Die Myasthenia gravis (MG) und das Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom (LEMS) sind beides neuromuskuläre Erkrankungen, die die Impulsübertragung zwischen Nerven und Muskeln stören und zu Muskelschwäche führen. Trotz dieser Gemeinsamkeit unterscheiden sich die beiden Erkrankungen hinsichtlich ihrer Entstehung, Symptome und Therapieoptionen erheblich. Dieser Artikel beleuchtet die Unterschiede zwischen Myasthenia gravis und dem Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom.
Grundlagen der Myasthenia Gravis
Myasthenia gravis (von griechisch mys "Muskel", -asthenie "Schwäche", lateinisch gravis "schwer") bedeutet schwere Muskelschwäche. Die Erkrankung ist durch eine asymmetrische, schmerzlose und belastungsabhängige Schwäche der Skelettmuskulatur gekennzeichnet, die sich typischerweise in Ruhe bessert. Vor allem wiederholte Bewegungen führen zu einer raschen muskulären Ermüdbarkeit. Die Schwäche kann im Prinzip alle willkürlich aktivierbaren Muskeln des Körpers betreffen.
Es handelt sich um eine Autoimmunerkrankung, deren Ursache in einer Fehlregulation des Immunsystems liegt. Im Rahmen dieser Fehlregulation kommt es u.a. zur Bildung von Antikörpern, die bestimmte Bindungsstellen an den Muskelfasern besetzen und beschädigen. Dies verursacht eine gestörte Signalübertragung von den Nerven auf die betroffenen Muskeln. Die krankheitsvermittelnden Antikörper lassen sich bei ca. 85 % aller Patienten nachweisen. Dabei ist der Acetylcholin-Rezeptor-Antikörper deutlich häufiger nachweisbar als der MuSK-Antikörper.
Symptome der Myasthenia Gravis
Die Symptome der Myasthenia gravis sind sehr vielseitig und häufig auch typisch für andere Erkrankungen. Typisch sind das hängende Augenlid (Ptose) und Sehstörungen, wie etwa Doppelbilder. Außerdem sind die Beschwerden von Person zu Person unterschiedlich und können sich obendrein im Laufe der Zeit verändern. Das Kardinalssymptom ist viel mehr der Zeitpunkt, zu dem die Symptome auftreten bzw. sich intensivieren und wann sie nachlassen. Dabei sind bestimmte Muskelgruppen häufiger betroffen als andere. Typisch ist zum Beispiel die Ermüdung der Augenmuskulatur und der Augenlidbewegung. Auch die Mimik und die für Kauen, Sprechen und Schlucken zuständigen Muskelgruppen sind häufig (aber nicht immer) betroffen. Oft tritt die Erkrankung sehr plötzlich auf, während der Grad der Muskelschwäche sowohl nach Tagesform als auch von Person zu Person unterschiedlich ist, was die Definition allgemeiner Anhaltspunkte für die Diagnose umso schwieriger macht.
Die Augen sind bei Myasthenia gravis meist schon im Frühstadium von Symptomen betroffen. Dies kann zu Entzündungen und sogar zur Zerstörung von Gewebe und Organen führen. Das geschieht, da der Körper sogenannte Autoantikörper (AAk) bildet, die eigentlich dazu dienen, Viren oder Bakterien abzuwehren. Im Falle einer Autoimmunerkrankung richten sich diese Antikörper jedoch gegen den eigenen Körper. Bei Myasthenia gravis richten sich die Antikörper gegen Rezeptoren und Enzyme, welche für die Kommunikation zwischen Nervenzellen und Muskeln sehr wichtig sind.
Lesen Sie auch: Medikamentenliste für Myasthenia Gravis – Achtung!
Diagnose der Myasthenia Gravis
Die Diagnose der Myasthenia gravis kann umso zielführender ablaufen, je besser Patientinnen und Patienten und deren Angehörige wissen, was sie bei einem Arzttermin erwartet. Insbesondere auf bestimmte Fragen in der Anamnese kann man sich gezielt vorbereiten, woraufhin die Ärztinnen und Ärzte besser abwägen können, welche anschließenden Untersuchungen notwendig sind. Die klinische Anamnese bezüglich der medizinischen Vorgeschichte nimmt einen sehr wichtigen Stellenwert ein, ähnlich wie die Erfahrung der behandelnden Ärztinnen und Ärzte. Die Patientinnen und Patienten werden gezielt nach Doppelbildern, Kau- und Schluckbeschwerden, Gewichtsabnahme und der Verschlechterung der Symptomatik unter Belastung bzw.
