Morbus Whipple: Neurologische Symptome, Diagnose und Therapie

Morbus Whipple ist eine seltene, infektiöse Multisystemerkrankung, die durch das Bakterium Tropheryma whipplei verursacht wird. Die Erkrankung manifestiert sich oft schleichend über Jahre hinweg und betrifft meist Männer mittleren Alters. Die Diagnose wird nicht selten erst spät gestellt, da die klinischen Manifestationen unspezifisch sind.

Erreger und Epidemiologie

Der Erreger des Morbus Whipple ist das aerobe, grampositive Stäbchenbakterium Tropheryma whipplei. Es gehört zur Ordnung der Actinomycetales und ist somit im weiteren Sinne mit den Strahlenpilzen verwandt. Tropheryma whipplei ist nahezu ubiquitär verbreitet und findet sich beispielsweise in Abwässern. Schätzungsweise 50 bis 70 Prozent der Bevölkerung tragen Antikörper gegen den Erreger in sich.

Obwohl etwa 4 % der Bevölkerung mit diesem Erreger kolonisiert sind, ist die Erkrankung sehr selten. Hauptsächlich betroffen sind Männer mittleren Alters kaukasischer Abstammung. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei etwa 55 Jahren. Anamnestisch besteht häufig ein enger Kontakt zu landwirtschaftlichen Betrieben mit Kontakt zu Tieren oder Fäkalien. In bisher bekannten Fällen waren Männer etwa dreimal so häufig betroffen wie Frauen, jedoch hat der Anteil an Frauen deutlich zugenommen, sodass das Verhältnis von Männern zu Frauen heute bei 2:1 bis 3:1 liegt oder sogar kein Unterschied in der Inzidenz zwischen Männern und Frauen mehr beobachtet wird.

Pathogenese

Da bis zu 35 % der Gesunden eine positive PCR auf Tropheryma whipplei im Speichel und 2-4 % eine asymptomatische Kolonisierung des Darmlumens aufweisen, bei bis zu 70 % der Bevölkerung IgG-Antikörper gegen Tropheryma whipplei nachweisbar sind und die Erkrankungsinzidenz äusserst niedrig ist, scheinen spezielle Wirtsfaktoren eine Voraussetzung für das Auftreten der Erkrankung zu sein. Hier bestehen Assoziationen zu unterschiedlichen Mechanismen der geschwächten Immunabwehr (HLA-Typen, downregulierte Zytokine, veränderte zelluläre Mechanismen der Immunantwort und weitere).

Generell findet die Übertragung von Mensch zu Mensch statt, am wahrscheinlichsten fäkal-oral. Eine akute «Primärinfektion» (Gastroenteritis, Pneumonie, Bakteriämie mit Husten) mit anschliessender Erregerpersistenz und «sekundärem» chronischem Stadium bei bestimmten Individuen mit oben genannten prädisponierenden Wirtsfaktoren wird diskutiert.

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Es wird angenommen, dass bei Betroffenen ein Defekt in der Immunabwehr vorliegt. Auch erbliche Veranlagungen könnten eine Rolle spielen. Makrophagen phagozytieren die Bakterien, können sie aber nicht abbauen. Die Bakterien verbleiben in der Schleimhaut und verursachen einen Lymphstau.

Klinik: Symptome des Morbus Whipple

Die Klinik der Infektion mit Tropheryma whipplei kann sehr unterschiedlich ausfallen. Es gibt akute Infektionen, die sich als Gastroenteritis, Pneumonie oder Bakteriämie mit Husten manifestieren und möglicherweise im Sinne einer «Primärinfektion» zu interpretieren sind, chronische Infektionen, welche isoliert das Endokard (häufigste Ursache der Blutkultur-negativen Endokarditis) oder das ZNS betreffen, und den «klassischen» Morbus Whipple.

Hauptsymptome

Die vier Hauptsymptome des Morbus Whipple sind:

  • Gelenkbeschwerden (Arthritiden und Arthralgien)
  • Chronische Diarrhö
  • Abdominalschmerzen
  • Gewichtsverlust

Meist gehen dem Vollbild des Morbus Whipple Arthralgien oder Arthritiden um Jahre voraus, wobei es sich grösstenteils um intermittierende, wandernde Arthritiden der grossen Gelenke handelt, die nicht mit Gelenkdestruktion oder Autoantikörperpositivität einhergehen (insbesondere Rheumafaktor- und anti-CCP-negativ). Es gibt aber auch Verläufe mit bilateralen, symmetrischen, als «seronegative» Polyarthritis imponierenden Gelenkmanifestationen sowie auch mit axialer Beteiligung oder sehr selten auch Verläufe, die an den Gelenken mit einer hypertrophen Osteoarthropathie gekennzeichnet sind. Durch eine Fehlinterpretation als «seronegative» (Autoantikörper-negative) rheumatoide Arthritis und eine in der Folge eingeleitete immunsuppressive Therapie kann der ansonsten möglicherweise Jahre dauernde uncharakteristische, bisweilen milde Verlauf zum Vollbild des Morbus Whipple beschleunigt werden.

Vergleichsweise viele Patienten leiden jedoch bereits Jahre vor Beginn der Darmbeschwerden an entzündeten, schmerzenden Gelenken (Arthritis).

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Weitere Symptome

Zusätzlich zu den Hauptsymptomen können folgende Beschwerden auftreten:

  • Fieber
  • Weitere Entzündungen
  • Neurologische Symptome
  • Vergrößerte Lymphknoten
  • Erhöhte Entzündungswerte im Blut
  • Anämie
  • Mangelzustände (Vitamine, Salze, Spurenelemente)
  • Herzmuskelentzündung (Endokarditis)

Grundsätzlich kann jedes Organ beim Morbus Whipple betroffen sein.

Neurologische Symptome

Auch das Gehirn kann von Morbus Whipple befallen sein. Neurologische Symptome der Erkrankung sind:

  • Gedächtnis-, Seh- und Bewegungsstörungen
  • Kopfschmerzen
  • Blicklähmungen
  • Unwillkürliche Muskelzuckungen
  • Kognitive Störungen
  • Depression

Sind Bereiche im Gehirn von der Krankheit betroffen, schlagen Antibiotika-Therapien oftmals schlechter an. Auch Jahre nach der Behandlung kann es zu einem Wiederaufflammen (Rezidiv) kommen, betroffen ist dann häufig das zentrale Nervensystem.

Diagnostik

Verdauungsbeschwerden, vergrößerte Lymphknoten und erhöhte Entzündungswerte im Blut können erste Hinweise auf Morbus Whipple liefern.

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Endoskopie und Biopsie

Diagnostisch ist eine Ösophagogastroduodenoskopie mit Dünndarmbiospsie wegweisend. Eine endgültige Diagnose wird mithilfe einer Spiegelung des Zwölffingerdarms gestellt, bei der in der Schleimhaut oft zahlreiche weißliche Lymphgefäße auffallen. Dabei kann die Diagnose histologisch anhand der pathognomonischen SPC-Zellen (Sickle Particle Containing cells) oder durch eine PCR erfolgen. Zum Ausschluss einer Mykobakteriose sollte eine Ziehl-Neelsen-Färbung durchgeführt werden. Bei Unsicherheiten wird zur Bestätigung eine PCR-Untersuchung empfohlen.

Die histologischen Veränderungen, eine Vermehrung von großen, zipflig ausgezogenen Makrophagen mit rundlichen Einschlüssen (früher als sickle particle containing [SPC]-Zellen bezeichnet), die in der PAS-Färbung rot aufleuchten, sind pathognomonisch für den Morbus Whipple (MW).

Laboruntersuchungen

Serologisch zeigt sich häufig eine Eisenmangelanämie sowie ein Vitaminmangel. Im Allgemeinen wird aktuell eher eine 14-tägige intravenöse antibiotische Therapie mit Ceftriaxon (2g/Tag), gefolgt von einer einjährigen Therapie mit Cotrimoxazol (960mg 2x/Tag), empfohlen. Alternativ zu Ceftriaxon kann auch Meropenem (3x 1g/Tag) eingesetzt werden. Andere Autoren empfehlen eine zwölfm…

Laboranalytisch zeigen sich oft unspezifische Veränderungen mit Erhöhung der Entzündungsparameter im Blut (CRP, BSG), mit Anämie, Leukozytose und Eosinophilie. Die antinukleären Antikörper, Anti-CCP-Antikörper und die Rheumafaktorbestimmung fallen im Allgemeinen negativ aus. Bei exsudativen Arthritiden weisen die gewonnenen Gelenkpunktate meist eine entzündliche Zellzahl (>2000 Zellen pro Mikroliter) auf.

