Multiple Sklerose: Informationen für Arbeitgeber

Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die viele Menschen betrifft. In Deutschland wird die Zahl der MS-Erkrankten auf rund 300.000 geschätzt, wobei jährlich etwa 15.000 Neuerkrankungen hinzukommen. Die Diagnose MS ist jedoch kein Grund, das Berufsleben aufzugeben. Viele Betroffene können weiterhin aktiv am Arbeitsleben teilnehmen, auch wenn die Erkrankung manchmal eines ihrer tausend Gesichter zeigt. Dieser Artikel soll Arbeitgebern Informationen und Hilfestellungen geben, um MS-Betroffene bestmöglich im Arbeitsumfeld zu unterstützen.

Offenlegung der MS-Diagnose

Ein wichtiger Aspekt im Umgang mit MS am Arbeitsplatz ist die Frage, ob und wann ein Mitarbeiter seine Diagnose offenlegen sollte. Grundsätzlich besteht keine Pflicht, den Arbeitgeber über eine chronische Erkrankung wie MS zu informieren. Es gibt jedoch Ausnahmen, insbesondere wenn die Sicherheit am Arbeitsplatz gefährdet ist oder die Arbeitsleistung beeinträchtigt wird.

Gründe für Offenheit

  • Anpassungen am Arbeitsplatz: Wenn sich der Gesundheitszustand verändert oder Anpassungen am Arbeitsplatz erforderlich sind, ist ein offenes Gespräch mit dem Arbeitgeber sinnvoll. Kleine Veränderungen am Schreibtisch, im Ablauf oder bei den Arbeitszeiten können den Arbeitsalltag erheblich verbessern.
  • Selbstfürsorge: Die Offenheit ermöglicht es, Rücksicht auf persönliche Bedürfnisse zu nehmen, wie die regelmäßige Einnahme von Medikamenten oder zusätzliche Pausen.
  • Authentizität: Das Verbergen der Erkrankung kann unnötige Energie und Stress verursachen. Offenheit ermöglicht es, authentisch zu sein und sich nicht ständig verstecken oder Ausreden erfinden zu müssen.
  • Soziale Unterstützung: Ein offenes Gespräch kann zu mehr Verständnis und Unterstützung durch Kollegen und Vorgesetzte führen und den Zusammenhalt fördern.
  • Veränderung bewirken: Die Offenheit kann dazu beitragen, das Tabuthema rund um das Arbeiten mit chronischen Erkrankungen zu brechen und eine Veränderung in der Arbeitskultur voranzutreiben.

Mögliche Bedenken und Umgang damit

  • Diskriminierung: Die Angst vor Diskriminierung ist verständlich. Trotz rechtlicher Schutzmaßnahmen können Vorurteile und Unverständnis bestehen. Es ist wichtig, sich seiner Rechte bewusst zu sein und sich bei Bedarf Unterstützung zu suchen.
  • Ungünstige Reaktionen: Manche Menschen reagieren möglicherweise anders als erhofft. Distanzierung, Unverständnis oder mangelndes Vertrauen können sich zeigen. Meist ist fehlendes Wissen über die Erkrankung der Auslöser für diese Reaktionen. Aufklärung und Information können hier Abhilfe schaffen.
  • Arbeitsplatznachteile: Trotz gesetzlicher Vorgaben gibt es Fälle, in denen Arbeitgeber Vorurteile gegenüber Menschen mit chronischen Erkrankungen haben. Es ist wichtig, sich nicht entmutigen zu lassen und für seine Rechte einzustehen.

Vorbereitung auf das Gespräch

Wenn die Entscheidung getroffen wurde, die MS-Diagnose am Arbeitsplatz offenzulegen, ist eine sorgfältige Vorbereitung wichtig:

  • Gründe klären: Überlegen Sie, warum Sie das Gespräch führen möchten. Hat sich Ihr Gesundheitszustand verändert, oder möchten Sie Anpassungen am Arbeitsplatz vornehmen?
  • Richtige Person auswählen: Entscheiden Sie, wem Sie von Ihrer Diagnose erzählen möchten. Sind Ihre Vorgesetzten oder Kollegen die richtigen Ansprechpartner?
  • Unterstützung in Betracht ziehen: Überlegen Sie, ob Sie jemanden zum Gespräch mitnehmen möchten, wie die Schwerbehindertenvertretung, den betriebsärztlichen Dienst oder Kollegen.
  • Zeitpunkt und Ort wählen: Wählen Sie einen geeigneten Zeitpunkt und Ort für das Gespräch, an dem ausreichend Zeit zur Verfügung steht.
  • Botschaft klar formulieren: Überlegen Sie sich, was genau Sie sagen möchten. Teilen Sie relevante Informationen über Ihre gesundheitliche Situation mit, insbesondere wenn dies Auswirkungen auf Ihre Arbeit hat.
  • Verständnis für mögliche Reaktionen entwickeln: Antizipieren Sie Fragen und Gefühle, die bei Ihrem Gesprächspartner auftauchen könnten.
  • Sich selbst informieren: Informieren Sie sich über Beratungs- und Unterstützungsangebote.

