Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS), die Gehirn und Rückenmark betrifft. Sie ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen, die zu Behinderungen im jungen Erwachsenenalter führen. Obwohl die MS nicht heilbar ist, sind die Behandlungsmöglichkeiten in den letzten Jahren erheblich verbessert worden. Viele Betroffene können heute ein aktives und erfülltes Leben führen.
Was ist Multiple Sklerose?
Multiple Sklerose ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das körpereigene Immunsystem fälschlicherweise das Myelin angreift, eine Schutzschicht um die Nervenfasern im Gehirn und Rückenmark. Diese Schädigung des Myelins führt zu Entzündungsherden (Plaques) und beeinträchtigt die Fähigkeit der Nerven, Signale effektiv weiterzuleiten. Die Folge sind vielfältige neurologische Symptome.
In Österreich sind etwa 14.000 Menschen von MS betroffen. Die Häufigkeit beträgt etwa 160 Personen pro 100.000 Einwohner. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, etwa zwei- bis dreimal so viele Frauen erkranken an MS.
Die MS ist eine Erkrankung, für die nicht nur eine Ursache verantwortlich ist, sondern sie kommt durch verschiedene Faktoren zustande. Ungefähr ein Viertel der Ursachen für die Multiple Sklerose ist angeboren, also genetisch bedingt. Es gibt aber auch Faktoren, die das Multiple Sklerose Risiko vermindern, beispielsweise ein hoher Vitamin D Spiegel und viel körperliche Bewegung, vor allem in der Jugend.
Formen der Multiplen Sklerose
Es gibt verschiedene Verlaufsformen der MS, die sich in ihrem Fortschreiten und den Symptomen unterscheiden:
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- Schubförmig-remittierende MS (RRMS): Dies ist die häufigste Form, bei der sich Schübe mit Phasen der teilweisen oder vollständigen Remission abwechseln. Während eines Schubs treten neue Symptome auf oder bestehende Symptome verschlimmern sich. In den Remissionsphasen stabilisieren sich die Symptome oder verbessern sich.
- Sekundär progrediente MS (SPMS): Bei einem Teil der Betroffenen mit RRMS entwickelt sich nach einem mehrjährigen Krankheitsverlauf ein sekundär progredienter Verlauf. Dabei kommt es zu einer kontinuierlichen Verschlechterung der neurologischen Funktionen, unabhängig von Schüben.
- Primär progrediente MS (PPMS): Diese Form ist seltener als die schubförmige MS und tritt bei etwa 10-15% der Betroffenen auf. Sie ist durch eine von Beginn an langsame, kontinuierliche Verschlechterung der Symptome gekennzeichnet, ohne deutliche Schübe.
- Klinisch isoliertes Syndrom (KIS): Das KIS stellt ein Anfangsstadium der MS dar. Es liegt vor, wenn ein Mensch einen Krankheitsschub mit MS-typischen Beschwerden hat, sonst aber keine weiteren Kriterien für eine MS-Diagnose erfüllt.
- Radiologisch isoliertes Syndrom (RIS): Werden Läsionen, die typisch für eine Multiple Sklerose sind, zufällig auf MRT-Aufnahmen entdeckt, die aus einem anderen Grund angefertigt wurden, handelt es sich um ein radiologisch isoliertes Syndrom (RIS).
Leichte Form der Multiplen Sklerose: Symptome und Anzeichen
Die Multiple Sklerose ist die "Krankheit der 1000 Gesichter", da sie sich bei jedem Menschen anders äußert. Die Symptome hängen davon ab, welche Bereiche des Gehirns und Rückenmarks von den Entzündungsherden betroffen sind. Bei einer leichten Form der MS können die Symptome subtil sein und den Alltag nur geringfügig beeinträchtigen. Es ist wichtig zu beachten, dass auch leichte Symptome auf MS hindeuten können und eine frühzeitige Diagnose und Behandlung entscheidend sind, um das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen.
Ein Schub dauert mindestens 24 Stunden, das heißt einen Tag. Es gibt leichte Schübe und es gibt schwere Schübe. Leichte Schübe sind beispielsweise Gefühlsstörungen, die einen Arm oder ein Bein betreffen und die einen im Alltag nicht unbedingt beeinträchtigen müssen. Man muss nicht jeden Schub zwangsweise mit Cortison behandeln. Bei leichteren Schüben, insbesondere wenn man im Alltag nicht beeinträchtigt ist, kann man durchaus abwarten.
Zu den häufigsten Symptomen einer leichten MS gehören:
- Sensorische Störungen:
- Gefühlsstörungen: Kribbeln, Taubheitsgefühle oder Brennen in Armen, Beinen oder im Gesicht. Diese Empfindungsstörungen (Parästhesien) können leicht sein und nur vorübergehend auftreten. Menschen mit MS können Berührungen entweder verstärkt (Hyperästhesie) oder vermindert spüren (Hypästhesie). Andere Betroffene empfinden ein Kribbeln, als ob Ameisen durch den Körper laufen würden, Brennen oder Taubheit. Manche berichten auch über das Gefühl von „pelzigen“ Händen oder Fußsohlen, zum Teil verbunden mit der Wahrnehmung, wie auf Watte zu gehen. An den Gelenken kann sich die Empfindungsstörung zudem wie eine Schwellung anfühlen.
