Multiple Sklerose: Aktuelle Studien und Teilnahme

Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die durch die Zerstörung von Nervenstrukturen gekennzeichnet ist. In Mitteleuropa ist sie die am weitesten verbreitete entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems. In Deutschland sind etwa 280.000 Menschen betroffen. Frauen erkranken im Schnitt doppelt so oft wie Männer, meist im Alter zwischen 20 und 40 Jahren. Obwohl eine Heilung nach aktuellem Forschungsstand nicht möglich ist, liegt die Lebenserwartung von MS-Patienten mit 74 Jahren bei Männern und 79 Jahren bei Frauen nur minimal unter der von gesunden Menschen. Die Forschung arbeitet kontinuierlich an neuen Behandlungsmöglichkeiten, um die Krankheit verträglicher zu machen und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Was ist Multiple Sklerose?

Multiple Sklerose ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem fälschlicherweise körpereigenes Gewebe angreift. Dies führt zu Entzündungen der Nervenzellen, insbesondere der Nervenfasern, was die Signalübertragung beeinträchtigt. In der Folge kommt es zu Nervenausfällen, die sich in Schmerzen, Lähmungen und Funktionsstörungen äußern können. Charakteristisch für MS ist das Auftreten multipler (mehrere) entzündlicher Herde im zentralen Nervensystem, begleitet von einer Verhärtung des betroffenen Gewebes (Sklerose).

Symptome der Multiplen Sklerose

MS-Patienten können eine Vielzahl von Symptomen erleben. Zu den frühen Anzeichen gehören:

  • Sehstörungen
  • Gefühlsstörungen der Haut (Sensibilitätsstörungen) wie Kribbeln oder Taubheitsgefühl
  • Krampfartige, schmerzhafte Lähmungen (Spastiken), vor allem in den Beinen
  • Störung der Bewegungskoordination (Ataxien)
  • Störungen der Blasen- und/oder Darmentleerung
  • Schluckstörungen
  • Unwillkürliches, rhythmisches Zittern von Körperteilen bei bewussten Bewegungen (Intentionstremor)
  • Unwillkürliches Augenzittern (Nystagmus)
  • Sexuelle Funktionsstörungen wie Ejakulationsprobleme und Impotenz bei Männern, Orgasmusprobleme bei Frauen, Libidoverlust bei beiden Geschlechtern

Weitere häufige Beschwerden sind:

  • Undeutliches Sprechen
  • Verminderte Aufmerksamkeit, beeinträchtigtes Kurzzeitgedächtnis
  • Schmerzen, z.B. Kopfschmerzen, Nervenschmerzen, Rückenschmerzen
  • Schwäche und schnelles Erschöpfen
  • Schwindel
  • Depressive Verstimmung

Eine frühzeitige Diagnose ist entscheidend. Neben der Symptomatik und Krankheitsgeschichte helfen neurologische Untersuchungen sowie Blut- und Liquoranalysen, die Diagnose zu sichern.

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Formen der Multiplen Sklerose

Die MS wird anhand des Krankheitsverlaufs in verschiedene Formen unterteilt:

  • Schubförmig-remittierende MS: Bei etwa 80-85 % der Patienten beginnt die MS schubförmig. Dabei treten plötzlich neurologische Verschlechterungen auf, die sich über Tage oder Wochen entwickeln und anschließend vollständig oder teilweise zurückbilden (remittieren).
  • Primär progrediente MS: Ungefähr 15 % der Patienten zeigen von Beginn an eine schleichende und stetige Zunahme der Symptome ohne vorherige Schübe.
  • Sekundär progrediente MS: Bei einem Teil der Patienten geht die schubförmig-remittierende MS in eine sekundär progrediente Form über, bei der die Schubrate abnimmt, während die neurologischen Beeinträchtigungen zunehmen.
  • Maligne oder benigne MS: Zusätzlich wird unterschieden, ob die MS gutartig (benigne) oder bösartig (maligne) ist. Ein gutartiger Verlauf liegt vor, wenn nach zehn Jahren ein geringer Behinderungsgrad (EDSS-Score unter 3) besteht. Ein bösartiger Verlauf ist selten und betrifft meist junge Patienten mit einer kurzen Lebenserwartung.

