Morbus Parkinson ist eine fortschreitende neurologische Erkrankung, die vor allem durch motorische Symptome gekennzeichnet ist. Eines der Hauptsymptome ist die Muskelsteifheit, auch Rigor genannt. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Diagnose und verschiedene Behandlungsansätze zur Linderung der Muskelsteifheit bei Parkinson.
Was ist Muskelsteifheit (Rigor) bei Parkinson?
Der Rigor zählt neben Akinese (Bewegungsarmut) und Tremor (Zittern) zu den häufigsten motorischen Symptomen bei Morbus Parkinson und gehört somit zur sogenannten Parkinson-Trias. Die Symptome des Rigors können als „Muskelsteifheit“ zusammengefasst werden. Dabei ist die Anspannung von Streck- und Beugemuskeln der Gliedmaßen dauerhaft erhöht. Da diese beiden Gegenspieler gleichzeitig angespannt sind, wird die Ausführung von Bewegungen deutlich erschwert, was die Lebensqualität und Bewegungsfreiheit der Betroffenen stark einschränken kann.
Typischerweise äußert sich der Rigor durch Missempfindungen und Schmerzen infolge von - durch die dauerhaft angespannten Muskeln - eingeklemmten Nerven. Charakteristisch ist, dass die Symptome bei passiven Bewegungen zunehmen, also dann, wenn z. B. ein Arm oder Bein des Betroffenen durch den Arzt oder die Ärztin ohne eigenes Zutun der Patientinnen und Patienten bewegt wird. Die mitunter schmerzhaften Muskelversteifungen werden oft als rheumatische Beschwerden bzw. Spastiken fehlinterpretiert. In den meisten Fällen manifestiert sich ein Rigor in der Schulter-Arm- bzw. in der Becken-Oberschenkel-Region. Die Kraft der Muskeln bleibt dabei voll erhalten. Körpernahe Muskeln (Schultern, Arme, Oberschenkel) sind von der Muskelsteifigkeit meistens stärker betroffen als körperferne Muskelgruppen.
Ein wesentlicher Unterschied zur Spastik ist, dass beim Rigor der spürbare Widerstand durch die erhöhte Muskelanspannung unabhängig von der Geschwindigkeit der Bewegungsausführung besteht. Bei der Spastik nimmt die Muskelsteifheit erst mit der Geschwindigkeit einer Bewegung zu, wodurch sich die betroffenen Gliedmaßen immer schwerer bewegen lassen. Rigor ist also eine Muskelsteifheit, die unabhängig von der Bewegungsgeschwindigkeit auftritt und sowohl bei langsamen als auch schnellen Bewegungen auftreten kann. Die englische Bezeichnung „lead-pipe rigidity“ beschreibt die Steifheit wie das Biegen eines Bleirohrs. Im Gegensatz dazu nimmt die dem Rigor verwandte Spastizität mit der Geschwindigkeit der Bewegung zu. Beide Phänomene können gleichzeitig auftreten und sind schwer zu unterscheiden.
Ursachen von Muskelsteifheit bei Parkinson
Morbus Parkinson ist eine Erkrankung des Gehirns, bei der es zu einem Mangel an Dopamin kommt. Dopamin ist ein wichtiger Botenstoff, der Informationen vom Gehirn zum zentralen Nervensystem überträgt. Wenn die Informationsübertragung gestört ist, erhalten die Muskeln keine oder falsche Signale, was auf Dauer zu einer Muskelsteifheit führen kann. Beim Rigor sind sowohl Beuge- als auch Streckmuskeln betroffen, was zu einer typischen gebeugten Haltung führen kann.
Lesen Sie auch: Parkinson-Medikamente: Was Sie beachten müssen
Die genaue Ursache des Rigors ist noch nicht vollständig verstanden. Möglicherweise liegt es daran, dass bestimmte Reflexe im Körper überaktiv sind, wenn sich ein Muskel schnell dehnt. Die schnellste Reaktion des Nervensystems auf eine Dehnung ist der Dehnungsreflex, der sehr schnell abläuft und beispielsweise ausgelöst wird, wenn das Knie mit einem Reflexhammer abgeklopft und dabei die Sehne getroffen wird. Es gibt aber auch andere Reflexe, die länger brauchen, um abzulaufen und bei denen das Gehirn beteiligt ist (kortikale Zentren). Es wird vermutet, dass eine Überaktivität dieser langen Reflexbögen den Rigor verursacht. Wenn man die Muskeln auf der gegenüberliegenden Seite jener Körperseite bewegt, auf welcher der Rigor bereits diagnostiziert oder zumindest vermutet wird, kann dies den Rigor verschlimmern oder überhaupt zeigen, dass er vorhanden ist (Froment-Manöver).
