Die Diagnose Demenz ist für Betroffene und Angehörige oft ein einschneidendes Ereignis. Einerseits ermöglicht eine frühzeitige Diagnose den Zugang zu medikamentösen und therapeutischen Maßnahmen, die den Verlauf der Krankheit positiv beeinflussen können. Andererseits kann die Konfrontation mit der Diagnose Demenz Ängste und Unsicherheiten auslösen, die dazu führen, dass Betroffene eine Untersuchung verweigern. Dieser Artikel beleuchtet die Hintergründe für diese Verweigerung und zeigt Wege auf, wie Angehörige damit umgehen können.
Vorteile einer frühzeitigen Demenzdiagnostik
Die Vorteile einer Demenzdiagnostik sind vielfältig und sollten nicht unterschätzt werden. Im Rahmen der Diagnostik wird zunächst geklärt, ob überhaupt eine Demenz vorliegt und wenn ja, welche Form. Diese Klarheit ermöglicht es, gezielte medikamentöse Therapien und andere therapeutische Maßnahmen einzuleiten.
Darüber hinaus kann eine Diagnose auch für Angehörige eine Erleichterung darstellen. Sie hilft, wahrgenommene Veränderungen im Verhalten und im zwischenmenschlichen Bereich besser zu verstehen und gezielte Beratungsangebote in Anspruch zu nehmen. Es gibt also viele gute Gründe, die für eine rechtzeitige Diagnostik sprechen.
Das Recht auf Selbstbestimmung
Trotz der klaren Vorteile einer Demenzdiagnostik muss die Selbstbestimmung des Betroffenen respektiert werden. Haben die Betroffenen nicht auch ein Recht auf Selbstbestimmung? Haben sie nicht auch ein Recht darauf, eine Untersuchung mit anschließender Behandlung zu verweigern? So schwer diese Entscheidung für Angehörige auch auszuhalten und mitzutragen ist, so ist sie m.E. wesentlich. Zunächst sollte jedoch auch die Frage aufgeworfen werden, ob denn wirklich jeder Mensch mit dementiellen Veränderungen zum Arzt muss?
Gründe für die Verweigerung einer Untersuchung
Es ist wichtig zu verstehen, warum Betroffene eine Demenzuntersuchung ablehnen. Oftmals sind es die Betroffenen selbst, die Veränderungen in ihrer Gedächtnisleistung bemerken, bevor ihr Umfeld diese wahrnimmt. Dies führt zu einer Auseinandersetzung mit Verlusten, Unsicherheiten und einem sinkenden Selbstwertgefühl.
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Die Angst vor der Diagnose Demenz ist ein weiterer wesentlicher Faktor. Viele Menschen haben negative Bilder von Demenz im Kopf und befürchten, ihre Selbstständigkeit und Lebensqualität zu verlieren. Auf Verhaltensänderungen angesprochen, werden diese meist massiv verleugnet. Warum ist das so? Was bedeuten diese Veränderungen für Betroffene? Was macht das mit ihnen? Mit welchen Gefühlen setzt sie sich auseinander? Können sie die Diagnose Demenz an sich heranlassen oder weigern sie sich, um sich selber zu schützen? Bis auf wenige Ausnahmen ist es für Betroffene von großer Bedeutung, dass diese Veränderungen zunächst niemand bemerkt.
Strategien für den Umgang mit der Verweigerung
Der Schlüssel zur Überzeugung liegt in Verständnis und Vertrauen. Anstatt Druck auszuüben, sollten Angehörige eine wertschätzende Haltung einnehmen, die Selbstbestimmung des Betroffenen akzeptieren und Vertrauen aufbauen.
Hier sind einige konkrete Strategien, die helfen können:
- Verständnis zeigen: Versuchen Sie, sich in die Lage des Betroffenen hineinzuversetzen und seine Ängste und Sorgen ernst zu nehmen. Indem ich eine wertschätzende Haltung einnehme, mit Verständnis auf die Betroffene zugehe, ihre Selbstbestimmung akzeptiere, Vertrauen aufbaue, Druck vermeide, und nicht aufgebe, immer wieder Unterstützungsangebote wie z.B.
- Offene Kommunikation: Sprechen Sie offen über die beobachteten Veränderungen, ohne den Betroffenen zu beschuldigen oder zu verurteilen.
- Unterstützungsangebote aufzeigen: Informieren Sie den Betroffenen über die vielfältigen Unterstützungsangebote für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen.
