Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die vielfältige Symptome verursachen kann. Diese Symptome können nicht nur die körperliche Gesundheit, sondern auch die Sexualität und Partnerschaft von Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Dieser Artikel beleuchtet die komplexen Zusammenhänge zwischen MS, sexueller Dysfunktion und Partnerschaft und bietet Lösungsansätze für ein erfülltes Liebesleben trotz der Erkrankung.
Die Auswirkungen von MS auf Sexualität und Partnerschaft
Im Laufe der Jahre entwickelt sich aus Liebe Partnerschaft, aus Paaren werden Teams, mit oder ohne Kinder, die gemeinsam die Herausforderungen des Lebens meistern. Der Wunsch nach einem unbeschwerten und freien Leben zu zweit ist allgegenwärtig. Doch was passiert, wenn eine chronische Erkrankung wie MS diese Vorstellung durchkreuzt?
Die gute Nachricht ist: MS und Liebe passen zusammen! Offene Kommunikation ist entscheidend, um Probleme anzusprechen und gemeinsam Strategien zu entwickeln, damit MS nicht zum Beziehungskiller wird.
Sexuelle Dysfunktion bei MS: Ein häufiges Problem
Menschen mit MS leiden häufig unter sexuellen Funktionsstörungen. Studien schätzen, dass bis zu 90 % der MS-Patienten betroffen sind. Die Deutsche MS Gesellschaft (DMSG) berichtete 2018 von 8 % betroffenen MS-Patienten, vermutet jedoch eine wesentlich höhere Dunkelziffer.
Dieses Problem wird im Praxisalltag oft nicht ausreichend thematisiert, und viele Patienten sprechen neurogene Blasenentleerungsstörungen und Sexualfunktionsstörungen nicht von sich aus an.
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Formen sexueller Dysfunktion bei MS
Experten unterscheiden drei Formen sexueller Dysfunktion bei MS:
- Primäre Form: MS-Symptome wirken sich direkt auf die Sexualfunktion aus, z. B. durch beeinträchtigtes sexuelles Empfinden oder beeinträchtigte sexuelle Funktion.
- Sekundäre Form: Die Sexualfunktion ist indirekt durch MS-Symptome beeinträchtigt, z. B. durch Fatigue.
- Tertiäre Form: Psychosoziale Aspekte, wie ein vermindertes Selbstwertgefühl, mindern die Lust.
Hormonstatus und sexuelle Funktion bei MS
Daten zum Einfluss des Hormonhaushaltes auf sexuelle Dysfunktion bei MS sind begrenzt. Eine Studie mit 55 MS-Patientinnen fand keine direkte Verbindung zwischen Hormonstatus und sexueller Funktion. Es ist jedoch bekannt, dass hormonelle Veränderungen im Alterungsprozess und bei verschiedenen Erkrankungen Sexualfunktionsstörungen begünstigen können, insbesondere reduzierte Androgen-Spiegel.
Risikofaktoren für sexuelle Dysfunktion bei MS
Eine Studie der Universitätsklinik für Neurologie an der Medizinischen Universität Innsbruck untersuchte Risikofaktoren für sexuelle Dysfunktion bei MS-Patienten. An der Studie nahmen 152 MS-Patienten teil, bei denen eine mögliche sexuelle Dysfunktion mittels eines speziellen Fragebogens (Multiple Sclerosis Intimacy and Sexuality Questionnaire 19) abgefragt wurde.
Die Prävalenz sexueller Dysfunktion in der Studienpopulation lag bei 47 %. Folgende unabhängige Risikofaktoren wurden identifiziert:
- Raucherstatus (aktuell und in der Vergangenheit): Etwa dreifach höheres Risiko (Odds Ratio [OR] 3,4; p = 0,023)
- Behinderungsgrad (Expanded Disability Status Scale, EDSS): Zweifach höheres Risiko (OR 2,0; p < 0,001)
- Depressionen: Etwa vierfach höheres Risiko (OR 4,3; p = 0,047)
- Blasen- und Darmdysfunktion: Fast neunfach höheres Risiko (OR 8,8; p < 0,001)
Patienten mit sexueller Dysfunktion zeigten eine schlechtere Lebensqualität und geringere körperliche Aktivität. Die Behandlung mit krankheitsmodifizierenden Medikamenten reduzierte das Risiko einer sexuellen Dysfunktion (OR 0,32; p = 0,043).
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Hormonelle Veränderungen bei MS-Patienten mit sexueller Dysfunktion
Die Studie zeigte signifikante Unterschiede im Hormonstatus zwischen MS-Patienten mit und ohne sexuelle Dysfunktion. Bei Frauen mit MS und sexueller Dysfunktion waren die Spiegel von luteinisierendem Hormon (LH) und Follikel-stimulierendem Hormon (FSH) erhöht, während die Level von 17-Beta-Östradiol, Androstenedion, Dehydroepiandrosteron-Sulfat, Oestron und Anti-Müller-Hormon erniedrigt waren. Bei Männern mit MS und sexueller Dysfunktion lagen reduzierte Inhibin-B-Spiegel vor.
