Myasthenia gravis, oft auch Myasthenie genannt, ist eine seltene neurologische Autoimmunerkrankung, die durch belastungsabhängige Muskelschwäche gekennzeichnet ist. In Deutschland sind etwa 16.000 Menschen betroffen. Die Erkrankung ist nicht heilbar, aber dank vielfältiger und individuell abstimmbarer Therapiemöglichkeiten unter fachärztlicher Kontrolle gut einstellbar. Mit Verlaufsschwankungen ist besonders in den ersten Jahren der Erkrankung immer wieder zu rechnen. Körperliche und psychische Belastungen wirken symptomverstärkend und sollten weitgehend vermieden werden. Der Alltag sollte auf die Erkrankung abgestimmt werden. So ist die Belastbarkeit am Morgen größer als am Abend, und Ruhephasen zur Erholung sollten immer wieder eingeplant werden.
Was ist Myasthenia Gravis?
Myasthenia gravis ist eine seltene neurologische Erkrankung, die in den meisten Fällen eine belastungsabhängige Muskelschwäche verursacht. Es handelt sich um eine chronische Autoimmunerkrankung, bei der die Signalübertragung vom Nerv zum Muskel gestört ist. Dies führt zu einer schnelleren Ermüdbarkeit der betroffenen Muskulatur. Die Erkrankung wird zu den seltenen Erkrankungen gezählt. In der Europäischen Union wird eine Erkrankung als selten definiert, sofern maximal 5 von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind. Die geschätzte Prävalenz in Deutschland liegt bei rund 39 betroffenen Personen pro 100.000 Einwohnern.
Symptome
Die Symptome der Myasthenia gravis können stark variieren und den Alltag der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Typische frühe Symptome sind hängende Augenlider (Ptose) und Doppelbilder, die bei etwa 70 % der Patient*innen auftreten. Die Muskelschwäche nimmt bei wiederholten Bewegungen und gegen Ende des Tages zu und wird durch Ruhe gemildert. Andere Symptome wie Sprach- und Schluckstörungen sowie Probleme, den Kopf zu halten oder zu bewegen, können ebenfalls bereits im Frühstadium auftreten. Im späteren Verlauf kann die Erkrankung auf Oberkörper, Arme und Beine übergreifen.
Sprachstörungen bei Myasthenia Gravis
Sprechstörungen betreffen die Artikulation der Sprache und führen zu einer beeinträchtigten Sprachproduktion. Betroffene berichten von abgehacktem, stakkatoartigem, gehauchten, unregelmäßigem, unpräzisem und monotonem Sprechen, während die Sprache selbst richtig angewendet und verstanden wird. Schluck- und Sprachstörungen treten bei etwa 15 % der Betroffenen auf.
Ursachen
Die Ursache der Myasthenia gravis liegt in Antikörpern, die die Verbindung zwischen Nerven- und Muskelfaser angreifen. Die Übertragung des Signals vom Nerv zum Muskel erfolgt durch den Botenstoff Acetylcholin. Die Antikörper richten sich gegen die Stellen an der Muskelfaser, an denen das Acetylcholin bei einer normalen Signalübertragung wirkt (Acetylcholinrezeptoren). Dadurch empfängt der Muskel weniger Nervensignale und ermüdet bei Belastung unverhältnismäßig schnell. Die genaue Ursache dieser Autoimmunerkrankung ist bis heute ungeklärt. Es gibt jedoch oft einen Zusammenhang mit einer Entzündung, Vergrößerung oder einem Tumor des Thymus, einem Organ des Immunsystems. Als Auslöser einer myasthenen Exazerbation (Verschlechterung des Krankheitsbildes) konnten bestimmte Medikamente, Krankheit, Stress oder Schwangerschaft identifiziert werden.
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Diagnose von Myasthenia Gravis
Die Diagnose wird in erster Linie aufgrund der geschilderten Beschwerden der Patient*innen gestellt. Es wird nach möglichen Auslösern, bestehenden Vorerkrankungen, Rauchen und eingenommenen Medikamenten gefragt. In der ärztlichen Untersuchung kann anhand standardisierter Tests eine Ermüdung der Muskulatur festgestellt werden. Eine neurologische Untersuchung überprüft die Hirnnervenfunktionalität.