Zusätzlich wird bei jeder MS-Form bewertet, ob sie entzündlich aktiv ist oder nicht. Schübe oder neue MRT-Verfahren (wie die Sichtbarmachung neuer Herde mit Anreicherung von Kontrastmitteln) geben Hinweise auf eine Zunahme der Entzündungsaktivität.

Ursachen der Multiplen Sklerose

Die genauen Ursachen der MS sind noch unbekannt. Es wird vermutet, dass ein Zusammenspiel von genetischen und Umweltfaktoren eine Rolle spielt. Zu den diskutierten Risikofaktoren gehören:

  • Vitamin-D-Mangel: Studien haben gezeigt, dass die Klimazone, in der eine Person die ersten 15 Lebensjahre verbringt, das MS-Risiko beeinflusst. Entscheidend ist die Sonneneinstrahlung und die damit verbundene Vitamin-D-Bildung.
  • Virusinfektionen: Insbesondere das Epstein-Barr-Virus (EBV), Masern und Herpes werden diskutiert. Eine Studie aus dem Jahr 2023 zeigte, dass eine vorausgegangene EBV-Infektion das Risiko, an MS zu erkranken, stark erhöht.
  • Rauchen: Rauchen erhöht das Risiko, an MS zu erkranken.
  • Eine zu geringe Anzahl an Bakterien in der Darmflora (Mikrobiota)
  • Erhöhter Salzkonsum
  • Genetische Veranlagung: Das Risiko erhöht sich, wenn Eltern oder Geschwister betroffen sind. Es handelt sich jedoch nicht um eine klassische Erbkrankheit, sondern um eine erhöhte Neigung. Bestimmte genetische Marker (humane Leukozytenantigene) können das Risiko ebenfalls erhöhen.
  • Proteine auf Nervenzellen: Es wird vermutet, dass sich bestimmte Proteine an der Myelinscheide ansiedeln und fälschlicherweise vom Immunsystem angegriffen werden.

Behandlungsmöglichkeiten bei Multipler Sklerose

Obwohl MS nicht heilbar ist, gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, um den Krankheitsverlauf zu beeinflussen und die Symptome zu lindern:

  • Schubtherapie: Bei akuten Schüben werden Glukokortikoide (Kortison) eingesetzt, um die Entzündung zu hemmen. In besonders schweren Fällen kann eine Blutwäsche (Plasmapherese) durchgeführt werden, um Antikörper aus dem Blut zu entfernen.
  • Basistherapie (Immuntherapie): Langfristige Behandlung mit Immuntherapeutika soll das Immunsystem daran hindern, die Myelinscheide anzugreifen und die Häufigkeit der Schübe reduzieren. Es gibt Immunmodulatoren, die das Immunsystem verändern, und Immunsuppressiva, die es dämpfen. Die Wirksamkeit der Immuntherapie ist bei schubförmiger MS am größten und bei primär progredienter MS gering.
  • Symptomatische Therapie: Verschiedene Medikamente und Maßnahmen können die Begleiterscheinungen der MS lindern, z.B. Muskelrelaxanzien gegen Krämpfe, Antiepileptika gegen Nervenschmerzen, Betablocker gegen Zittern, Antidepressiva gegen Depressionen und Medikamente gegen Inkontinenz.
  • Rehabilitation: Individuelle Maßnahmen zur Rehabilitation sollen MS-Patienten dabei unterstützen, ihre Leistungsfähigkeit zu erhalten und ihre Selbstständigkeit zu fördern. Dazu gehören Physiotherapie, Logopädie und Psychotherapie.

Aktuelle Forschung zu Multipler Sklerose

Die Forschung arbeitet kontinuierlich an neuen Medikamenten und Behandlungsansätzen. Im Fokus steht, die Krankheit und ihre Behandlung alltagstauglicher zu machen. Innovative neuroimmunologische Ansätze werden verfolgt.