PCR-Untersuchung

Hinsichtlich eines Screenings mittels Stuhl- und Speichel-PCR und ggf. PCR aus der Synovialflüssigkeit herrscht in der Literatur keine Einigkeit, insbesondere da ein asymptomatisches Trägertum recht häufig ist und rein anhand des Vorliegens positiver PCR-Ergebnisse aus Lunge oder Verdauungstrakt die Diagnose nicht gestellt werden sollte/darf. Es gibt Kollegen und Arbeiten (Puéchal et al 2013), die bei Verdacht auf eine Whipple-Erkrankung primär eine PCR-Untersuchung, wenn möglich aus mehreren Geweben (Speichel, Stuhl, Synovia), empfehlen und erst bei positivem PCR-Sample zur invasiveren Diagnostik (Endoskopie/Biopsie) schreiten.

Bei einer «seronegativen» Arthritis, welche nicht gut auf immunsuppressive Therapie anspricht, und abdominellen Symptomen (Diarrhö, Gewichtsverlust) sollte eine Ösophagogastroduodenoskopie mit multiplen Biopsien des Duodenums erfolgen.

Bei negativem Befund aus der Ösophagogastroduodenoskopie oder fehlenden abdominellen Symptomen kann auch eine PCR aus betroffenem Gewebe erfolgen (z.B. Lymphknoten, Synovialgewebe, resezierte Herzklappen, Liquor, Knochenmark). Es sollte hier in mindestens zwei Tests (PCR aus zwei verschiedenen Geweben oder PCR und Sequenzierung) ein positives Ergebnis vorliegen. Bei gastrointestinal gesicherter Diagnose eines Morbus Whipple ist immer eine PCR des Liquors zu empfehlen, da häufig ein asymptomatischer ZNS-Befall vorliegt (bis zu 40 %).

Therapie

Morbus Whipple ist in der Regel heilbar, wenn die Krankheit frühzeitig diagnostiziert und mit Antibiotika behandelt wird.

Antibiotische Therapie

Zur Therapie werden Antibiotika wie zum Beispiel Penicillin, Cephalosporin oder Cotrimoxazol eingesetzt. Kontrolluntersuchungen sollten im ersten Jahr nach 6 und 12 Monaten, im Weiteren jährlich über mindestens 3 Jahre, wenn möglich lebenslang, stattfinden. Die PAS-Positivität der Makrophagen (z.B. aus einer Duodenalbiopsie) kann lange bestehen bleiben. Histologisch ändert sich aber der Makrophagentyp. Die Persistenz einer positiven PCR in den Biopsien der intestinalen Mukosa ist ohne weitere Symptome/Befunde kein Hinweis auf ein Therapieversagen.

Im Allgemeinen wird aktuell eher eine 14-tägige intravenöse antibiotische Therapie mit Ceftriaxon (2 g/Tag), gefolgt von einer einjährigen Therapie mit Cotrimoxazol (960 mg 2x/Tag), empfohlen. Alternativ zu Ceftriaxon kann auch Meropenem (3x 1g/Tag) eingesetzt werden. Andere Autoren empfehlen eine zwölfm…

Bei zerebralem Befall sollte auch der begleitende Einsatz von Steroiden evaluiert werden, um ein Hirnödem zu behandeln bzw. den Hirndruck zu senken.

Therapien führen oft bereits nach wenigen Tagen zu einer Besserung der Darm- und Gelenksymptome.

Weitere Maßnahmen

Wenn Betroffene aufgrund der Darmbeschwerden Mangelzustände aufweisen, werden auch Vitamine, Salze und Spurenelemente verabreicht.

Komplikationen

Therapieresistenz und eine Neuinfektion bzw. ein Rezidiv bei bereits vorhandenen prädestinierenden Wirtsfaktoren sind mögliche Komplikationen. Bei initialem Ansprechen mit anschliessendem Wiederauftreten einer lokalen oder systemischen Entzündungsreaktion von mehr als einer Woche Dauer sollte auch an ein IRIS («immune reconstitution inflammatory syndrome») gedacht werden. Hiervon sind vor allem Patienten mit vorangehender immunsuppressiver Therapie sowie mit schwerem ZNS-Befall betroffen.

Es kann auch Jahre nach Therapie auftreten und mit Symptomen/Befunden wie Fieber, Polyarthritis, Orbitopathie mit Erblindung, Dünndarmperforation, hypothalamischem Syndrom, Erythema nodosum, Pleuritis, Meningitis, Hirnabszess und Endokarditis einhergehen. Nach Ausschluss anderer (meist infektiöser) Ursachen ist eine Therapie mit Steroiden Mittel der Wahl.

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