Einleitung
Morbus Parkinson ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, von der weltweit Millionen Menschen betroffen sind. Charakteristisch für Parkinson ist der Verlust von dopaminergen Neuronen in der Substantia nigra, was zu den bekannten motorischen Symptomen wie Zittern, Muskelsteifheit und Bewegungsverlangsamung führt. Bisherige Behandlungen konzentrieren sich hauptsächlich auf die Linderung der Symptome, eine Heilung der Krankheit ist jedoch noch nicht möglich. Die Stammzelltherapie bietet hier einen vielversprechenden Ansatz, indem sie versucht, die zugrunde gegangenen Nervenzellen zu ersetzen und so die Ursache der Erkrankung zu bekämpfen.
Die Grundlagen der Stammzelltherapie bei Parkinson
Das Ziel der Stammzelltherapie bei Morbus Parkinson ist es, verloren gegangene Nervenzellen im Gehirn durch implantierte, funktionstüchtige Zellen zu ersetzen. Bei der Parkinson-Krankheit sterben Neuronen ab, die von der Substantia nigra ins Corpus striatum reichen und dort Dopamin freisetzen. Humane pluripotente Stammzellen stellen eine vielversprechende Option dar. Wenn es möglich wäre, bei Menschen mit Parkinson die abgestorbenen Dopamin produzierenden Neuronen zu ersetzen, könnte dies möglicherweise das Fortschreiten der Krankheit stoppen oder sogar Verbesserungen bewirken. Forscher arbeiten seit Jahrzehnten an solch einem Ansatz, der entweder auf embryonalen Stammzellen oder reprogrammierten adulten somatischen Zellen beruht.
Frühe Studien und Erkenntnisse
Forscher der Universität Lund haben in den späten 1980er und 1990er Jahren begonnen, Parkinson-Patienten mit embryonalen Stammzellen zu behandeln. Die klinischen Versuche wurden später aufgrund ethischer Hindernisse und unklarer Ergebnisse nicht weitergeführt, obwohl es bei einigen Patienten zu einer deutlichen Verbesserung der Symptome gekommen war. Dazu gehörte auch ein damals 59 Jahre alter Patient, dem mesenzephales Gewebe von vier menschlichen Embryonen an drei Orte des rechten Putamens transplantiert wurden. Der Patient, der vor der Operation unter L-Dopa bereits deutliche On-Off-Phänomene gezeigt hatte, was ein Versagen der Therapie anzeigt, erlebte nach der Operation eine deutliche Besserung. Über fast vier Jahre konnte er L-Dopa sogar absetzen. Eine Untersuchung mit der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) zeigte, dass das Gehirn zehn Jahre nach der Operation Dopamin produzierte. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Ärzte die Immunsuppression bereits abgesetzt.
Zwölf Jahre nach der Transplantation benötigte der Patient erstmals Dopamin-Agonisten, im 14. Jahr nach der Transplantation kam es zu einer deutlichen Verschlechterung der motorischen Symptome und erstmals auch zu kognitiven Störungen. Der Patient lebte dann noch zehn weitere Jahre. Er verstarb 24 Jahre nach der Transplantation an Herzversagen. Das Team um Olle Lindvall, der in den 1980er Jahren das Transplantationsprogramm aufgebaut hatte, konnte nach dem Tod das Gehirn des Patienten untersuchen. Die Pathologen konnten die drei Implantate lokalisieren. Die transplantierten Zellen hatten sich vollständig in das Netzwerk des Putamens integriert, schreibt Lindvall. Das Enzym Tyrosine-Hydroxylase, das im Gehirn Dopamin produziert, war immunhistochemisch im Transplantat nachweisbar, nicht aber auf der anderen nicht behandelten Seite des Gehirns. Lindvall geht deshalb davon aus, dass viele transplantierte Zellen bis zum Tod des Patienten überlebt haben. In 11 bis 12 Prozent der transplantierten Zellen fanden die Forscher jedoch Lewy-Körperchen. Es handelt sich um Ablagerungen des Proteins Alpha-Synuclein, die für die Parkinson-Erkrankung kennzeichnend sind. Lindvall vermutet, dass die Erkrankung im Verlauf der Jahre auf die transplantierten Zellen übergegriffen hat.
Aktuelle Forschung und klinische Studien
Nach langjähriger und intensiver Forschung begann vor kurzem in Japan die erste klinische Studie (first-in-human) zur Behandlung von Parkinson, bei der die abgestorbenen Dopamin produzierenden Nervenzellen der Patienten durch reprogrammierte Stammzellen ersetzt werden sollen. Die in der aktuellen Studie eingesetzten Zellen waren dopaminerge Vorläuferzellen, die aus einer klinisch validierten iPS-Zelllinie (induzierte pluripotente Stammzellen) gewonnen worden waren. Die Transplantate wurden bilateral ins Gehirn appliziert, wobei drei Patienten eine niedrige Dosis von 2,1 bis 2,6 Millionen Zellen/Hemisphäre und vier Patienten eine höhere Dosis von 5,3 bis 5,5 Millionen Zellen/Hemisphäre erhielten.
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Das primäre Ziel war es, die Sicherheit einer solchen Behandlung zu ermitteln. Während der Nachbeobachtungszeit von 24 Monaten zeigte keiner der sieben Patienten schwerwiegende Nebenwirkungen. Insgesamt wurden 73 unerwünschte Ereignisse registriert, die meist leicht bis moderat waren. Bildgebend (MRT, PET) traten weder Tumorwachstum noch Entzündungszeichen auf. Einzelfälle von Dyskinesien waren reversibel und traten ausschließlich während der sogenannten On-Zeiten auf. Das deutet darauf hin, dass die Dyskinesien nicht auf die Transplantation, sondern auf die Parkinson-Medikation der Patienten zurückzuführen waren, die diese während der Studie weiter einnahmen. Bei sechs der sieben Patienten wurde im Phase-II-Teil der Studie eine erste Wirksamkeitsbewertung vorgenommen. Die durchschnittlichen Veränderungen aller sechs Patienten betrugen 9,5 beziehungsweise 4,3 Punkte, was 20,4 beziehungsweise 35,7 Prozent für die Off- beziehungsweise On-Scores bedeutete. Bemerkenswert war, dass jüngere Patienten (< 60 Jahre) besser auf die Therapie ansprachen als ältere. Die jüngeren Patienten in dieser Studie hatten allerdings auch geringere Ausgangsscores, während die älteren Patienten mit fortgeschrittener Symptomatik nur geringfügig profitierten.
Im August dieses Jahres begann die erste klinische Studie zur Behandlung von Parkinson mit induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS). Insgesamt werden sieben Patienten rekrutiert. Der Ansatz des Teams um Jun Takahashi, einem Neurochirurgen am Zentrum für iPS-Zellforschung und Anwendung (CiRA) der Universität Kyoto, ist es, dopaminerge Vorläuferzellen aus iPS-Zellen zu generieren und die reprogrammierten Zellen anschließend im Rahmen eines chirurgischen Eingriffes in die Substantia nigra im Mittelhirn zu injizieren. Dazu werden zwei kleine Löcher in den Schädel des Patienten gebohrt und ca. 5 Millionen Zellen injiziert. Da die transplantierten Neuronen zunächst reifen und Millionen von Verbindungen im Gehirn erzeugen müssen, werden die ersten Erfolge der Behandlung frühestens sechs Monate nach der Operation erwartet. Im Gegensatz zur Behandlung der Symptome mit Medikamenten geht man jedoch davon aus, dass durch einen einmaligen Eingriff ein lebenslanger Nutzen erzielt wird, da sich die reprogrammierten Zellen stabil integrieren und dann Dopamin in situ produzieren können. Theoretisch wäre es auch möglich, patientenspezifische (autologe) iPS-Zellen zu erzeugen, aber die Herstellung von maßgeschneiderten iPS-Zellen wäre teuer und es kann einige Monate dauern, diese Zellen individuell zu produzieren. Daher entschieden sich die Forscher/innen iPS-Zellen von gesunden Spender/innen zu verwenden. Es wurde eine Zelllinie gewählt, bei der die Wahrscheinlichkeit einer Abstoßungsreaktion des Immunsystems gering ist, aber die Teilnehmer/innen der Studie erhalten vorsorglich trotzdem Immunsuppressiva.
