Synapsen: Schaltstellen des Nervensystems und ihre Funktion

Damit der Mensch fühlen, handeln und denken kann, müssen die rund 86 Milliarden Neurone im menschlichen Gehirn ständig miteinander kommunizieren. Diese Kommunikation erfolgt über spezielle Kontaktstellen, die Synapsen genannt werden. Sie sind die zentralen Schaltstellen des Nervensystems und ermöglichen die Übertragung von Signalen zwischen Nervenzellen oder zwischen Nervenzellen und anderen Zellen, wie z.B. Muskelzellen.

Die Grundlagen der neuronalen Kommunikation

Innerhalb eines Neurons wird ein einkommendes Signal elektrisch weitergeleitet. Zwischen zwei Neuronen erfolgt die Signalübertragung in der Regel chemisch über Neurotransmitter. Vereinfacht gesagt besteht ein Neuron in der Regel aus dem Zellkörper und mehreren Verästelungen, die mit anderen Nervenzellen in Kontakt stehen und über die Informationen empfangen oder gesendet werden. Der sendende Fortsatz heißt Axon, er kann bis zu einem Meter lang sein. Die empfangenden Fortsätze nennt man Dendriten. Ein Neuron kann mit 100.000 bis 200.000 Fasern anderer Nervenzellen in Austausch treten.

Die elektrische Weiterleitung funktioniert nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip: Erst wenn die Stärke des Signals einen Schwellenwert übersteigt, wird im Axon das Aktionspotenzial generiert. Solange ein Neuron nicht „feuert“, befindet es sich im Ruhezustand. In dieser Phase herrscht an der Außenhaut der Zelle, der Membran, eine bestimmte Spannung, das Ruhepotenzial vor. Wird das Neuron entsprechend gereizt, etwa durch eine andere Nervenzelle oder einen sensorischen Input, entsteht an der Membran des Axons eine veränderte elektrische Spannung, die sich bis zu den Synapsen fortpflanzt. Man spricht vom Aktionspotenzial, das beim Menschen etwa eine Millisekunde andauert.

Das Aktionspotenzial: Der elektrische Impuls

Der Wechsel vom Ruhe- zum Aktionspotenzial erfolgt, indem bestimmte Ionen über die Zellmembran des Axons ein- und ausströmen. Im Ruhezustand sind mehr Kalium-Ionen im Inneren des Axons, während sich außerhalb mehr Natrium-Ionen befinden. Da Kalium-Ionen im Ruhezustand besser durch die Membran nach außen wandern können als Natrium-Ionen in die umgekehrte Richtung, herrscht an der Außenseite der Membran ein positiv geladenes Milieu, im Inneren der Zelle ein negatives. Dadurch entsteht eine Spannung über der Membran, die bei etwa -70 Millivolt liegt.

Kommt ein geeigneter Reiz, öffnen sich in der Membran kurzzeitig Ionen-Kanäle, über die sehr schnell positiv geladene Natrium-Ionen einströmen. Nun wird das Potenzial im Inneren positiver, mehr Kanäle öffnen sich, man spricht von einer Depolarisation. Nur wenn diese stark genug ist, sie also einen bestimmten Schwellenwert überschreitet, tritt das Aktionspotenzial als eine Art explosionsartige Umpolarisierung der Membran auf („Alles-oder-Nichts-Prinzip“).

Lesen Sie auch: Nervensystem und Synapsen

Während das Aktionspotenzial wie eine Welle das Axon entlangschießt, beginnt am Axonhügel nahe dem Zellkörper bereits die Repolarisation: Kalium-Ionen treten über sich jetzt öffnende eigene Kanäle nach außen, während sich die Natrium-Kanäle wieder schließen. Das Ungleichgewicht der Ladungen verringert sich, bis der Ruhezustand wieder erreicht ist. Im Folgenden sorgen dann aktive Natrium-Kalium-Pumpen dafür, dass die eingeströmten Natrium-Ionen wieder nach außen und die Kalium-Ionen nach innen transportiert werden.

