Myasthenia gravis: Ursachen für Gewichtsverlust, Diagnose und Behandlung

Myasthenia gravis (MG), oft auch nur Myasthenie genannt, ist eine Autoimmunerkrankung, bei der fehlgesteuerte Antikörper die Signalübertragung von der Nervenzelle zum Muskel blockieren. Dies führt zu einer belastungsabhängigen Muskelschwäche, die sich im Laufe des Tages verstärkt. Obwohl die Erkrankung nicht heilbar ist, kann sie in den meisten Fällen gut medikamentös unter Kontrolle gebracht werden, um die Lebensqualität der Betroffenen deutlich zu verbessern. Schätzungen zufolge sind in Deutschland etwa 15 von 100.000 Menschen betroffen.

Was ist Myasthenia gravis?

Bei Myasthenia gravis bildet der Körper Autoantikörper, die sich meist gegen den Acetylcholinrezeptor richten, welcher für die Kommunikation zwischen Nervenzellen und Muskeln entscheidend ist. Diese Antikörper stören die Reizübertragung an der motorischen Endplatte, was zu einer Muskelschwäche führt.

Neben der erworbenen Myasthenia gravis gibt es auch angeborene Muskelschwächen, die als kongenitale myasthene Syndrome (CMS) bezeichnet werden. Die MG tritt am häufigsten bei Menschen zwischen 60 und 80 Jahren auf, kann aber auch Kinder und Jugendliche betreffen.

MGFA-Klassifikation

Die Myasthenia Gravis Foundation of America (MGFA) teilt Myasthenia gravis in fünf Klassen ein:

  • Klasse I: Rein okuläre Myasthenie, die sich auf die äußeren Augenmuskeln und den Lidschluss beschränkt.
  • Klasse II: Leichte generalisierte Myasthenie, bei der zusätzlich zu den Augenmuskeln auch andere Muskelgruppen betroffen sind.
  • Klasse III: Mäßiggradige generalisierte Myasthenie, wobei auch hier andere Muskelgruppen als die Augenmuskeln betroffen sind.
  • Klasse IV: Schwere generalisierte Myasthenie.
  • Klasse V: Intubationsbedürftigkeit mit oder ohne künstliche Beatmung.

Die Klassen II bis IV werden weiterhin in Subgruppen A und B unterteilt, wobei A die Betonung auf die Muskulatur der Extremitäten bzw. des Rumpfs legt und B eine besondere Beteiligung der Mundrachenmuskulatur und/oder Atemmuskulatur beschreibt.

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Ursachen

Die genaue Ursache für das Auftreten der Autoantikörper bei MG ist noch nicht vollständig geklärt. Allerdings spielt die Thymusdrüse, die sich hinter dem oberen Teil des Brustbeins befindet, eine zentrale Rolle bei der Ausbildung dieser Antikörper. Bei etwa 15 Prozent der Betroffenen sind bösartige Tumoren der Thymusdrüse nachweisbar.

Das Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom (LEMS) ist eine ähnliche Muskelschwäche, bei der sich Autoantikörper gegen die Calcium-Kanäle der Nervenzellen richten.

Symptome der Myasthenia gravis

Ein auffälliges Symptom der Myasthenia gravis ist die Ermüdung der Muskulatur, die im Laufe des Tages zunimmt. Zunächst sind oft kleinere Muskelgruppen betroffen, insbesondere die Augenmuskulatur, was zu Schwierigkeiten beim Öffnen der Augenlider oder zu Doppelbildern führt. Bei etwa 70 bis 80 Prozent der Betroffenen breitet sich die Schwäche innerhalb von zwei bis drei Jahren auch auf andere Muskelgruppen aus, was als Generalisierung der MG bezeichnet wird.

Generalisierte Myasthenie

Bei der generalisierten Myasthenie können potenziell alle Muskeln beteiligt sein, typischerweise sind aber die Muskeln von Armen und Beinen betroffen. Dies kann zu Schwierigkeiten beim Heben von Gegenständen oder beim Treppensteigen führen. Auch die Gesichtsmuskulatur kann betroffen sein, was die Ausdrucksfähigkeit beeinträchtigt.

Wenn die Muskeln von Zunge, Schlund oder Kehlkopf betroffen sind, kann dies zu Schwierigkeiten beim Kauen, Schlucken oder Sprechen führen. Eine Störung der Atemmuskulatur kann sich durch eine schwache Stimme, einen schwachen Hustenstoß oder häufiges Zwischenatmen beim Sprechen äußern. In schweren Fällen kann es zu einer myasthenen Krise mit Atemlähmung und schweren Schluckstörungen kommen, die eine sofortige intensivmedizinische Behandlung erfordert.