Internationale Forschungsanstrengungen
Nicht nur in Japan arbeiten Forscher/innen seit Jahren an der Entwicklung von stammzellbasierten Behandlungen für Parkinson. Führende Forscher/innen aus dem Bereich (einschließlich Jun Takahashi) haben 2014 ein Konsortium namens "GForce-PD" gegründet, um gemeinsam Ansätze für die Klinik zu entwickeln. Auch Lorenz Studer vom Sloan Kettering Institut in New York, der seit mehr als 20 Jahren an der Parkinson-Krankheit arbeitet, wird ebenfalls bald eine klinische Studie zur Behandlung von Parkinson mit reprogrammierten Stammzellen beginnen. Im Gegensatz zu Jun Takahashis Ansatz werden jedoch dopaminerge Neuronen transplantiert, die aus embryonalen Stammzellen gewonnen wurden. Die Studie wird wahrscheinlich eine kombinierte Phase-I / IIa-Studie sein, basierend auf Vorversuchen in Mäusen, Ratten und Affen. Ergebnisse der laufenden klinischen Studie in Japan und weiterer geplanter Studien mit embryonalen Stammzellen werden in 2-3 Jahren erwartet; höchstwahrscheinlich gefolgt von klinischen Studien der Phase-II- und Phase-III. Das Hauptziel einer klinischen Phase-I-Studie besteht darin, zu zeigen, dass der Ansatz durchführbar und sicher ist.
Es wurde berichtet, dass Forscher/innen in Australien und China (die nicht Teil des GForce-PD Verbundes sind) bereits neuronale Vorläuferzellen aus embryonalen Stammzellen in die Gehirne von Parkinson Patienten injiziert haben. Forscher/innen des GForce-PD-Konsortiums äußerten jedoch Bedenken hinsichtlich der Sicherheit dieses Ansatzes, da nicht dopaminerge Vorläuferzellen, sondern neuronale Vorläuferzellen verwendet werden, d.h. es handelt sich um eine früheres Entwicklungsstadium der Zelle und sie können sich auch in einen anderen als den gewünschten Typ von Neuronen differenzieren und könnten gefährliche Mutationen akkumulieren. Darüber hinaus gibt es angeblich keine verlässlichen präklinischen Daten (peer-review) zu diesen Versuchen.
Herausforderungen und ethische Aspekte
Die Verwendung von embryonalen Stammzellen ist ethisch umstritten, da sie aus Embryonen gewonnen werden. Eine zweite Studie aus Japan setzte auf eine ethisch unbedenkliche Stammzellquelle: sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen, die aus Blutzellen eines einzigen Spenders gewonnen wurden. Aus diesen Stammzellen wurden Vorläuferzellen von Nervenzellen gezüchtet. Sie wurden sieben Parkinson-Patienten im Rahmen eines chirurgischen Eingriffs ins Gehirn injiziert, um verlorene Funktionen wieder herzustellen.
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Ein weiterer Nachteil der Stammzelltherapie ist, dass zumindest zeitweise Medikamente eingenommen werden müssen, die das Immunsystem unterdrücken (Immunsuppressiva). Im Falle der beiden Studien war es jeweils ein Jahr. Diese Medikamente verhindern, dass der Körper die transplantierten Zellen abstößt. Sie sind aber mit potentiell hohen Risiken verbunden und können Nebenwirkungen wie Übelkeit oder Gelenkschmerzen haben. In den beiden Studien konnten diese Nebenwirkungen aber meist gut kontrolliert und behandelt werden.
Monitoring und objektive Erfassung von Symptomen
Im Laufe der Zeit entwickeln etwa 50% der Menschen mit Parkinson nach fünf Jahren und sogar 90% nach zehn Jahren motorische und nicht motorische Symptomschwankungen unter einer konventionellen oralen Levodopa-Therapie. „Das Erfassen solcher Schwankungen in Relation zur Medikamenteneinnahme könnte zur Optimierung der Therapie beitragen“, so die Einschätzung von Prof. Storch, Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universitätsmedizin Rostock. Allerdings könnten bisherige Monitoring-Strategien zur Dokumentation des funktionalen Status, wie Tagebücher, Befragung der Patient:innen und ärztliche, lückenhaft sein. Daher untersuchte Storch in seiner Arbeitsgruppe im Rahmen einer prospektiven Studie (VALIDATE-PD), inwiefern eine sensorgestützte, kontinuierliche Dokumentation motorische Fluktuationen bei fortgeschrittener Parkinson-Erkrankung genauer erfasst als simultane Tagebuchdokumentationen von Betroffenen und Behandelnden. Die Dokumentation erfolgte mit einem Akzelerometer-System, einem kleinen Gerät ähnlich einer Smartwatch, um über einen bestimmten Zeitraum Daten zu sammeln. Das Ausmaß der Übereinstimmungen zwischen den Ergebnissen des Akzelerometer-Systems und den Tagebuchbewertungen über 2 Tage hinweg wurde statistisch ausgewertet.