Praktische Auswirkungen und Lösungsansätze
Holistischer Ansatz bei sexueller Dysfunktion und MS
Die Studienergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit eines holistischen Ansatzes bei sexueller Dysfunktion und MS, der physische, neurourologische und psychosoziale Faktoren berücksichtigt. Es ist wichtig, dass MS-Patienten aktiv auf eine mögliche sexuelle Dysfunktion angesprochen werden.
Umgang mit Blasen- und Darmproblemen
Blasen- und Darmprobleme können das Sexualleben erheblich beeinträchtigen. Die Angst vor Inkontinenz kann dazu führen, dass Betroffene körperliche Intimität vermeiden. Transanale Spülungen und Behandlungen gegen Harninkontinenz können jedoch eine Möglichkeit zur Bewältigung dieser Symptome sein. Es ist ratsam, diese Optionen mit dem Arzt zu besprechen.
Sexuelle Probleme bei Frauen mit MS
Eines der größten körperlichen Hindernisse für sexuelle Aktivitäten bei Frauen mit MS ist die Harninkontinenz. Zudem können vermindertes Empfinden, verminderter oder ausbleibender Orgasmus und Schwierigkeiten bei der Erregung auftreten. Da die sexuelle Reaktion von Frauen oft weniger von der körperlichen Erregung abhängt als die von Männern, ist es wichtig, die Beziehungsdynamik zu berücksichtigen. Zusätzliche Gleitmittel können bei verminderter vaginaler Feuchtigkeit helfen. Auch auf Sexualhygiene sollte geachtet werden, da Harnwegsinfektionen häufiger vorkommen können.
Sexuelle Probleme bei Männern mit MS
Männer mit MS können unter vorzeitiger Ejakulation, erektiler Dysfunktion und vermindertem Empfinden leiden. Medikamente, Vakuum-Erektionshilfen oder eine Penisprothese können bei Erektionsstörungen helfen.
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Kommunikation und Partnerschaft
Schwierigkeiten auf sexuellem Gebiet können Konflikte oder eine zunehmende Entfremdung der Partner auslösen. Eine offene, liebevolle Kommunikation ist daher essenziell. Tabuisieren Sie das Thema nicht, um Unsicherheiten und negative Gefühle zu vermeiden. Beziehen Sie Ihren Partner in Gespräche mit Ihrem Arzt oder Ihrer MS-Schwester ein, um gegenseitiges Verständnis zu fördern.
Tipps für ein erfülltes Sexualleben trotz MS
- Erwartungsdruck reduzieren: Verabschieden Sie sich von unrealistischen Vorstellungen von "perfektem" Sex.
- Zärtlichkeiten austauschen: Körperliche Nähe und Zärtlichkeit sind auch ohne Geschlechtsverkehr wichtig.
- Geeignete Atmosphäre schaffen: Sorgen Sie für eine entspannte Umgebung ohne Erfolgsdruck.
- Professionelle Hilfe suchen: Psycho- und Sexualtherapie können bei der Bewältigung sexueller Probleme helfen.
- Hilfsmittel und Medikamente nutzen: Informieren Sie sich über Hilfsmittel und Medikamente, die bei vorliegenden Symptomen helfen können.
- Krankheitsmodifizierende Medikamente: Die Behandlung mit krankheitsmodifizierenden Medikamenten kann das Risiko einer sexuellen Dysfunktion reduzieren.
- Lebensstil anpassen: Vermeiden Sie Rauchen, behandeln Sie Depressionen und suchen Sie Unterstützung bei Blasen- und Darmfunktionsstörungen.
Partnerschaftliche Aspekte und Familiengründung
Die Diagnose MS kann für Ihre Partnerschaft eine Herausforderung darstellen. Es ist wichtig, dass Sie und Ihr Partner Ihr gemeinsames Leben an die Erfordernisse Ihrer Erkrankung anpassen. Reden Sie miteinander und suchen Sie gemeinsam nach Lösungen. Auch mit MS können Sie eine Familie gründen.
Wo finde ich die neue große Liebe?
Die Partnerschaft ist ein wichtiger Aspekt im Leben eines jeden Menschen. Doch für Singles mit MS stellt sich oft die Frage, wo sie einen Partner finden können. Dating-Apps können eine Möglichkeit sein, neue Kontakte zu knüpfen. Auch wenn Liebe unter Kollegen oder in Sportvereinen aufgrund von MS schwieriger geworden ist, gibt es dennoch viele Wege, um neue Menschen kennenzulernen.
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