Diagnostische Tests
- Klinische Tests: Haltetests des Kopfes, der Arme und Beine oder der Eisbeutel-Test bei oberer Lidschwäche.
- Blutuntersuchungen: Bestimmung von Antikörpern gegen Acetylcholinrezeptoren (AChR-AK), MuSK (muskelspezifische Rezeptor-Tyrosinkinase) oder LRP4. Bei etwa 85 % der Myasthenie-Patienten ist ein Antikörper gegen den Acetylcholinrezeptor (anti-AChR-AK) im Blut nachweisbar. Allerdings sind bei 50 % der Betroffenen mit ausschließlich Augensymptomen und bei 15 % der Betroffenen mit einer generalisierten Myasthenie-Symptomatik keine AChR-Antikörper nachweisbar.
- Elektromyographische Untersuchung: Messung der elektrischen Aktivität in den Nerven und Muskeln.
- Bildgebung der Thymusdrüse: CT mit Kontrastmittel des vorderen oberen Brustkorbs zum Nachweis einer Vergrößerung der Thymusdrüse oder eines Thymoms.
- Pharmakologische Tests: z.B. Edrophoniumchlorid-Test oder Pyridostigmin-Test.
Therapieansätze bei Myasthenia Gravis
Die Therapie zielt auf eine Verbesserung der Muskelkraft und eine Wiederherstellung oder Beibehaltung der Lebensqualität ab. Das genaue Therapieschema hängt vom Alter, möglicherweise betroffenen Thymus, Antikörper-Status und von der Krankheitsaktivität ab.
Medikamentöse Therapie
- Acetylcholinesterasehemmer: (z. B. Pyridostigmin) erhöhen die Menge des Neurotransmitters Acetylcholin und verbessern so die Signalübertragung.
- Kortikosteroide: (z. B. Prednisolon) dämpfen als körpereigene Hormone die Überaktivität des Immunsystems und erzielen rasch eine deutliche Symptomverbesserung.
- Immunmodulatoren: (z. B. Azathioprin) führen dazu, dass weniger Antikörper gebildet werden.
- Intravenös verabreichte Immunglobuline: Antikörper, die aus Spenderblut der Normalbevölkerung gewonnen werden.
- Plasmapherese: Austausch des Blutplasmas.
- Eskalationstherapie: Spezielle Medikamente gegen Zellen des Immunsystems.
- Biologika: Neuartige monoklonale Antikörper wie Rituximab und Eculizumab, greifen spezifisch in den Krankheitsprozess ein und können das Krankheitsgeschehen in bestimmten Konstellationen nachhaltig positiv beeinflussen.
Thymektomie
In vielen Fällen ist eine Entfernung des Thymus (Thymektomie) wirksam. Bei Patientinnen und Patienten mit einer Myasthenie findet sich bei 10 - 15 % der Betroffenen ein Thymom.
Begleitende Maßnahmen
- Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und Schulungen.
- Bewegungs-, Trainings- und Entspannungstherapie.
- Spezielle Brillen: Zur symptomatischen Behandlung der Augenprobleme.
Leben mit Myasthenia Gravis
Der Alltag sollte auf die Erkrankung abgestimmt werden. So ist die Belastbarkeit am Morgen größer als am Abend und Ruhephasen zur Erholung sollten immer wieder eingeplant werden. Die Erkrankung kann in jeder Altersgruppe auftreten, und der Verlauf variiert stark. Das Krankheitsbild kann sich von Tag zu Tag ändern, und andere körperliche und psychische Belastungen können die Symptome verstärken. In 3/4 der Fälle lassen sich die Krankheitssymptome mit der medikamentösen Therapie jedoch gut unter Kontrolle bringen, sodass die Betroffenen ein normales Leben mit wenigen bis keinen Symptomen führen können.
Wichtige Hinweise
- Vermeiden Sie Temperaturextreme. Patientinnen und Patienten mit myasthenen Syndromen vertragen Hitze meist schlechter.
- Planen Sie bei Reisen ausreichend Pausen ein.
- Passen Sie die Aktivitäten am Urlaubsziel immer an ihre aktuelle Konstitution an.
- Beachten Sie von vorneherein, dass einige Unternehmungen (Wanderungen, Sightseeing) nur bedingt möglich sind und ihre Kräfte schnell schwinden können.
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