Myasthenia Gravis: Spezialisten finden, Symptome erkennen und Behandlungsmöglichkeiten verstehen

Myasthenia gravis ist eine seltene Autoimmunerkrankung, die durch Muskelschwäche und schnelle Ermüdung gekennzeichnet ist. Die Erkrankung kann verschiedene Muskelgruppen betreffen und unterschiedliche Symptome hervorrufen. Eine frühzeitige Diagnose und eine individuelle Behandlung durch Spezialisten sind entscheidend, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über Myasthenia gravis, von den Ursachen und Symptomen bis hin zu Diagnoseverfahren, Behandlungsmöglichkeiten und der Suche nach geeigneten Spezialisten.

Was ist Myasthenia Gravis?

Myasthenia gravis (MG) ist eine neuromuskuläre Erkrankung, bei der die Kommunikation zwischen Nerven und Muskeln gestört ist. Dies führt zu einer belastungsabhängigen Muskelschwäche, die sich im Laufe des Tages oder nach Anstrengung verschlimmern kann. Die Erkrankung betrifft schätzungsweise 1 von 10.000 Menschen und kann in jedem Alter auftreten, wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer.

Ursachen von Myasthenia Gravis

Bei Myasthenia gravis handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung. Das bedeutet, dass der Körper fälschlicherweise Antikörper gegen eigenes Gewebe produziert. Im Falle von Myasthenia gravis richten sich diese Autoantikörper gegen Acetylcholin-Rezeptoren in den Synapsen zwischen motorischen Nerven und Muskeln. Dadurch wird die Übertragung von Bewegungsbefehlen aus dem Gehirn nicht richtig auf den Muskel übertragen und es kommt zu Bewegungsstörungen. Die Ursache dieser Autoimmunerkrankung ist bis heute noch unbekannt. In einigen Fällen kann eine Vergrößerung der Thymusdrüse (Thymom) im vorderen Brustraum nachgewiesen werden, die als Ursache der Antikörper-Bildung in Frage kommt.

Symptome von Myasthenia Gravis

Die Symptome von Myasthenia gravis können von Person zu Person variieren, da die Erkrankung nahezu alle Muskeln des Körpers betreffen kann. Das Hauptsymptom ist die unnatürliche Ermüdbarkeit der Muskulatur. Typischerweise handelt es sich um eine belastungsabhängige Schwäche, so dass die Symptome gegen Abend oder nach außergewöhnlichen Belastungen zunehmen können. Häufige Symptome sind:

  • Augen: Hängende Augenlider (Ptosis), Doppelbilder (Diplopie), unnormale Stellung der Augäpfel
  • Kopf: Erschwertes Kauen, schlaffe Gesichtszüge, Schluckbeschwerden, undeutliches Sprechen
  • Skelettmuskeln: Muskelschwäche in Armen und Beinen (z.B. beim Treppensteigen oder Arbeiten mit den Armen über Kopf), Kopfhalteschwäche
  • Atemmuskulatur: In schweren Fällen kann die Atemmuskulatur betroffen sein, was zu Atemnot führen kann und eine Behandlung auf der Intensivstation notwendig macht.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Symptome im Laufe der Zeit variieren können und von verschiedenen Faktoren wie Stress, Infektionen oder Medikamenten beeinflusst werden können.

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Diagnose von Myasthenia Gravis

Die Diagnose von Myasthenia gravis umfasst in der Regel mehrere Schritte:

  1. Anamnese und klinische Untersuchung: Der Arzt erfragt die Symptome und führt eine neurologische Untersuchung durch, um die Muskelfunktion zu beurteilen. Der Verdacht auf Myasthenia gravis besteht, wenn schnell wechselnde Bewegungen eine rasche Ermüdung auslösen.
  2. Medikamententest: Hierbei kommen Cholinesterase-Inhibitoren zum Einsatz. Sie werden bei bewiesener Myasthenia Gravis auch zur Therapie verschrieben. Verbessern sich die Symptome schnell nach Gabe des Medikaments, ist von einer Myasthenia Gravis auszugehen.
  3. Elektromyographie (EMG): Eine Elektromyographie (EMG) ist ein weiteres Diagnosemittel und erfasst die elektrische Aktivität eines Muskels und deckt so die für die Erkrankung typische Veränderung auf: die Aktivität im entsprechenden Muskel nimmt bei anhaltender Muskelbelastung ab und durch einen Cholinesterase-Inhibitor nimmt der Ausschlag wieder zu.
  4. Blutuntersuchungen: Im Blut können Antikörper gegen Acetylcholin-Rezeptoren, Anti-MUSK- oder LRP4-Antikörper nachgewiesen werden.
  5. Bildgebung: Eine Bildgebung des Brustraums (CT oder MRT) kann durchgeführt werden, um eine Vergrößerung der Thymusdrüse (Thymom) auszuschließen.