Diagnose von Muskelsteifheit
Die Diagnose von Muskelsteifheit bei Parkinson basiert auf einer neurologischen Untersuchung und der Erhebung der Krankengeschichte. Dabei werden verschiedene Tests durchgeführt, um den Rigor zu erkennen und von anderen Erkrankungen abzugrenzen.
- Kopffalltest: Hierbei wird der Kopf der liegenden Patientinnen und Patienten angehoben und anschließend losgelassen, um zu prüfen, ob er oder sie in das Kopfkissen fällt.
- Armpendeltest: Beurteilung des Mitschwingens der Arme beim Gehen.
- Zahnradphänomen: Dies ist ein typisches Parkinson-Anzeichen im fortgeschrittenen Stadium. Hierbei versuchen die Ärztinnen und Ärzte, den Arm der Patientinnen und Patienten zu bewegen, z. B. am Ellenbogen oder Handgelenk. Durch den Rigor ist dies nur ruckartig und in kleinen Abständen möglich, als könnte die Bewegung jeweils nur bis zum Einrasten des Gelenks in der nächsten Kerbe eines imaginären Zahnrads ausgeführt werden. Denn die Symptome des Rigors werden stärker, wenn eine zweite Person die Gliedmaßen passiv beugt oder streckt, ohne dass die Patientinnen und Patienten selbst diese Bewegung initiieren. Gleichzeitig gibt der Muskeltonus sozusagen rhythmisch für eine kurze Zeit nach, wodurch sich der Arm temporär normal bewegen lässt, bevor die Anspannung wieder zunimmt und der Arm erneut „einrastet“, bevor die Anspannung dann wieder kurz nachlässt, wodurch der Arm weiter bewegt werden kann.
Differenzialdiagnose
Es ist entscheidend, die eigentliche Ursache der Muskelsteifheit zu identifizieren, da Rigor auch bei anderen Erkrankungen als Morbus Parkinson auftreten kann. Während die Spastik eine Folge der Schädigung des zentralen Nervensystems sind, tritt der Rigor als Störung des extrapyramidalen Systems (EPMS) auf. Eine Spastik tritt meistens als Folge eines Schlaganfalls auf, während ein Rigor oft das Hauptmerkmal von Morbus Parkinson oder Multipler Sklerose (MS) ist.
Behandlung von Muskelsteifheit bei Parkinson
Die Behandlung von Muskelsteifheit bei Parkinson zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Da die Erkrankung nicht heilbar ist, konzentrieren sich die Behandlungsansätze auf die Kontrolle der Symptome.
Medikamentöse Therapie
Die medikamentöse Behandlung ist ein wichtiger Bestandteil der Therapie von Muskelsteifheit bei Parkinson. Ziel ist es, den Dopaminmangel im Gehirn auszugleichen oder die Wirkung von Dopamin zu verstärken.
Lesen Sie auch: Die Stadien der Parkinson-Krankheit erklärt
- Levodopa: Dies ist eine Dopaminvorstufe, die im Gehirn in Dopamin umgewandelt wird. Levodopa ist das wirksamste Medikament zur Behandlung von Parkinson-Symptomen, einschließlich Muskelsteifheit. Es wird häufig mit Carbidopa kombiniert, um Nebenwirkungen zu reduzieren und die Wirksamkeit zu erhöhen.
- Dopaminagonisten: Diese Medikamente ahmen die Wirkung von Dopamin im Gehirn nach und können die Symptome der Muskelsteifheit reduzieren.
- MAO-B-Hemmer: Diese Medikamente verlangsamen den Abbau von Dopamin im Gehirn und können die Wirkung von Levodopa verlängern.
- Botulinumtoxin: In einigen Fällen kann die Injektion von Botulinumtoxin in die betroffenen Muskeln helfen, die Muskelanspannung zu reduzieren.
Nicht-medikamentöse Therapie
Neben der medikamentösen Behandlung spielen nicht-medikamentöse Therapien eine wichtige Rolle bei der Behandlung von Muskelsteifheit bei Parkinson.