Es können verschiedene Tests durchgeführt werden, wie z.B. Tests, die helfen können, die Diagnose zu bestätigen, sind z.B. Ein weiterer Test, der sich z. B. für die Überprüfung von Sehstörungen und anderen Symptomen der Augen eignet, ist der pharmakologische Test mit Edrophoniumchlorid. Dabei handelt es sich um einen kurzwirksamen Cholinesterasehemmer. Wie bereits eingangs in diesem Ratgeber erwähnt, bauen Cholinesterasen das Acetylcholin an den Rezeptoren der motorischen Endplatte ab. Wenn diese Enzyme gehemmt werden, erhöht sich dadurch folgerichtig kurzzeitig die Konzentration von ACh an den Rezeptoren der Muskeln. Die Muskelspannung steigt dadurch für kurze Zeit an. Vor dem Test werden die Patientinnen und Patienten gebeten, mehrmals die Augen zu schließen und zu öffnen. Durch diesen repetitiven Vorgang kommt es bei Patientinnen und Patienten mit Myasthenia gravis zur Ermüdung der Muskeln und die Augenlider beginnen zu hängen. Zudem können Sehstörungen wie Doppelbilder auftreten. Anschließend wird den Betroffenen eine Injektion mit Edrophoniumchlorid verabreicht. Nun sollen Sie die Augen erneut mehrmals öffnen und schließen.
Blutuntersuchungen sind wichtig, um Antikörper zu erkennen, die die Rezeptoren, an denen die Nervenimpulse die Muskeln ansteuern, beeinträchtigen oder die Enzyme, welche an der Bildung der Rezeptoren beteiligt sind. Getestet wird zum Beispiel auf Anti-Acetylcholinrezeptor-AK, Anti-MuSK-AK, Anti-LRP4-AK und Anti-Titin-AK. Auf Letztere wird das Blut untersucht, wenn der Verdacht auf Tumore der Thymusdrüse besteht, sogenannte Thymome. Sowohl gutartige als auch bösartige Tumore des Thymus können Myasthenia gravis verursachen. Auf dieser Basis können auch bestimmte Behandlungsentscheidungen, zum Beispiel für die Entfernung des Thymus, getroffen werden. Davon profitieren mitunter auch Patientinnen und Patienten ohne Thymome, da die Antikörper, die sich gegen die ACh-Rezeptoren oder andere wichtige Enzyme richten, vor allem in der Thymusdrüse gebildet werden.
Repetitive Nervenstimulation und Einzelfaser- Elektromyographie (EMG) messen die elektrische Aktivität zwischen dem Gehirn und den Muskeln. Lungenfunktionstests können durchgeführt werden, um zu prüfen, ob die Erkrankung Auswirkungen auf die Atmung hat. Das ist wichtig, denn wenn die Myasthenia gravis sich auf die Atemmuskulatur auswirkt, kann dies zu einer Ateminsuffizienz führen, die lebensbedrohlich ist. Störungen der Atmung bei Myasthenia gravis können sich in Form einer schwachen, heiseren Stimme, eines schwachen Hustens oder eines häufigen Atemholens beim Sprechen äußern.
Therapie der Myasthenia Gravis
Die Therapie der Myasthenie erfolgt individualisiert in Abhängigkeit von Verlaufsform und Schweregrad der Erkrankung. Als chronische Erkrankung ist eine regelmäßige Anpassung der Therapie notwendig. Die Therapie umfasst die symptomatische medikamentöse Therapie zur Linderung der Beschwerden sowie die ursächliche medikamentöse und chirurgische Immuntherapie durch Entfernung der Thymusdrüse (Thymektomie). Ein Thymom ist ein in der Regel gutartiger Tumor der Thymusdrüse, der sich bei 15 % aller Myasthenie-Patienten findet. Daher muss bei allen Myasthenie-Patienten nach einem Thymom gesucht werden. Ein Thymom muss immer operativ entfernt werden.