Bei einem Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom muss neben den o.g. Untersuchungen immer auch die Suche nach einem Tumor erfolgen.

Behandlung von Myasthenia Gravis

Die Behandlung von Myasthenia gravis zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. Es stehen verschiedene Therapieoptionen zur Verfügung, die individuell auf den Patienten abgestimmt werden:

  1. Medikamentöse Therapie:
    • Cholinesterase-Inhibitoren: Die Basistherapie jeder Myasthenia Gravis Form besteht in der Gabe von Cholinesterase-Inhibitoren. Dieser Wirkstoff hemmt ein Enzym, das sich in der Synapse befindet und freiwerdendes Acetylcholin wieder abbaut und so das Signal, das übertragen wurde, beendet. Wird dieses abbauende Enzym nun gehemmt, verbleibt das Acetylcholin länger in der Synapse und auch dessen Konzentration erhöht sich. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Acetylcholinrezeptoren besetzt werden und die Muskelschwäche wird vermindert.
    • Immunsuppressiva: Zeigen Cholinesterase-Inhibitoren nur unzureichende Wirkung, können auch Medikamente der Gruppe Immunsuppressiva gegeben werden oder mit Cholinesterase-Inhibitoren kombiniert werden. Beispiele hierfür sind Corticosteroide (z.B. Prednison) und andere Immunsuppressiva wie Azathioprin oder Mycophenolatmofetil.
    • Weitere Immuntherapien: In einigen Fällen können auch intravenöse Immunglobuline (IVIG) oder Plasmapherese eingesetzt werden, um die Antikörper im Blut zu reduzieren. Auch neue Immunmodulatoren (Inhibitoren von Komplement C5 bzw. des neonatalen Fc-Rezeptors) sowie die B-Zell-Immunsuppressiva kommen bei hochaktiven Krankheitsverläufen zum Einsatz.
  2. Chirurgische Therapie:
    • Thymektomie: In vielen Fällen kann eine operative Entfernung des Thymus und des umgebenen Fettgewebes, einen positiven Effekt auf die Erkrankung haben, insbesondere kann sie zu einer Dosisreduktion der Corticosteroide führen oder die Erkrankung sogar ausheilen. Dies gilt für alle Patienten mit einer Vergrößerung der Drüse (Thymom) aber auch für viele Patienten die unter einer MG ohne Vergrößerung der Drüse leiden. Die Entfernung der Thymusdrüse wird in den aller meisten Fällen mittels eines modernen minimalinvasiven Verfahren durchgeführt, welches durch einen OP Roboter (DaVinci®) unterstützt wird.

Die medikamentöse Behandlung der Myasthenie wird durch die Klinik und Poliklinik für Neurologie und den niedergelassenen Neurologen begleitet, Laborkontrollen erfolgen in der Regel durch den Hausarzt/niedergelassenen Neurologen. Auch eine stationäre Behandlung im Falle schwerer Symptome oder im Rahmen der Diagnosestellung erfolgt in der Klinik und Poliklinik für Neurologie.

Rehabilitation bei Myasthenia Gravis

Die Rehabilitation stellt einen wichtigen Baustein in der Förderung der Lebensqualität und beruflichen Leistungsfähigkeit dar. Als erstes werden die bestehenden Symptome aufgenommen. Gelenkveränderungen, orthopädische Folgeschädigungen, spezielle Schmerzsymptome werden vermerkt. Außerdem wird eine neurologische Untersuchung der Hirnnerven durchgeführt und die Kraftentfaltung der Extremitäten, die Muskeleigen- und Fremdreflexe, die Sensibilität und die Koordination überprüft.

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Therapieziele sind die Verbesserung und das Erhalten der Selbständigkeit, die Selbstversorgung und Teilhaben am sozialen Leben. Durch Physiotherapie wird ein langsamer und kontinuierlicher Aufbau der Muskelkraft und der Ausdauer angestrebt. Außerdem sollen Bewegungsabläufen in Hinsicht auf Koordination und Dosierung von Kraft verbessert werden. Ein weiterer Therapiepfeiler ist das sensomotorische Training mit Schwerpunkt auf Koordination und Feinmotorik. Der Patient soll wieder dazu hingeführt werden, alltägliche Aufgaben selbstständig zu erledigen: Ankleiden, Waschen, Autofahren, Schreiben usw.

Die Logopädie ist eine weitere Abteilung in der Rehabilitation zur Behandlung von Myasthenia gravis. Betroffene mit Schluck- oder Sprechstörungen werden dort behandelt. Sie sollen lernen, wie sie Muskeln in Hals und Kehlkopf dazu nutzen können, ökonomisch zu sprechen und schlucken.