- Physiotherapie: Durch gezielte Übungen und Bewegungen kann die Beweglichkeit verbessert und die Muskelsteifheit reduziert werden. Die Physiotherapie umfasst Dehnungsübungen, Gelenkmobilisation und Techniken zur Verbesserung des Gleichgewichts und der Körperhaltung. Die sogenannte „BIG-Methode“ ist eine spezifische Bewegungstherapie bei Parkinson. Der Patient macht einen großen Ausfallschritt, reißt die Arme hoch und schreit „HALLO“. Durch den großen Ausfallschritt und das laute Schreien, können die Patienten größere Schritte wieder erlernen und auch lauter sprechen.
- Ergotherapie: Die Ergotherapie kann helfen, den Umgang mit Hilfsmitteln zu erlernen und somit die Selbstständigkeit zu erhalten.
- Vibrationstherapie: Eine weitere Möglichkeit der Physiotherapie ist die Vibrationstherapie, die auch zu Hause durchgeführt werden kann.
- AMPS-Therapie: Die AMPS-Therapie, die mit dem medizinischen Gerät Gondola Home durchgeführt wird, stellt eine innovative Unterstützung zur Verbesserung der Mobilität der Patienten dar. Diese Therapie besteht aus mechanischen Stimulationen, die an spezifischen Punkten der Füße angewendet werden und neurologische Reflexe aktivieren, die an der motorischen Steuerung beteiligt sind.
Weitere Tipps für den Alltag
- Lockerungsprogramm am Morgen: Führen Sie ein Lockerungsprogramm am Morgen durch, das große Bewegungen und häufige Wiederholungen beinhaltet. Denn am Morgen ist die Muskelsteifheit oft besonders ausgeprägt.
- Gezielte Befehle: Geben Sie dem Körper gezielte Befehle, die große Bewegungen fördern. Zum Beispiel „Gehe große Schritte!“, also extragroße Ausfallschritte. Außerdem können Sie Ihre Arme in Schwung bringen und Treppen laufen.
- Reminder: Verwenden Sie Reminder, um sich daran zu erinnern, die Muskeln zu lockern und große Bewegungen zu machen. Das können zum Beispiel Zettel oder andere Menschen sein, die Sie regelmäßig daran erinnern zu überprüfen, ob Sie "zusammengesackt" sitzen. Auch kleine Mikrobewegungen fördern die Durchblutung und Reduzierung der Grundanspannung. Zum Beispiel können Sie Ihre Muskulatur während einer Aktivität immer wieder gezielt anspannen und entspannen.
- Regelmäßiges Training: Durch regelmäßiges Training und gezielte Übungen können die Missempfindungen und Verkrampfungen reduziert werden. Große Bewegungen und häufige Wiederholungen sind dabei besonders effektiv. Zudem können Routinen und Reminder helfen, sich daran zu erinnern, die Muskeln zu lockern und große Bewegungen zu machen. Ein aktiver Lebensstil und Sport haben ebenfalls positive Auswirkungen.
Bedeutung eines aktiven Lebensstils
Eine aktive Lebensgestaltung und lockernde Übungen können dazu beitragen, Missempfindungen und Verkrampfungen zu reduzieren. Wenn der Körper aufgrund des hohen Ruhetonus ständig das Signal erhält, dass die Muskeln in ihrer vollen Länge nicht benötigt werden, verkürzt sich langfristig die Muskulatur. Um dies zu verhindern, ist es wichtig, große Bewegungen, lange und häufige Wiederholungen, sowie Sport und Bewegung in die tägliche Routine zu integrieren. Auch wenn die Muskulatur den Befehl erhält, angespannt zu sein, lockert jede gezielte Bewegung die Muskeln. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Auswirkungen nicht von heute auf morgen spürbar sein werden.
Rhythmischer Sport ist hilfreich, zum Beispiel Nordic Walking, Tanzen, Schwimmen, Golfen und Tennis, aber nicht unbedingt Gewichtheben - Hauruckbewegungen sind nicht hilfreich. Es geht darum, Rhythmus und Bewegungsfluss wieder zu erlernen.
Lesen Sie auch: Überblick zur Dopamin-Erhöhung bei Parkinson
tags: #Muskelsteifheit #bei #Parkinson #Ursachen #und #Behandlung