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Gewichtsverlust als Symptom

Einige Patienten mit Myasthenia gravis erleben Gewichtsverlust. Dies kann verschiedene Ursachen haben:

  • Schluckbeschwerden: Schwierigkeiten beim Kauen und Schlucken können die Nahrungsaufnahme erschweren und zu einer verminderten Kalorienzufuhr führen.
  • Appetitlosigkeit: In manchen Fällen kann die Erkrankung selbst oder die damit verbundene Medikamenteneinnahme zu Appetitlosigkeit führen.
  • Erhöhter Energieverbrauch: Der Körper kann aufgrund der ständigen Muskelanstrengung einen erhöhten Energieverbrauch haben, was zu Gewichtsverlust führen kann.
  • Begleiterkrankungen: Myasthenia gravis tritt häufig bei Patientinnen und Patienten auf, die bereits an einer anderen Autoimmunerkrankung leiden, zum Beispiel an rheumatoider Arthritis, systemischem Lupus erythematodes und Erkrankungen mit Überaktivität der Schilddrüse (autoimmune Hyperthyreose), wie etwa Hashimoto-Thyreoiditis. Diese Erkrankungen können ebenfalls zu Gewichtsverlust führen.
  • Tumoren: Ein Thymom kann mit einer Gewichtsabnahme einhergehen.

Es ist wichtig zu beachten, dass Gewichtsverlust auch viele andere Ursachen haben kann, die nicht mit Myasthenia gravis zusammenhängen. Eine gründliche ärztliche Untersuchung ist daher unerlässlich, um die genaue Ursache des Gewichtsverlustes zu ermitteln und eine angemessene Behandlung einzuleiten.

Andere Ursachen für ungewollten Gewichtsverlust sind: vermehrter Energieverbrauch, erhöhter Energiebedarf und verminderte Nahrungsaufnahme mit oder ohne Appetitverlust.

Im höheren Lebensalter ist der Gewichtsverlust eines der häufigsten Symptome einer Hyperthyreose und kann ein erhebliches Ausmaß erreichen.

In der Gruppe „Gewichtsverlust aufgrund eines erhöhten Energiebedarfs“ befinden sich der Diabetes mellitus und Krankheiten, die zu einer Malabsorption führen. Zu den letzteren gehören die einheimische Sprue, die chronische Pankreatitis und entzündliche Darmerkrankungen. Auch können die einheimische Sprue und die chronische Pankreatitis erst im hohen Lebensalter manifest werden, also zu einem Zeitpunkt, zu dem diese beiden Erkrankungen meist nicht mehr in die differenzialdiagnostischen Überlegungen einbezogen werden.

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Eine Reihe von Erkrankungen, die zu einer verminderten Nahrungsaufnahme führen können sind zum Beispiel im hohen Lebensalter allgemeine Schwäche, die eine Nahrungsaufnahme erschwert, und vor allem in vielen Teilen der Welt Armut.

Eine Reihe von chronischen Erkrankungen führt ebenfalls zu einer verminderten Nahrungsaufnahme mit und ohne vermehrten Kalorienbedarf. Die chronische Herzinsuffizienz führt sowohl zu einem erhöhten Energiebedarf als auch zu einer allgemeinen Hypoxie. Bei einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung ist ein Gewichtsverlust ein häufiges Symptom, Morbidität und Mortalität sind hoch. Von den gastrointestinalen Erkrankungen, die zu einer verminderten Nahrungsaufnahme mit oder ohne vermehrten Kalorienbedarf gehören, sind tumorbedingte Stenosen im Bereich des gesamten Magen-Darm-Traktes, aber auch gastrointestinale Erkrankungen mit Sitophobie (Beginn von Schmerzen nach Nahrungsaufnahme) zu nennen. Unabhängig von gastrointestinalen Tumoren gibt es auch eine ganze Reihe von anderen Krebserkrankungen, die mit einem erhöhten Energieverbrauch bei verminderter Nahrungsaufnahme durch Appetitverlust einhergehen. Sicherlich nicht zuletzt ist bei verminderter Nahrungsaufnahme auch an psychische Ursachen, zum Beispiel Essstörungen und Depressionen, zu denken, vor allem auch deswegen, weil diese Erkrankungen und damit der Gewichtsverlust potenziell reversibel sind.

Diagnose von Myasthenia gravis

Die Diagnose der Myasthenia gravis basiert auf der Krankengeschichte, neurologischen Untersuchungen und speziellen Tests, die zur Ermüdung der Muskulatur führen.

