Myasthenia gravis ist eine seltene Autoimmunerkrankung, von der in Deutschland etwa 10.000 Menschen betroffen sind. Die Erkrankung ist durch eine Störung der Signalübertragung zwischen Nerven und Muskeln gekennzeichnet, was zu Muskelschwäche und schneller Ermüdung führt. Obwohl Myasthenia gravis nicht heilbar ist, gibt es eine Vielzahl von Behandlungsoptionen, die eine gute Stabilisierung der Symptomatik ermöglichen und den Betroffenen ein nahezu unbeeinträchtigtes Leben ermöglichen können.
Was ist Myasthenia Gravis?
Die Myasthenie (Myasthenia gravis) ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das körpereigene Immunsystem die Rezeptoren (Andockstellen) für bestimmte Botenstoffe angreift. Das stört die Signalübertragung vom Gehirn an den Muskel. Der Muskel kann Bewegungen nicht mehr genau oder mit ausreichender Kraft ausführen oder ist ganz gelähmt.
Meist beginnt die Krankheit schleichend und asymmetrisch, am häufigsten an den Augenmuskeln mit Doppelbildern oder einem Herabhängen des Augenlids. Viele betroffene Menschen haben Störungen beim Kauen, Schlucken oder Sprechen, aber auch die Muskulatur der Arme und Beine kann betroffen sein.
Symptome der Myasthenia Gravis
Die Myasthenia gravis zeigt sich in ganz unterschiedlichen Symptomen:
- Schwäche in den Muskeln
- Schwierigkeiten beim Greifen und Heben
- Rasches Ermüden
- Probleme, die Augenlider zu heben
- Probleme, den Mund zu schließen, zu sprechen, zu lachen oder zu essen.
Die Beschwerden sind oft belastungsabhängig, das heißt, nach körperlicher Anstrengung stärker als am Morgen und nach Ruhephasen. Wenn die Erkrankung die Atemmuskeln befällt, droht Lebensgefahr. In schweren Fällen muss der Patient künstlich beatmet werden. Auch Schluckstörungen können zu ernsten Komplikationen führen. Wenn Speiseteile oder Getränke in die Lunge statt in die Speiseröhre gelangen, kann es zu einer Lungenentzündung kommen.
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Diagnostik von Myasthenia Gravis
Die Diagnose der Myasthenia gravis basiert auf den typischen Beschwerden, die die Erkrankung mit sich bringt. In bestimmten klinischen Tests, zum Beispiel dem Simpson-Test, können die Muskelbeschwerden belastungsabhängig objektiviert werden. Auch die Testung des Atemstoßes kann mit einer verminderten Vitalkapazität eine Atemmuskelschwäche anzeigen.
Mit der Elektrophysiologie können mit einer Serienstimulation muskuläre Schwächen bereits frühzeitig objektiviert werden und ein Behandlungserfolg kontrolliert werden. Mit der Elektrophysiologie können durch eine Tumorerkrankung hervorgerufenen myasthene Syndrome, zum Beispiel das Lambert-Eaton Syndrom, abgegrenzt werden.
Manchmal ist die Myasthenie mit anderen Autoimmunerkrankungen wie einer Schilddrüsenerkrankung oder einem Lupus erythematodes vergesellschaftet, so dass man auf das Vorliegen einer anderen Erkrankung aus dem rheumatologischen Formenkreis achten muss.
Um die Diagnose zu sichern, nutzen Ärzte spezielle Tests:
- Simpson-Test: Der Arzt prüft, wie lange der Patient die Augenlider weit geöffnet halten kann.
- Test der Muskelreaktion nach elektrischer Stimulation bestimmter Nerven
- Untersuchung des Blutes und von Muskelgewebe auf typische Antikörper
- Logopädische Untersuchung der Rachen- und Kaumuskeln
Therapie von Myasthenia Gravis
Die Erkrankung ist zwar nicht heilbar, es existieren jedoch medikamentöse Therapien, die durch eine Verbesserung der Signalübertragung zwischen Nerv und Muskel die Symptome der Erkrankung lindern können. Gleichzeitig können sie den Verlauf der Erkrankung günstig beeinflussen.