Weitere Therapieansätze und Technologien
Anlässlich des Deutschen Kongresses für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG) 2024 in Rostock stellte Prof. Dr. Alexander Storch, 2. Vorsitzender der DPG und Kongresspräsident 2024, vielversprechende Ansätze vor, die an der Schwelle stehen zu weitergehenden klinischen Forschungsaktivitäten. So könnten beispielsweise Neuroprothesen bald die Parkinson-typischen Gangstörungen verbessern.
Erfreulich sind die ersten Erkenntnisse zur Implantation von epiduralen Elektroden (epidurale elektrische Stimulation, EES) bzw. einer Neuroprothese bei schweren Gangstörungen, wie Freezing of Gait. Die TEES (Targeted Epidural Spinal Stimulation) wurde anhand eines Primaten-Modells entwickelt und nun erstmals an einem 61-jährigen Parkinson-Patienten untersucht. Dieser Patient war bereits seit 30 Jahren an Parkinson erkrankt und entwickelte im Laufe der Zeit unter anderem ein schweres Freezing of Gait, das mehrfache Stürze pro Tag provozierte. Zur Reduktion seiner schweren motorischen Symptomlast wurden die TEES und etablierte Verfahren wie eine Tiefe Hirnstimulation im Nucleus subthalamicus angesetzt und seine dopaminerge Medikation optimal ausgeschöpft. „Mit diesem kombinierten Ansatz konnten wesentliche Gangparameter gebessert bis normalisiert werden. Seine Sturzfrequenz sank dramatisch, was sich ebenfalls positiv auf die Lebensqualität auswirkte. Die Symptome des Freezing of Gait waren mit TEES nahezu verschwunden“, zitierte Storch. Aktuell läuft eine größere Studie (STIMO-PARK, NCT04956770) zur Wirksamkeit der TEES über einen Follow-up-Zeitraum von drei Jahren.
Zukunftsperspektiven
Stammzellbasierte Ansätze für neurodegenerative Erkrankungen, insbesondere Zellersatztherapien für Parkinson, sind ein vielversprechender Ansatz. Mit der ersten auf iPS-Zellen basierenden klinischen Studie in Japan beginnt eine neuer und spannender Abschnitt, auch wenn es noch einige Jahre dauern wird, bis eine mögliche Behandlung für Parkinson wirklich marktreif ist und kommerzialisiert werden kann. Diese klinischen Studien sind jedoch wegweisend und werden zur Entwicklung neuer zellbasierter Behandlungen für Parkinson beitragen, die hoffentlich den Weg für weitere stammzellbasierte Therapien zur Behandlung anderer neurologischer Erkrankungen ebnen werden.
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Restaurative Therapien mittels Stammzelltransplantation erleben bei Parkinson laut Einschätzung von Storch derzeit eine Renaissance. Darunter scheinen Ansätze mit induzierten pluripotenten Stammzellen (iPSCs, Induced pluripotent stem cells) und insbesondere embryonalen Stammzellen die aussichtsreichsten Zellquellen zu sein. Als einen der klinisch am weitesten fortgeschrittenen Kandidaten für eine pluripotente Stammzelltherapie nannte der Experte Bemdaneprocel. Bisherige Ergebnisse aus einer Phase-I-Studie (NCT04802733) mit einer Nachbeobachtungszeit von mittlerweile 18 Monaten sind nach seiner Einschätzung ermutigend. In Bezug auf die Sicherheit wurde Bemdaneprocel bei allen 12 Probanden mit Parkinson in niedriger und hoher Dosis gut vertragen. Zudem konnte die OFF-Zeit reduziert und die ON-Zeit gesteigert werden, ohne dass Dyskinesien auftraten. Eine Phase-II-Studie zur weiteren klinischen Untersuchung von Bemdaneprocel wird noch in diesem Jahr mit der Rekrutierung von Studienteilnehmern beginnen.
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