- Sehstörungen: Verschwommenes Sehen, Doppeltsehen oder Schmerzen bei Augenbewegungen. Eine Sehnerventzündung (Optikusneuritis) kann zu einer vorübergehenden Sehverschlechterung führen, die sich wie ein Blick durch ein Milchglas anfühlt.
- Motorische Störungen:
- Muskelschwäche: Leichte Schwäche in einem Arm oder Bein, die sich z.B. beim Gehen oder Greifen bemerkbar macht.
- Koordinationsprobleme: Schwierigkeiten beim Halten des Gleichgewichts oder bei der Ausführung präziser Bewegungen.
- Kognitive Beeinträchtigungen:
- Konzentrationsschwierigkeiten: Probleme, die Aufmerksamkeit auf eine Aufgabe zu richten oder sich zu konzentrieren.
- Gedächtnisprobleme: Schwierigkeiten, sich an Dinge zu erinnern oder neue Informationen zu behalten.
- Verlangsamte Informationsverarbeitung: Es kann länger dauern, Informationen zu verarbeiten und Entscheidungen zu treffen.
- Fatigue:
- Abnorme Tagesmüdigkeit: Ein Gefühl von Müdigkeit und Erschöpfung, das auch nach ausreichend Schlaf nicht verschwindet. Die Müdigkeit, die abnorme Tagesmüdigkeit oder Fatigue wird von vielen MS Betroffenen, als das am meisten einschränkende Symptom berichtet. Bei Erwachsenen zeigt sie sich beispielsweise darin, dass man nicht mehr im Stande ist, einen achtstündigen Arbeitstag durchzuhalten. Es kann auch eine körperliche Ermüdung stattfinden, eine muskuläre Ermüdung.
- Andere Symptome:
- Schmerzen: Schmerzen können in verschiedenen Formen auftreten, z.B. als neuropathische Schmerzen (Nervenschmerzen) oder als Muskel- und Gelenkschmerzen.
- Blasen- und Darmfunktionsstörungen: Häufiger Harndrang, Inkontinenz oder Verstopfung können auftreten.
- Schwindel: Ein Gefühl von Benommenheit oder Drehschwindel.
- Sexuelle Funktionsstörungen: Erektionsstörungen bei Männern oder vermindertes sexuelles Verlangen bei Frauen.
Es ist wichtig zu betonen, dass diese Symptome auch bei anderen Erkrankungen auftreten können. Daher ist eine sorgfältige ärztliche Untersuchung erforderlich, um die Ursache der Beschwerden zu klären.
Diagnose der Multiplen Sklerose
Die Diagnose der MS kann eine Herausforderung sein, da die Symptome vielfältig sind und sich mit denen anderer Erkrankungen überschneiden können. Die Diagnose basiert in der Regel auf einer Kombination aus:
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- Klinischer Untersuchung: Der Arzt erfragt die Krankengeschichte und führt eine neurologische Untersuchung durch, um die Funktion des Nervensystems zu beurteilen. Eine Sehnerventzündung ist zum Beispiel typisch für die Multiple Sklerose, insbesondere wenn sie bei Personen im MS typischen Alter auftritt, das heißt im jungen Erwachsenenalter. Die Multiple Sklerose tritt üblicherweise zwischen dem 20. und 40.
- Magnetresonanztomographie (MRT): Das MRT ist ein bildgebendes Verfahren, mit dem Entzündungsherde (Läsionen) im Gehirn und Rückenmark sichtbar gemacht werden können. Das MRT, auch Magnetresonanztomografie oder Kernspintomografie genannt, ist ein bildgebendes Verfahren. Der Vorteil des MRTs ist, dass es nicht auf Röntgenstrahlung basiert und eine hohe Auflösung hat. Bei der Multiplen Sklerose gibt es ganz charakteristische Veränderungen. Das sind Entzündungsherde, die an bestimmten Stellen nachweisbar sind. Grundsätzlich kann man Entzündungsherde auch an allen anderen Stellen finden. Man benötigt das MRT zur Diagnosestellung und im Erkrankungsverlauf, um zu beurteilen, wie aktiv die Erkrankung ist.
