Myasthenia gravis ist eine Autoimmunerkrankung, die durch Muskelschwäche und schnelle Ermüdbarkeit gekennzeichnet ist. Obwohl die neurologische Fachgesellschaft in ihren Behandlungsleitlinien keine speziellen Ernährungsempfehlungen gibt, deuten Forschungsergebnisse darauf hin, dass die Ernährung eine Rolle bei der Beeinflussung des Krankheitsverlaufs spielen könnte. Dieser Artikel beleuchtet die aktuellen Erkenntnisse und gibt einen Überblick über mögliche Ernährungsempfehlungen für Menschen mit Myasthenia gravis.
Was ist Myasthenia gravis?
Myasthenia gravis ist eine seltene Autoimmunerkrankung, von der in Deutschland schätzungsweise 8.000 bis 12.000 Menschen betroffen sind. Die Erkrankung führt zu einer übermäßigen Muskelermüdbarkeit, da das Immunsystem Antikörper gegen Eiweiße an der neuromuskulären Synapse bildet, der Übertragungsstelle von Nerv auf Muskel. Dies stört die Signalübertragung und führt zu Muskelschwäche.
Die Symptome von Myasthenia gravis können unterschiedlich ausgeprägt sein, betreffen aber häufig zuerst die Augen, was zu hängenden Augenlidern und Doppeltsehen führt. Im weiteren Verlauf können auch andere Körperteile wie Gesicht, Oberkörper, Arme und Beine betroffen sein, was zu Sprach- und Schluckstörungen führen kann. In schweren Fällen kann die Erkrankung die Atemmuskulatur beeinträchtigen und lebensbedrohliche Atemstillstände verursachen.
Ursachen und Diagnose
Die genaue Ursache von Myasthenia gravis ist noch nicht vollständig geklärt. Es wird vermutet, dass Infektionen mit Viren oder Bakterien eine Fehlsteuerung des Immunsystems auslösen können. Die Diagnose erfolgt in der Regel anhand von standardisierten Tests zur Messung der Muskelermüdung, einer Laboruntersuchung des Blutes zur Feststellung von Antikörpern und einer neurophysiologischen Untersuchung zur Messung der elektrischen Aktivität in Muskeln und Nerven.
Konventionelle Behandlungsmethoden
Die konventionelle Behandlung von Myasthenia gravis umfasst Medikamente, die die Konzentration von Acetylcholin im Blut erhöhen und die Reizweiterleitung vom Nerv zum Muskel verbessern. Zusätzlich werden häufig Kortikosteroide oder Immunmodulatoren eingesetzt, um die Antikörperbildung zu reduzieren. In einigen Fällen kann auch die Entfernung des Thymus, eines Organs des Immunsystems, in Betracht gezogen werden. Bei einer myasthenen Krise, die einen Atemstillstand droht, ist eine Notfalltherapie mit Immunglobulinen oder Plasmapherese erforderlich.
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Ernährung und Myasthenia gravis: Was sagt die Forschung?
Obwohl es keine spezifischen Ernährungsempfehlungen in den Behandlungsleitlinien gibt, deuten aktuelle Forschungsergebnisse darauf hin, dass die Ernährung eine Rolle bei der Beeinflussung des Krankheitsverlaufs von Myasthenia gravis spielen könnte.
Die Rolle der Darmflora
Ähnlich wie bei anderen Autoimmunerkrankungen gibt es Hinweise darauf, dass Veränderungen der Darmflora (Dysbiose) eine Rolle im Krankheitsgeschehen spielen könnten. Die Darmflora, also die Gesamtheit der Bakterien im Magen-Darm-Trakt, kann indirekt das Immunsystem beeinflussen. Studien haben gezeigt, dass das Darmmikrobiom bei Patienten mit Myasthenia gravis im Vergleich zu gesunden Probanden verändert ist.
Ketogene Ernährung als möglicher Therapieansatz
Besondere Aufmerksamkeit hat in den letzten Jahren die ketogene Ernährung erhalten. Dies ist eine sehr kohlenhydratarme, fettreiche Diät, die in Studien zu Multipler Sklerose positive Effekte auf Entzündungsprozesse und die Krankheitsaktivität gezeigt hat. Eine Pilotstudie untersuchte die Machbarkeit und Wirksamkeit einer ketogenen Ernährung bei Patienten mit Myasthenia gravis.
Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass eine ketogene Ernährung zu klinisch relevanten Verbesserungen beitragen kann, insbesondere bei der Reduktion der Fatigue-Symptomatik. Auch krankheitsspezifische Parameter wie die Lebensqualität und die Krankheitsschwere verbesserten sich. Zudem zeigte sich ein Trend zur Reduktion von Entzündungsaktivität. Während der Studie traten keine schweren Nebenwirkungen auf.
Es ist wichtig zu beachten, dass es sich hierbei um eine Pilotstudie handelt und weitere Forschung erforderlich ist, um die langfristigen Auswirkungen und die optimale Anwendung der ketogenen Ernährung bei Myasthenia gravis zu untersuchen.