Rechte und Pflichten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern

Informationspflichten

Grundsätzlich muss ein Arbeitnehmer den Arbeitgeber nicht über eine chronische Erkrankung oder eine festgestellte Behinderung informieren. Allerdings sind Arbeitnehmer verpflichtet, alle Fragen des Arbeitgebers nach einer Schwerbehinderung oder Krankheit wahrheitsgemäß zu beantworten, soweit sie die Arbeits- und Einsatzfähigkeit betreffen. Dies gilt insbesondere, wenn durch eine krankheitsbedingte Beeinträchtigung die eigene Sicherheit oder die Sicherheit anderer gefährdet werden könnte.

Kündigungsschutz

Eine MS-Diagnose ist grundsätzlich kein Kündigungsgrund. Bei einem bestehenden Arbeitsverhältnis sind Arbeitnehmer nur dann verpflichtet, ihren Arbeitgeber über ihre MS-Erkrankung zu informieren, wenn ihre eigene Sicherheit am Arbeitsplatz oder die Sicherheit von Arbeitskollegen oder Dritten durch krankheitsbedingte Einschränkungen gefährdet ist.

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Ein erhöhter Kündigungsschutz besteht bei einer Schwerbehinderung von mindestens 50%. In diesem Fall ist eine Kündigung unwirksam, auch wenn der Arbeitgeber keine Kenntnis von der Schwerbehinderung hat. Allerdings kann der Arbeitgeber einen Antrag bei dem Integrationsamt stellen, um eine Erlaubnis zur Kündigung zu erhalten.

Anpassung des Arbeitsplatzes

Arbeitnehmer mit MS haben das Recht auf einen "leidensgerechten Arbeitsplatz". Das bedeutet, dass der Arbeitgeber im Rahmen seiner wirtschaftlichen Möglichkeiten verpflichtet ist, dem Betroffenen das Arbeiten so zu ermöglichen, wie es die Erkrankung erfordert. Dies kann beispielsweise durch einen höhenverstellbaren Schreibtisch, sonstige logistische Unterstützung oder längere Pausen geschehen. In größeren Betrieben gibt es oft einen Schwerbehindertenbeauftragten oder eine Personalvertretung, die bei der Anpassung des Arbeitsplatzes unterstützen können. Auch das Integrationsamt kann hierbei helfen.

Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)

Bei längerer Arbeitsunfähigkeit aufgrund von MS kann ein BEM durchgeführt werden. Hierbei wird gemeinsam mit dem Arbeitnehmer, dem Arbeitgeber und gegebenenfalls weiteren Beteiligten (z.B. Betriebsarzt, Schwerbehindertenvertretung) erörtert, wie die Arbeitsfähigkeit des Betroffenen wiederhergestellt und erhalten werden kann. Ziel ist es, die Arbeitsbedingungen und -abläufe so anzupassen, dass der Arbeitnehmer seine Aufgaben weiterhin bestmöglich erfüllen kann.

Unterstützungsmöglichkeiten für Arbeitgeber

Arbeitgeber, die Mitarbeiter mit MS beschäftigen, können verschiedene Unterstützungsleistungen in Anspruch nehmen:

  • Einarbeitungszuschüsse und Lohnzuschüsse: Zum Ausgleich von Minderleistungen können Arbeitgeber Einarbeitungszuschüsse oder Lohnzuschüsse erhalten.
  • Baumaßnahmen zur Herstellung der Barrierefreiheit: Für Baumaßnahmen, die zur Herstellung der Barrierefreiheit erforderlich sind, können Zuschüsse beantragt werden.
  • Hilfen für die technische Ausstattung des Arbeitsplatzes: Für die Anschaffung von Geräten oder Möbeln, die dem Behinderungsausgleich dienen, können Hilfen beantragt werden.
  • Beratung und Unterstützung durch das Integrationsamt: Das Integrationsamt bietet Arbeitgebern Beratung und Unterstützung in allen Fragen rund um die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung.