- Lumbalpunktion: Bei einer Lumbalpunktion wird Nervenwasser (Liquor) entnommen und auf Entzündungszeichen und oligoklonale Banden untersucht. Eine Lumbalpunktion ist etwas, das man landläufig als Kreuzstich bezeichnet. Von der Durchführung her ist es so etwas, wie wenn man einen Kreuzstich bekommt, beispielsweise bei einem Kaiserschnitt oder einer Knieoperation. Es dauert normalerweise nur wenige Minuten und wird ohne allgemeine Narkose durchgeführt. Üblicherweise ist das eine Angelegenheit von wenigen Minuten, dann kommt die Nadel wieder raus. Im Anschluss an die Lumbalpunktion muss man am besten eine halbe Stunde auf dem Bauch liegen. Die Untersuchung ist zwar nicht so angenehm, aber im allgemeinen nicht gefährlich. Denn an der Stelle, wo mit der Nadel eingestochen wird, befindet sich kein Rückenmark mehr. In der Rückenmarksflüssigkeit untersucht man die Entzündungszellen, das heißt, man schaut, ob ein aktiver Entzündungsprozess vorhanden ist. Zum anderen sucht man die sogenannten oligoklonalen Banden, das sind Eiweißstoffe.
- Evozierte Potentiale: Diese Tests messen die elektrische Aktivität des Gehirns als Reaktion auf bestimmte Reize und können helfen, Schäden an den Nervenbahnen zu erkennen.
Die Diagnosekriterien für MS, die sogenannten McDonald-Kriterien, berücksichtigen die klinischen Befunde, die MRT-Ergebnisse und die Ergebnisse der Liquoruntersuchung, um die Diagnose zu sichern.
Behandlung der Multiplen Sklerose
Obwohl die MS nicht heilbar ist, gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, die darauf abzielen, die Symptome zu lindern, die Schübe zu reduzieren und das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen. Man unterscheidet bei der Multiplen Sklerose zwischen der krankheitsmodifizierende Therapie und der symptomatischen Therapie.
- Krankheitsmodifizierende Therapien (DMTs): Diese Medikamente beeinflussen das Immunsystem und zielen darauf ab, die Entzündungsaktivität im Gehirn und Rückenmark zu reduzieren und das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen. Krankheitsmodifizierende Therapien sind Medikamente, die das Immunsystem beeinflussen.
- Schubtherapie: Bei akuten Schüben werden häufig Kortikosteroide eingesetzt, um die Entzündung zu reduzieren und die Symptome zu lindern.
- Symptomatische Therapie: Diese Behandlungen zielen darauf ab, die verschiedenen Symptome der MS zu lindern, z.B. Schmerzen, Spastik, Fatigue, Blasenfunktionsstörungen und Depressionen.
- Rehabilitation: Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie können helfen, die körperliche Funktion, die Koordination, die Sprache und die kognitiven Fähigkeiten zu verbessern.
Zusätzlich zu den medikamentösen und rehabilitativen Maßnahmen können auch Änderungen des Lebensstils eine positive Wirkung auf den Verlauf der MS haben:
- Ernährung: Es gibt keine spezifische Diät für MS, aber eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und gesunden Fetten kann helfen, das Immunsystem zu stärken und die allgemeine Gesundheit zu verbessern.
- Bewegung: Regelmäßige körperliche Aktivität, wie z.B. Spaziergänge, Schwimmen oder Yoga, kann helfen, die Muskelkraft, die Ausdauer, die Koordination und das Gleichgewicht zu verbessern.
- Stressmanagement: Stress kann die Symptome der MS verschlimmern. Entspannungstechniken wie Meditation, Yoga oder autogenes Training können helfen, Stress abzubauen.
- Vitamin D: Ein ausreichender Vitamin-D-Spiegel kann das Risiko für MS verringern und den Verlauf der Erkrankung positiv beeinflussen.
Leben mit Multipler Sklerose
Die Diagnose MS kann eine große Herausforderung sein. Es ist wichtig, sich über die Erkrankung zu informieren und sich professionelle Hilfe und Unterstützung zu suchen. Viele Menschen mit MS führen ein aktives und erfülltes Leben.
Hier sind einige Tipps für den Umgang mit MS:
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- Nehmen Sie Ihre Erkrankung an: Akzeptieren Sie, dass Sie MS haben, und lernen Sie, damit umzugehen.
- Suchen Sie Unterstützung: Sprechen Sie mit Ihrem Arzt, Ihrer Familie, Freunden oder einer Selbsthilfegruppe über Ihre Gefühle und Ängste.
- Informieren Sie sich: Je mehr Sie über MS wissen, desto besser können Sie mit der Erkrankung umgehen.
- Achten Sie auf sich selbst: Nehmen Sie sich Zeit für sich selbst, um sich zu entspannen und Stress abzubauen.
- Bleiben Sie aktiv: Bewegen Sie sich regelmäßig und bleiben Sie sozial aktiv.
- Setzen Sie sich realistische Ziele: Erwarten Sie nicht zu viel von sich selbst, und seien Sie geduldig mit sich selbst.
- Geben Sie nicht auf: MS ist eine chronische Erkrankung, aber es gibt viele Möglichkeiten, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern.