Die Diagnose Demenz stellt Betroffene und ihre Familien vor immense Herausforderungen. Nicht nur die fortschreitende Verschlechterung der kognitiven Fähigkeiten und die damit einhergehenden Veränderungen im Verhalten, sondern auch die Organisation der medizinischen Versorgung und die Bewältigung des Alltags können zur Zerreißprobe werden. Ein besonders schwieriges Problem stellt sich, wenn sich der Betroffene weigert, einen Arzt aufzusuchen, obwohl dies dringend erforderlich wäre. Dieser Artikel beleuchtet die Problematik der Arztverweigerung bei Demenz und gibt Angehörigen praktische Ratschläge, wie sie in dieser Situation vorgehen können.
Die Diagnose Demenz: Eine einschneidende Veränderung für alle Beteiligten
Mit der Diagnose Demenz verändert sich das Leben der Betroffenen erheblich. Sie verlieren zunehmend die Orientierung, und die Alltagsbewältigung wird immer schwieriger. Oftmals bemerken sie selbst diese Veränderungen und spüren, dass auch ihr Umfeld sie wahrnimmt, was zu Verunsicherung, Verärgerung und Frustration führen kann.
Auch für die Angehörigen bedeutet die Diagnose Demenz eine große Umstellung. Sie müssen viel Aufmerksamkeit, Geduld und Einfühlungsvermögen aufbringen, den Alltag des Betroffenen anpassen und neue Aufgaben und Rollen übernehmen. Dies kann die ganze Familie durcheinanderbringen und aufwühlen, aber auch zusammenschweißen.
Herausforderungen im Umgang mit Menschen mit Demenz
Im Zusammenleben mit Menschen mit Demenz ist es wichtig, den Alltag und die Umgebung ihren Bedürfnissen anzupassen. Dazu gehört, das nähere Umfeld über die Erkrankung und ihre Auswirkungen zu informieren und die Wohnung sicherer zu gestalten. Auch die Kommunikationsfähigkeit verändert sich bei Menschen mit Demenz stark, weshalb es wichtig ist, auf ihre Besonderheiten einzugehen und beispielsweise auf Körpersprache und Mimik zu achten.
Trotz aller Herausforderungen gibt es auch fröhliche Momente im Umgang mit Demenzkranken. Gerade in fortgeschrittenen Stadien verlieren viele Menschen Sorgen und Ängste und können im Moment leben, was auch ihre Umwelt anstecken kann. Es gibt verschiedene Unterstützungs- und Beratungsangebote für Betroffene und Angehörige, wie die Deutsche Alzheimer Gesellschaft, Pflegeberatungsstellen und Krankenkassen.
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"Herausforderndes Verhalten" als Kommunikationsmittel
Im Verlauf einer Demenzerkrankung kann es zu Verhaltensänderungen kommen, die als "herausforderndes Verhalten" bezeichnet werden. Dieses kann sich in motorischer Unruhe, ständigem Rufen, Nahrungsverweigerung oder Rückzug äußern. Auslöser können sowohl biographische Merkmale und Persönlichkeit des Betroffenen als auch körperliche Ursachen wie Schmerzen, Hunger oder Medikamentennebenwirkungen sein.
Wichtig ist, "herausforderndes Verhalten" als eine Form der Kommunikation wahrzunehmen und zu versuchen, die Ursachen zu verstehen. Angehörige sollten das Verhalten präzise beschreiben, um Anhaltspunkte für mögliche Auslöser zu finden und gezielte Maßnahmen einleiten zu können. Wenn der Geduldsfaden reißt, ist es ratsam, die Situation kurzzeitig zu verlassen und sich Hilfe zu suchen, beispielsweise bei Pflegediensten oder in der Tagespflege.
Die Angst vor der Diagnose und die Ablehnung des Arztbesuchs
Viele Menschen mit Demenz sträuben sich dagegen, einen Arzt aufzusuchen. Dies kann verschiedene Gründe haben:
- Angst vor Stigmatisierung: Betroffene befürchten, durch die Diagnose Demenz stigmatisiert und ausgegrenzt zu werden. Ein 80-jähriger Professor fragte beispielsweise, was seine wissenschaftlichen Arbeiten nach der Diagnose noch wert seien.
- Verlust der Krankheitseinsicht: In fortgeschrittenen Stadien der Demenz verlieren Betroffene die Fähigkeit, ihre eigenen Defizite wahrzunehmen. Sie erkennen nicht, dass sie krank sind und einen Arzt benötigen.
- Misstrauen gegenüber Ärzten: Manche Menschen haben generell ein Misstrauen gegenüber Ärzten und meiden Arztbesuche so gut es geht.
- Angst vor Kontrollverlust: Der Gedanke, die Kontrolle über die eigene Gesundheit und das eigene Leben abzugeben, kann für Betroffene sehr beängstigend sein.
- Scham: Viele Betroffene schämen sich für ihre Vergesslichkeit und ihre nachlassenden Fähigkeiten und möchten dies nicht vor einem Arzt offenbaren.
Was tun, wenn der Arztbesuch verweigert wird? - Strategien für Angehörige
Wenn sich ein Mensch mit Demenz weigert, zum Arzt zu gehen, ist dies für Angehörige eine sehr belastende Situation. Es gibt jedoch verschiedene Strategien, die helfen können, den Betroffenen doch noch zu einem Arztbesuch zu bewegen:
- Gespräch und Verständnis:
- Offenes Gespräch suchen: Sprechen Sie in einer entspannten Situation mit dem Betroffenen über Ihre Sorgen und Ängste bezüglich seiner Gesundheit.
- Verständnis zeigen: Versuchen Sie, die Gründe für die Ablehnung des Arztbesuchs zu verstehen und nehmen Sie die Ängste des Betroffenen ernst.
- Druck vermeiden: Üben Sie keinen Druck aus und vermeiden Sie Vorwürfe. Dies kann die Ablehnung nur verstärken.
- Wertschätzende Haltung einnehmen: Zeigen Sie dem Betroffenen, dass Sie ihn wertschätzen und respektieren, unabhängig von seiner Erkrankung.
- Vertrauen aufbauen:
- Geduld haben: Bauen Sie langsam Vertrauen auf und drängen Sie den Betroffenen nicht zu einer sofortigen Entscheidung.
- Unterstützung anbieten: Bieten Sie dem Betroffenen an, ihn zum Arzt zu begleiten und ihm während des Besuchs zur Seite zu stehen.
- Positive Erfahrungen schaffen: Erzählen Sie von positiven Erfahrungen mit Ärzten und betonen Sie, dass ein Arztbesuch helfen kann, Beschwerden zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern.
- Kreative Lösungen finden:
- Vorwand nutzen: Wenn der Betroffene über Schwindel oder Kopfschmerzen klagt, können Sie dies als Vorwand für einen Besuch beim Neurologen nutzen.
- Hausbesuch vereinbaren: Fragen Sie bei Neurologen oder Psychologen nach, ob sie Hausbesuche anbieten. Dies kann die Hemmschwelle für den Betroffenen senken.
- Ärzteauswahl: Bieten Sie dem Betroffenen an, den Arzt selbst auszuwählen oder einen Arzt zu wählen, zu dem er bereits ein Vertrauensverhältnis hat.
- Positive Gesprächsvorbereitung: Bereiten Sie den Betroffenen positiv auf den Arztbesuch vor, indem Sie ihm erklären, was ihn erwartet und ihm versichern, dass er jederzeit Fragen stellen kann.
- Professionelle Hilfe in Anspruch nehmen:
- Demenzberatungsstelle: Wenden Sie sich an eine Demenzberatungsstelle, um sich beraten zu lassen, wie Sie den Betroffenen am besten zu einem Arztbesuch bewegen können.
- Sozialpsychiatrischer Dienst: Der sozialpsychiatrische Dienst kann Ihnen ebenfalls bei der Vermittlung von Hilfsangeboten und der Organisation eines Arztbesuchs behilflich sein.
- Hausarzt einbeziehen: Sprechen Sie mit dem Hausarzt des Betroffenen. Er kann möglicherweise einen Hausbesuch machen oder den Betroffenen in einem vertrauten Umfeld ansprechen.
- Rechtliche Aspekte berücksichtigen:
- Vorsorgevollmacht: Wenn der Betroffene eine Vorsorgevollmacht erteilt hat, können Sie als Bevollmächtigter in seinem Namen einen Arzttermin vereinbaren.
- Betreuungsverfügung: In einer Betreuungsverfügung kann der Betroffene festlegen, wer im Falle einer Betreuungsbedürftigkeit als Betreuer eingesetzt werden soll.
- Gesetzliche Betreuung: Wenn keine Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung vorliegt und der Betroffene aufgrund seiner Demenz nicht mehr in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbst zu regeln, kann beim Betreuungsgericht eine gesetzliche Betreuung beantragt werden.
- Akzeptanz und Loslassen:
- Selbstbestimmung respektieren: So schwer es auch fällt, Sie müssen die Selbstbestimmung des Betroffenen respektieren. Er hat das Recht, eine Untersuchung und Behandlung zu verweigern, solange er nicht sich selbst oder andere gefährdet.
- Eigene Grenzen erkennen: Akzeptieren Sie, dass Sie nicht alles kontrollieren können und dass es Situationen gibt, in denen Sie nichts mehr tun können.
- Unterstützung suchen: Sprechen Sie mit anderen Angehörigen, Freunden oder in einer Selbsthilfegruppe über Ihre Gefühle und Belastungen.
Wenn alle Stricke reißen: Zwangseinweisung als letztes Mittel?
In sehr seltenen Fällen kann es vorkommen, dass ein Mensch mit Demenz aufgrund seiner Erkrankung sich selbst oder andere gefährdet. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn er die Nahrungsaufnahme verweigert, Medikamente nicht einnimmt oder durch sein Verhalten Brände verursacht oder sich verirrt. In solchen Situationen kann eine Zwangseinweisung in eine psychiatrische Klinik in Betracht gezogen werden.
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Eine Zwangseinweisung ist jedoch nur unter strengen Voraussetzungen zulässig und muss vom Betreuungsgericht genehmigt werden. Vor einer Zwangseinweisung müssen alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sein, um den Betroffenen zu einem freiwilligen Arztbesuch oder einer Behandlung zu bewegen.
Rechtliche Aspekte bei Demenz
Demenz bedeutet nicht automatisch Geschäftsunfähigkeit. Solange Menschen mit Demenz in der Lage sind, die Konsequenzen ihrer Handlungen zu verstehen, sind sie geschäftsfähig und können Verträge abschließen. Allerdings gibt es auch hier Grenzen. Wenn die Demenz so weit fortgeschritten ist, dass die Betroffenen nicht mehr in der Lage sind, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln, kann ein rechtlicher Betreuer bestellt werden.
Es ist wichtig, sich frühzeitig mit den rechtlichen Aspekten der Demenz auseinanderzusetzen und Vorsorgevollmachten, Betreuungsverfügungen und Patientenverfügungen zu erstellen. Diese Dokumente ermöglichen es, die eigenen Wünsche und Vorstellungen für den Fall einer Demenzerkrankung festzulegen und sicherzustellen, dass diese respektiert werden.
Unterstützung für Angehörige
Die Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz ist eine große Herausforderung, die oft mit einer hohen Belastung für die Angehörigen verbunden ist. Es ist daher wichtig, sich professionelle Hilfe und Unterstützung zu suchen. Es gibt zahlreiche Angebote für Angehörige von Menschen mit Demenz, wie beispielsweise:
- Pflegekurse: In Pflegekursen lernen Angehörige, wie sie Menschen mit Demenz лучше versorgen können und erhalten praktische Tipps für den Alltag.
- Selbsthilfegruppen: In Selbsthilfegruppen können sich Angehörige mit anderen Betroffenen austauschen und gegenseitig unterstützen.
- Beratungsstellen: Beratungsstellen bieten Informationen und Unterstützung zu allen Fragen rund um das Thema Demenz.
- Entlastungsangebote: Es gibt verschiedene Entlastungsangebote für pflegende Angehörige, wie beispielsweise Tagespflege, Kurzzeitpflege oder stundenweise Betreuung.
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