Lesen Sie auch: Alles über Myasthenia Gravis
Die Myasthenie-Ambulanz der Charité, ein von der Deutschen Myasthenie Gesellschaft (DMG) zertifiziertes interdisziplinäres Myastheniezentrum, bietet eine umfassende Diagnostik und Therapie myasthener Syndrome an. Dies beinhaltet die Sicherung der Verdachtsdiagnose Myasthenia gravis mittels spezifischer Laboruntersuchungen (Antikörper-Testung) sowie elektrophysiologischer (Dekrement-Test, Einzelfaser-EMG) und pharmakologischer Tests (Tensilon-Test), die differentialdiagnostische Zuordnung und Therapie anderer neuromuskulärer Erkrankungen, z.B. Lambert-Eaton Myasthenes Syndrom (LEMS) und Congenitale Myasthene Syndrome (CMS), die Zuweisung zur Zweitmeinung bei unklarer Diagnose oder Behandlungsmöglichkeiten, die Abklärung einer möglichen Thymuspathologie mittels bildgebender Verfahren (CT Thorax mit Kontrastmittel oder MRT Thorax), die Festlegung eines Therapieplans und Umsetzung entlang eines an der Krankheitsaktivität orientierten Stufenplans gemäß der aktuellen DGN-Leitlinie zur "Diagnostik und Therapie myasthener Syndrome", den Einsatz der modernsten Therapieverfahren inklusive der neuen Immunmodulatoren (Inhibitoren von Komplement C5 bzw. des neonatalen Fc-Rezeptors) sowie der B-Zell- Immunsuppressiva bei hochaktiven Krankheitsverläufen, die Therapie auf einer neurologischen Normal- oder interdisziplinären Neurointensivstation zur Bahnung einer Therapieeskalation bei (drohender) myasthener Krise mittels Gabe von Immunglobulinen oder Plasmapherese / Immunadsorption, die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit dem Bereich Thoraxchirurgie (Leitung Prof. Dr. Rückert) der Chirurgischen Klinik bei Thymektomie, die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den Klinik für Geburtsmedizin und Neonatologie im Rahmen von Schwangerschaften und Entbindungen, die langjährige Betreuung von Patienten und Patientinnen zur Verlaufsbeurteilung und Therapieoptimierung und die Beratung zu besonderen Fragen im Kontext mit der Myasthenie, wie z.B. Familienplanung und Führerschein.
Das Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom (LEMS)
Das Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom (LEMS) ist eine sehr viel seltenere neuromuskuläre Erkrankung als die Myasthenia gravis, die durch eine präsynaptische Störung der neuromuskulären Signalübertragung gekennzeichnet ist. Das LEMS kommt ca. 50mal seltener vor als die Myasthenie und ist damit im Vergleich zur Myasthenia gravis (MG) ca. 10 - 20-mal seltener. Diesem Syndrom liegt ein Autoimmunprozess mit Bildung von Antikörpern zugrunde, der sich gegen spannungsabhängige Kalziumkanäle vom P/Q-Typ richtet.
Beim LEMS ist die Impulsübertragung zwischen Nerv und Muskel (Synapse) gestört. Ursache dafür ist ein Autoimmunprozess, der mit der Bildung von Antikörpern die Freisetzung des Botenstoffs Azetylcholin an der Überleitung von Nerv zu Muskel an den spannungsabhängigen Kalziumkanälen vom P/Q-Typ blockiert (präsynaptisch).
Ursachen des LEMS
Das LEMS kann in zwei Hauptformen auftreten:
Paraneoplastisch (pLEMS): Durch einen Tumor bedingt (ca. 40-60 % der Fälle). Bei ca. 40-60 % der Fälle kann dem LEMS ein Tumor (meist ein kleinzelliges Bronchialkarzinom) bis max. fünf Jahre vorausgehen. Die Autoimmunreaktion wird hierbei durch den Tumor ausgelöst. Der häufigste zugrunde liegende Tumor ist das kleinzellige Bronchialkarzinom (SCLC).
Lesen Sie auch: Myasthenie und Sauna: Infos
Autoimmun (aiLEMS): Ohne beteiligte Tumorerkrankung (ca. 2/3 der Patienten).
Das LEMS kann in jedem Alter auftreten, selten sogar im Jugendalter. Zwischen 30 und 40 Jahren erkranken mehr Frauen an LEMS, das dann oftmals ohne Tumornachweis verläuft (aiLEMS).
Symptome des LEMS
Der Beginn der Erkrankung ist oftmals rasch fortschreitend. Die Symptomatik der raschen Ermüdbarkeit und Schwäche betrifft die Becken- und Oberschenkelmuskulatur (bei 100 % der Betroffenen). Die Gehstrecke kann z. T. Das Gangbild wird oftmals wie mit „Bleischuhen“ beschrieben, der daraus resultierende „Watschelgang“ kann zu einer erhöhten Stolperneigung führen. Die Oberarmmuskulatur und der Schultergürtel können ebenfalls betroffen sein (bei ca. 80 %), eine Augensymptomatik (Doppelbilder, Herabhängen der Augenlider) kann sich zunehmend entwickeln (bei ca. Sollte die Schluck- und Atemmuskulatur betroffen sein, besteht die Gefahr des Verschluckens und einer verminderten Atemfunktion.