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Wird die entzündlich neuromuskuläre Autoimmunerkrankung dagegen frühzeitig erkannt und behandelt, können Betroffene mithilfe einer medikamentösen Therapie ein nahezu unbeeinträchtigtes Leben führen. Hierfür stehen verschiedene Wirkstoffe zur Verfügung:
- Acetylcholinesterasehemmer: Mit diesem Wirkstoff wird der Abbau des Botenstoffes Acetylcholin gebremst und damit die Reizübertragung von den Nerven zu den Muskeln verbessert.
- Kortison: Kortison zählt zu den Standardtherapeutika. Mit dem körpereigenen Hormon wird die Überaktivität des Immunsystems gedämpft.
- Immunsuppressiva: Sie werden eingesetzt, um die Neubildung von Antikörpern zu bremsen. Sie haben in der Regel während einer Langzeitbehandlung weniger starke Nebenwirkungen als Kortison. Der Behandlungserfolg tritt mit diesen Medikamenten jedoch erst mit einer gewissen Verzögerung ein.
- Biologika: Neuartige monoklonale Antikörper wie Rituximab und Eculizumab, greifen spezifisch in den Krankheitsprozess ein und können das Krankheitsgeschehen in bestimmten Konstellationen nachhaltig positiv zu beeinflussen.
Am Deutschen Zentrum Immuntherapie kann die Erkrankung in interdisziplinärere Zusammenarbeit mit den beteiligten Kliniken zudem mittels Immuntherapie behandelt werden. Bei dieser kommen spezielle Immuntherapeutika zum Einsatz, die die Bildung schädigender Antikörper unterdrücken.
Zur Behandlung der Autoimmunerkrankung kommen Kortikoide oder andere immunsuppressive Therapien wie zum Beispiel das Azathioprin zum Einsatz. Beschwerden werden durch die Einnahme von Medikamenten, die die Wirkung des Acetylcholins an der motorischen Endplatte imitieren (Pyridostigmin und Neostigmin), verbessert. Hier müssen je nach Schwere der Beschwerden die richtige Dosis und die richtigen Zeitpunkte ermittelt werden.
Ebenso wichtig für den Patienten ist es, auf Verschlechterungen zu reagieren, das heißt frühzeitig Infektionen behandeln zu lassen und auf die Nebenwirkungsprofile einzunehmender Medikamente zu achten. Es gibt einige Medikamente, zum Beispiel Antibiotika, die Beschwerden einer Myasthenie dramatisch verschlechtern und auch zu einer Myasthenen Krise führen können. Patienten mit Myasthenie sollten sich unbedingt regelmäßig bei spezialisierten Neurologen vorstellen und Lebensereignisse wie Schwangerschaften oder anstehende Operationen stets mit ihrem Neurologen planen.
Spezialisierte Therapie bei Beschwerden der Rachen- und Atemmuskulatur
Die MEDICLIN Klinik Reichshof ist auf die Therapie von Beschwerden der Rachen- und Atemmuskulatur durch eine Myasthenie spezialisiert. Dieses umfasst:
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- intensives Atemtraining durch Sport- und Ergotherapeuten
- Sprach- und Schlucktherapie: Dabei wird beispielsweise die Ernährung angepasst
- ergotherapeutische Beratung über eine mögliche Versorgung mit Hilfsmitteln
- psychologische Unterstützung zum Umgang mit der Erkrankung
Thymektomie
Lässt sich jedoch ein Thymustumor nachweisen, reicht eine medikamentöse Therapie allein meist nicht mehr aus und eine Operation wird notwendig.
Myasthenie-Zentren in Deutschland
In einem Myasthenie-Zentrum werden Patient*innen mit neuromuskulären Erkrankungen, insbesondere Myasthenia gravis, betreut. Die Behandlung wird individuell je nach Verlauf der Erkrankung und unter Berücksichtigung der jeweiligen Lebensumstände durchgeführt. Dazu gehört eine umfassende Beratung zu verschiedenen Lebensbereichen, die von der Krankheit betroffen sein können, z. B. Berufstätigkeit, Reisen, Sport und Familienplanung.