Barrierefreiheit und ergonomische Arbeitsplatzgestaltung

Eine barrierefreie und ergonomische Arbeitsplatzgestaltung ist für Menschen mit MS von großer Bedeutung.

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Barrierefreiheit

  • Erhöhte Mobilität: Barrierefreie Büros ermöglichen eine verbesserte Mobilität für Menschen mit MS, die möglicherweise auf Rollstühle, Gehhilfen oder andere Mobilitätshilfen angewiesen sind.
  • Angepasste Arbeitsplätze: Individuell angepasste Arbeitsplätze, die auf die Bedürfnisse von Menschen mit MS zugeschnitten sind, können den Komfort und die Produktivität erhöhen.
  • Sicherheit am Arbeitsplatz: Barrierefreie Büros sind oft sicherer für Menschen mit eingeschränkter Mobilität.

Ergonomische Arbeitsplatzgestaltung

  • Verbesserung der Sitzhaltung: Ergonomische Stühle und Möbel fördern eine korrekte Sitzhaltung, die die Wirbelsäule unterstützt.
  • Optimierung der Arbeitsumgebung: Eine gut gestaltete Arbeitsumgebung kann dazu beitragen, den Energieverbrauch zu minimieren und die Konzentration zu steigern.

Moderne Technologien

Moderne Technologien bieten eine Fülle von Hilfsmitteln für MS-Betroffene. Die Integration von sprachgesteuerter Software, die Text in gesprochene Worte umwandelt, oder umgekehrt, erleichtert die Kommunikation und den Zugang zu Informationen. Spezielle Tastaturen und Mäuse, die an die individuellen Bedürfnisse angepasst sind, können die Arbeit am Computer erheblich erleichtern.

Barrierefreie Kommunikation

Eine barrierefreie Kommunikation erleichtert den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit. Dies bedeutet nicht nur die Verwendung leicht verständlicher Sprache, sondern auch verschiedene Möglichkeiten der Interaktion, wie zum Beispiel die Verwendung von Textnachrichten, Sprache oder visuellen Elementen. Darüber hinaus sollten Meetings so gestaltet sein, dass sie für alle zugänglich sind. Auch kann es von Vorteil sein, wichtige Meetings aufzuzeichnen oder ein Protokoll im Nachgang an das Meeting zu versenden.

Pausen und Ruheräume

Die Bedeutung von Pausen und Ruheräumen für Mitarbeiter mit MS kann nicht genug betont werden. Arbeitgeber sollten nicht nur flexible Pausenregelungen ermöglichen, sondern auch spezielle Räume schaffen, in die sich Betroffene zurückziehen können.

  • Ermüdungsreduktion: Menschen mit MS neigen dazu, schneller müde zu werden.
  • Stressreduktion: Stress kann bei Menschen mit MS die Symptome verschlimmern.
  • Schmerzlinderung: MS kann mit verschiedenen Arten von Schmerzen einhergehen.
  • Verbesserung der kognitiven Funktionen: MS kann kognitive Beeinträchtigungen verursachen.
  • Flexibilität und Selbstmanagement: Durch die Möglichkeit, Pausen nach Bedarf einzulegen, erhalten die Mitarbeiter mit MS mehr Kontrolle über ihre Arbeitszeit.

Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)

Viele Unternehmen haben mittlerweile ein BGM etabliert. Leider werden manchmal die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen bei der Erstellung der Angebote vergessen. Hier kann es sinnvoll sein, mit den Betroffenen ins Gespräch zu gehen oder sich Unterstützung durch die Schwerbehindertenvertretung einzuholen.

Fazit

Ein erfülltes Berufsleben ist auch mit Multipler Sklerose möglich. Durch Offenheit, gegenseitiges Verständnis und die Bereitschaft, den Arbeitsplatz an die individuellen Bedürfnisse anzupassen, können Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam eine positive Arbeitsumgebung schaffen. Es ist wichtig, sich der Herausforderungen bewusst zu sein, aber auch die Chancen zu erkennen, die sich durch die Integration von Menschen mit MS ergeben. Arbeitgeber, die sich aktiv für die Belange ihrer Mitarbeiter mit MS einsetzen, tragen nicht nur zu deren Wohlbefinden bei, sondern profitieren auch von deren Engagement und Kompetenz.

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