Die Synapse: Schaltstelle der Informationsübertragung

Das Aktionspotenzial erreicht schließlich das Ende des Axons, das synaptische Endknöpfchen. Dies ist die Kontaktstelle zu einer anderen Nervenzelle. Die Synapsen sind die zentralen Schaltstellen der Informationsübertragung im Gehirn. Jede Nervenzelle hat bis zu 10.000 davon, im Extremfall sogar mehr als 100.000. Weil aber die synaptischen Endigungen der Senderzelle die Empfängerzelle nicht direkt berühren, bleibt ein winziger Spalt von 20 bis 50 Nanometern zwischen beiden. Um diese Barriere zu überwinden, nutzen die meisten Synapsen chemische Botenstoffe - wenngleich es auch einige gibt, die rein elektrisch arbeiten.

Chemische Synapsen: Die Übertragung mit Neurotransmittern

Bei chemischen Synapsen fusionieren nach der Ankunft eines Aktionspotenzials die so genannten synaptischen Vesikel - etwa 40 Nanometer kleine Bläschen - mit der Zellmembran und schütten Botenstoffe in den Spalt aus. Diese so genannten Neurotransmitter können den Spalt überqueren, der die präsynaptische von der postsynaptischen Zelle trennt. Die Empfängerzelle kann die Neurotransmitter über Rezeptoren aufnehmen und in ein elektrisches Signal, das postsynaptische Signal, übersetzen.

Am postsynaptischen Neuron gibt es kompetente Annahmestellen für die Information: die Rezeptormoleküle. Jeder Rezeptor ist auf einen bestimmten Neurotransmitter spezialisiert wie ein Schlüssel und ein passendes Schloss. Die Neurotransmitter erzeugen in der Empfängerzelle das so genannte postsynaptische Potenzial, eine Veränderung im Membranpotenzial des Neurons: Das chemische Signal wird also wieder in ein elektrisches zurückübersetzt. An einem Neuron können hunderte bis tausende solcher Synapsen anderer Nervenzellen angedockt sein.

Die Botschaft und Dringlichkeit eines Signals zeigt sich an der Anzahl und der Frequenz der Aktionspotenziale. Besonders starke Reize lösen besonders viele und dicht aufeinanderfolgende Aktionspotenziale aus. Pro Sekunde kann eine Nervenzelle bis zu 500mal feuern.

Lesen Sie auch: Wie Alkohol die Signalübertragung im Gehirn beeinflusst

Neurotransmitter: Botenmoleküle im Gehirn

Neurotransmitter sind chemische Botenstoffe, die für die Übertragung von Signalen zwischen Nervenzellen verantwortlich sind. Sie werden in den synaptischen Vesikeln gespeichert und bei Ankunft eines Aktionspotenzials in den synaptischen Spalt freigesetzt. Dort binden sie an spezifische Rezeptoren auf der postsynaptischen Membran und lösen eine Reaktion in der Empfängerzelle aus.

Es gibt eine Vielzahl von verschiedenen Neurotransmittern, die unterschiedliche Wirkungen haben können. Einige Neurotransmitter wirken erregend, indem sie die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die Empfängerzelle ein Aktionspotenzial auslöst. Andere Neurotransmitter wirken hemmend, indem sie die Wahrscheinlichkeit verringern. Die wichtigsten Neurotransmitter und ihre Wirkung sind in der folgenden Tabelle dargestellt:

NeurotransmitterVorkommen und WirkortWirkungstyp
AcetylcholinZNS der Wirbeltiere: neuromuskuläre Verbindungen im Skelettmuskel, Vegetatives Nervensystem: präganglionär sympathische Fasern und prä- und postganglionär parasympathische Fasernhauptsächlich erregend
Adrenalin, NoradrenalinWirbeltiere, Insekten, Ringelwürmer: Vegetatives Nervensystem: postganglionär sympathische Fasern, ZNS, PNSerregend und hemmend
DopaminWirbeltiere: ZNS, PNShauptsächlich hemmend
SerotoninWirbeltiere und Wirbellose: ZNS, Hirnstamm, Hypothalamuserregend und hemmend
GABAWirbeltiere, Krebstiere, Insekten: ZNS, neuromuskuläre Endplatte der Wirbellosenhemmend
GlutaminsäureWirbeltiere, Wirbellose: ZNS, neuromuskuläre Endplatte der Wirbellosenerregend
AsparaginsäureWirbeltiere, Wirbellose: ZNSerregend
Substanz PWirbeltiere: ZNS, PNSerregend, z. T. hemmende Modulation
EndorphineZNS, PNShemmend

Die Tabelle zeigt, dass manche Neurotransmitter sowohl erregend als auch hemmend wirken können. Grund dafür sind nicht die Eigenschaften des Transmitters, sondern die des Rezeptors. Die Neurotransmitter treten in Interaktion mit den Rezeptormolekülen, das heißt sie bilden einen Transmitter-Rezeptor-Komplex nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip. Agonisten sind dabei Substanzen, die stimulierend auf einen Rezeptor wirken, Antagonisten wirken hemmend. Rezeptoren besitzen eine bestimmte Selektivität und Affinität. An den Dendriten und den Zellkörpern der meisten Nervenzellen findet sich ein Gemisch aus hemmenden und erregenden Synapsen.

Elektrische Synapsen: Direkte Kommunikation

Neben chemischen Synapsen gibt es auch elektrische Synapsen. Bei dieser elektrischen Kommunikation zweier Zellen spielen so genannte ‚gap junctions‘ eine Rolle - aus Proteinen bestehende Kanäle, die die Zellflüssigkeiten von zwei Neuronen verbinden. So können elektrische Signale Ionenströme durch diese Kanäle ohne Umwege direkt von Zelle zu Zelle weitergeben. „Mit gap junctions kann man viele Zellen über eine größere Entfernung miteinander synchronisieren“, sagt Nils Brose, Direktor der Abteilung für Molekulare Neurobiologie am Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin. „Wenn eine Zelle ein Signal erhält, dann geht das gleich auf die anderen Zellen über, da sie wie Stecker und Steckdose miteinander verbunden sind.“ Das mobilisiert in kürzester Zeit größere Nervenzellgruppen. Obwohl das sehr effizient klingt, kommt diese rein elektrische Form der Weiterleitung eher bei einfacher entwickelten Tieren wie Krebsen vor, wo sie zum Beispiel schnelle Fluchtreaktionen steuern.

Die Dynamik der Synapsen: Lernen und Gedächtnis

Die Synapsen sind nicht nur statische Verbindungsstellen, sondern dynamische Strukturen, die sich im Laufe der Zeit verändern können. Diese Veränderung der synaptischen Verbindungen wird als synaptische Plastizität bezeichnet und ist die Grundlage für Lern- und Gedächtnisprozesse.

Lesen Sie auch: Wie Opiate Synapsen beeinflussen

Beim Lernen werden individuell und selektiv erworbene Informationen aus der Umwelt im Gedächtnis in abrufbarer Form gespeichert. Dies geschieht manchmal nur kurzfristig, manchmal auf Erfahrungen aufbauend, auch über längere Zeiträume hinweg, zum Teil sogar für das ganze weitere Leben. Lernen basiert dabei auf einer spezifischen Verstärkung von bestimmten Synapsen, an denen die Signalübertragung durch biochemische und strukturelle Modifikationen erleichert wird (Stichworte sind hier Langzeitpotenzierung und synaptische Plastizität). Plastische Synapsen verändern hierbei ihre Struktur und ihre Übertragungseigenschaften, was die Grundlage für Lern- und Gedächtnisprozesse ist. Manchmal bilden sich beim Lernen neue Synapsen oder nicht mehr gebrauchte Synpasen werden abgebaut.