Die Myasthenie-Spezialambulanz der LVR-Klinik Bonn hat sich dem freiwilligen Zertifizierungsverfahrens der Deutschen Myasthenie Gesellschaft e. V. (DMG), das in Zusammenarbeit mit dem BQS-Institut für Qualität und Patientensicherheit GmbH durchführt wird, wiederholt gestellt und darf die Auszeichnung „Integriertes Myasthenie-Zentrum“ weitere fünf Jahre tragen. Ziel ist die Qualitätssicherung und kontinuierliche Qualitätsverbesserung, was insbesondere patientenrelevante Aspekte, aber auch die Ausstattung und das Vorgehen nach Behandlungsstandards beinhaltet.
Die Klinik für Neurologie am Klinikum Altenburger Land verfügt über langjährige Erfahrungen in der Behandlung von Patienten mit Myasthenia gravis. In diesem Haus finden Sie alle Möglichkeiten, die es für eine hochspezialisierte Behandlung dieser seltenen Erkrankung bedarf. Angefangen von den Spezialsprechstunden für Myasthenie in unserem Medizinischen Versorgungszentrum bis zur intensivmedizinischen Betreuung auf unserer Neurologischen Intensivstation, von der neurologischen Normalstation bis zur ambulanten Rehabilitation. Wir bieten in unserem Zentrum alle bewährten und neuen diagnostischen und therapeutischen Verfahren (inklusive natürlich Immunadsorption und Plasmapherese) an.
Das zweite von der Deutschen Myasthenie-Gesellschaft zertifizierte integrierte Myasthenie-Zentrum in ganz Ostdeutschland ist das Klinikum Altenburger Land.
Das iMZ an der Neurologischen Klinik des LMU-Klinikums mit dem Friedrich-Baur-Institut und Institut für Neuroimmunologie unterstützt Patienten, Angehörige, Ärzte, Sozialarbeiter, Krankenkasse, Versorgungsämter, und Physiotherapeuten in Fragen zur Versorgung von Betroffenen mit einer erworbenen und angeborenen Myasthenie. Alle diagnostischen und therapeutischen Optionen sind in unserem Klinikum der Maximalversorgung mit Beteiligung assoziierter Kliniken und Institute vorhanden:
- Klinik und Poliklinik für Neurologie des LMU-Klinikums mit dem Institut für Neuroimmunologie (Klinikum Grosshadern)
- Friedrich-Baur-Institut (Innenstadtklinikum) (iMZ Leitung)
- Institut für Neuroradiologie und Radiologie des LMU-Klinikums
- Abteilungen für Thoraxchirurgie des LMU-Klinikums
- Augenklinik des LMU-Kinikums
Seit August 2019 finden sich Experten am interdisziplinären Myastheniezentrum (iMZ) des Universitätsklinikums Münster mit seiner Spezialambulanz. Hier kümmern sich Thoraxchirurgen, Physiotherapeuten, Logopäden und Neurologen Hand in Hand um die Betreuung der Betroffenen. Um die chronisch Kranken auf ihrem Weg von der Kinder- und Jugend- in die Erwachsenenmedizin optimal zu begleiten, sind die Pädiater eng in das Konzept eingebunden. Sie sind neben anderen Fachdisziplinen beteiligt, wenn komplexe Krankheitsgeschichten in der neuroimmunologischen Fallkonferenz besprochen werden.
Forschung zur Myasthenia Gravis
Neben der klinischen Versorgung wird ein wesentliche Fokus auf die weitere Erforschung der Myasthenie gelegt. So kooperiert das iMZ Münster mit anderen Zentren, um under anderem aus Blutproben eine Biobank aufzubauen. Zudem ist Münster Partner des Myasthenieregisters der Deutschen Myasthenie-Gesellschaft, das detaillierte klinische Informationen für die optimale Betreuung liefert. Durch diese enge Verzahnung werden einerseits die Facetten der vielfältigen Krankheit dokumentiert, was langfristig bei der schwierigen Diagnose helfen kann. Andererseits kann anhand der Proben die genaue Wirkung von Therapien analysiert und das Ansprechen ggf.
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