Kraftlosigkeit in Beinen, schnelle Ermüdung und autonome Beschwerden können auf LEMS hinweisen. Hauptsymptom ist eine belastungsabhängige Schwäche der rumpfnahen (proximalen) Muskulatur. Begleitend können vegetative Symptome wie z. B.
Diagnose des LEMS
Neben klinischen Tests (z. B. diverse Haltetests, Treppensteigen und Kniebeugen) ist eine elektrophysiologische Untersuchung (EMG) ebenso angesagt wie Laboruntersuchungen zur Antikörperbestimmung (VGCC P/Q-Typ). Mit der Diagnose LEMS gilt es, einen möglichen Tumor mittels einer Computertomographie des Brustkorbs und ggf. einer Ganzkörper-PET-CT nachzuweisen. Wichtig sind der DELTA-P-Score und der Nachweis von SOX1-Antikörpern.
Therapie des LEMS
Die Therapie ist abhängig von der LEMS-Variante. Bei der Diagnose des pLEMS ist die Tumortherapie/Chemotherapie vorrangig. Daneben kann eine medikamentös symptomatische Therapie mit 3,4 Diaminopyridin (3,4 DAP) hilfreich sein. Beim aiLEMS besteht die Therapie aus einer Kombination von 3,4 DAP und Kortikosteroiden, die als körpereigene Hormone die Überaktivität des Immunsystems dämpfen und rasch zu einer Symptomverbesserung führen. Aufgrund der vielfältigen Nebenwirkungen dürfen Kortikoide nicht länger hochdosiert gegeben werden. Immunsuppressiva können erfolgreich die Neubildung von Antikörpern bremsen. Einer akut krisenhaften Verschlechterung des LEMS, z. B.
Die Behandlung kann eine medikamentöse Therapie, eine Infusionstherapie, sowie ggf. Beim LEMS ist die Impulsübertragung zwischen Nerv und Muskel (Synapse) gestört. Ursache dafür ist ein Autoimmunprozess, der mit der Bildung von Antikörpern die Freisetzung des Botenstoffs Azetylcholin an der Überleitung von Nerv zu Muskel an den spannungsabhängigen Kalziumkanälen vom P/Q-Typ blockiert (präsynaptisch).
Prognose des LEMS
Die Prognose bei einem pLEMS hängt von der ursächlichen Tumorerkrankung ab. Beim aiLEMS ist die Aussicht auf eine deutliche Stabilisierung aufgrund einer erfolgreichen Immuntherapie durchaus gegeben. Dank der individuell abstimmbaren Therapiemöglichkeiten ist vor allem das aiLEMS heute - mit Ausnahmen - gut medikamentös behandelbar. Dennoch sind Verlaufsschwankungen in den ersten Jahren charakteristisch. Der Alltag sollte auf die Erkrankung abgestimmt werden, d. h., dass die Belastungen auch unter Medikation gut eingeteilt werden sollten. Eine körperliche Überforderung sollte vermieden werden, da eine Erholung in Ruhe beim LEMS im Gegensatz zur Myasthenie seltener zu beobachten ist.
Unterschiede zwischen Myasthenia Gravis und LEMS im Überblick
| Merkmal | Myasthenia Gravis | Lambert-Eaton-Syndrom (LEMS) |
|---|---|---|
| Häufigkeit | Häufiger | Seltener (ca. 10-20 mal seltener als MG) |
| Ort der Störung | Postsynaptisch (Acetylcholinrezeptoren) | Präsynaptisch (Kalziumkanäle) |
| Ursache | Autoimmun | Autoimmun, oft paraneoplastisch (kleinzelliges Bronchialkarzinom) |
| Antikörper | Gegen Acetylcholinrezeptoren oder MuSK | Gegen spannungsabhängige Kalziumkanäle vom P/Q-Typ |
| Muskelschwäche | Belastungsabhängig, betrifft oft Augenmuskeln zuerst | Betrifft oft Becken- und Oberschenkelmuskulatur, Beinbetonte Gliedergürtelschwäche |
| Weitere Symptome | - | Autonome Symptome (Mundtrockenheit, Obstipation, Störungen von Erektion, Ejakulation und Akkomodation) |
| Elektrophysiologie | Dekrement nach repetitiver Stimulation | Zunehmende Muskelkraft bei repetitiver Stimulation |
| Therapie | Cholinesterasehemmer, Immunsuppressiva, Thymektomie | Tumortherapie (falls paraneoplastisch), 3,4-Diaminopyridin, Kortikosteroide, Immunsuppressiva, Immunglobuline, Plasmapherese oder Immunadsorption |
tags: #Myasthenia #gravis #und #Lambert-Eaton-Syndrom #Unterschiede