neurologische Ausfälle oder Störungen (ca. 15 Prozent): Je nach Lokalisation der arteriovenöse Malformationen können auch Sprach- oder Gedächtnisleistungsstörungen vorhanden sein. Es kann zu Sehstörungen, Lähmungen, oder je nach Lage des Angioms zu anderen komplexen Funktionsstörungen des Gehirns kommen.
  • Unspezifische Symptome (ca. 3 bis 5 Prozent): Hierzu zählen Kopfschmerzen und Migräne.

In den letzten Jahren werden immer häufiger asymptomatische Angiome als Zufallsbefund diagnostiziert, wenn aus den verschiedensten Gründen eine Kernspintomographie-Untersuchung (MRT) des Gehirns vorgenommen wird.

Diagnose

Die Diagnose eines Angioms erfolgt in der Regel durch bildgebende Verfahren. Oft ist eine Computertomographie mit CT-Angiographie (CTA) für die Primärdiagnose ausreichend. Die Magnetresonanztomographie (MRT) dient der präzisen Lokalisationsdiagnostik des krankhaften Gefäßknäuels - hier geht es vor allem auch um den Bezug zu funktionell besonders relevanten Hirnregionen. Die Angiographie bestätigt die Diagnose. Bei dieser Katheter-Untersuchung werden unter Röntgenkontrolle kleinste Gefäßveränderungen sichtbar.

Durch eine bildgebende Diagnostik lässt sich die arteriovenöse Malformation aufgrund ihrer Größe, der Lokalisation und Hämodynamik - damit ist die Dynamik des Blutflusses in Ihren Gefäßen gemeint - näher klassifizieren (Spetzler-Martin-Klassifikation). Durch diese medizinische Klassifikation wird das Ausmaß der Gefäßfehlbildungen in insgesamt 5 Schweregraden beschrieben. Nach dem individuellen Schweregrad richten sich auch die konkrete Therapieplanung bzw.

Behandlung

Ziel der Behandlung ist die komplette Ausschaltung des AVMs aus dem Hirnkreislauf. Inkomplette Behandlungen bringen das operative Risiko mit sich, mindern aber wahrscheinlich nicht das Blutungsrisiko, dessen Beseitigung oberstes Ziel ist. Die Wahl der Behandlungsmethode hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie z.B. Größe, Lokalisation und Symptomatik des Angioms. Es gibt verschiedene Behandlungsansätze:

  • Beobachtung: Bei kleinen, asymptomatischen Angiomen kann zunächst eine Beobachtung erfolgen, um das Risiko einer Blutung besser einschätzen zu können.
  • Medikamentöse Therapie: Medikamente können zur Behandlung von Symptomen wie Kopfschmerzen oder epileptischen Anfällen eingesetzt werden.
  • Embolisation: Bei einer Embolisation werden Blutgefäße durch das Einbringen von klebstoffartigen Substanzen verschlossen. Die Zellen werden nicht mehr mit Blut versorgt und sterben ab. Dieser Eingriff wird in Narkose durchgeführt. Zunächst wird die AVM genau dargestellt. Anschließend wird die zughörige Halsschlagader mit einem Katheter (Schlauch) aufgesucht, durch den ein Mikrokatheter in die Blutadern im Kopf und schließlich die einzelnen Versorgungsgefäße der AVM vorgeführt wird. Anschließend wird ein Embolisat (z.B. Gewebekleber) in kleinen Portionen verabreicht, wodurch der Verschluss des Angioms angestrebt wird. Wenn die angiographische Kontrolle eine Ausschaltung belegt, werden die Kathetersysteme entfernt.
  • Operation: Vollständige operative Entfernung mit neurochirurgischen Mitteln (meist angewendet bei kleinen AVM, die operativ gut zu erreichen sind). Bei einer mikrochirurgischen Operation eines AVM wird unter Zuhilfenahme der modernsten Neuronavigation (computergestütztes Verfahren zur millimetergenauen Orientierung während einer Operation am Gehirn), intraoperativem neurophysiologischem Monitoring sowie mit modernstem, semi-robotischem Operationsmikroskop und Endoskop das gefährliche Gefäßknäuel komplett entfernt. Durch die gezielte Schädeleröffung wird das Angiom schonend freigelegt, jedes einzelne zuführende Gefäß verschlossen und anschließend das nicht mehr durchblutete Gefäßknäuel entfernt. Die Resektionskontrolle erfolgt während der Operation mittels in dem Operationsmikroskop ebenfalls integrierte ICG-Angiographie. Abhängig von der Größe und Komplexität des Angioms können diese Eingriffe weit über zehn Stunden dauern und zählen zu den komplexesten Operationen am menschlichen Hirn.
  • Strahlentherapie: Strahlenbehandlung („Strahlenchirurgie“) ist möglich, wenn die AVM nicht zu groß, aber für eine operative Behandlung ungünstig gelegen ist. Sie ist nicht immer erfolgreich, und es vergehen bis zur definitiven Ausschaltung der AVM u.U.
  • Kombinationstherapie: Vollständige Beseitigung durch kombiniertes neuroradiologisches und neurochirurgisches Vorgehen. Dies ist das am häufigsten angewendete Verfahren. Dieses Verfahren nutzt die methodischen Vorteile der kombinierten Spezialmethoden. Robotergeführte Cyberknife- & ZAP-X-Therapie: Hochpräzise mehr Sicherheit Eine innovative und effektive Behandlungsmöglichkeit stellt die robotergeführte, nicht invasive Präzisionsbehandlung mit der CyberKnife- oder ZAP-X-Therapie dar. Diese hochmoderne Methode kommt insbesondere bei schwer zugänglichen Gefäßfehlbildungen in Betracht. Aber auch eine Kombination mit einer Embolisation ist denkbar, vor allem wenn die vorhandene arteriovenöse Malformation nicht für eine Operation oder alleinige Embolisation infrage kommt bzw. Bei der robotergeführten Hochpräzisionsbehandlung einer CyberKnife- oder ZAP-X-Therapie bündeln sich Photonen hochfokussiert im Zentrum der Gefäßmalformation und bewirken somit langfristig einen Verschluss der krankhaften Gefäße.

Der Fall von Jonas D.

Jonas D. ist ein Beispiel dafür, wie Angiome im Gehirn behandelt werden können. Bei ihm wurde eine 6,5 Zentimeter große Arteriovenöse malformation im linken Schläfenlappen diagnostiziert. Nach einer Gehirnblutung wurde Jonas D. von Dr. Peter Kurucz operiert. Hirngefäßoperationen sind das Spezialgebiet des Oberarztes. Der komplexe Eingriff erfolgte in drei Sitzungen. Zwischen den Operationen verkleinerte Prof. Dr. Dr. Henkes das Angiom weiter durch endovaskuläre Eingriffe. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den beiden Kliniken war und ist ausgezeichnet. Nach den Operationen hätte er immer als erstes getestet, ob mit seinem Sprachzentrum noch alles stimmt, also ob er noch sprechen und lesen könne. Die Nachricht nach der dritten Operation, dass das Angiom nun vollständig entfernt werden konnte, überbrachte der Operateur, Oberarzt Dr. Kurucz dem Patienten. Der inzwischen 28-Jährige muss zwar noch zur Nachsorge ins Klinikum Stuttgart kommen, kann aber ansonsten wieder ganz normal leben.

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Spezialisten für die Behandlung von Angiomen

Spezialisten im Feld der Hämangiome sind Fachärzte der Dermatologie, da sich Hämangiome meistens in der Haut manifestieren. Sollte eine Entfernung des Hämangioms chirurgisch in Erwägung gezogen werden, sollen sich die Betroffenen an Fachärzte der Gefäßchirurgie wenden. Bei Angiomen im Kopfbereich sollten Fachärzte der Neurologie aufgesucht werden. Ist eine Entfernung nötig, kommen Neurochirurgen und Neuroradiologen ins Spiel.

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