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Eine Studie der Firma Atara Biotherapeutics untersuchte die Ursachenbekämpfung durch die Transplantation von Immunzellen zur Vernichtung des Epstein-Barr-Virus. Bei einem Teil der Testpersonen stabilisierten sich die Symptome, und die Myelinscheide wuchs nach. Weitere Forschung ist notwendig, um diese Ergebnisse zu bestätigen.

Forscher der University of British Columbia fanden Hinweise darauf, dass Guarkernmehl, ein Zusatzstoff in Lebensmitteln, Entzündungen hemmen und den Ausbruch von MS verhindern könnte. Experimente mit Mäusen zeigten vielversprechende Ergebnisse.

Klinische Studien zu Multipler Sklerose

Zahlreiche klinische Studien werden durchgeführt, um neue und vielversprechende Präparate zur Behandlung der MS zu prüfen. Diese Studien sind wichtig, um die Wirksamkeit und Sicherheit neuer Therapien zu belegen.

Einige Beispiele für aktuelle Studien (Stand Universitätsklinikum Freiburg):

  • Studie für Patienten mit chronisch progredientem Verlauf (Phase III, doppelblind, randomisiert, international)
    • Einschlusskriterien: Alter 25-65 Jahre, chronisch progredienter Verlauf von mind. zwei bis max. zehn Jahren, EDSS-Score 3,5-6,0
  • SOLAR-Studie (Phase II, schubförmige MS)
    • Einschlusskriterien: EDSS-Score 0-4,0, erste MS-Symptome vor max. 5 Jahren, mind. ein Schub oder eine KM-aufnehmende Läsion innerhalb der letzten 12 Monate, Vitamin D-Spiegel < 150 nmol/L
  • Studie zu Fatigue, Kognition und Lebensqualität bei schubförmiger MS
    • Einschlusskriterien: Schubförmige MS, Alter 18-60 Jahre

Der Link ClinicalTrials.gov bietet eine Übersicht über Studien weltweit. Hier kann man nach Studien in der Nähe suchen und die Suchergebnisse nach verschiedenen Kriterien filtern.

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Wichtiger Hinweis: Die Teilnahme an klinischen Studien ist oft an bestimmte Ein- und Ausschlusskriterien gebunden (z.B. Art des Verlaufs, Alter, Schubhäufigkeit, Behinderungsgrad, bereits eingenommene Medikamente). Häufig sind Studienteilnehmer verpflichtet, regelmäßig im Studienzentrum anwesend zu sein.

MS-Register und Versorgungsforschung

Das Deutsche MS-Register ist eine wichtige Initiative zur Verbesserung der Versorgung von MS-Patienten. Durch die Erfassung von Daten zur Erkrankung und Behandlung können wertvolle Erkenntnisse gewonnen werden, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Sport und Bewegung bei MS

Zahlreiche Studien belegen, dass Bewegungsinterventionen motorischen, kognitiven und affektiven Symptomen von MS entgegenwirken und die Lebensqualität verbessern können. Es gibt Hinweise darauf, dass gezielte körperliche Aktivität das Fortschreiten der Erkrankung verzögern kann.

Das Institut für Sport und Sportwissenschaft (Abteilung "Leistung und Gesundheit (Sportmedizin)") der TU Dortmund sucht für eine aktuelle Studie Menschen mit schubförmig-remittierend verlaufender MS im Alter zwischen 18 und 60 Jahren. In dieser Studie wird der Einfluss eines 12-wöchigen progressiven, intensiven Intervalltrainings auf einem Fahrradergometer (3x/Woche für ca. 40 Minuten) untersucht.

Umgang mit der Diagnose

Die Diagnose MS kann mit großer Verunsicherung einhergehen. Wichtige Fragen sind:

  • Wie sicher ist die Diagnose?
  • Werde ich einen eher gutartigen oder aktiveren Verlauf haben?
  • Brauche ich eine ganz frühe Immuntherapie?
  • Was kann ich tun, außer Medikamente zu nehmen?
  • Welche Rolle spielen Sport, Ernährung und der Umgang mit Stress?

Es gibt Materialien und Webplattformen, die MS-Patienten helfen sollen, mit ihrer Erkrankung besser und selbstbestimmter umzugehen.

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