Diagnostische Verfahren

  • Krankengeschichte und neurologische Untersuchung: Der Arzt erfragt die typischen Beschwerden und führt eine neurologische Untersuchung durch, um die Muskelfunktion zu beurteilen.
  • Neurophysiologische Tests (EMG): Elektromyographie (EMG) dient zur Messung und Bestimmung der Muskelerregung.
  • Blutuntersuchungen: Im Blut wird nach Antikörpern gegen den Acetylcholinrezeptor oder andere Bestandteile der motorischen Endplatte gesucht.
  • Bildgebende Verfahren (CT oder MRT): Diese Verfahren werden eingesetzt, um die Thymusdrüse zu untersuchen und eventuelle Tumoren auszuschließen.
  • Pharmakologische Tests: Dabei werden Cholinesterasehemmer wie Edrophoniumchlorid oder Pyridostigmin verabreicht, um die Muskelfunktion kurzzeitig zu verbessern.

Behandlung von Myasthenia gravis

Myasthenie ist nicht heilbar, aber die Symptome können in den meisten Fällen gut kontrolliert werden. Die Therapie zielt darauf ab, die Lebensqualität der Betroffenen wiederherzustellen oder zumindest deutlich zu verbessern.

Therapeutische Ansätze

  • Symptomatische Therapie: Acetylcholinesterase-Hemmer (AChE-I) verbessern die Signalübertragung zwischen Nerv und Muskel, indem sie den Abbau von Acetylcholin verzögern.
  • Immunsuppressive Therapie: Medikamente wie Corticoide, Mycophenolat-Mofetil, Ciclosporin A, Tacrolimus oder Methotrexat unterdrücken das überaktive Immunsystem und verhindern die Bildung von Autoantikörpern.
  • Thymektomie: Die Entfernung der Thymusdrüse wird vor allem bei Patientinnen und Patienten im Alter zwischen 18 und 65 Jahren mit Autoantikörpern gegen den Acetylcholinrezeptor empfohlen.
  • Plasmapherese und Immunadsorption: Diese Verfahren werden in der myasthenen Krise eingesetzt, um Antikörper aus dem Blut zu entfernen.
  • Weitere Maßnahmen: Bei okulärer Myasthenie können Lidhalter an der Brille oder operative Maßnahmen zur Korrektur des herabhängenden Augenlids helfen. Bewegung und Trainingstherapien können die Muskelkraft verbessern. Ergänzende Maßnahmen wie Physio- oder Ergotherapie, Logopädie, neuropsychologische Therapie und Entspannungsmaßnahmen können ebenfalls zu einem positiven Krankheitsverlauf beitragen.

Was Menschen mit einer Myasthenie beachten müssen

Es gibt viele Medikamente, die die Symptome einer Myasthenie verstärken können. Dazu gehören einige Antibiotika, Mittel zur Blockade der neuromuskulären Übertragung und bestimmte Mittel in der Anästhesie. Patienten mit Myasthenie sollten sich unbedingt regelmäßig bei spezialisierten Neurologen vorstellen und Lebensereignisse wie Schwangerschaften oder anstehende Operationen stets mit ihrem Neurologen planen.

Thymom und Myasthenia gravis

Ein Thymom ist ein seltener Tumor des Thymus, der bei etwa 10 bis 15 Prozent der Patienten mit Myasthenia gravis auftritt. Umgekehrt kann bei etwa 45 Prozent der Patienten mit einem Thymom eine Myasthenia gravis nachgewiesen werden. Der Zusammenhang zwischen dieser Autoimmunerkrankung und dem Auftreten eines Thymoms ist bis heute nicht eindeutig geklärt.

Diagnose und Therapie des Thymoms

Die Diagnose eines Thymoms wird meist zufällig im Rahmen einer Routineuntersuchung (Röntgen-Thorax) gestellt. Die Therapie der Wahl ist die Operation, bei der der Tumor vollständig entfernt wird. In manchen Fällen ist eine zusätzliche Strahlentherapie oder Chemotherapie erforderlich.

Leben mit Myasthenia gravis

Dank der heutigen Behandlungsmöglichkeiten ist der Verlauf der Myasthenia gravis in der Regel günstig und führt nicht mehr zu einer Verkürzung der Lebenserwartung. Die meisten Patientinnen und Patienten können trotz Einschränkungen ihrer körperlichen Belastbarkeit ein weitgehend normales Leben führen und ihren Beruf ausüben. Es gibt jedoch keine Möglichkeit, die Muskelkraft vollständig wiederherzustellen. Alle Patientinnen und Patienten müssen ihre individuellen Belastungsgrenzen herausfinden.

Tipps für den Alltag

  • Regelmäßige Pausen: Planen Sie regelmäßige Pausen ein, um die Muskeln zu entlasten.
  • Vermeidung von Stress: Stress kann die Symptome der Myasthenie verstärken.
  • Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung kann helfen, den Körper mit ausreichend Energie zu versorgen.
  • Regelmäßige Bewegung: Bewegung und Trainingstherapien können die Muskelkraft verbessern.
  • Austausch mit anderen Betroffenen: Selbsthilfeorganisationen wie die Deutsche Myasthenie-Gesellschaft können Betroffene unterstützen und Informationen austauschen.

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