Leben mit Myasthenia Gravis

Trotz der Herausforderungen, die Myasthenia gravis mit sich bringt, können viele Patienten ein erfülltes Leben führen. Wichtig ist, sich gut über die Erkrankung und die Behandlungsmöglichkeiten zu informieren und sich einen Spezialisten zu suchen, beispielsweise in einem integrierten Myasthenie-Zentrum, der Erfahrung in der Therapie dieser seltenen Erkrankung hat. Zusätzlich sollten sie einen guten niedergelassenen Neurologen und einen zuverlässigen Hausarzt haben. Abgesehen davon sollten Menschen mit Myasthenia gravis versuchen, ihre Erkrankung auch psychisch zu bewältigen. Da kann neben professioneller psychologischer Hilfe auch beispielsweise eine Selbsthilfegruppe helfen.

Patienten mit Myasthenia gravis können selbst einiges zum Behandlungserfolg beitragen. Dazu gehört die Therapietreue, das heißt die regelmäßige Einnahme der Medikamente. Ein Problem sind hier viel häufiger die nötigen Laboruntersuchungen bei Arzneimitteln, die das Immunsystem unterdrücken, den Immunsuppressiva. Hier müssen bei Behandlungsbeginn und bei jeder Dosisänderung häufige Blutentnahmen durchgeführt werden, um mögliche Nebenwirkungen zu entdecken. Eine Leberfunktionsstörung oder Veränderungen der weißen Blutkörperchen merken die Patienten selbst erst dann, wenn es wirklich gefährlich wird. Sie sollten auf jeden Fall rasch ihren behandelnden Arzt kontaktieren. Denn jede Verschlechterung, z. B. im Rahmen von Infekten, kann in eine myasthene Krise münden. Vor allem bei Schluckstörungen oder einer Atemnot sollten Betroffene rasch handeln.

Auch die Lebensqualität ist ein wichtiges Maß, etwa in Bezug auf eine Depression oder eine chronische Erschöpfbarkeit, die sogenannte Fatigue. Die Patienten können aber auch eigene Kriterien bestimmen, zum Beispiel, wie lange sie es schaffen, spazieren zu gehen. Je besser ein Patient seinen Krankheitsverlauf schildern kann, umso besser ist die Grundlage für die Therapieentscheidung. Der sogenannte Myasthenia Gravis Activities of Daily Living-Fragebogen, kurz MG-ADL, ist wissenschaftlich anerkannt und ermöglicht es dir, einen langfristigen Überblick über deinen Krankheitsverlauf zu erhalten.

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Im Gegensatz zu früher raten wir unseren Patienten heute außerdem, aktiv zu bleiben. Eine gute Mischung aus Muskelaufbau und Kardiotraining ist auf jeden Fall sinnvoll. Menschen mit Myasthenia gravis sollten dabei nicht bis an die Belastungsgrenze trainieren, sondern etwas davor aufhören.

Spezialisten für Myasthenia Gravis finden

Die Myasthenia Gravis wird durch Fachärzte der Neurologie behandelt. In Kliniken für Neurologie werden Patienten von ihrer Diagnose über die Therapie bis hin zur Rehabilitation betreut. Es gibt in Deutschland spezialisierte Myasthenie-Zentren, die eine umfassende Betreuung anbieten. Diese Zentren arbeiten oft interdisziplinär mit verschiedenen Fachrichtungen zusammen, um eine optimale Versorgung zu gewährleisten.

Einige Beispiele für solche Zentren sind:

  • Myasthenie-Ambulanz, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsmedizin Mainz: Hier können sich Patienten zur Erstvorstellung anmelden.
  • Interdisziplinäres Myastheniezentrum (iMZ) des Universitätsklinikums Münster: Hier kümmern sich Thoraxchirurgen, Physiotherapeuten, Logopäden und Neurologen Hand in Hand um die Betreuung der Betroffenen.
  • Integrierte Myastheniezentrum der Charité: Die Myasthenie-Ambulanz der Charité bietet eine umfassende Diagnostik und Therapie myasthener Syndrome an.
  • iMZ Neurologie LMU-Klinikum München: Das iMZ an der Neurologischen Klinik des LMU-Klinikums mit dem Friedrich-Baur-Institut und Institut für Neuroimmunologie unterstützt Patienten, Angehörige, Ärzte, Sozialarbeiter, Krankenkasse, Versorgungsämter, und Physiotherapeuten in Fragen zur Versorgung von Betroffenen mit einer erworbenen und angeborenen Myasthenie.

Die "Deutsche Myasthenie Gesellschaft" (DMG) ist die zentrale Anlaufstelle für alle Fragen rund um Myasthenia gravis, das Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom (LEMS) und die kongenitalen myasthenen Syndrome (CMS). Unterstützt wird die Arbeit der DMG durch ein Netzwerk führender Ärztinnen, Ärzte und Wissenschaftler aus spezialisierten Myasthenie-Zentren in ganz Deutschland.

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