Wie gut wir lernen und uns etwas merken können, ist dabei von Faktoren wie Aufmerksamkeit, Motivation und Belohnung abhängig. Dabei werden wichtige von unwichtigen Informationen getrennt. Im Gehirn gibt es keinen zentralen Ort, an dem Informationen gespeichert werden, aber der Hippocampus ist eine zentrale Schaltstelle für viele Gedächtnisinhalte.

Unser Gedächtnis wird einem bestimmten Hirnareal, dem Hippocampus, zugeschrieben. Bei Lernvorgängen kommt es hier zu funktionellen Veränderungen an bestimmten Synapsen, die dazu führen, dass die elektrischen Antworten in den Empfängerzellen stärker werden. Man kann sich das wie einen Trampelpfad durch den Wald vorstellen: Je häufiger er benutzt wird, desto leichter zugänglich wird er - man kann ihn leichter wiederfinden und sich immer besser auf ihm fortbewegen. Genauso kann er aber wieder zuwuchern, wenn er nicht gebraucht wird. Das passiert auch im Gehirn - Neues lernen lässt neue Verbindungen entstehen, werden sie nicht gebraucht, werden sie auch wieder abgebaut.

Synaptische Dysfunktion und neurologische Erkrankungen

Da die Synapsen eine zentrale Rolle in der neuronalen Kommunikation spielen, können Störungen ihrer Funktion zu einer Vielzahl von neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen führen.

Einige Beispiele für Erkrankungen, die mit synaptischen Dysfunktionen in Verbindung gebracht werden, sind:

  • Myasthenia gravis: Autoimmunerkrankung, die durch eine Produktion von Autoantikörpern gegen Acetylcholinrezeptoren auf der postsynaptischen Membran gekennzeichnet ist. Wenn die Rezeptoren blockiert sind, wird die Muskelkontraktion gehemmt. Betroffene berichten von Erschöpfung und Müdigkeit am Ende des Tages.
  • Parkinson-Krankheit: Neurodegenerative Erkrankung, bei der die Produktion von Dopamin durch Zerstörung der produzierenden Zellen in der Substantia nigra vermindert ist.
  • Autismus-Spektrum-Störung: Neurologische Entwicklungsstörung, die durch reduzierte soziale Fähigkeiten, eingeschränkte Interessen und soziale Interaktionen sowie sich wiederholende und stereotype Verhaltensweisen gekennzeichnet ist.
  • Chorea Huntington: Progressive neurodegenerative Erkrankung mit autosomal-dominanter Vererbung. Sie wird durch vervielfältigte CAG-Triplett-Wiederholungen (Cytosin-Adenin-Guanin) im Huntingtin-Gen (HTT) verursacht.
  • Schizophrenie: Schwere chronische psychische Störung, die durch psychotische Symptome, desorganisiertes Sprechen oder Verhalten, Affektverflachung, Avolition, Anhedonie und verminderte Aufmerksamkeitsfähigkeit gekennzeichnet ist.

Darüber hinaus können auch verschiedene Toxine die Funktion der Synapsen beeinträchtigen. Beispielsweise verhindert Tetanustoxin die Freisetzung des hemmenden Neurotransmitters GABA, was zu Muskelkrämpfen führt. Botulinumtoxin hingegen verhindert die Freisetzung von Acetylcholin, was zu Muskellähmung führt.

Psychoaktive Substanzen können an unterschiedlichen Stellen des Ablaufs eingreifen. Dazu gehören diverse Rauschmittel (Kokain, Ecstasy) und Medikamente (Antidepressiva, Beruhigungsmittel), aber auch Kaffee und Zigaretten. Manche Stoffe bewirken beispielsweise, dass die Neurotransmitter länger im synaptischen Spalt bleiben (indem ihr Abbau oder die Wiederaufnahme in die Senderzelle gehemmt werden). Das ist bei manchen Krankheiten, wie zum Beispiel bei Depressionen, erwünscht, da dort die Konzentration bestimmter Neurotransmitter zu niedrig ist.

tags: #synapsen #schaltstellen #des #nervensystems #funktion