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Orthomolekulare Strategien
Die histologisch bzw. molekulargenetisch verschiedenen Formen der Myasthenia gravis mit gestörter Signalübertragung von Nerv zu Muskel können auch als eine von der urbanisierten zivilisierten Lebensweise, mit reichlich Xenobiotika- und Schwermetalleintrag, verursachte Krankheit aufgefasst werden. Oxidationsschäden der Zell- und mitbetroffenen Vesikelmembranen können durch Antioxidanzien (Vitamin E, Vitamin C und selenhaltige Glutathionperoxidase) repariert werden oder durch das zinkhaltige Enzym Phospholipase A2, das wie das ebenfalls zinkhaltige DNA-Repair-Enzym, die geschädigten Teile einfach herausschneidet.
Da durch Physostigmin, Plasmapherese, Azathioprin und Glucocorticoide die Wirkung der Autoimmunantikörper gemindert werden kann, sollte man versuchen, auch über die Ernährung durch Zufuhr von reichlich ungesättigten Fettsäuren, wie sie Nachtkerzen-, Borretsch- und Färberdistelöl enthalten, sowie durch Zufuhr wichtiger antioxidativ wirkender Spurenelemente, vor allem Zink, Selen, Vitamin E und Vitamin C, die Nahrung in Reduktionsmittel zu verwandeln, um langfristig die Eiweißkomposition, die normalerweise eben auch zinkabhängig ist, zu verändern. Zink als Spurenelement wird nicht nur für die Signaltransduktion gebraucht, das heißt es gelangt nicht nur mit jedem exzitatorischen Transmitter in den Synapsenspalt, sondern ist auch katalytischer Bestandteil von wichtigen Enzymen wie DNA-Polymerase, RNA-Polymerase, Thymidinkinase und anderen in die Transkriptionsmaschinerie eingebundenen Enzymen.
Orthomolekulare Strategien setzen natürlich auch Laborkontrollen voraus. Aquirierte giftige Schwermetalle, Vitamin- und Spurenelementgehalt müssen beim Patienten bestimmt werden, um danach die Zufuhr auszurichten, damit Normalwerte erreicht werden können. Dabei ist zu beachten, dass nicht nur einzelne Spurenelemente oder Vitamine oder andere antioxidativ wirkende Substanzen verabreicht werden, denn es handelt sich immer um komplexe Stoffwechselprozesse, in die weitere Vitamine als Koenzyme eingebunden sind. Zinkmangel in der Ernährung des deutschen Normalverbrauchers ist ein auch von der DGE lange erkanntes Phänomen. Auf lange Sicht könnte sich die Zink-Substitution als kostengünstig herausstellen.
Allgemeine Ernährungsempfehlungen für Menschen mit Myasthenia gravis
Obwohl spezifische Ernährungsempfehlungen für Myasthenia gravis fehlen, können einige allgemeine Richtlinien helfen, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern:
- Ausgewogene Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und magerem Eiweiß ist wichtig für die allgemeine Gesundheit und kann dazu beitragen, das Immunsystem zu stärken.
- Antioxidantienreiche Lebensmittel: Der Verzehr von Lebensmitteln, die reich an Antioxidantien wie Vitamin E, Vitamin C und Selen sind, kann dazu beitragen, oxidativen Stress zu reduzieren und die Zellgesundheit zu fördern. Gute Quellen für Antioxidantien sind Beeren, Nüsse, Samen, grünes Blattgemüse und Zitrusfrüchte.
- Ungesättigte Fettsäuren: Der Verzehr von Lebensmitteln, die reich an ungesättigten Fettsäuren sind, wie z. B. Nachtkerzen-, Borretsch- und Färberdistelöl, kann dazu beitragen, Entzündungen zu reduzieren.
- Zinkreiche Lebensmittel: Der Verzehr von Lebensmitteln, die reich an Zink sind, kann dazu beitragen, die Funktion des Immunsystems zu unterstützen. Gute Quellen für Zink sind Fleisch, Fisch, Meeresfrüchte, Nüsse und Samen.
- Vermeidung von Triggerfaktoren: Bestimmte Lebensmittel oder Inhaltsstoffe können bei manchen Menschen mit Myasthenia gravis Symptome auslösen. Es ist wichtig, diese Triggerfaktoren zu identifizieren und zu vermeiden. Häufige Triggerfaktoren sind verarbeitete Lebensmittel, Zucker, Alkohol und künstliche Süßstoffe.
- Anpassung der Konsistenz bei Schluckstörungen: Bei Schluckstörungen kann es hilfreich sein, die Konsistenz der Nahrung anzupassen, um das Schlucken zu erleichtern. Es gibt spezielle Kochbücher mit Rezepten für Patienten mit Schluckstörungen/Dysphagie.
- Regelmäßige Mahlzeiten: Regelmäßige Mahlzeiten können dazu beitragen, den Blutzuckerspiegel stabil zu halten und Müdigkeit vorzubeugen.
- Ausreichende Flüssigkeitszufuhr: Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist wichtig für die allgemeine Gesundheit und kann dazu beitragen, Müdigkeit und Verstopfung vorzubeugen.
Sport und Bewegung
Prinzipiell kann man nicht nur mit einer Myasthenia gravis Sport treiben, man sollte es auch (im Rahmen der Möglichkeiten durch die Erkrankung). Allerdings muss man als Patient mit einer Myasthenia gravis darauf achten, dass man nicht „in die Ermüdung hineintrainiert“, sondern bereits vorher kurze Pausen einlegt.
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