- Positive Aspekte hervorheben: Betonen Sie die Vorteile einer frühzeitigen Diagnose, wie z.B. die Möglichkeit, den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen und die Lebensqualität zu erhalten. Die Vorteile einer Diagnostik sind plausibel und nicht von der Hand zu weisen. So wird z.B. im Verlauf der Diagnostik untersucht, ob überhaupt eine Demenz bzw. welche Form der Demenz vorliegt. Mit der Bestätigung der Diagnose können dann möglicherweise medikamentöse Therapien sowie weitere therapeutische Maßnahmen eingeleitet werden. Häufig bringt eine gestellte Diagnose auch Erleichterung für die Angehörigen. Sie können dann wahrgenommene Veränderungen im Alltag erklären, besonders bei Veränderungen in zwischenmenschlichen Bereichen, und gezielt Beratungsangebote aufsuchen. Es gibt also gute Gründe, die für eine rechtzeitige Diagnostik sprechen.
- Druck vermeiden: Üben Sie keinen Druck auf den Betroffenen aus, sich untersuchen zu lassen. Dies kann zu Widerstand und Ablehnung führen.
- Geduld haben: Es kann Zeit und Geduld erfordern, den Betroffenen von der Notwendigkeit einer Untersuchung zu überzeugen.
- Dritte einbeziehen: Beziehen Sie eine Vertrauensperson des Betroffenen ein, wie z.B. einen Freund, ein Familienmitglied oder den Hausarzt.
Kreative Ansätze zur Überzeugung
Manchmal sind kreative Ansätze erforderlich, um den Betroffenen zu einem Arztbesuch zu bewegen. Hier sind einige Beispiele:
- Arztbesuch als Routineuntersuchung tarnen: Erfinden Sie einen Routinetermin „Ich weiß, du bist kerngesund, aber ich habe gehört, jeder über 60 sollte einmal im Jahr den Arzt sehen um Blutzucker und Herz testen zu lassen.“ Bitten Sie die Person, Sie zu diesem Arzttermin zu begleiten und die Untersuchung gleich mitzumachen.
- Arztbesuch mit einem wichtigen Ziel verknüpfen: Stellen Sie den Arztbesuch so dar, dass er einem bei einem für die Person wichtigen Ziel helfen kann: „Wenn du … weiter alleine wohnen / die große Reise planen / selber Auto fahren möchtest … warum dann nicht ärztlich abklären, ob du wirklich fit genug bist?“
- Hausbesuch organisieren: Organisieren Sie einen Hausbesuch, eine Videosprechstunde oder verbiegen Sie die Wahrheit, um die Person in eine Arztpraxis zu bekommen.
- Zweite Meinung einholen: Beziehen Sie eine dritte Person ein, zum Beispiel einen guten Freund der erkrankten Person. Oft folgen Menschen lieber dem Rat von Außenstehenden als dem von Verwandten.
Was tun, wenn alle Bemühungen scheitern?
Wenn trotz aller Bemühungen keine Einigung erzielt werden kann, ist es wichtig, die Entscheidung des Betroffenen zu respektieren. Schalten Sie lieber einen Gang zurück, damit kein Machtkampf entsteht. Menschen, die tatsächlich eine Demenz entwickeln, werden oft im Laufe der Zeit zugänglicher - oder es steht die nächste reguläre Routineuntersuchung an.
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Es ist jedoch ratsam, die Situation im Auge zu behalten und bei Bedarf erneut das Gespräch zu suchen. Wichtig ist zu wissen, dass Widerstand meist aus Angst, Unsicherheit oder dem Wunsch entsteht, das eigene Leben selbst zu bestimmen. Es ist zutiefst menschlich, Informationen zu vermeiden, die möglicherweise das ganze Leben auf den Kopf stellen.
Rechtliche Aspekte
Es ist wichtig zu beachten, dass Menschen mit Demenz grundsätzlich das Recht haben, eigene Entscheidungen zu treffen, solange sie nicht geschäftsunfähig sind. Erst wenn die Geschäftsfähigkeit aufgrund der Demenz nicht mehr gegeben ist, wird in der Regel ein rechtlicher Betreuer bestellt. Dieser regelt die finanziellen Angelegenheiten im Sinne des Betroffenen.
Unterstützung für Angehörige
Die Begleitung eines Menschen mit Demenz ist eine große Herausforderung, die viel Kraft und Geduld erfordert. Es ist wichtig, dass Angehörige sich selbst nicht vergessen und sich Unterstützung suchen. Es gibt zahlreiche Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen und Pflegekurse, die Angehörigen helfen können, mit der Situation umzugehen.
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